Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. 1 StR 564/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15107

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:240118B1STR564.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 564/17
vom
24. Januar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 24.
Januar 2018
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 1.
August 2017, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schwerer [X.] Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Mona-ten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, bei [X.] eines näher bestimmten Teils der Freiheitsstrafe, angeordnet.
Seine auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die nicht ausgeführ-te Sachrüge gestützte Revision hat mit einer Rüge der Verletzung der Mittei-lungspflicht aus §
243 Abs.
4 Satz
2 StPO Erfolg. Der Beanstandung lag [X.] zugrunde:
1.
Im [X.] vom 25.
Juli 2017 kam es auf Anregung des Verteidigers des Angeklagten während der Unterbrechung der Hauptver-1
2
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-
3
-
einer weiteren, den Angeklagten betreffenden prozessualen Tat (Tat 2) gemäß §
154 Abs.
2 StPO erörtert als auch konkrete Strafunter-
und Strafobergrenzen f-der Vorsitzende ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25.
Juli 2017 wie kommt, wobei die Verfahrensbeteiligten offen lassen, ob diese eventuell zu

Am [X.], dem 1.
August 2017, legte der Angeklagte bezüglich der der Verurteilung zugrunde liegenden Tat (Tat 1) ein umfassendes Geständnis ab. Der [X.] der Staatsanwaltschaft [X.] daraufhin die Einstellung des Verfahrens gemäß §
154 Abs.
2 StPO bezüglich Tat
2. Dem kam das [X.] mit einem entsprechenden [X.]sbeschluss nach.
2.
Dieses Geschehen beanstandet die Revision im Ergebnis zu Recht. Der Senat legt die diesbezügliche Verfahrensrüge entgegen der vom Revisions-erstoß gegen §
273 Abs.
1a Satz
1 StPO am der Verletzung der Mitteilungspflicht aus §
243 Abs.
4 Satz
2 StPO aus (vgl. [X.]/Gericke, 7.
Aufl., §
344 Rn.
35 mwN). Nach dem vom Senat aufgrund des [X.], der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden vom 19.
September 2017 und der Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft zugrunde zu legenden Verfahrensablauf ist entgegen §
243 Abs.
4 Satz
2 StPO nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung nicht über den wesentlichen Inhalt (dazu näher etwa [X.], Beschluss vom 10.
Januar 2017

3 [X.], [X.], 363, 364 mwN) des zuvor geführten Gesprächs unterrichtet worden.
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5
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4
-
a)
[X.] genügt den gesetzlichen Anforderungen aus §
344 Abs.
2 Satz
2 StPO. Es wird ein Verfahrensgeschehen beschrieben, dem sich sowohl das Bestehen der vorstehend genannten Pflicht als auch
deren Nichterfüllung noch ausreichend entnehmen lassen.
b)
Das während der Unterbrechung der Hauptverhandlung am 25.
Juli 2016 geführte [X.] war mitteilungspflichtig. Gemäß §
243 Abs.
4 Satz
1 und 2 StPO ist über Erörterungen nach §§
202a, 212 StPO
zu berichten, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegen-stand die Möglichkeit einer Verständigung (§
257c StPO) gewesen ist. Davon ist auszugehen, sobald bei im Vorfeld oder neben der Hauptverhandlung ge-führten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Um-stände einer Verständigung im Raum stehen. Dies ist jedenfalls dann zu beja-hen, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in [X.] zum [X.] gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung nahe liegt ([X.], Urteil vom 19. März 2013

2 BvR 2628/10 u.a., [X.]E 133, 168, 216 f. Rn.
85; [X.], Urteile vom 23.
Juli 2015

3 [X.], [X.], 221, 222 Rn.
12 und vom 3.
Mai 2017

2 StR 576/15, [X.], 49; siehe auch [X.], Beschluss vom 21.
April 2016

2 BvR
t-sprechend ist mitteilungspflichtig jedes ausdrückliche oder konkludente [X.] um eine Verständigung in Gesprächen, die von den Verfahrensbeteiligten insoweit als Vorbereitung einer Verständigung verstanden werden können
([X.], Beschluss vom 14.
April 2015

5 StR 9/15, [X.], 535, 536); im Zweifel wird eine Mitteilung zu erfolgen haben ([X.] aaO [X.]E 133, 168, 216 f. Rn.
85).
6
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-
5
-

c)
Nach diesen Maßstäben hat das außerhalb der Hauptverhandlung ge-führte Gespräch am
25.
Juli 2017 die durch den Vorsitzenden
zu erfüllende Mitteilungspflicht begründet. Wie sich aus dem insoweit durch die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden und die Gegenerklärung der Staatsanwalt-schaft bestätigten Revisionsvortrag ergibt, hat

ausgelöst durch eine entspre-chende Anfrage der Verteidigung

der Vertreter der Staatsanwaltschaft mit einem Geständnis des Angeklagten verbundene Strafunter-
und Strafobergren-zen genannt. Damit lag sogar ein ausdrückliches Bemühen um eine Verständi-gung vor,
weil die Formulierung der Straferwartungen der Staatsanwaltschaft einen [X.] zum weiteren Verhalten eines anderen Verfahrensbeteiligten, einem Geständnis des bis dahin nicht im Sinne des Anklagevorwurfs geständi-gen Angeklagten,
hergestellt hat. Dies begründete die Mitteilungspflicht des Vorsitzenden ungeachtet des Umstands, dass das [X.] selbst keine Straferwartungen formuliert hat.
Der Mitteilungspflicht ist nicht entsprochen worden. Weder nach [X.] noch zu einem späteren Zeitpunkt ist in öffentlicher Hauptverhandlung über den wesentlichen Inhalt des Gesprächs informiert worden. Die bloße [X.] des Ergebnisses, eine Verständigung sei nicht zustande gekommen, erfüllt die Pflicht nicht.
Angesichts dessen kommt es nicht darauf an,
ob

wie von der Revision behauptet, in der dienstlichen Stellungnahme und der Gegenerklärung aber in Abrede gestellt

ein Geständnis des Angeklagten hinsichtlich der Tat
1 mit der Verfahrenseinstellung gemäß §
154 Abs.
2 StPO bezüglich der Tat 2 verknüpft worden ist, was wegen, aber auch lediglich wegen der Koppelung der [X.] einer Tat mit einem Eingestehen einer weiteren Tat ebenfalls die Mittei-8
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10
-
6
-
lungspflicht ausgelöst hätte ([X.], Urteil vom 3.
Mai 2017

2 StR 576/15, [X.], 49, 50; siehe aber
auch Bittmann [X.], 50, 51).
d)
Der Senat kann wegen des bis zum [X.] vom 1.
August 2017 gezeigten Einlassungsverhaltens des Angeklagten nicht aus-schließen, dass der Schuld-
und der Rechtsfolgenausspruch einschließlich der zugrunde liegenden Feststellungen auf der Verletzung der Mitteilungspflicht beruhen. Das bedingt die Aufhebung des Urteils, soweit dieses den Angeklag-ten betrifft, einschließlich der Feststellungen.
Raum Jäger

Radtke

Fischer Bär
11

Meta

1 StR 564/17

24.01.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.01.2018, Az. 1 StR 564/17 (REWIS RS 2018, 15107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15107

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3 StR 216/16

2 BvR 2628/10

3 StR 470/14

2 StR 576/15

5 StR 9/15

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