Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.03.2022, Az. 10 C 2/21, 10 C 2/21 (7 C 28/17)

10. Senat | REWIS RS 2022, 574

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Gegenstand

Zugang zu Umweltinformationen über Stuttgart 21; Ausnahme für interne Mitteilungen


Leitsatz

1. Der Ausnahmetatbestand nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e UIRL erfasst Informationen, die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die zum Zeitpunkt eines Antrags auf Informationszugang deren Binnenbereich insbesondere nicht dadurch verlassen haben, dass sie einem Dritten bekannt gegeben oder öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Eine zeitliche Begrenzung enthält der Tatbestand des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e UIRL nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Januar 2021 - C-619/19, Land Baden-Württemberg - Rn. 47 und 55 ff.).

2. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformation und dem Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe sind insbesondere die seit der Erstellung einer internen Mitteilung vergangene Zeit und die in der Mitteilung enthaltenen Informationen zu berücksichtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Januar 2021 - C-619/19, Land Baden-Württemberg - Rn. 64).

3. Im Rahmen der inhaltlichen Würdigung interner Mitteilungen ist zwischen der Zusammenstellung von Sachinformationen und bewertenden oder taktisch-strategischen Überlegungen zu unterscheiden, deren Schutz im Rahmen der Abwägung ein besonderes Gewicht beizumessen ist.

4. Eine starre zeitliche Grenze, bei deren Überschreitung das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformation das Interesse an deren Vertraulichkeit ohne einen gegenteiligen Nachweis überwiegt, kann für interne Mitteilungen nicht bestimmt werden. Maßgeblich bleibt die Würdigung des jeweiligen Einzelfalls.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 ergangene Urteil des [X.] hinsichtlich des [X.] zu den Unterlagen unter Punkt 1 (Information über den [X.]) und Punkt 4 (Vermerke zum Schlichtungsverfahren) aufgehoben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt - gestützt auf das Umweltinformationsrecht des [X.] - vom [X.] den Zugang zu Unterlagen im Zusammenhang mit Baumfällungen für das Verkehrs- und Städtebauprojekt "[X.] 21" im [X.]er Schlossgarten im Oktober 2010.

2

Hinsichtlich des Zugangs zu Unterlagen zur Kommunikationsstrategie der Beigeladenen (Punkt 2) sowie einem Vermerk über die Äußerung eines Polizeibeamten (Punkt 3) hat der 7. Senat des [X.] mit Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - ([X.] 406.252 § 2 [X.]) eine Entscheidung getroffen. Gegenstände dieses Schlussurteils sind der Zugang zu einer Information für die Hausspitze des Staatsministeriums über den [X.] zur Aufarbeitung eines Polizeieinsatzes am 30. September 2010 im [X.]er Schlossgarten (Punkt 1) sowie zu Vermerken zu einem im Zusammenhang mit dem Projekt "[X.] 21" durchgeführten Schlichtungsverfahren (Punkt 4).

3

Die nach insoweit erfolglosem Antrag erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht mit Teilurteil vom 9. Januar 2015 ab. Auf die Berufung des [X.] hat der Verwaltungsgerichtshof den Beklagten mit Urteil vom 29. Juni 2017 verpflichtet, dem Kläger die begehrten Unterlagen zugänglich zu machen. Es handele sich um Umweltinformationen, die nicht als interne Mitteilungen geschützt seien, weil ein solcher Schutz in zeitlicher Hinsicht nur für die Dauer des behördlichen Entscheidungsprozesses bestehe.

4

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Revision des Beklagten. Er trägt vor, bei den begehrten Informationen handele es sich um interne Mitteilungen. Die erforderliche Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an deren Bekanntgabe und dem [X.] des Beklagten habe der Verwaltungsgerichtshof nicht vorgenommen.

5

Mit Beschluss vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - (UPR 2019, 509) hat der 7. Senat das Verfahren hinsichtlich des [X.] zu den Unterlagen unter Punkt 1 und 4 ausgesetzt und den [X.] um Klärung von Fragen zur Auslegung des Begriffs der internen Mitteilung im Sinne der Umweltinformationsrichtlinie gebeten. Über dieses Vorabentscheidungsersuchen hat der Gerichtshof mit Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] [X.] - entschieden.

6

Nach Fortsetzung des Verfahrens beantragt der Beklagte sinngemäß,

das auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2017 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs [X.] hinsichtlich des [X.] zu den Unterlagen unter Punkt 1 (Information über den [X.]) und Punkt 4 (Vermerke zum Schlichtungsverfahren) aufzuheben und die Sache insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

8

Er verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts. Die begehrten Dokumente seien schon keine internen Mitteilungen, weil sie auch dazu bestimmt gewesen seien, für die Parteiarbeit der damaligen Regierungsfraktionen verwendet zu werden. Jedenfalls überwögen die Interessen des [X.] an der Bekanntgabe der Informationen.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat kann ohne (weitere) mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis mit dieser Verfahrensweise erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet.

Hinsichtlich des [X.] zu den Unterlagen unter Punkt 1 (Information über den [X.]) und Punkt 4 (Vermerke zum Schlichtungsverfahren) verstößt die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gegen [X.] (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Bei diesen Unterlagen handelt es sich um interne Mitteilungen im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates ([X.] L 41 S. 26) - [X.] -. Auf der Grundlage der vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann über die Klage jedoch nicht abschließend entschieden werden. Die Sache war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

1. Der [X.]anspruch des [X.] stützt sich auf § 24 Abs. 1 Satz 1 des Umweltverwaltungsgesetzes [X.] ([X.]) vom 25. November 2014 (GBl. S. 592), zuletzt geändert durch Art. 46 des Gesetzes vom 11. Februar 2020 (GBl. [X.], 43), wonach jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen hat.

Auslegung und Anwendung von Landesrecht unterliegen insoweit revisionsgerichtlicher Kontrolle, als das [X.] zu prüfen hat, ob die Vorinstanz die für die Entscheidung maßgeblichen und dem Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 VwGO zugehörigen unionsrechtlichen Maßstäbe zutreffend erkannt und zugrunde gelegt hat. [X.] Maßstäbe stehen inmitten, wenn die Vorinstanz die landesrechtliche Norm mit Blick auf die Wahrung der Unionsrechtskonformität auslegt, sich mit anderen Worten also bei der Anwendung des Landesrechts durch das Unionsrecht zu einer bestimmten Auslegung verpflichtet bzw. veranlasst sieht (vgl. [X.], Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 [[X.]:[X.]:[X.]:2019:080519U7C28.17.0] - [X.] 406.252 § 2 [X.] Nr. 4 Rn. 15 m.w.[X.]). Das ist vorliegend hinsichtlich der Vorschriften des Umweltverwaltungsgesetzes [X.] über den Zugang zu Umweltinformationen, die der Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie dienen und zu deren richtlinienkonformer Auslegung der Verwaltungsgerichtshof sich veranlasst gesehen hat, der Fall.

2. Der Senat hat auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs keinen Anlass in Zweifel zu ziehen, dass die vom Kläger unter Punkt 1 und 4 begehrten Unterlagen Umweltinformationen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Buchst. c [X.] bzw. § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a [X.] darstellen (vgl. bereits [X.], Beschluss vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 [[X.]:[X.]:[X.]:2019:080519B7C28.17.0] - UPR 2019, 509 Rn. 9).

Nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. c [X.] stellt eine Information eine Umweltinformation dar, wenn sie sich auf eine Maßnahme oder Tätigkeit bezieht, die sich mindestens wahrscheinlich auf Umweltbestandteile auswirkt (näher hierzu [X.], Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - [X.] 406.252 § 2 [X.] Nr. 4 Rn. 17 m.w.[X.]).

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist es zumindest möglich, dass der [X.] sowie das hierauf bezogene Handeln der Landesregierung einen Einfluss auf den weiteren Fortgang des sich auf Umweltbestandteile auswirkenden Bauprojekts "[X.] 21" gehabt hat. Auch hinsichtlich der Schlichtung erscheint es nach diesen tatrichterlichen Feststellungen zumindest als möglich, dass sich das Handeln auf Umweltbestandteile ausgewirkt hat oder auswirkt.

3. Dem Informationszugang des [X.] steht jedoch möglicherweise ein Antragsablehnungsgrund nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen. Anders als vom Verwaltungsgerichtshof angenommen, handelt es sich bei den unter Punkt 1 und 4 begehrten Unterlagen unabhängig von einem noch andauernden behördlichen Entscheidungsprozess um "Mitteilungen" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.] und damit auch im Sinne des § 28 Abs. 2 Nr. 2 [X.]. Zur Beantwortung der Frage, ob es sich auch um "interne" Mitteilungen im Sinne dieser Vorschriften handelt, bedarf es weiterer tatrichterlicher Feststellungen.

a) Nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.] können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt wird, wenn er interne Mitteilungen betrifft, wobei das öffentliche Interesse an einer Bekanntgabe dieser Informationen zu berücksichtigen ist. Von dieser Möglichkeit macht der [X.] Landesgesetzgeber in § 28 Abs. 2 Nr. 2 [X.] Gebrauch. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dieser Ablehnungsgrund finde in zeitlicher Hinsicht nur für die Dauer eines behördlichen Entscheidungsprozesses Anwendung, steht mit Unionsrecht nicht in Einklang.

Auf die Vorlage des [X.] hin hat der [X.] zum Begriff der "Mitteilung" geklärt, dass dieser auf eine Information abzielt, die ein Urheber an einen Adressaten richtet, wobei dieser Adressat sowohl eine abstrakte Einheit als auch eine bestimmte Person sein kann, die einer solchen Einheit angehört, wie beispielsweise ein Bediensteter oder Beamter ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19 [[X.]:[X.]:[X.]], Land [X.] - Rn. 37). Eine Umweltinformation ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs "intern", wenn sie den Binnenbereich einer Behörde nicht verlässt, insbesondere, weil sie nicht einem [X.] bekannt gegeben und nicht öffentlich zugänglich gemacht worden ist ([X.], a.a.[X.], Rn. 42). Auch eine bei einer Behörde vorhandene Umweltinformation, die von einer externen Quelle bei ihr eingegangen ist, kann in diesem Sinne "intern" sein, wenn sie der Öffentlichkeit vor ihrem Eingang bei der Behörde nicht zugänglich gemacht worden ist oder hätte zugänglich gemacht werden müssen und wenn sie den Binnenbereich dieser Behörde, nachdem sie bei dieser eingegangen ist, nicht verlässt ([X.], a.a.[X.], Rn. 43). Der Ausnahmetatbestand nach Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.] erfasst mithin Informationen, die innerhalb einer Behörde im Umlauf sind und die zum [X.]punkt eines Antrags auf Informationszugang deren Binnenbereich insbesondere nicht dadurch verlassen haben, dass sie einem [X.] bekannt gegeben oder öffentlich zugänglich gemacht worden sind ([X.], a.a.[X.], Rn. 47). Eine zeitliche Begrenzung sieht der Tatbestand des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.] nicht vor. Die Bestimmung enthält nichts, was für eine solche Begrenzung spricht (vgl. [X.], a.a.[X.], Rn. 55 ff.).

Auf der Grundlage der bereits getroffenen tatrichterlichen Feststellungen handelt es sich bei den unter Punkt 1 und 4 begehrten Unterlagen hiernach um "Mitteilungen" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.], nämlich um Informationen, die ein Urheber an die Hausspitze des [X.] als Adressaten gerichtet hat. Ob die betreffenden Mitteilungen auch "intern" im Sinne dieser Vorschrift sind, hängt maßgeblich davon ab, ob sie - wie der Kläger behauptet - einem [X.] außerhalb des [X.] bekannt gegeben worden sind. Dies bedarf noch der tatrichterlichen Klärung (vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 52) und mithin der Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof.

b) Soweit es sich bei den unter Punkt 1 und 4 begehrten Unterlagen um "interne Mitteilungen" handelt, ist nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 [X.] (Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 und 2 [X.]) weiter zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformation das Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe überwiegt.

Dieser Abwägung kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] eine besondere Bedeutung zu, weil der sachliche Anwendungsbereich der für "interne Mitteilungen" vorgesehenen Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen besonders weit ist. Um die Umweltinformationsrichtlinie nicht ihres Inhalts zu berauben, ist die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e und Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 [X.] geforderte Abwägung der in Rede stehenden Interessen deshalb eng einzugrenzen ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 60).

Zu den Maßgaben bei der Abwägung verweist der [X.] auf den ersten Erwägungsgrund der Umweltinformationsrichtlinie, aus dem sich ergibt, dass zu den Gründen, die für die Bekanntgabe sprechen können und von einer Behörde bei der Abwägung der Interessen jedenfalls zu berücksichtigen sind, unter anderem gehört, "das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksamere Teilnahme der Öffentlichkeit an Entscheidungsverfahren in Umweltfragen zu ermöglichen und ... den Umweltschutz zu verbessern" ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 62). Die Behörde ist im Rahmen der Abwägung ebenfalls verpflichtet, etwaige Angaben des Antragstellers zu den Gründen zu prüfen, die die Bekanntgabe der angeforderten Informationen rechtfertigen können ([X.], a.a.[X.], Rn. 63). Außerdem müssen die Behörden, die mit einem Antrag auf Zugang zu in einer internen Mitteilung enthaltenen Umweltinformationen befasst sind, die seit der Erstellung dieser Mitteilung vergangene [X.] und die in der Mitteilung enthaltenen Informationen berücksichtigen ([X.], a.a.[X.], Rn. 64).

Im Rahmen der inhaltlichen Würdigung interner Mitteilungen ist insbesondere zwischen der Zusammenstellung von Sachinformationen auf der einen und bewertenden oder taktisch-strategischen [X.] der behördlichen Willensbildung zuzuordnenden Überlegungen auf der anderen Seite zu unterscheiden, deren Schutz im Rahmen der Abwägung ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Die besondere Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit bewertender oder taktisch-strategischer Überlegungen ergibt sich aus der Zielstellung des Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.], für die umweltinformationspflichtigen Stellen einen geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten zu schaffen (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 50).

Eine besondere Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit interner Mitteilungen kann sich auch mit Blick auf die Stellung der umweltinformationspflichtigen Stelle ergeben. Wird - wie hier - eine oberste Bundes- oder Landesbehörde in Anspruch genommen, ist zu prüfen, ob die begehrten Informationen dem besonderen, verfassungsrechtlich garantierten Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung unterliegen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen, die Aufschluss über den Prozess der Willensbildung geben, sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 [[X.]:[X.]:[X.]:2018:131218U7C19.17.0] - [X.]E 164, 112 Rn. 18 m.w.[X.]). Dieser Schutz greift auch in Ansehung der Umweltinformationsrichtlinie. Indem das Unionsrecht den Gesichtspunkt der Vertraulichkeit der in einer internen Mitteilung enthaltenen Informationen anerkennt, erweist es sich als offen für den verfassungsrechtlich garantierten Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung.

In zeitlicher Hinsicht ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] im Rahmen der Abwägung zu beachten, dass die in Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.] vorgesehene Ausnahme vom Recht auf Zugang zu Umweltinformationen nur für den [X.]raum gelten kann, in dem der Schutz angesichts des Inhalts einer solchen Mitteilung gerechtfertigt ist. Deshalb muss eine Behörde gegebenenfalls zu der Auffassung gelangen, dass begehrte Informationen aufgrund der seit ihrer Erstellung verstrichenen [X.] als nicht mehr aktuell und deshalb als nicht mehr vertraulich anzusehen sind (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 64 f. m.w.[X.]).

Insoweit nimmt der [X.] auch seine Rechtsprechung zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vergleichend in Bezug ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 65). Hiernach sind Informationen, die zu einem bestimmten [X.]punkt möglicherweise Geschäftsgeheimnisse waren, wenn sie mindestens fünf Jahre alt sind, aufgrund dieses [X.]ablaufs grundsätzlich als nicht mehr aktuell und deshalb als nicht mehr vertraulich anzusehen, es sei denn, die [X.], die sich auf die Vertraulichkeit beruft, weist ausnahmsweise nach, dass die Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der von betroffenen [X.] sind ([X.], Urteil vom 19. Juni 2018 - [X.]/16 [[X.]:[X.]:[X.]], [X.] - Rn. 54 m.w.[X.]). Dieser Rechtsprechung ist auch für den Schutz interner Mitteilungen der Grundgedanke zu entnehmen, dass nach Ablauf einer gewissen [X.]spanne seit deren Erstellung ein Schutzbedürfnis regelmäßig entfällt. Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall auch über einen längeren [X.]raum hinweg ein überwiegendes Vertraulichkeitsinteresse fortbesteht.

Eine starre zeitliche Grenze, bei deren Überschreitung das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformation das Interesse an deren Vertraulichkeit ohne einen gegenteiligen Nachweis überwiegt, kann für interne Mitteilungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e [X.] nicht bestimmt werden. Maßgeblich bleibt die Würdigung des jeweiligen Einzelfalls. Anders als beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen geht es bei der Vertraulichkeit interner Mitteilungen weder (allein) um die konkret betroffene Information als solche, noch geht es um die wirtschaftliche Stellung im - stets an eine konkrete Marktsituation gebundenen - Wettbewerb. Vielmehr steht das über den (merkantilen) Schutz einer Einzelinformation hinausreichende Ziel inmitten, für die Behörden einen geschützten Raum für interne Überlegungen und Debatten zu schaffen ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 50).

Vor diesem Hintergrund ist zur Ermittlung der fortbestehenden Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit interner Mitteilungen auch nach längerem [X.]ablauf zu prüfen, ob es sich um Informationen handelt, deren Offenlegung einer (auch) zukünftig unbefangenen behördeninternen Kommunikation entgegensteht. Dies kann - wie dargelegt - insbesondere bei bewertenden oder taktisch-strategischen Überlegungen der Fall sein. Die Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit solcher Informationen wird regelmäßig länger fortbestehen als diejenige reiner Sachinformationen.

Ist der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betroffen, wird der Zugang zu Unterlagen über abgeschlossene Vorgänge ebenfalls für einen längeren [X.]raum zu versagen sein, um die Freiheit und Offenheit der Willensbildung innerhalb der Regierung, die durch "einengende Vorwirkungen" einer nachträglichen Publizität beeinträchtigt werden kann, zu schützen (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 2018 - 7 C 19.17 - [X.]E 164, 112 Rn. 18 m.w.[X.]). Ein Anhaltspunkt für einen nicht zu unterschreitenden [X.]raum kann der Ablauf von wenigstens zwei Legislaturperioden sein.

Die Behörde, die eine Entscheidung erlässt, mit der der Zugang zu Umweltinformationen verweigert wird, muss die Gründe darlegen, aus denen ihrer Ansicht nach die Bekanntgabe dieser Informationen das Interesse, das durch die geltend gemachten Ausnahmen geschützt wird, konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte. Die Gefahr einer solchen Beeinträchtigung muss bei vernünftiger Betrachtung absehbar und nicht rein hypothetisch sein ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 69 m.w.[X.]).

Die durch die informationspflichtige Stelle vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der Umweltinformation und dem Interesse an deren Verweigerung unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung ([X.], Urteil vom 20. Januar 2021 - [X.]/19, Land [X.] - Rn. 67; vgl. auch [X.], Teilurteil vom 8. Mai 2019 - 7 C 28.17 - [X.] 406.252 § 2 [X.] Nr. 4 Rn. 28 m.w.[X.]).

Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Abwägung obliegt es tatrichterlicher Würdigung, ob es der teilweisen oder vollständigen Kenntnis der begehrten Informationen durch das Gericht bedarf. Soweit dies nach richterlicher Überzeugung der Fall ist, ist dem durch ein [X.]begehren in Anspruch genommenen aufzugeben, dem Gericht die begehrten Unterlagen vorzulegen. Nach Abgabe einer Sperrerklärung seitens des Beklagten ermöglichte dies gegebenenfalls die Durchführung eines [X.] nach § 99 Abs. 2 VwGO. Im Rahmen tatrichterlicher Würdigung wird allerdings auch zu beachten sein, dass die Kenntnis des jeweiligen Inhalts begehrter Unterlagen bzw. die Durchführung eines [X.] nicht zwingend erforderlich ist. Dieses Erfordernis hängt vielmehr maßgeblich von der Möglichkeit der nachvollziehbaren Darlegung des Vorliegens von [X.] auch ohne Offenlegung des Inhalts betroffener Unterlagen ab (vgl. [X.], Urteil vom 30. Oktober 2019 - 10 C 20.19 [[X.]:[X.]:[X.]:2019:301019U10C20.19.0] - [X.] 404 IFG Nr. 36 Rn. 22 m.w.[X.]). Entsprechendes gilt auch hinsichtlich der Darlegung von [X.], die zugunsten der Vertraulichkeit begehrter Informationen streiten.

Das [X.] ist deshalb gehalten, vor Erlass eines [X.] zur Vorlage der Unterlagen zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären und festzustellen, ob über das Vorliegen der geltend gemachten Antragsablehnungsgründe gegebenenfalls auch ohne Einsicht in die betreffenden Unterlagen entschieden werden kann. Zu diesem Zweck muss die Behörde, die den Informationszugang versagen will, in nachvollziehbarer Weise Umstände darlegen, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht kennt, den Schluss zulassen, dass die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen [X.] vorliegen. Eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen wird demgegenüber entscheidungserheblich, wenn die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - für eine Prüfung der Ausnahmegründe nicht ausreichen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 2016 - 7 B 47.15 [[X.]:[X.]:[X.]:2016:230516B7B47.15.0] - juris Rn. 8 f. m.w.[X.]).

Maßgeblicher [X.]punkt für die Prüfung des [X.]begehrens ist die Sach- und Rechtslage im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] (vgl. zum Ganzen [X.], Urteil vom 10. April 2019 - 7 C 22.18 [[X.]:[X.]:[X.]:2019:100419U7C22.18.0] - [X.] 404 IFG Nr. 32 Rn. 46 ff. m.w.[X.]). Dies gilt auch für die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Abwägung. Die Auffassung des [X.], der Beklagte sei hinsichtlich der Darlegung von [X.] an die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2013 gebunden, trifft nicht zu. Eine Rechtsgrundlage für eine derartige Beschränkung ist nicht ersichtlich.

Nach diesen Maßgaben wird - soweit es sich nach tatrichterlicher Würdigung bei den vom Kläger begehrten Unterlagen um interne Mitteilungen handelt - die vom Beklagten hinsichtlich der Unterlagen unter Punkt 1 und 4 vorgenommene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe der begehrten Umweltinformationen und dem Interesse an der Verweigerung der Bekanntgabe vollständig gerichtlich zu überprüfen sein. Zur hierfür erforderlichen weiteren Tatsachenermittlung und tatrichterlichen Würdigung bedarf es (ebenfalls) der Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof.

Meta

10 C 2/21, 10 C 2/21 (7 C 28/17)

22.03.2022

Bundesverwaltungsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 29. Juni 2017, Az: 10 S 436/15, Urteil

Art 2 Nr 1 Buchst c EGRL 4/2003, Art 4 Abs 1 UAbs 1 Buchst e EGRL 4/2003, Art 4 Abs 2 UAbs 2 S 1 EGRL 4/2003, Art 4 Abs 2 UAbs 2 S 2 EGRL 4/2003, § 23 Abs 3 Nr 3 Buchst a UmwVwG BW, § 24 Abs 1 S 1 UmwVwG BW, § 28 Abs 2 Nr 2 UmwVwG BW

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22.03.2022, Az. 10 C 2/21, 10 C 2/21 (7 C 28/17) (REWIS RS 2022, 574)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 574

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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