Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2019, Az. XII ZB 291/18

12. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 9156

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Gegenstand

Betreuervergütung: Schonbetrag des Betroffenen


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 6. Juni 2018 aufgehoben.

Die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des [X.] vom 11. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei.

Wert: 594 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung der Betreuervergütung aus der Staatskasse.

2

Für die Betroffene, die seit ihrer Geburt zu 100 % schwerbehindert ist und an einer mittelgradig mentalen Retardierung leidet, ist der Beteiligte zu 1 zum Betreuer bestellt. Dieser führt die Betreuung berufsmäßig und begehrt für seine in der [X.] vom 31. August 2017 bis zum 29. November 2017 entfaltete Tätigkeit die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 594 € zulasten der Staatskasse.

3

Die Betroffene lebt in einem Wohnheim und erhält hierfür Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des [X.]. Infolge einer Erbschaft verfügt sie über ein Sparvermögen in Höhe von rund 22.500 €.

4

Das Amtsgericht hat den [X.] zurückgewiesen, weil eine Festsetzung gegen die Staatskasse angesichts des Vermögens der Betroffenen ausscheide. Auf die Beschwerde des Betreuers hat das [X.] eine aus der Staatskasse zu zahlende Betreuervergütung in Höhe von 594 € festgesetzt. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerde des Betreuers.

6

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

7

Die Vergütung des Betreuers sei für den [X.]raum vom 31. August 2017 bis zum 29. November 2017 in Höhe von 594 € gegen die Staatskasse festzusetzen, weil die Betroffene als mittellos im Sinne des § 1836 d BGB anzusehen sei. Die für die Betreuervergütung einzusetzenden Mittel bestimmten sich gemäß § 1836 c BGB im Einzelnen nach den §§ 87 und 90 [X.]. Die Betroffene verfüge zwar aufgrund der Erbschaft über ein Sparvermögen in Höhe von ca. 22.500 €, was den nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 [X.] regelmäßig zu berücksichtigenden Schonbetrag von derzeit 5.000 € um 17.500 € übersteige. Der Gesetzgeber habe aber - mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 - u.a. für Leistungsempfänger der Eingliederungshilfe eine Sonderregelung zum Vermögenseinsatz eingeführt. So bestimme § 60 a [X.], dass für Personen, die Eingliederungshilfe erhalten, bis zum 31. Dezember 2019 ein zusätzlicher Betrag von bis zu 25.000 € für die Lebensführung und die Alterssicherung im Sinne von § 90 Abs. 3 [X.] 2 [X.] als angemessen gelte. Dieser zusätzliche Freibetrag sei den Empfängern von Eingliederungshilfe stets pauschal und unabhängig von einer Einzelfallprüfung zu belassen.

8

Zwar verweise § 1836 c [X.] BGB allein auf § 90 [X.], nicht hingegen auf § 60 a [X.]. Indes würde der Zweck der letztgenannten Vorschrift unterlaufen, wollte man den höheren Freibetrag im vorliegenden Kontext nicht anerkennen. Der Gesetzgeber habe den Empfängern von Eingliederungshilfe, die als Menschen mit Behinderung oftmals vor erheblichen, insbesondere finanziellen Herausforderungen stünden, den Aufbau eines zusätzlichen geschützten Vermögens im Sinne des § 90 Abs. 3 [X.] 2 [X.] zugebilligt, damit diese in der Lage seien, selbstbestimmt und angemessen auf unvorhergesehene Lebensereignisse zu reagieren. Dieser gesetzgeberische Wille müsse auch bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens des Betroffenen Berücksichtigung finden.

9

Auf die Frage, ob die Zahlung der Betreuervergütung durch die Staatskasse als Eingliederungshilfe anzusehen oder dieser gleichzusetzen sei, komme es hingegen nicht an. Bereits die der Neuregelung ähnelnde Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] sei nach herrschender Auffassung dahingehend auszulegen gewesen, dass der erhöhte Freibetrag nicht nur bei der Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen selbst, sondern auch bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens des Hilfeempfängers zu berücksichtigen sei. Nichts anderes könne für § 60 a [X.] gelten.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Der Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuer einen Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 [X.] 1, 1836 Abs. 1 [X.] 2 und 3 BGB iVm § 1 Abs. 2 [X.] 1 [X.]. Schuldner des Vergütungsanspruchs ist grundsätzlich der Betreute. Die zu bewilligende Vergütung ist aber nach § 1 Abs. 2 [X.] 2 [X.] aus der Staatskasse zu zahlen, wenn der Betreute mittellos ist. Der Betreute gilt nach §§ 1908 i Abs. 1 [X.] 1, 1836 d Nr. 1 BGB als mittellos, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Inanspruchnahme des Betreuten ist dabei auf die gemäß § 1836 c BGB einzusetzenden Mittel begrenzt. Sein Vermögen hat der Betreute gemäß § 1836 c [X.] BGB nach Maßgabe des § 90 [X.] für die Betreuervergütung aufzubringen.

b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass der Betroffenen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 [X.] iVm § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 [X.] ([X.] 2017 I S. 519) ein Schonbetrag in Höhe von derzeit 5.000 € zusteht, so dass sich ihr für die Betreuervergütung einzusetzendes Vermögen auf 17.500 € beläuft. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht des [X.], der Betroffenen sei angesichts der Einführung des § 60 a [X.] ein zusätzlicher Freibetrag von weiteren 25.000 € zuzubilligen.

aa) Welche Auswirkungen § 60 a [X.] auf das nach § 1836 c BGB für die Betreuervergütung einzusetzende Vermögen hat, ist umstritten.

Einerseits wird vertreten, dass § 60 a [X.] ausweislich seines ausdrücklichen Wortlauts die Vorschrift des § 90 Abs. 3 [X.] 2 [X.] dahingehend modifiziere, dass ein zusätzlicher Betrag von 25.000 € für die Lebensführung und Alterssicherung als angemessen gelte. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 60 a [X.] anerkannt, dass für Personen, die Eingliederungshilfe erhalten, ein erhöhter Vermögensfreibetrag erforderlich sei, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie eine angemessene Altersversorgung sicherzustellen. Angesichts dieser gesetzgeberischen Intention sei das Privileg des § 60 a [X.] stets zu berücksichtigen, wenn die Vorschrift des § 90 [X.] zur Anwendung komme, also auch im Rahmen der Verweisung in § 1836 c [X.] BGB ([X.] Beschluss vom 31. Juli 2018 - 23 T 386/18 - juris Rn. 3 f.; [X.] Beschluss vom 19. April 2018 - 11 T 58/18 - juris Rn. 10; [X.] FamRZ 2018, 709; [X.] BGB/[X.] [Stand: 1. November 2018] § 1836 c Rn. 5).

Nach anderer Ansicht scheidet eine Anwendung des § 60 a [X.] im Rahmen des § 1836 c BGB mangels ausdrücklicher Verweisung aus. Bei der Zahlung der Betreuervergütung aus der Staatskasse handele es sich gerade nicht um eine Form von Eingliederungshilfe, sondern eher - wenn überhaupt - um eine Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 [X.]. Daher könne § 60 a [X.] bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens keine Berücksichtigung finden ([X.] Beschluss vom 16. März 2017 - 3 T 46/17 - unveröffentlicht).

bb) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. Für sie streiten sowohl der Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus der [X.] erschließt, als auch Sinn und Zweck der Regelung sowie die Gesetzessystematik.

(1) Dem Beschwerdegericht ist zuzugeben, dass Empfängern von Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nach der vorherrschenden Ansicht für die bis zum 31. Dezember 2004 geltende Rechtslage der erhöhte Freibetrag des § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens nach § 1836 c [X.] BGB aF zustand ([X.] FamRZ 2003, 1047; BayObLG FamRZ 2003, 966).

(a) Mit Wirkung zum 1. September 1994 war [X.] 3 in die Vorschrift des § 88 Abs. 3 [X.] eingefügt worden (Art. 32 des [X.] vom 29. Juli 1994, [X.] I S. 1890, 1942). Der Gesetzgeber wollte damit auf ein Urteil des [X.] vom 29. April 1993 ([X.], 254 = NVwZ-RR 1994, 102) reagieren, das - jenseits des allgemeinen Freibetrags nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 [X.] - einen Vermögenseinsatz für die Kosten einer Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte bejaht hatte. Die Folgen dieses Urteils würden allgemein als ungerecht empfunden, insbesondere weil durch einen so weitgehenden Vermögenseinsatz für die Arbeitsmöglichkeit in einer Werkstatt den behinderten Menschen oft die Arbeitsmotivation genommen werde (BT-Drucks. 12/7599 S. 3 f.).

(b) Ungeachtet dieser Zielsetzung des neuen [X.]es 3 hat der Gesetzgeber bei der mit Wirkung zum 1. Januar 1999 erstmals eingeführten gesetzlichen Definition der Mittellosigkeit in § 1836 c BGB aF (Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie anderer Vorschriften vom 25. Juni 1998, [X.] I S. 1580, 1581) bewusst insgesamt auf die Vorschrift des § 88 [X.] verwiesen. Dem Betreuten sollte ausdrücklich auch bei der Bemessung seines für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens der erhöhte Freibetrag zuteil werden, wenn die Voraussetzungen der Gewährung von Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen tatsächlich vorliegen (BT-Drucks. 13/7158 S. 31).

(c) Der ursprüngliche Regelungszweck des § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] - nämlich den Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen einen höheren Vermögensfreibetrag für diese sozialhilferechtliche Eingliederungsmaßnahme zu belassen - war allerdings entfallen, nachdem die Vorschrift des § 43 Abs. 2 [X.] im Zuge des Inkrafttretens des [X.] (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) zum 1. Juli 2001 neu gefasst wurde (Art. 15 Nr. 10 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, [X.] I S. 1046, 1111 f.). Denn fortan waren die Kosten für bestimmte Maßnahmen der Eingliederungshilfe, so auch für Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen, bedürftigkeitsunabhängig in vollem Umfang (abgesehen von einem Essenskostenbeitrag) vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 124 f.). Gleichwohl wurde die Vorschrift des § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] nicht abgeschafft, was auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruhte, wie die redaktionelle Anpassung ihres Wortlauts zeigt (Art. 15 Nr. 16 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, [X.] I S. 1046, 1112; BT-Drucks. 14/5074 S. 125). Angesichts der weiter bestehenden Verweisung auch auf § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] war die seinerzeit vorherrschende Ansicht zum Verständnis des § 1836 c [X.] BGB aF also durchaus folgerichtig.

(2) Unbeschadet des Umstands, dass die Betroffene zwar Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des [X.], jedoch nicht speziell Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen bezieht, hat sich die Rechtslage infolge der Überführung des [X.]es in das [X.] (Sozialhilfe) zum 1. Januar 2005 ohnehin grundlegend geändert (Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, [X.] I S. 3022). Die Vorschrift des § 88 [X.] wurde im Wesentlichen inhaltsgleich in § 90 [X.] übernommen, allerdings mit Ausnahme des § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.], der - so die Gesetzesbegründung - "dadurch obsolet geworden ist, dass mit Inkrafttreten des [X.] die Prüfung der Bedürftigkeit bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen entfallen ist" (BT-Drucks. 15/1514 S. 24, 66). Der Gesetzgeber ging nun also doch davon aus, dass eine § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] entsprechende Regelung nicht mehr erforderlich war, weil bestimmte Maßnahmen der Eingliederungshilfe, wie die Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen, ohnehin bedürftigkeitsunabhängig zu erbringen waren. Die dies bis dahin regelnde Vorschrift des § 43 Abs. 2 [X.] 1 Nr. 7 [X.] wurde inhaltsgleich in § 92 Abs. 2 [X.] 1 Nr. 7 [X.] übernommen. Zusätzlich wurde durch die Einfügung eines neuen [X.]es 2 in § 92 Abs. 2 [X.] ausdrücklich klargestellt, dass die genannten Eingliederungsleistungen, wie in Werkstätten für behinderte Menschen, ohne Rücksicht auf vorhandenes Vermögen zu gewähren sind (BT-Drucks. 15/1514 S. 25, 66).

Die Vorschrift des § 1836 c BGB wurde redaktionell angepasst (BT-Drucks. 15/1514 S. 43, 76) und nimmt in ihrer [X.] (lediglich) § 90 [X.] in Bezug. Dagegen hat der Gesetzgeber - trotz des entfallenen [X.] des § 88 Abs. 3 [X.] 3 [X.] - keine Verweisung auf § 92 [X.] vorgenommen. Hieraus wurde zu Recht der Schluss gezogen, dass § 92 [X.] bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Einkommens nicht zu berücksichtigen sei und den Betreuten seit dem 1. Januar 2015 kein erweitertes Schonvermögen mehr zustehe, auch wenn sie Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen beziehen ([X.], 300 f.; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 12; [X.]/[X.] BtPrax 2005, 180). Somit sind zwar die in § 92 Abs. 2 [X.] 2 [X.] genannten Eingliederungsleistungen als solche ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen durch den Sozialhilfeträger zu erbringen. Bezüglich der dort nicht genannten Leistungen der Eingliederungshilfe und aller anderen Sozialleistungen, wie der Übernahme der Betreuervergütung durch die Staatskasse, bleibt es aber bei den hierfür vorgesehenen Regelungen zum Vermögenseinsatz in § 90 [X.].

Diese Sichtweise entspricht auch dem allgemeinen Regelungskonzept des [X.], dem unterschiedliche Freibeträge für verschiedene Arten der Sozialhilfe nicht fremd sind. Anders als noch unter dem [X.] gelten die Maßnahmeleistung (hier die Eingliederungsleistung) und die Deckung des Lebensunterhalts nicht mehr als einheitliche Leistung (BT-Drucks. 15/1514 S. 54). So steht beispielsweise Bewohnern stationärer Einrichtungen ein angemessener Barbetrag zur persönlichen Verfügung als weiterer notwendiger Lebensunterhalt nach § 27 b Abs. 2 [X.] zu. Hierbei handelt es sich jedoch nicht mehr um einen Teil der Eingliederungsleistung, sondern ausschließlich um eine Hilfe zum Lebensunterhalt, die den hierfür geltenden Anrechnungsvorschriften unterliegt ([X.] 121, 129 = BeckRS 2016, 70956 Rn. 15). Hilfe zum Lebensunterhalt erhält gemäß § 19 Abs. 1 [X.] nicht, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27 Abs. 1 und 2 [X.] in den Grenzen der §§ 82 ff. und 90 f. [X.] aus Einkommen und Vermögen selbst sicherstellen kann ([X.] in Knickrehm/[X.]/Waltermann Kommentar zum Sozialrecht 5. Aufl. § 27 [X.] Rn. 11). Der Bewohner einer stationären Einrichtung muss also sein Vermögen zwar unter Umständen nicht für die Eingliederungsleistung einsetzen, wohl aber - in den Grenzen des § 90 [X.] - für seinen notwendigen Lebensunterhalt. Gleiches gilt hinsichtlich des - ebenfalls nicht nach § 92 Abs. 2 [X.] 2 [X.] privilegierten - Vermögenseinsatzes für die Betreuervergütung (vgl. [X.]/[X.] 7. Aufl. § 1836 c Rn. 15).

(3) Hieran hat auch die zum 1. Januar 2017 in [X.] getretene Regelung des § 60 a [X.] (Art. 11 [X.] des [X.] und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016, [X.] 3234, 3314, im Folgenden: [X.]) nichts geändert.

(a) Durch das [X.] wird das Recht der Eingliederungshilfe mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aus dem [X.] herausgelöst und im [X.] [X.] geregelt. Dadurch sollen die mit dem [X.] begonnenen Schritte einer Trennung von Fachleistung und von Leistungen zum Lebensunterhalt zum Abschluss gebracht werden. Die Eingliederungshilfe soll sich künftig auf die reinen Fachleistungen konzentrieren, während die Leistungen zum Lebensunterhalt wie bei Menschen ohne Behinderungen nach dem [X.] oder dem [X.] erbracht werden sollen (BT-Drucks. 18/9522 S. 4). Die derzeit noch in § 92 Abs. 2 [X.] genannten Eingliederungsmaßnahmen werden zukünftig in § 138 Abs. 1 [X.] geregelt sein. Für diese Leistungen wird weiterhin kein Vermögen einzusetzen sein, nachdem § 92 Abs. 2 [X.] 2 [X.] inhaltsgleich in § 140 Abs. 3 [X.] übernommen wird (BT-Drucks. 18/9522 [X.] f., 303 f.).

Für alle anderen Leistungen der Eingliederungshilfe sieht der neue § 139 [X.] eine an § 90 [X.] angelehnte Regelung zur Vermögensanrechnung vor, wobei die Höhe des einzusetzenden [X.] mit mehr als 50.000 € deutlich über den Schonbetrag nach § 90 Abs. 1 Nr. 9 [X.] hinausgeht. Der Gesetzgeber hielt diese Erhöhung für angezeigt, weil es um Menschen mit erheblicher Teilhabeeinschränkung gehe und die Regelung des § 139 [X.] nur für Fachleistungen der Eingliederungshilfe gelte (BT-Drucks. 18/9522 [X.], 304). Menschen mit Behinderungen sollen also in Bezug auf alle Eingliederungsleistungen des [X.], soweit sie nicht ohnehin bereits unabhängig von vorhandenem Vermögen zu erbringen sind, in den Genuss eines erhöhten Freibetrags kommen. Dagegen sollen Leistungen zum Lebensunterhalt auch künftig nach dem [X.] erbracht werden. Für solche Leistungen wird auch weiterhin nach Maßgabe des § 90 [X.] - ebenso wie für die Betreuervergütung - vorhandenes Vermögen einzusetzen sein.

(b) Die Vorschrift des § 60 a [X.] wurde im Vorgriff auf die Neuregelungen im [X.] Sozialgesetzbuch geschaffen und sieht übergangsweise einen zusätzlichen Vermögensfreibetrag von 25.000 € für Personen vor, die Eingliederungshilfe erhalten. Dadurch werde den Betroffenen - so die Gesetzesbegründung - bereits jetzt ermöglicht, einen Teil der Verbesserung bei der Einkommensanrechnung anzusparen und Vermögen aufzubauen bzw. bestehen zu lassen. Denn die Betroffenen, die aufgrund ihrer Behinderung oftmals vor erheblichen, insbesondere auch finanziellen Herausforderungen stünden, sollen selbstbestimmt und angemessen auf unvorhergesehene Lebensereignisse reagieren können (BT-Drucks. 18/9522 S. 150, 328).

Bereits die systematische Stellung des § 60 a [X.] im Sechsten Kapitel (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) und nicht im [X.] (Einsatz des Einkommens und des Vermögens) des [X.] lässt darauf schließen, dass der zusätzliche Vermögensfreibetrag nur bei Leistungen der Eingliederungshilfe und nicht bei anderen Sozialleistungen, wie der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Übernahme der Betreuervergütung durch die Staatskasse, zu berücksichtigen ist. Dies steht auch im Einklang mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der "bei Leistungen nach dem Sechsten Kapitel" einen zusätzlichen Betrag von 25.000 € für eine angemessene Lebensführung und Alterssicherung als notwendig erachtet hat (BT-Drucks. 18/9522 [X.]). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass § 60 a [X.] - beschränkt auf die Leistungen der Eingliederungshilfe - die bisherige Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 [X.] ergänzen (BT-Drucks. 18/9522 [X.]) soll.

Ein gesetzgeberischer Wille, den Empfängern von Eingliederungshilfe bei jeder Sozialleistung den erhöhten Freibetrag des § 60 a [X.] zuzubilligen, ist dagegen nicht ersichtlich. Dies zeigt auch die folgende Überlegung: Das vom Beschwerdegericht befürwortete Verständnis des § 60 a [X.] würde dazu führen, dass Empfängern von Eingliederungshilfe seit dem Inkrafttreten des [X.] mit dieser Norm erstmals ein über § 90 Abs. 2 Nr. 8 [X.] hinausgehender Vermögensfreibetrag hinsichtlich der Betreuervergütung zustünde, allerdings nur für die Dauer von insgesamt zwei Jahren bis zum Inkrafttreten der Reform des [X.]. Denn für die ab dem 1. Januar 2020 geltende Rechtslage ließe sich nicht vertreten, dass über die Verweisung in § 1836 c [X.] BGB auf § 90 [X.] auch der dann in § 139 [X.] geregelte Freibetrag zur Anwendung kommen müsse. Eine solche "Verschlechterung" wäre vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen, der die Empfänger von Eingliederungshilfe - wenn auch nur in Bezug auf diese Leistungen - durch die Übergangsregelung gerade in den Genuss eines etwas höheren Schonbetrags bringen wollte, bevor sie ab dem 1. Januar 2020 ohnehin von einem nochmals erhöhten Freibetrag profitieren.

3. Der Beschluss des [X.] ist daher aufzuheben und die amtsgerichtliche Entscheidung ist wiederherzustellen. Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, da keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 [X.] 1 FamFG.

Da das Vermögen der Betroffenen den Freibetrag nach § 1836 [X.] § 90 Abs. 2 Nr. 9 [X.] von derzeit 5.000 € bei weitem übersteigt, ist sie nicht mittellos im Sinne der §§ 1908 i Abs. 1 [X.] 1, 1836 d Nr. 1 BGB. Gründe dafür, dass der Einsatz des Vermögens der Betroffenen für diese eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 [X.] darstellen würde, sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich. Daher kann der Betreuer die zu bewilligende Vergütung nicht nach § 1 Abs. 2 [X.] 2 [X.] aus der Staatskasse verlangen. Eine hilfsweise Festsetzung seiner Vergütung gegen die Betroffene hat der Betreuer hingegen nicht beantragt.

Dose     

        

Schilling     

        

Günter

        

Botur     

        

Krüger     

        

Meta

XII ZB 291/18

20.03.2019

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Kassel, 6. Juni 2018, Az: 3 T 64/18

§ 60a SGB 12, § 87 SGB 12, § 90 Abs 2 Nr 9 SGB 12, § 1836c BGB, § 1836d BGB, § 88 Abs 3 S 3 BSHG, § 1 Nr 1 SGB12§90Abs2Nr9DV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.03.2019, Az. XII ZB 291/18 (REWIS RS 2019, 9156)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9156

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