Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2016, Az. VIII ZR 277/15

8. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5182

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Gegenstand

Zwangsverwaltung eines Mietgrundstücks: Nachweis eines Mietvertrags zwischen dem ehemaligen Eigentümer und einem Verwandten


Leitsatz

Zum Nachweis eines vor der Beschlagnahme eines Mietgrundstücks mit einem Verwandten des damaligen Eigentümers abgeschlossenen Mietvertrags und der Erbringung einer behaupteten Einmalzahlung auf die Miete (im Anschluss an Senatsurteil vom 18. September 2013, VIII ZR 297/12, NZM 2013, 854 Rn. 15).

Tenor

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 7. Oktober 2015 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

[X.]: bis 5.000 €

Gründe

I.

1

Der Kläger ist am 27. Juni 2013 zum Zwangsverwalter des [X.]in L.       bestellt worden. Er begehrt von dem [X.]agten, der in diesem Haus unter Berufung auf einen Mietvertrag wohnt, die Räumung und Herausgabe.

2

Der [X.]agte war zunächst selbst Eigentümer des streitigen [X.] gewesen. Schon zu dieser Zeit wurde dessen Zwangsversteigerung durch Grundpfandgläubiger betrieben. Die Mutter des [X.]agten ersteigerte das Grundstück und erhielt den Zuschlag am 7. Juli 2009. Am 9. Oktober 2012 verstarb sie und wurde vom Vater des [X.]agten beerbt. In der Folgezeit fanden erneut Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Grundstück statt. Bei einem Versteigerungstermin am 13. September 2013 wurde kein Gebot abgegeben.

3

Gegenüber dem klagenden Zwangsverwalter legte der [X.]agte die Kopie eines Schriftstücks vor, nach deren Inhalt er mit seiner Mutter unter dem 25./28. August 2009 einen Mietvertrag über das streitige Wohnhaus geschlossen hat. Dort findet sich unter § 3 die folgende Klausel:

"Der bereits am 16. Juni 2009 eingegangene und nach Ausweis [X.][= [X.].] zustehende Betrag über rund 157.000 € auf das Konto […], Inhaberin [X.]    [= Mutter des [X.]. und Vermieterin] wird als Mietzahlung (einmalige Gesamtmietzahlung) vereinbart und stellt die beabsichtigte und tatsächliche Miete für die gesamte Vertragsdauer dar. Darüber hinaus wird keine weitere Mietzahlung oder Nebenkostenzahlung geschuldet."

4

Mit Rücksicht auf die von ihm behauptete Einmalmietzahlung leistete der [X.]agte keine Mietzahlungen an den Kläger. Dieser macht geltend, der Mietvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil er nur auf Schädigung der Zwangsvollstreckungsgläubiger gerichtet sei. Daneben hat der Kläger die fristlose Kündigung wegen [X.] Mietzahlungen erklärt. Die Räumungsklage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.]agten.

II.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Räumungsanspruch zu. Nach den teilweise wechselhaften Einlassungen des [X.]agten stehe für das Berufungsgericht fest, dass entweder überhaupt kein Mietvertrag zwischen dem [X.]agten und seiner Mutter als der damaligen Eigentümerin zustande gekommen, jedenfalls aber keine Miete gezahlt worden sei.

7

Der [X.]agte habe in beiden Instanzen keinen nachvollziehbaren Grund nennen können, warum bereits am 16. Juni 2009, mithin zweieinhalb Monate vor dem von ihm behaupteten Abschluss des Mietvertrages Ende August 2009 ein Betrag von 157.971,35 € von einem [X.] auf das Konto der Mutter gezahlt worden sei. Die Vorlage der Unterlagen zu dem [X.], aus denen sich die näheren Umstände und der Grund für die Auszahlung ergeben müssten, habe der [X.]agte vermieden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe er angegeben, dass es bei der Überweisung noch keinen Rechtsgrund gegeben habe. In der Berufungsverhandlung habe der [X.]agte dann erklärt, er habe das Geld aus [X.] gehabt, dieses sei zunächst ohne Rechtsgrund über das [X.] an seine Mutter geflossen und später sei dann eine "Verrechnung" mit seinen [X.] erfolgt. Angesichts des vom [X.]agten vorgetragenen zeitlichen Ablaufs dränge sich indes die Vermutung auf, die Mutter habe das Geld für den Grundstückserwerb in der Zwangsversteigerung verwendet und anschließend in [X.] Zusammenwirken mit dem [X.]agten den Versuch unternommen, das Grundstück wenn schon nicht im Eigentum, so doch im Besitz des [X.]agten zu erhalten.

III.

8

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil der [X.] nicht erreicht ist.

9

1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer von mehr als 20.000 € gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO ist nicht erreicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der [X.] bei einem Streit über das Bestehen eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietverhältnisses, wozu auch ein Mietverhältnis auf die Lebensdauer des Mieters gehört, nach dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der vereinbarten Nettomiete, also 42 Monatsmieten, zu bemessen (Senatsbeschlüsse vom 16. September 2015 - [X.], [X.], 681 Rn. 3; vom 14. Juni 2016 - [X.], [X.], 509 Rn. 1; jeweils mwN). Bei Vereinbarung einer Einmalmiete für eine lebenslange Wohndauer ist zur Ermittlung der Beschwer der Einmalbetrag auf die Dauer der voraussichtlichen weiteren Lebenserwartung des Mieters zu verteilen. Da der [X.]agte bei Abschluss des behaupteten [X.] war, ergäbe sich selbst bei einer - eher niedrig angesetzten - Lebenserwartung von weiteren 35 Jahren eine Monatsmiete von (nur) rund 375 € und eine Beschwer von rund 15.750 € (42 Monatsmieten). Auf den objektiven Mietwert kommt es entgegen der Auffassung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht an (Senatsbeschluss vom 23. März 2016 - [X.], [X.], 305 Rn. 9 mwN).

2. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die - im Zuge von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in ein Familieneigenheim durchaus häufiger (und auch hier) zu beobachtende - Konstellation, dass sich ein naher Verwandter des ehemaligen Eigentümers gegenüber dem Zwangsverwalter (oder dem Ersteigerer) auf einen Mietvertrag mit dem früheren Eigentümer beruft, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Konditionen (Mietvorauszahlungen und/oder ungewöhnlich niedrige Miete, lebenslanges Wohnrecht o.ä.) jegliche Erträge aus dem Grundstück zum Vorteil des Mieters auf Dauer oder zumindest für einen sehr langen Zeitraum ausschließt, den Verdacht kollusiven Verhaltens zum Nachteil der Gläubiger - wie es auch das Berufungsgericht hier gesehen hat - zumindest nahelegt. Zudem drängt sich in derartigen Fällen die Frage auf, ob ein - meist nur in Kopie vorgelegter - (angeblicher) Mietvertrag mit einem früheren Eigentümer tatsächlich zu dem darin angegebenen Zeitpunkt und mithin vor der Beschlagnahme des Grundstücks abgeschlossen worden ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. September 2013 - [X.], [X.], 854 Rn. 15, sowie ferner Senatsurteil vom 21. September 2016 - [X.]/15, zur Veröffentlichung bestimmt).

Dem ist das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung vollumfänglich gerecht geworden, so dass die Nichtzulassungsbeschwerde auch in der Sache keinen Erfolg hätte, da ein Grund für die Zulassung der Revision nicht besteht (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Dr. Milger                               Dr. Hessel                            Dr. [X.]

                    Dr. Schneider                           Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 277/15

21.09.2016

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Darmstadt, 7. Oktober 2015, Az: 7 S 37/15

§ 152 Abs 2 ZVG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.09.2016, Az. VIII ZR 277/15 (REWIS RS 2016, 5182)

Papier­fundstellen: WM2017,871 REWIS RS 2016, 5182

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