Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2023, Az. EnVR 35/21

Kartellsenat | REWIS RS 2023, 6249

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ermittlung des Kapitalkostenabzugs im Rahmen der Festlegung der Erlösobergrenze durch Bundesnetzagentur - Negativer Kapitalkostenabzug


Leitsatz

Negativer Kapitalkostenabzug

1. Das negative Eigenkapital eines Netzbetreibers ist auch dann insgesamt mit dem Zinssatz für Neuanlagen zu verzinsen, wenn zu dessen betriebsnotwendigem Vermögen auch Altanlagen gehören.

2. Beim Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 ARegV ist die Berücksichtigung rechnerisch negativer Abzugsbeträge ausgeschlossen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des [X.] vom 28. April 2021 wird zurückgewiesen.

Soweit die Betroffene die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 16. Mai 2019 zurückgenommen hat, werden das Beschwerde- und das Rechtsbeschwerdeverfahren eingestellt. Insoweit sind diese Verfahren als nicht anhängig geworden anzusehen. Der auf die Beschwerde ergangene Beschluss des [X.] ist insoweit wirkungslos und wird im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.

Gründe

1

A. Die Betroffene betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz. Sie ist lediglich Eigentümerin der [X.], eines Betriebsgebäudes sowie der Betriebs- und Geschäftsausstattung. Sämtliche anderen Netzanlagen hat sie gepachtet.

2

Mit Beschluss vom 16. Mai 2019 legte die [X.] die kalenderjährlichen [X.] für die dritte [X.] für das Netz der Betroffenen niedriger als beantragt fest. Sie verzinste das negative Eigenkapital der Betroffenen insgesamt mit dem Zinssatz für Neuanlagen. Bei der Ermittlung des [X.] nach § 6 Abs. 3 [X.] setzte sie die sich bei der Betroffenen ergebenden negativen [X.]beträge mit dem Wert Null an. Ferner bewertete sie die im Basisjahr im Bau befindlichen Anlagen sowie die [X.] und [X.] im Kapitalkostenabzug abweichend von der Betroffenen.

3

Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht den Beschluss der [X.] aufgehoben und diese hinsichtlich der Bewertung der Anlagen im Bau sowie der [X.] und [X.] im Kapitalkostenabzug, nicht jedoch hinsichtlich des Zinssatzes für das negative Eigenkapital und des rechnerisch negativen [X.] zur Neubescheidung verpflichtet. Dagegen haben sich sowohl die Betroffene als auch die [X.] mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Die Betroffene hat ihre Beschwerde, soweit sie sich gegen die Behandlung der [X.] und [X.]beiträge sowie der Anlagen im Bau beim Kapitalkostenabzug richtet, während des [X.] mit Zustimmung der [X.] zurückgenommen.

4

B. Die Teilrücknahme der Beschwerde durch die Betroffene bewirkt, dass das Verfahren insoweit als nicht anhängig geworden anzusehen ist. Die Rechtsbeschwerde der [X.] hat sich dadurch erledigt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Dezember 2022 - [X.] 55/20, [X.], 163 Rn. 4 - Regionetz GmbH; vom 20. Dezember 2022 - [X.] 45/21, juris Rn. 4 - Datenkorrektur).

5

C. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg.

6

I. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die [X.] habe zu Recht auf das negative Eigenkapital der Betroffenen insgesamt den Zinssatz für Neuanlagen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 [X.] angewandt. Ausnahmekonstellationen, die die Anwendung anderer Zinssätze rechtfertigten, seien nicht gegeben. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die [X.] bei der Betroffenen einen sich rechnerisch ergebenden negativen Kapitalkostenabzug für das jeweilige Jahr der [X.] unberücksichtigt gelassen habe. Dies stehe mit dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 [X.] und der systematischen Einbindung des [X.] in den [X.] in Einklang. Die Berücksichtigung eines negativen [X.] und damit eines [X.] hätte zur Folge, dass aufgrund einer rein mathematischen Betrachtung trotz sinkender Werte der vorhandenen Anlagegüter ein künstlich geschaffener Aufwuchs der Kapitalkosten berücksichtigt würde. Dies liefe jedoch der Systematik des [X.]s nach § 6 Abs. 3, § 10a [X.] zuwider, wonach [X.] allein für Investitionen nach dem Basisjahr vorgesehen seien, und widerspräche Sinn und Zweck des [X.], der allein das Sinken der Kapitalkosten infolge sinkender [X.] abbilden wolle.

7

II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.

8

1. Die Erlösobergrenze wird gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 [X.] für jedes Kalenderjahr der gesamten [X.] nach Maßgabe der §§ 5 bis 17, 19, 22 und 24 [X.] bestimmt. Zur Ermittlung des Ausgangsniveaus für die Bestimmung der [X.] verweist § 6 Abs. 1 [X.] auf Vorschriften der Gas- und der Stromnetzentgeltverordnung. Diese Regelungen finden nach der Rechtsprechung des [X.] auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] vom 2. September 2021 ([X.]/18, [X.], 534 Rn. 112 bis 138) weiterhin Anwendung ([X.], Beschlüsse vom 26. Oktober 2021 - [X.] 17/20, [X.], 119 Rn. 14 - Genereller [X.] [X.]; vom 7. Dezember 2021 - [X.] 6/21, [X.], 630 Rn. 9 - Kapitalkostenabzug m.w.N.). Angesichts der durch das Unionsrecht geforderten Unabhängigkeit der [X.] von externen Weisungen anderer öffentlicher oder privater Stellen sind die Vorschriften der Anreizregulierungsverordnung sowie der Strom- und der Gasnetzentgeltverordnung jedoch wo auch immer möglich und bis zu der den Gerichten durch den Willen des nationalen Gesetzgebers gezogenen Grenze im Sinne einer Gewährleistung und Sicherung dieser Unabhängigkeit auszulegen. Eine gerichtliche Überprüfung erfolgt daher im Grundsatz nur noch in Bezug auf den nach diesen Maßstäben fortgeltenden nationalen Regulierungsrahmen sowie anhand unionsrechtlicher Vorgaben ([X.], [X.], 119 Rn. 15 - Genereller [X.] [X.]; [X.], 630 Rn. 10 - Kapitalkostenabzug, jew. m.w.N.).

9

2. Vor diesem Hintergrund hat das Beschwerdegericht zu Recht gebilligt, dass die [X.] das gesamte negative Eigenkapital mit dem Zinssatz für Neuanlagen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 [X.] von 6,91 % verzinst hat.

a) Die [X.] hat zur Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung für die Betroffene den [X.] am Sachanlagevermögen von    % vollumfänglich mit der Bewertung zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die [X.] gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] eingestellt. Auf dieser Basis ermittelte die [X.] (negatives) Eigenkapital in Höhe von -               € und eine (negative) Eigenkapitalquote von -    %. Sie berechnete unter Anwendung des Zinssatzes für Neuanlagen gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 [X.] von 6,91 % auf das gesamte negative Eigenkapital eine negative Eigenkapitalverzinsung von -     €.

b) Dieses Vorgehen steht in Einklang mit der Rechtsprechung des [X.], wonach in [X.] negatives Eigenkapital bei der Verzinsung zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 3. März 2009 - [X.] 79/07, [X.], 19 Rn. 39 bis 46 - [X.]; vom 25. April 2017 - [X.] 57/15, [X.], 340 Rn. 33 - [X.]). Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 [X.] darf ein Netzbetreiber für die Überlassung von Anlagegütern durch Dritte höchstens diejenigen Kosten ansetzen, die anfielen, wenn er Eigentümer der Anlagen wäre. Damit soll verhindert werden, dass insbesondere innerhalb eines Konzerns durch die Vereinbarung überhöhter Pachtzinsen für den Netznutzer höhere Netzentgelte entstehen ([X.], [X.], 340 Rn. 34 - [X.]). Hierzu hat eine kalkulatorische Berechnung sowohl beim Verpächter als auch beim Pächter stattzufinden, und soweit sich dabei beim Pächter eine höhere Obergrenze für die Netzkosten als beim Verpächter ergibt, muss die anzusetzende Pacht so weit reduziert werden, dass diese Differenz nicht mehr auftritt (vgl. [X.], [X.], 19 Rn. 43 - [X.]; [X.], 340 Rn. 35 - [X.]). Darüber hinaus ist zu gewährleisten, dass [X.] im Sinne von § 7 Abs. 2 [X.] beim Netzbetreiber in voller Höhe angesetzt wird. Wenn das betriebsnotwendige Eigenkapital im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] beim Netzbetreiber aufgrund der Gebrauchsüberlassung niedriger ist als das [X.], ist für die kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapitals deshalb ein negativer Wert anzusetzen ([X.], [X.], 340 Rn. 36 - [X.]).

Des Weiteren hat der [X.] bereits entschieden, dass allein die Verzinsung des negativen Eigenkapitals mit dem in § 7 Abs. 4 Satz 1 [X.] vorgesehenen Zinssatz für die zum Eigenkapital gehörenden Neuanlagen dem Zweck des § 4 Abs. 5 [X.] entspricht ([X.], [X.], 340 Rn. 48 - [X.]; vgl. auch [X.], Beschluss vom 9. Juli 2019 - [X.] 52/18, [X.], 456 Rn. 100 - Eigenkapitalzinssatz II). Der Zinssatz für Neuanlagen ist derjenige Zinssatz, der der gesetzlichen Vorgabe einer angemessenen Verzinsung unter Berücksichtigung der mit dem Netzbetrieb verbundenen unternehmerischen Wagnisse grundsätzlich entspricht. Die Zinssätze für den überschießenden Anteil des Eigenkapitals und für Altanlagen betreffen demgegenüber Ausnahmekonstellationen und können deshalb nur dann herangezogen werden, wenn die darin vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind oder zumindest eine damit vergleichbare Konstellation vorliegt, was bei negativem Eigenkapital nicht der Fall ist ([X.], [X.], 340 Rn. 51 bis 57 - [X.]).

c) An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsbeschwerde vorgebrachten Argumente fest.

aa) Entgegen der Auffassung der Betroffenen ist das negative Eigenkapital des Netzbetreibers auch dann insgesamt mit dem Zinssatz für Neuanlagen zu verzinsen, wenn zum betriebsnotwendigen Vermögen des Netzbetreibers auch Altanlagen gehören. Dieser Fall ist mit der Verzinsung des [X.]s bei positivem Eigenkapital nicht vergleichbar.

(1) Durch den um die durchschnittliche Preisänderungsrate gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 [X.] gegenüber Neuanlagen reduzierten Zinssatz für Altanlagen wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Eigenkapitalanteil von Altanlagen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] zu Tagesneuwerten zu berechnen ist, die Preisänderungsrate also schon im Ausgangswert Niederschlag findet (vgl. [X.], [X.], 340 Rn. 56 - [X.]).

(2) Ist die gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.] zu bestimmende Eigenkapitalquote rechnerisch negativ, besteht kein eigenfinanzierter Anteil der Altanlagen und die kalkulatorischen Restwerte der Altanlagen sind, wie vorliegend erfolgt, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.] vollumfänglich zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten und nicht zu Tagesneuwerten in die [X.] einzustellen, so dass für eine Reduzierung des Zinssatzes um die Preisänderungsrate keine Veranlassung besteht.

(3) Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde geltend, das Beschwerdegericht hätte den Ansatz der Altanlagen ausschließlich zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten beanstanden müssen, weil die [X.] eine Eigenkapitalquote der Betroffenen gemäß § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.] in Höhe von 81,66 % ermittelt habe und der [X.] somit gemäß § 6 Abs. 2 Satz 4, § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 [X.] in Höhe von 40 % zu Tagesneuwertpreisen in die [X.] hätte einfließen müssen. Wie sich aus der zur angefochtenen Festlegung gehörenden Anlage 4 für die Betroffene und den diesbezüglichen Feststellungen des [X.] ergibt, hat die [X.] sowohl nach § 6 Abs. 2 Satz 3 [X.] als auch nach § 7 [X.] für die Betroffene eine (negative) Eigenkapitalquote von -     % errechnet (vgl. Zeilen 20, 24 der genannten Anlage) und die Altanlagen somit, da ein eigenfinanzierter [X.] nicht besteht, zutreffend vollumfänglich zu historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die [X.] eingestellt.

bb) Auf das negative Eigenkapital der Betroffenen ist, auch soweit es eine (negative) Eigenkapitalquote von -40 % unterschreitet, nicht der Zinssatz gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5, Abs. 7 [X.] für über (+)40 % hinausgehendes positives Eigenkapital anzuwenden.

(1) Nach dem Gesetzeswortlaut ist der Zinssatz nach § 7 Abs. 7 [X.] auf negatives Eigenkapital nicht anwendbar. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 5 [X.] ist der Zinssatz nach § 7 Abs. 7 [X.] anzuwenden, soweit das betriebsnotwendige Eigenkapital einen Anteil von 40 % des betriebsnotwendigen Vermögens "übersteigt". Entsprechend heißt es in § 7 Abs. 7 Satz 1 [X.], dass der dort festgelegte Zinssatz auf den Anteil des Eigenkapitals anzuwenden ist, der die Eigenkapitalquote nach § 7 Abs. 1 Satz 5 "übersteigt". Negatives Eigenkapital übersteigt aber nicht die Eigenkapitalquote nach § 7 Abs. 1 Satz 5 [X.], sondern befindet sich zwingend im Bereich unter 0 %. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Regelung nach ihrem Wortlaut also keineswegs "vorzeichenneutral" in dem Sinne, dass danach Eigenkapital, das eine Eigenkapitalquote von -40 % unterschreitet, wie positives Eigenkapital zu verzinsen ist, das über die Eigenkapitalquote von 40 % hinausgeht.

(2) Auch Sinn und Zweck der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 5, Abs. 7 [X.] stehen einer Anwendung auf negatives Eigenkapital entgegen. Der Verordnungsgeber ist bei dem in § 7 Abs. 7 [X.] vorgesehenen niedrigeren Zinssatz davon ausgegangen, dass es nach betriebswirtschaftlichen [X.] nicht sinnvoll erscheint, wenn Unternehmen langfristig eine Eigenkapitalquote von mehr als 40 % aufweisen (vgl. [X.], [X.], 19 Rn. 15 - [X.]; [X.], 340 Rn. 54 - [X.]). Diese Erwägung lässt sich, auf negatives Eigenkapital nicht übertragen. Denn der Ansatz eines negativen Werts für das Eigenkapital ist nicht die Folge einer Finanzierung durch Fremdkapital oder einer Überschuldung des Netzbetreibers, sondern lediglich ein rechnerisches Hilfsmittel, um zu gewährleisten, dass das Vorhandensein von [X.] im Sinne von § 7 Abs. 2 [X.] zu einer Verringerung der ansetzbaren Kosten führt. Eine Gleichsetzung von negativem Eigenkapital mit Fremdkapital scheidet deshalb aus - unabhängig davon, in welchem Verhältnis der Betrag des negativen Eigenkapitals zum Gesamtwert des betriebsnotwendigen Vermögens steht ([X.], [X.], 340 Rn. 55 - [X.]). Daher rechtfertigt auch die von der Betroffenen geltend gemachte weitgehende Finanzierung ihres Anlagevermögens mit Fremdkapital nicht den Ansatz des Zinssatzes gemäß § 7 Abs. 7 [X.]. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der Begründung zur Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Energieregulierung [[X.]. 417/07 (Beschluss) vom 21. September 2007, S. 22], die sich zum Zinssatz für eine Eigenkapitalquote, die unter -40 % absinkt, nicht verhält.

cc) Es kann dahinstehen, ob auch die von der Betroffenen begehrte Verzinsung des - vermeintlichen - eigenfinanzierten [X.]s mit dem Zinssatz nach § 7 Abs. 4 Satz 2 [X.] und des die Quote von -40 % unterschreitenden Eigenkapitals mit dem Zinssatz nach § 7 Abs. 7 [X.] vorliegend - wie diese meint - hinter der Verzinsung zurückbliebe, die sich ergäbe, wenn die Betroffene Eigentümerin des Anlagevermögens wäre (§ 4 Abs. 5 [X.]). Wie dargelegt entspricht die von der Betroffenen begehrte Verzinsung nicht den Regelungen der Stromnetzentgeltverordnung.

dd) Die Nichtanwendung des Zinssatzes gemäß § 7 Abs. 7 [X.] auf das eine Quote von -40 % unterschreitende negative Eigenkapital und des Zinssatzes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 [X.] auf den [X.] verletzt die Netzbetreiber, die nicht Eigentümer der gesamten betriebsnotwendigen Anlagegüter sind, schließlich nicht - wie die Betroffene meint - in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG. Wie dargelegt, entspricht allein die Verzinsung des negativen Eigenkapitals mit dem in § 7 Abs. 4 Satz 1 [X.] vorgesehenen Zinssatz dem Zweck des § 4 Abs. 5 [X.]. Dessen Verfassungskonformität zieht auch die Betroffene nicht in Zweifel.

3. Das Beschwerdegericht hat auch zu Recht gebilligt, dass die [X.] bei der Festlegung des [X.] nach § 6 Abs. 3 [X.] die sich bei der Betroffenen rechnerisch ergebenden negativen [X.] mit null angesetzt hat. Denn die Berücksichtigung negativer Abzugswerte ist beim Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 [X.] ausgeschlossen. Dies folgt unmittelbar aus den Regelungen der Anreizregulierungsverordnung in der bis zum 30. Juli 2021 geltenden Fassung (aF). Danach kann im Ergebnis dahinstehen, ob im Streitfall Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 [X.] in der seit dem 31. Juli 2021 geltenden ergänzten Fassung (nF) Anwendung findet, in der nunmehr ausdrücklich festgelegt ist, dass der Kapitalkostenabzug keine Werte kleiner als null annehmen darf (vgl. zur Änderung des § 34 Abs. 5 Satz 1 [X.]: [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2021 - [X.] 6/21, [X.], 630 Rn. 41 - Kapitalkostenabzug).

a) Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 [X.] ermittelt die Regulierungsbehörde vor Beginn der [X.] der [X.] den Kapitalkostenabzug nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 und der Anlage 2a. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass Kapitalkosten im Sinne des [X.] nach Satz 1 die Summe der kalkulatorischen Abschreibungen, der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung, der kalkulatorischen Gewerbesteuer und des Aufwands für [X.] sind. In Satz 3 ist festgelegt, dass sich der Kapitalkostenabzug aus den im Ausgangsniveau nach den Absätzen 1 und 2 enthaltenen Kapitalkosten im Basisjahr abzüglich der fortgeführten Kapitalkosten im jeweiligen Jahr der [X.] ergibt. Die fortgeführten Kapitalkosten werden gemäß Absatz 3 Satz 4 unter Berücksichtigung der im Zeitablauf sinkenden kalkulatorischen [X.] der betriebsnotwendigen Anlagegüter des Ausgangsniveaus nach den Absätzen 1 und 2 sowie der im Zeitablauf sinkenden Werte der hierauf entfallenden [X.]beiträge und [X.] ermittelt. Ergänzt wird diese Regelung durch die in Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 [X.] aF enthaltene Formel, wonach sich der Kapitalkostenabzug für das jeweilige Jahr der [X.] ([X.]) aus der Differenz der für das Basisjahr ermittelten Kapitalkosten ([X.]) und den fortgeführten Kapitalkosten für das betreffende Jahr der [X.] ([X.]) ergibt.

Bei Anwendung dieser Formel ergibt sich rechnerisch ein negativer [X.]betrag, wenn die fortgeführten Kapitalkosten die für das Basisjahr ermittelten Kapitalkosten übersteigen. Dies kann darauf beruhen, dass bereits die auf Grundlage des Bestands der betriebsnotwendigen Anlagegüter für das Basisjahr errechneten Kapitalkosten einen negativen Wert haben, weil das [X.] höher ist als das Anlagevermögen und daher negatives Eigenkapital besteht, oder wenn nach dem Basisjahr die Werte des [X.]s schneller sinken als der Wert des Anlagevermögens und daher die (kalkulatorischen) Kapitalkosten während der [X.] steigen, statt zu sinken.

b) Die Berücksichtigung eines rechnerisch negativen [X.]betrags im Rahmen des § 6 Abs. 3 [X.] würde zu einer Erhöhung der Kapitalkosten führen, käme also einem [X.] gleich. Aus Sinn und Zweck der Regelung des [X.] in § 6 Abs. 3 [X.] und der Systematik des [X.]s ergibt sich, dass ein solcher "Abzugsbetrag" nicht berücksichtigt werden kann, sondern vielmehr bei der Berechnung der Kapitalkosten für das jeweilige Jahr der [X.] mit dem Wert Null anzusetzen ist. Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 [X.] aF steht dem nicht entgegen.

aa) Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch das im Jahr 2016 neu eingeführte Instrument des [X.] ausschließlich die im Laufe der [X.] sinkenden (kalkulatorischen) Kosten für das betriebsnotwendige Anlagevermögen berücksichtigt, nicht hingegen jegliche Veränderung beim Eigenkapital abgebildet werden. Dies folgt aus der Begründung des Entwurfs der Bundesregierung für die Zweite Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung vom 2. Juni 2016. Danach soll durch den Kapitalkostenabzug das zeitliche Absinken der [X.] der im Ausgangsniveau enthaltenen betriebsnotwendigen Sachanlagegüter und das damit verbundene Absinken der Kosten des Netzbetreibers für Abschreibungen, kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, kalkulatorische Gewerbesteuer sowie für [X.] nachgefahren werden. Auf diese Weise wird berücksichtigt, dass aus sinkenden [X.]n sinkende Kapitalkosten resultieren. Für [X.], die den Wert Null erreicht haben, sollen - wie bisher - keine Kapitalkosten mehr berücksichtigt werden (vgl. [X.]. 296/16, [X.]).

Daher kann das Instrument des [X.] bei denjenigen Netzbetreibern, die nicht über eigene betriebsnotwendige Anlagegüter verfügen, von vornherein keine Wirkung entfalten, denn sie haben keine Kapitalkosten, die infolge des Wertverlusts der Anlagegüter sinken können. Zugleich schließt die Funktion des § 6 Abs. 3 [X.] es allgemein aus, dass trotz sinkender Werte des Anlagevermögens steigende Kapitalkosten berücksichtigt werden, was indes die wirtschaftliche Folge eines negativen [X.] wäre. Eine solche Handhabung liefe dem Ziel zuwider, mit dem Kapitalkostenabzug (allein) die durch den Wertverlust des vorhandenen Anlagevermögens sinkenden kalkulatorischen Kosten beim Netzbetreiber nachzufahren. Das Anlagevermögen kann gemäß § 6 Abs. 6 und 7 [X.] den Wert Null nicht unterschreiten.

bb) Zu Recht hat das Beschwerdegericht in Übereinstimmung mit der [X.] ausgeführt, dass die Anerkennung eines negativen Abzugsbetrags beim Kapitalkostenabzug in Widerspruch zum System des [X.]s stünde. Danach werden Veränderungen der Kapitalkosten während der laufenden [X.] nicht nur dadurch abgebildet, dass über den Kapitalkostenabzug nach § 6 Abs. 3 [X.] die mit dem Sinken der Werte des betriebsnotwendigen Anlagevermögens verbundene (kalkulatorische) Kostenersparnis erfasst wird. Durch den [X.] nach § 10a [X.] finden vielmehr auch die durch neu hinzukommende betriebsnotwendige Anlagegüter bedingten neuen (kalkulatorischen) Kapitalkosten Berücksichtigung. Beide - in ihrer methodischen Ausgestaltung freilich nicht deckungsgleichen (vgl. [X.], [X.], 630 Rn. 71 - Kapitalkostenabzug) - Instrumente des [X.]s erfassen eine Veränderung der Kapitalkosten allein unter dem Aspekt der sich verändernden Zusammensetzung des betriebsnotwendigen Anlagevermögens, nehmen jedoch nicht jegliche Veränderungen des Eigenkapitals in den Blick. Mit dieser Funktionsweise wäre es nicht vereinbar, auch Änderungen der Kapitalkosten zu berücksichtigen, die nicht mit einer entsprechenden Veränderung des Werts oder Bestands der betriebsnotwendigen Anlagegüter korrespondieren. Dabei kann dahinstehen, ob die [X.] bei der Festlegung der [X.] für andere Netzbetreiber in anderen Verfahren unter bestimmten Voraussetzungen einen negativen [X.] zu Recht angenommen hat. Selbst wenn diese Vorgehensweise in Widerspruch zu den Vorgaben der Anreizregulierungsverordnung stehen sollte, was im Streitfall nicht zu beurteilen ist, hätte das nicht zur Folge, dass ein negativer Kapitalkostenabzug systemwidrig zu berücksichtigen wäre.

cc) Der Wortlaut des § 6 Abs. 3 [X.] steht der Nichtberücksichtigung eines negativen [X.] nicht entgegen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der mathematischen Formel für die Berechnung des [X.] in Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 [X.] aF. Zwar könnte sich bei deren isolierter Betrachtung ein derartiges Verständnis ergeben, da sie keine ausdrückliche Begrenzung auf null enthält. Der Verordnungsgeber hat jedoch, wie ausgeführt (oben Rn. 27), in der Begründung des § 6 Abs. 3 [X.] zum Ausdruck gebracht, dass mit dem Kapitalkostenabzug dem Umstand Rechnung getragen werden soll, dass die Kapitalkosten im Laufe der [X.] sinken, weil auch die Werte des im Basisjahr vorhandenen betriebsnotwendigen Sachanlagevermögens sinken. Diesem Ziel liefe die Berücksichtigung eines negativen [X.]betrags diametral entgegen, weil auf diese Weise eine - neben dem [X.] nach § 10a [X.] stehende - außerordentliche Kapitalkostenerhöhung während der [X.] ermöglicht würde. Es erscheint daher fernliegend, dass der Verordnungsgeber über die Formel in Abs. 1 der Anlage 2a zu § 6 [X.] aF einen negativen [X.]betrag ermöglichen wollte.

dd) Wie auch die Betroffene nicht in Frage stellt, ist der Kapitalkostenabzug in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des [X.] zur getrennten Betrachtung der Vermögenssphären von Netzbetreiber und Verpächter ([X.], [X.], 340 Rn. 45 - [X.]; Beschluss vom 17. Oktober 2017 - [X.] 23/16, [X.], 77 Rn. 37- [X.] Netz GmbH) für diese jeweils einzeln zu bestimmen (vgl. [X.]. 296/16, [X.]). Ergibt sich dabei für den Netzbetreiber rechnerisch ein negativer Betrag, ist dieser entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn "über alle Beteiligten, d. h. Netzbetreiber und Verpächter hinweg" ein Abzug verbleibt, denn eine solche Anerkennung würde dem Grundsatz der getrennten Betrachtung der Vermögenssphären von Netzbetreiber und Verpächter widersprechen. Dies steht auch im Einklang mit der Begründung zur Verordnung zur Änderung der Anreizregulierungsverordnung und der Stromnetzentgeltverordnung, auf die sich die Betroffene zu Unrecht beruft. In dieser ist ausdrücklich ausgeführt, dass der Kapitalkostenabzug beim Netzbetreiber und Verpächter jeweils nicht kleiner als null sein darf [vgl. [X.]. 405/21 (Beschluss) vom 25. Juni 2021, S. 2 f.].

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 [X.].

[X.]     

      

Tolkmitt     

      

Picker

      

Holzinger     

      

Kochendörfer     

      

Meta

EnVR 35/21

25.04.2023

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Düsseldorf, 28. April 2021, Az: VI-3 Kart 767/19 (V)

§ 4 Abs 1 StromNEV, § 4 Abs 5 StromNEV, § 7 StromNEV, § 6 Abs 3 ARegV, § 6 Anl 2a ARegV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.04.2023, Az. EnVR 35/21 (REWIS RS 2023, 6249)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6249

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

EnVR 32/21 (Bundesgerichtshof)

Festlegung der Erlösobergrenze für Gasverteilernetz durch Bundesnetzagentur - Notwendiger Kassenbestand


EnVR 26/19 (Bundesgerichtshof)

Vereinbarkeit der Begrenzung der Bemessungsgrundlage der kalkulatorischen Gewerbesteuer für den Kapitalkostenaufschlag auf eine fiktive Eigenkapitalquote …


3 Kart 798/19 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


EnVR 57/15 (Bundesgerichtshof)

Festsetzung der Erlösobergrenzen im Gasverteilernetz: Darlegungslast des Netzbetreibers hinsichtlich der Betriebsnotwendigkeit seines Umlaufvermögens; Verzinsung des …


3 Kart 166/17 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.