Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2014, Az. 4 AZR 450/12

4. Senat | REWIS RS 2014, 7974

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

OT-Mitgliedschaft - Anforderungen an die Satzung eines Arbeitgeberverbands


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 19. März 2012 - 8 [X.] - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über tarifliche Entgeltansprüche.

2

Der Kläger ist Mitglied der [X.] und seit 1998 bei der [X.] beschäftigt. Diese ist Mitglied im Einzelhandelsverband [X.] (nachfolgend [X.]), dessen Satzung idF vom 14. Juni 2001 ua. lautet:

        

§ 2   

        

Zweck des Verbandes

        

1.    

…       

                 

Aufgaben des Verbandes sind insbesondere:

                 

…       

        
                 

c)    

Abschluß von Tarifverträgen mit den zuständigen [X.],

                 

…       

        
        

§ 3     

        

Erwerb der Mitgliedschaft

        

1.    

Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Allen Mitgliedern stehen nach Maßgabe der Satzung gleiche Rechte zu. …

        

2.    

Bei Tarifverträgen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt sind, können die Mitglieder den Ausschluß der Tarifbindung insgesamt erklären. Die Erklärung ist schriftlich an die Verbandsgeschäftsführung zu richten. Sie wirkt zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge. Eine eventuelle Nachwirkung wird durch die Erklärung nicht verhindert. Die Erklärung kann jederzeit schriftlich widerrufen werden.

                 

Bei Beschlußfassung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen haben Mitglieder ohne Tarifbindung kein Stimmrecht.

        

3.    

Die Mitgliedschaft wird durch schriftliche Beitrittserklärung unter Anerkennung der Rechte und Pflichten der Satzung erworben. Über die Aufnahme entscheidet das Präsidium.

        

…       

        

§ 8     

        

Organe des Verbandes

        

1.    

Organe des Verbandes sind:

                 

a)    

die Delegiertenversammlung,

                 

b)    

das geschäftsführende Präsidium,

                 

…       

        
        

§ 10   

        

Das Präsidium

        

1.    

Das geschäftsführende Präsidium des Verbandes besteht aus dem Präsidenten, sowie bis zu vier gleichberechtigten stellvertretenden Präsidenten, von denen einer das Amt des Schatzmeisters gleichzeitig ausübt.

        

2.    

…       

        

3.    

Vertretungsberechtigt im Sinne des § 26 BGB sind zwei Mitglieder des geschäftsführenden Präsidiums in [X.].

        

4.    

Das geschäftsführende Präsidium hat die Geschäfte des Verbandes so zu führen, wie es eine ordnungsgemäße Erfüllung der [X.] erfordert und wie es die Satzung, die Geschäftsordnung und die Beschlüsse der Organe des Verbandes bestimmen.“

3

Beim [X.] besteht weder eine Tarifkommission noch wurde ein sog. Streik- und Aussperrungsfonds eingerichtet. Der Verband ist Mitglied des Unternehmensverbands Einzelhandel Niedersachsen e.V. (nachfolgend [X.]), bei dem eine Tarifkommission gebildet ist. Dieser Verband schließt für seine Mitgliedsverbände Tarifverträge ab. In § 5 der Satzung des [X.] (idF vom 24. Oktober 2003) heißt es:

        

Besondere Stimmberechtigung

        

bei Einfluss auf Tarifvertragsabschluss

        

Für alle Gremien und deren Beschlüsse gilt:

        

In Angelegenheiten, die unmittelbaren Einfluss auf den Abschluss von Tarifverträgen haben, sind nur solche Personen stimmberechtigt, die der Tarifbindung unterliegen.“

4

Die Geschäftsordnung der Tarifkommission des [X.] (vom 1. November 2001) bestimmt in Nr. 1:

        

1.    

Zusammensetzung

                 

       

        
                 

1.3.   

Mitglieder der Tarifkommission können hierbei nur Vertreter aus tarifgebundenen Unternehmen sein“

5

Die Beklagte erklärte mit Schreiben vom 20. November 2002 gegenüber dem [X.], dass sie ihre Mitgliedschaft ohne Tarifgebundenheit fortsetzen möchte. Der [X.] bestätigte mit Schreiben vom 22. November 2002, die Beklagte ab dem 20. November 2002 als Mitglied ohne Tarifbindung ([X.]) zu führen.

6

Am 7. August 2009 vereinbarten die Tarifvertragsparteien des [X.] Einzelhandels einen neuen Manteltarifvertrag, einen Gehalts- und Lohntarifvertrag sowie einen Tarifvertrag über Urlaubsgeld, Sonderzuwendungen und Entgeltfortzahlung, die rückwirkend zum 1. Januar 2007 in [X.] traten.

7

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Differenz zwischen den von der [X.] geleisteten Zahlungen und den sich aus den Tarifverträgen des Jahres 2009 ergebenden Entgeltansprüchen. Er ist der Auffassung, die Beklagte sei weiterhin tarifgebunden. Die Satzung des [X.] sehe keine ausreichende Trennung der Befugnisse von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Mitgliedern vor. So sei es etwa möglich, [X.]er in Tarifkommissionen des [X.] zu entsenden.

8

Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.663,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen.

9

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags ausgeführt, sie sei als [X.] nicht mehr an die im Jahre 2009 geschlossenen Tarifverträge gebunden. Die Satzung des [X.] enthalte eine hinreichend klare Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifgebundenheit. Eine unmittelbare Einflussnahme von [X.]ern auf tarifpolitische Entscheidungen sei ausgeschlossen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat auf die Berufung der [X.] die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger, der sein Begehren in der Revisionsinstanz allein auf eine [X.] der Beklagten stützt, hat keine Entgeltansprüche nach den im Jahre 2009 geschlossenen Tarifverträgen des [X.] Einzelhandels. Diese galten nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien, da die Beklagte als [X.] nicht mehr an diese nach § 3 Abs. 1 [X.] gebunden war.

1. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Satzung des [X.] den Anforderungen genügt, mit der ein Status als [X.] (zur Zulässigkeit einer sog. [X.]schaft im sog. Stufenmodell [X.] 22. April 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 27, [X.]E 130, 264; 4. Juni 2008 - 4 [X.] - Rn. 25 ff., [X.]E 127, 27 ) wirksam begründet werden kann. Sie sieht eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und solchen ohne [X.] vor (zu den Anforderungen an eine Verbandssatzung ausf. [X.] 21. November 2012 - 4 [X.] - Rn. 14 mwN zur Rspr.).

a) § 3 Nr. 2 Satz 1 der Satzung des [X.] regelt sowohl eine Mitgliedschaft mit „Tarifbindung“ als auch eine ohne „Tarifbindung“, indem er die Möglichkeit der Erklärung eines „Ausschlusses der Tarifbindung insgesamt“ für nicht für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge vorsieht. § 3 Nr. 2 Satz 3 der Satzung regelt den Wechsel von einer dieser Formen zur anderen. Die [X.] in § 3 Nr. 2 Satz 3 iVm. Satz 1 kann nach Sinn, Zweck und tariflichem Gesamtzusammenhang nur als Hinweis auf die sich aus § 3 Abs. 3 [X.] ohnehin ergebende Rechtslage begriffen werden. Das hat der Senat anhand einer gleichlautenden [X.] bereits ausführlich begründet ([X.] 15. Dezember 2010 - 4 [X.] - Rn. 34).

b) Im Gesamtgefüge der [X.]en des [X.] wird vor allem durch die Regelung in § 3 Nr. 2 Satz 6, die bei Beschlussfassung über Tariffragen und Arbeitskampfmaßnahmen für „Mitglieder ohne Tarifbindung“ das Stimmrecht ausschließt, die erforderliche Kongruenz von Mitentscheidungsrecht und Bindung an die Tarifabschlüsse hinreichend klar und deutlich sowie [X.] hergestellt. Geschäftsführung und jegliches Handeln des [X.] müssen diesen Vorgaben genügen. Dies zeigt für das geschäftsführende Präsidium darüber hinaus § 10 Nr. 4 der Satzung, der die Regelung des § 3 Nr. 2 Satz 6 in Bezug nimmt (s. auch [X.] 21. November 2012 - 4 [X.] - Rn. 18).

c) Es ist weiter nicht erforderlich, dass der Ausschluss der Rechte von [X.]ern in [X.] in jeder einzelnen Norm der Satzung ausdrücklich wiederholt wird. § 3 Nr. 2 Satz 6 der Satzung des [X.] gilt [X.] und damit für alle in der Satzung geregelten Bereiche und Befugnisse. Deshalb bedurfte es zur Wirksamkeit der in der Satzung vorgesehenen [X.]schaft keiner weiteren Regelungen für die in § 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c der Satzung genannte Verbandsaufgabe des „Abschlusses von Tarifverträgen“, für eine - in der Satzung ohnehin nicht vorgesehene - Tarifkommission oder für die Einrichtung oder Verwaltung eines Streik- und Aussperrungsfonds sowie zur Vertretungsbefugnis nach außen iSv. § 26 BGB für den - hypothetischen - Fall, dass alle Präsidiumsmitglieder zugleich [X.]er sind. Das hat der Senat bereits ausführlich begründet. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen ([X.] 21. November 2012 - 4 [X.] - Rn. 18 bis 25; weiterhin 15. Dezember 2010 - 4 [X.] - Rn. 31 bis 33; 20. Mai 2009 - 4 [X.]/08 - Rn. 80).

d) Dem durch die Satzung wirksamen begründeten Status als [X.] steht schließlich nicht die beim [X.] gebildete Tarifkommission entgegen. § 5 der Satzung des [X.] differenziert ebenfalls klar und eindeutig zwischen Mitgliedern mit und ohne [X.]. Diese Bestimmung verhindert, dass [X.]er des [X.] in der Tarifkommission stimmberechtigt mitwirken können. Dieser in der Satzung vorgesehene Ausschluss des Stimmrechts gilt zugleich für die Tarifkommission des [X.], der in Nr. 1.3. der Geschäftsordnung der [X.] nochmals inhaltlich aufgegriffen wird.

2. Die Beklagte ist als [X.] an die im Jahre 2009 geschlossenen Tarifverträge nicht mehr gebunden. Ihre mitgliedschaftlich begründete [X.] endete aufgrund ihrer schriftlichen Erklärung vom 20. November 2002 gemäß § 3 Nr. 2 Satz 1 und Satz 2 der Satzung des [X.] bereits im November 2002.

3. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Drechsler    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 450/12

12.02.2014

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Lüneburg, 22. Juni 2011, Az: 4 Ca 67/10, Urteil

§ 3 Abs 1 TVG, § 3 Abs 3 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.02.2014, Az. 4 AZR 450/12 (REWIS RS 2014, 7974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7974

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.