Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010, Az. XI R 17/08

11. Senat | REWIS RS 2010, 8413

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Gegenstand

(Unternehmereigenschaft einer Gemeinde bei Einsatz eines mit Werbeaufdrucken versehenen Fahrzeugs - Tauschähnlicher Umsatz - Richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG)


Leitsatz

Eine Gemeinde, die sich als Gegenleistung für die Übereignung eines mit Werbeaufdrucken versehenen Fahrzeugs (Werbemobil) verpflichtet, dieses für die Dauer von fünf Jahren in der Öffentlichkeit zu bewegen, ist Unternehmerin. Dies gilt auch dann, wenn die in Abschn. 23 Abs. 4 UStR 2005 genannte Umsatzgrenze von 30.678 € nicht erreicht wird .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Vorsteuern aus einer Rechnung der Marktgemeinde [X.] (Gemeinde) geltend machen kann.

2

Die Klägerin vermarktet [X.]. Sie bietet dazu Vertragspartnern, vor allem Kommunen, Sportvereinen und [X.] Einrichtungen, die Überlassung eines mit Werbeaufschriften zu versehenden Fahrzeugs auf der Basis eines vorbereiteten Vertragstextes an. Sind genügend Werbekunden gefunden, beschafft die Klägerin ein Fahrzeug, beklebt es mit Werbeaufschriften auf eigene Kosten und vereinnahmt von den [X.] das Entgelt für die Werbefläche. Nach der Beschriftung wird das Fahrzeug dem Vertragspartner --hier der [X.] übereignet, der sich verpflichtet, über eine Vertragslaufzeit von 5 Jahren das [X.] zur Erreichung der Werbewirksamkeit in der Öffentlichkeit zu bewegen.

3

Im [X.] verpflichtete sich die Klägerin, der Gemeinde einen solchen Werbeträger (hier [X.]) zu übereignen, den sie am 21. Juni 2006 auch übergab.

4

Mit Datum vom 9. [X.]ugust 2006 rechnete die Gemeinde u.a. die Erbringung von Werbefahrten mit dem [X.] vom 21. Juni 2006 bis 20. Juni 2011 mit der Klägerin im Voraus in Höhe von 9.810 € netto ab. Da die Klägerin der Gemeinde bereits mit Rechnung vom 31. Juli 2006 ihre nach dem [X.] zu erbringende Leistung mit dem gleichen Nettobetrag von 9.810 € in Rechnung gestellt hatte, verrechnete die Klägerin die beiden Forderungen.

5

[X.]ufgrund einer [X.] bei der Gemeinde kam der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) zu dem Ergebnis, diese sei nicht berechtigt gewesen, für die Werbefahrten eine Rechnung mit [X.] auszustellen. Die mit dem Fahrzeug verbundenen Tätigkeiten der Gemeinde seien nicht im Rahmen eines Betriebs gewerblicher [X.]rt erfolgt. Ein solcher sei zu verneinen, weil die in [X.]bschn. 23 [X.]bs. 4 der [X.] 2005 ([X.]) genannte Umsatzgrenze von 30.678 € nicht erreicht werde.

6

Mit Bescheid vom 29. Dezember 2006 erkannte das F[X.] die von der Gemeinde in der Rechnung vom 9. [X.]ugust 2006 ausgewiesene Mehrwertsteuer in Höhe von ... € nicht als abzugsfähige Vorsteuer an und setzte gegenüber der Klägerin eine [X.] für [X.]ugust 2006 in Höhe von ... € fest.

7

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Sprungklage statt. Die Gemeinde sei mit dem dauerhaften Einsatz des [X.]s selbständig und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen, nämlich um ein Fahrzeug zur Nutzung übereignet zu bekommen, tätig geworden. Die Werbeleistungen habe sie auf privatrechtlicher Grundlage erbracht und dabei den Bereich ihres hoheitlichen Tätigwerdens als Gemeinde verlassen. [X.]uf die Umsatzgrenze von 30.678 € komme es unter dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts nicht an. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob der von der Klägerin begehrte Vorsteuerabzug schon daraus folge, dass die Gemeinde die Werbeleistungen ihrem Betrieb gewerblicher [X.]rt "Wasserversorgung" zugeordnet habe. Die Vorentscheidung ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1071.

8

Mit seiner Revision rügt das F[X.] Verletzung materiellen Rechts. Es trägt im Wesentlichen vor, das Fahrzeug sei zumindest weit überwiegend für den gemeindlichen Bauhof und damit zur Erfüllung hoheitlicher [X.]ufgaben eingesetzt worden. Der erzielte Werbeeffekt sei lediglich ein Nebeneffekt, der keine --hervorgehobene-- nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit der Gemeinde darstelle. [X.]uch wenn das Gemeinschaftsrecht keine starre Umsatzgrenze vorsehe, bedeute dies nicht, dass jede noch so unbedeutende wirtschaftliche Tätigkeit steuerpflichtig sei. Private Wettbewerber würden insoweit durch die Regelung zur Besteuerung sog. Kleinunternehmer in § 19 [X.]bs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) geschützt.

9

Das F[X.] beantragt,

die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf das Urteil des [X.]. Nach dem Gemeinschaftsrecht müsse sich die Tätigkeit nicht "wirtschaftlich herausheben". Die [X.] verlange, gleiche wirtschaftliche [X.]ktivitäten umsatzsteuerlich gleich zu behandeln. Die Gemeinde sei zudem bereits mit der Wasserversorgung unternehmerisch tätig und dieses Unternehmen umfasse ihre gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat der Klägerin den streitigen Vorsteuerabzug zu Recht zuerkannt.

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.

Dies steht im Einklang mit Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ([X.]/[X.]). Danach ist der Steuerpflichtige befugt, soweit er Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, von der von ihm geschuldeten Steuer die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden, abzuziehen.

2. Zutreffend hat das [X.] die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bejaht und insbesondere mit Recht dargelegt, die [X.] sei als Unternehmerin berechtigt gewesen, für die von ihr noch zu erbringenden Leistungen eine Rechnung mit Mehrwertsteuerausweis auszustellen.

a) Mit der Verwendung des [X.] im Straßenverkehr für die Dauer von 5 Jahren erbringt die [X.] nachhaltig eine sonstige Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 16. April 2008 [X.], [X.], 475, [X.], 909), nämlich eine [X.] (vgl. § 3a Abs. 4 Nr. 2 UStG).

b) Diese Leistung erbringt die [X.] gegen Entgelt.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) und des [X.] werden Leistungen nach den übereinstimmenden Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG und in Art. 2 Nr. 1 der [X.]/[X.] gegen Entgelt erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, das zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert einen unmittelbaren Zusammenhang begründet und die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. [X.]-Urteile vom 5. Dezember 2007 [X.], [X.]E 219, 455, [X.], 486, m.w.[X.] zur Rechtsprechung von [X.] und [X.], und in [X.], 475, [X.], 909).

Eine entgeltliche Leistung stellen auch der Tausch und der tauschähnliche Umsatz dar. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG). Voraussetzung hierfür ist, dass sich zwei entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG gegenüberstehen, die lediglich durch die Modalität der Entgeltvereinbarung (Tausch) miteinander verknüpft sind ([X.]-Urteil vom 6. Dezember 2007 [X.], [X.], 74, m.w.[X.]). Nicht maßgeblich ist, ob die Vertragsparteien die einander erbrachten Leistungen als entgeltlich oder unentgeltlich bezeichnen ([X.]-Urteil vom 10. Juli 1997 [X.], [X.]E 183, 296, [X.] 1997, 668). Der Gegenwert wird bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen i.S. von § 3 Abs. 12 UStG durch eine tatsächlich erhaltene Gegenleistung erbracht, die nicht in Geld besteht, aber in Geld ausdrückbar sein muss ([X.]-Urteil in [X.], 475, [X.], 909).

bb) Als Gegenwert und damit als Entgelt für die von ihr in dem fünfjährigen Verwendungszeitraum noch zu erbringenden [X.]en hat die [X.] nach den unstreitigen Feststellungen des [X.] das Fahrzeug übereignet erhalten, für das sie selbst keine Anschaffungskosten tragen musste. Auch die Finanzverwaltung geht in einem solchen Fall von einem tauschähnlichen Umsatz aus, dessen Bemessungsgrundlage aus Vereinfachungsgründen mit dem Wert des Einkaufspreises des Fahrzeugs angesetzt werden könne (Schreiben der [X.] [X.] vom 29. Februar 2008 [X.] 7100- Rz 1.1.2 und 1.2, [X.] § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG S 7100 Karte 16). Soweit die [X.]en zum Zeitpunkt der Übereignung des [X.] noch nicht erbracht waren, stellt sich dieser Gegenwert --das Fahrzeug-- als Vorauszahlung dar.

c) Mit dem Einsatz des [X.] ist die [X.] insoweit auch als Unternehmerin i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG bzw. Steuerpflichtige i.S. des Art. 4 Abs. 1 der [X.]/[X.] tätig geworden.

aa) Entgegen der Auffassung des [X.] steht dem Vorsteuerabzug nicht entgegen, dass es sich bei ihr um eine juristische Person des öffentlichen Rechts handelt und diese nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6, § 4 des Körperschaftsteuergesetzes --[X.]--) und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig sind, soweit keiner der in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG geregelten Sonderfälle vorliegt.

§ 2 Abs. 3 Satz 1 UStG ist unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 27. Februar 2003 [X.], [X.]E 201, 554, [X.] 2004, 431, unter II.3., und vom 5. Februar 2004 [X.]/01, [X.]E 205, 323, [X.] 2004, 795, unter [X.]; vgl. auch [X.], [X.] --[X.]-- 2010, 480, 486 ff.). Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] bestimmt:

(5) [X.], Länder, [X.]n und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts gelten nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben.

Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie für diese Tätigkeiten oder Leistungen als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht[X.]teuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Die vorstehend genannten Einrichtungen gelten in jedem Fall als Steuerpflichtige in Bezug auf die in [X.] aufgeführten Tätigkeiten, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.

..."

Danach sind juristische Personen des öffentlichen Rechts Unternehmer i.S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG [X.]. § 4 [X.], wenn sie Leistungen gegen Entgelt auf privatrechtlicher Grundlage unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer erbringen ([X.]-Urteile in [X.]E 205, 323, [X.] 2004, 795; vom 22. September 2005 [X.], [X.]E 211, 566, [X.] 2006, 280; vom 12. Oktober 2004 [X.], [X.]/NV 2005, 388; vom 3. Juli 2008 [X.], [X.]E 222, 128, [X.], 213, unter II.2., und vom 20. August 2009 [X.], [X.]E 226, 465).

bb) Dies ist hier der Fall. Die [X.] erbringt die --entgeltlichen-- [X.]en auf der Grundlage des mit der Klägerin abgeschlossenen zivilrechtlichen Vertrages und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen.

Zwar stehen die Fahrten im Zusammenhang mit dem Einsatz des Fahrzeugs für gemeindliche --möglicherweise hoheitliche-- Zwecke. Hierauf kommt es aber nach der Rechtsprechung des [X.] nicht an ([X.]-Urteile vom 17. Oktober 1989 Rs. [X.]/87 und [X.]/88 --Comune [X.] u.a.--, Slg. 1989, 3233, [X.] 1991, 77, Randnr. 13, und vom 12. September 2000 Rs. [X.]/97 --Kommission/[X.], Slg. 2000, [X.], [X.], 620, Randnr. 33). Außerdem haben die entgeltlichen [X.]en auch nichts mit der öffentlichen Aufgabenstellung der [X.] bzw. des Bauhofs zu tun. Es ist auch unerheblich, ob die [X.] mit dem [X.] zusätzliche, nicht durch den [X.]betrieb veranlasste Fahrten unternommen hat oder das Fahrzeug anderweitig besonders werbewirksam eingesetzt hat.

Im Übrigen hat die [X.] mit ihrem Anschreiben an potentielle Werbekunden, die sie auf die Möglichkeit des [X.] hingewiesen hat, und mit ihrer Teilnahme an der werbewirksam angekündigten Fahrzeugübergabe weitere [X.]en zugunsten der Klägerin --auf privatrechtlicher Grundlage-- erbracht.

cc) Nach Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] kommt es für die Frage, ob die [X.] in Bezug auf ihre [X.]en als Steuerpflichtige (bzw. Unternehmerin [X.]) tätig geworden ist, entgegen der Auffassung des [X.] und im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.]-Urteil vom 13. März 1974 [X.], [X.]E 112, 61, [X.] 1974, 391) nicht darauf an, ob die ausgeübte Tätigkeit oder erbrachte Leistung von einer eigenständigen Einrichtung ausgeführt wird. Die Richtlinie stellt in Art. 4 Abs. 5 vielmehr ausschließlich auf die jeweils ausgeübte Tätigkeit oder erbrachte Leistung als solche ab.

dd) Entgegen der Auffassung des [X.] kann der [X.] die Unternehmereigenschaft nicht mit der Begründung versagt werden, die von ihr erzielten Werbeumsätze seien zu gering.

Die im Rahmen der privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit erzielten Einnahmen der [X.] unterliegen bei der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung den gleichen umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen wie die Umsätze anderer Unternehmen auch. Danach kommt es für die Unternehmereigenschaft --auch einer juristischen Person des öffentlichen Rechts-- nicht darauf an, ob sich ihre wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb ihrer Gesamtbetätigung "wirtschaftlich" heraushebt und bestimmte [X.] überschreitet. Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] gibt keinen Hinweis auf derartige Grenzen. Bereits mit dem [X.]-Urteil vom 25. Oktober 1989 [X.] ([X.] 1990, 868) hat der [X.] --unter Verweis auf das [X.]-Urteil vom 11. Januar 1979 [X.] ([X.]E 127, 83, [X.] 1979, 746)-- festgestellt, dass Gewinn- oder [X.] keine geeigneten, allein maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung der Steuerpflicht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 UStG 1967 sind (vgl. auch [X.] in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, September 2007, § 2 Rz 232; [X.], [X.] 2010, 480, 488). Entgegen der Auffassung des [X.] kann der Klägerin --und der [X.] somit nicht entgegengehalten werden, die von der [X.] erzielten Umsätze erreichten nicht die in Abschn. 23 Abs. 4 [X.] aufgeführten und aus den [X.] 2004 ([X.]) übernommenen [X.].

Soweit das [X.] die in Abschn. 23 Abs. 4 [X.] [X.]. R 6 Abs. 5 [X.] genannte Umsatzgrenze von 30.678 € mit der Begründung verteidigt, § 2 Abs. 3 UStG und Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] seien Schutzvorschriften zugunsten von privaten Unternehmern und bei einer bloß unbedeutenden wirtschaftlichen Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts sei ein derartiger Schutz nicht erforderlich, da private Unternehmer dann durch die Kleinunternehmerregelung in § 19 Abs. 1 UStG ausreichend geschützt seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Zum einen trifft der Ausgangspunkt dieser Überlegung (Schutzvorschriften zugunsten privater Unternehmer) jedenfalls nicht uneingeschränkt zu. Denn der [X.] hat entschieden, Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] sei dahin auszulegen, dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, nicht nur dann als Steuerpflichtige gelten, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige aufgrund des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 oder 4 der [X.]/[X.] zu größeren Wettbewerbsverzerrungen zulasten ihrer privaten Wettbewerber führen würde, sondern auch dann, wenn sie derartige Verzerrungen zu ihren eigenen Lasten zur Folge hätte (vgl. [X.]-Urteil vom 4. Juni 2009 Rs. [X.]/08 -[X.]alix--, [X.]/NV 2009, 1222, [X.] 2009, 484).

Zum anderen hat eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die einen oder mehrere Betriebe gewerblicher Art unterhält, nur ein einheitliches Unternehmen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, das ihre sämtlichen Betriebe gewerblicher Art sowie ihre land- und forstwirtschaftlichen Betriebe umfasst ([X.]-Urteil vom 18. August 1988 [X.], [X.]E 154, 274, [X.] 1988, 932).

Im Streitfall unterhielt die [X.] bereits vor Aufnahme der Werbefahrten den steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art "Wasserversorgung", dessen Umsätze unstreitig die in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG genannten Grenzen überstiegen. Da die [X.]en im umsatzsteuerlichen Sinne zu dem einheitlichen Unternehmen der [X.] gehören, kommt eine isolierte Anwendung der Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG auf die Umsätze aus den [X.]en nicht in Betracht.

ee) Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die Auffassung des [X.], die [X.] habe mit der Konzeption, Planung und Durchführung von Werbemaßnahmen sowie der Akquisition von Werbekunden Tätigkeiten eines gewerblichen [X.]S. der Nr. 10 des [X.] der [X.]/[X.] entfaltet und wäre deshalb nur dann Unternehmerin, wenn der Umfang dieser Tätigkeit --anders als im [X.] nicht unbedeutend wäre.

Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 3 der [X.]/[X.] bestimmt in Verbindung mit Nr. 10 des [X.], dass eine juristische Person des öffentlichen Rechts in jedem Fall als Steuerpflichtige (Unternehmerin) gilt, wenn sie die Tätigkeit eines gewerblichen Werbebüros in nicht unbedeutendem Umfang ausübt. Die Formulierung "in jedem Fall" schließt entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus, dass eine solche Tätigkeit, selbst wenn sie einen unbedeutenden Umfang haben sollte, gleichwohl aus anderen Gründen unternehmerisch ausgeübt werden kann. Ein solcher Grund liegt im Streitfall schon deshalb vor, weil die [X.] bereits wegen einer anderen Tätigkeit Unternehmerin ist.

ff) Die Klägerin besitzt des Weiteren unstreitig eine mit allen für den Vorsteuerabzug notwendigen Angaben versehene Rechnung über die fraglichen [X.]en.

Meta

XI R 17/08

17.03.2010

Bundesfinanzhof 11. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 30. Januar 2008, Az: 14 K 161/07, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 S 1 UStG 2005, § 2 Abs 1 UStG 2005, § 2 Abs 3 UStG 2005, § 3 Abs 9 S 1 UStG 2005, § 3 Abs 12 S 2 UStG 2005, § 3a Abs 4 Nr 2 UStG 2005, § 15 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 19 UStG 2005, Art 2 Nr 1 EWGRL 388/77, Art 17 Abs 2 Buchst a EWGRL 388/77, Art 4 Abs 1 EWGRL 388/77, Art 4 Abs 5 EWGRL 388/77, Abschn 23 Abs 4 UStR 2005, § 4 KStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.03.2010, Az. XI R 17/08 (REWIS RS 2010, 8413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8413

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