Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2018, Az. 1 StR 641/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 11732

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:220318B1STR641.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 641/17

vom
22. März
2018
in der Strafsache
gegen

wegen
Mordes

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des [X.]

zu 3. auf dessen Antrag

am 22.
März
2018
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. September 2017 im Ausspruch über die besondere Schwere der Schuld aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkam-mer des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebens-langen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld [X.] (§
57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur zum Ausspruch über die besondere Schuldschwere Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen tötete der An-geklagte seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, indem er sie im [X.] des vormals gemeinsam genutzten Hauses bis zur Bewusstlosigkeit würg-1
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te, sie vom Bett herunter zog und anschließend unter Zuhilfenahme eines Bett-bezugs in den Heizungskeller im Erdgeschoss verbrachte. Dort schlang er ihr einen sogenannten Kälberstrick um den Hals, den er zuvor an zwei an der [X.] befindlichen Heizungsrohren angebracht hatte, und ließ seine Ehefrau, der er spätestens jetzt das von ihr getragene Nachthemd ausgezogen hatte, so-dass sie nur noch mit einem Slip bekleidet war, rückwärts in die Schlaufe des Kälberstricks fallen. Hierdurch sollte der Anschein erweckt werden, dass seine Ehefrau einen Suizid begangen und sich selbst im Heizungsraum erhängt [X.]. Der Tod trat nach dem Transport in den Heizungskeller entweder aufgrund des vorangegangenen [X.] oder durch das dortige Erhängen ein.
Nach den Feststellungen des [X.] fasste der Angeklagte den [X.] nach der Trennung von seiner Ehefrau und dem Auszug aus dem gemeinsam genutzten Haus. Hintergrund für die Tat war die schwierige persönliche und güterrechtliche Situation des Angeklagten. Der Angeklagte litt nach den Feststellungen seit mehreren Jahren an einer paranoiden Persönlich-keitsstörung, die sich spätestens ab September 2014 insbesondere in einem gesteigerten Misstrauen gegen die sexuelle Treue seiner Ehefrau sowie einem sehr starken Beharren auf der

nicht wahnhaften

Überzeugung auswirkte, dass seit Beginn der 1990er Jahre eine inzestuöse Beziehung zwischen seiner Ehefrau und ihrem Vater bestanden habe. Aufgrund dieser Persönlichkeitsstö-rung verschlechterte sich die Beziehung endgültig. Belastet wurde die Ehe zu-dem durch den Umstand, dass lediglich die Ehefrau des Angeklagten als Ei-gentümerin des gemeinsam genutzten [X.] im Grundbuch einge-tragen war und der Angeklagte auf der Grundlage eines formnichtigen [X.] zuletzt vehement die anteilsmäßige Eigentumsübertra-gung verlangte, was seine Ehefrau jedoch ablehnte. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte seine Ehefrau beseitigen, da er sie nach der Trennung 3
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als Hindernis zwischen ihm und einem Zusammenleben mit seinen drei Kindern in dem ihm zustehenden Wohnhaus sah.
2.
Das [X.] ist von der Verwirklichung der Mordmerkmale der Heimtücke sowie der Habgier und der niedrigen Beweggründe ausgegangen. Neben der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß §
211 StGB hat es nach zusammenfassender Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die besondere Schuldschwere nach §
57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB
festgestellt.
II.
1. Die Begründung, mit der das [X.] die besondere Schuld-schwere im Sinne des §
57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht hat, hält rechtli-cher Nachprüfung nicht stand. Zwar obliegt es dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände
die Schuld des Angeklagten im Sinne der §§
46, 57a StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 20. August 1996

4 StR 361/96, [X.]St 42, 226, 227; Urteil vom 27.
Juni 2012

2 [X.], [X.], 339 jeweils mwN). Doch auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erweist sich die tatrichterliche Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
Das [X.] hat schulderschwerend gewertet, dass der Angeklagte
seine von ihm getötete Ehefrau

durch das nahezu vollständige Entkleiden

noch im Tod und darüber hinaus weiter herabgewürdigt habe ([X.]). [X.] Wertung wird von den Feststellungen nicht getragen. Das [X.] hat festgestellt, der Angeklagte habe seiner Ehefrau das Nachthemd ausgezogen und es zusammen mit anderen Textilien in die Waschmaschine gegeben, um die Spuren seiner Tat wie beispielsweise Blut, Urin, [X.] oder Speichel des [X.] zu beseitigen ([X.], 110). Damit nicht vereinbar ist aber die Wertung, 4
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es habe ein weiteres Herabwürdigen des Opfers durch das Ausziehen des Nachthemds stattgefunden oder sei von dem Angeklagten gar intendiert gewe-sen.
Überdies begegnet die Relativierung des Gewichts der

zugunsten des Angeklagten gewerteten

paranoiden Persönlichkeitsstörung bei der [X.] der Schuldschwere rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat insoweit darauf abgehoben, dass die paranoide Persönlichkeitsstörung

welche die Strafkammer gestützt auf die Ausführungen des psychiatrischen [X.] rechtsfehlerfrei festgestellt hat

gerade nicht ursächlich für die Tatbege-hung gewesen sei ([X.]). Diese Wertung berücksichtigt jedoch nicht aus-reichend die weitere Feststellung, dass sich das Verhältnis der Eheleute [X.] der bei dem Angeklagten bestehenden paranoiden Persönlichkeitsstö-rung massiv verschlechtert und letztlich zur Trennung der Eheleute geführt [X.]; unter anderem vor dem Hintergrund dieser schwierigen persönlichen [X.] habe der Angeklagte den Entschluss gefasst, seine Ehefrau zu töten ([X.] f.; 24). Danach stellt sich die paranoide Persönlichkeitsstörung des Ange-klagten als ursächlich für die Schwierigkeiten in und das Scheitern der Ehe dar, die in der weiteren Entwicklung zu der Tat des Angeklagten geführt haben. [X.]r Umstand wäre bei der Gesamtwürdigung ebenfalls zu berücksichtigen ge-wesen.
Der [X.] kann nicht ausschließen, dass die Feststellung der besonde-ren Schwere der Schuld auf den aufgezeigten [X.] beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Die tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben, da es sich um reine Wertungsfehler handelt. Das neue Tatgericht kann ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch ste-hende Feststellungen treffen.
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2. Im Übrigen
erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegrün-det, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] kei-nen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat.
Jäger Bellay

Fischer

Bär Hohoff
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Meta

1 StR 641/17

22.03.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.03.2018, Az. 1 StR 641/17 (REWIS RS 2018, 11732)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11732

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