Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.08.2013, Az. 2 StR 148/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3217

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen

1.

2.

3.

4.

wegen Totschlags u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und der Beschwerdeführer am 27. August 2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO
beschlossen:
1.
Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]

, H.

und S.

wird das Urteil des [X.] vom 11.
September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehöri-gen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Jugendkammer
zuständige Strafkam-mer des [X.]s zurückverwiesen.

2.
Die Revision des Angeklagten B.

gegen
das Urteil des
[X.] vom 11.
September 2012 wird verworfen.

Der Angeklagte B.

hat die Kosten seines Rechtsmittels
und die den [X.] im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten [X.]

, H.

und S.

jeweils
wegen Totschlags, den Angeklagten S.

darüber hinaus
tateinheitlich
wegen

Körperverletzung
verurteilt. Gegen den Angeklagten [X.]

hat es eine Frei-
heitsstrafe von
zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten 1
-
3
-
H.

eine solche
von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S.

, der zum
Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe
von fünf Jahren verurteilt.
Den Angeklagten B.

hat das [X.]
wegen gefährlicher Körperverlet-
zung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten [X.]

, H.

und S.

haben mit der Sachrüge Erfolg.
Die Revision des An-
geklagten B.

ist unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s hielt sich der später [X.]

He.

am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer
Discothek
in F.

auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als
der Angeklagte [X.]

versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von
der Theke wegzuziehen, geriet er
ins Straucheln,
fiel gegen den Geschädigten
und
schlug ihm sodann
mit der Faust ins Gesicht. Als dieser
zurückschlug,
ent-wickelte sich ein Gerangel, in dem
der Angeklagte [X.]

den Geschädigten
zu Boden
riss. Anschließend
versetzte er
ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. [X.] waren die
Angeklagten H.

, S.

und B.

informiert
worden
und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der
Angeklagte B.

schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der
Angeklagte H.

sprang
von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S.

, der sich neben den
Geschädigten
stellte, um gegebenenfalls zu dessen
Nachteil eingreifen zu können. Der
Ange-2
3
-
4
-
klagte H.

schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen
den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte [X.]

auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Ober-
körpers und des Bauches eintrat. Einem
Gast, der eingreifen wollte,
versetzte der Angeklagte S.

zwei Schläge in den Nacken.
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des
Angeklagten [X.]

gegen den Bauchraum
oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H.

verursacht wurde.
Aufgrund
der
massiven inneren Blutungen
verstarb der Geschädigte.
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite
hat das [X.] im

und gegen einen Tötungsvorsatz

der Angeklagten sprechenden Gesichtspunk-te
einerseits en-schen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu ge

andererseits
hat es
ausgeführt, dass es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet
und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf . Daran anknüpfend hat das [X.]
den Tötungs-vorsatz der
Angeklagten [X.]

und H.

aus deren
Gewalthandlungen abge-
leitet.
Anzeichen, die das Wissens-
oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch
das Nachtatverhalten des Angeklagten [X.]

begründe keinen Zweifel am Vorsatz. Zur
Begründung
für
die Feststellung, dass auch der Angeklagte S.

den Tod des Geschädigten
billigend in Kauf genommen habe, hat das [X.] angeführt, der Ange-klagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmit-telbarer Nähe wahrgenommen und sei
sich daher der Möglichkeit bewusst ge-4
5
-
5
-
wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe [X.] können.
II.
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten [X.] der Angeklagten [X.]

, H.

und S.

haben mit der Sachrüge Er-
folg. Auf die erhobenen
Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
1. Die Beweiserwägungen, mit denen
das [X.] einen
bedingten Tötungsvorsatz angenommen
hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Bedingt
vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf
nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustel-len ist,
hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen
(vgl. Senat, Urteil vom
17. Juli 2013 -
2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tat-sächliche Feststellungen belegt werden ([X.], Urteil vom 23. Februar 2012

-
4
StR 608/11, [X.], 443, 444).
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewer-tungsspielraums werden die Ausführungen des [X.]s den Anforderun-gen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S.

, der selbst keine Gewalthand-
lungen
vorgenommen
hat, hat das [X.] den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er
die Gewaltanwendung der
Ange-klagten [X.]

und H.

wahrgenommen hat. Damit ist indes
nur das Wis-
senselement des Vorsatzes belegt. Denn die
Wahrnehmung von Gewalthand-lungen
allein rechtfertigt nicht ohne weiteres
den Schluss auf die zumindest be-6
7
8
9
10
-
6
-
dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
August 1993 -
4 [X.], [X.] 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 -
4 [X.], [X.]R StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
bb) Bezüglich der
Angeklagten [X.]

und H.

fehlt es an einer
um-
fassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände.
Das [X.] ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährli-chen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen [X.] hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt ([X.], Urteil vom 22. März 2012 -
4 [X.], [X.], 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 -
2 [X.]). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter -
wie hier der An-geklagte [X.]

-
seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf
das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach
im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2007
-
1 [X.], [X.], 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthand-lung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die
im Einzelfall
in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden
Umstände
in seine Erwägungen
einbezogen hat ([X.], [X.] vom 10. Juli 2007 -
3 [X.], [X.], 307). Hieran fehlt es.
Das [X.] hat
den
Angeklagten [X.]

und H.

im Rahmen der
Strafzumessung
zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der
einem bedingten Tötungsvorsatz
entgegenstehen kann (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2009
-
4 [X.], [X.], 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 -
2 [X.]), hätte aber nicht nur im Rah-men der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des
voluntativen
Vorsatzelements
erörtert werden müssen.
Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür
fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsitua-tion den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben
(vgl. auch 11
12
-
7
-
[X.],
Beschluss vom 24. August 1990 -
3 [X.], [X.]R StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 -
3 [X.], [X.], 317, 318). Dies hat
die Strafkammer ebenfalls
nicht
in
ihre
Gesamt-würdigung einbezogen, obwohl sie
festgestellt hat, dass
-
zumindest aus Sicht des Angeklagten B.

-
die Gewalthandlungen der Angeklagten [X.]

und H.

letztlich den Zweck verfolgten

4).
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der
Tatum-stände
zu ermöglichen, waren
neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
2. Die Revision des Angeklagten B.

ist aus den Gründen der An-
tragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Fischer Ri[X.] Dr. Appl ist aus Krehl

tatsächlichen Gründen an

der Unterschriftsleistung gehindert.

Fischer

Rin[X.] Dr. Ott ist aus Zeng

tatsächlichen Gründen an

der Unterschriftsleistung gehindert.

Fischer

13
14

Meta

2 StR 148/13

27.08.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.08.2013, Az. 2 StR 148/13 (REWIS RS 2013, 3217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3217

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 StR 148/13

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4 StR 558/11

2 StR 139/13

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