Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. IV ZR 177/09

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4618

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 177/09

Verkündet am:

20. Juli 2011

Heinekamp

[X.]

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja

[X.] § 77 Abs. 2; [X.] § 394 Satz 1

1. Die zwischen Erstversicherer und Rückversicherer in einem proportionalen Rück-versicherungsvertrag vereinbarte quartalsweise Saldierung ihrer wechselseitigen Forderungen im Sinne eines [X.] wird vom Vollstre-ckungsverbot des §
77 Abs.
2 [X.] nicht erfasst.

2. Im Falle der Insolvenz des Erstversicherers ist die Aufrechnung des Rückversiche-rers mit rückständigen Prämienforderungen gegen
vor der Insolvenzeröffnung ent-standene Forderungen des Erstversicherers weder aufgrund einer entsprechen-den Anwendung des § 77 Abs. 2 [X.] in der bis zum 31.
Dezember 2007 gelten-den Fassung noch des § 394 Satz 1 [X.] unzulässig.

[X.], Urteil vom 20. Juli 2011 -
IV ZR 177/09 -
OLG [X.]

LG [X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsit-zende Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Richterin [X.], die Richter
Dr. [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 20.
Juli
2011

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel
der Beklagten
wird das Urteil des 9.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts
[X.] vom 7.
Juli 2009 im Umfang
der Zulassung der [X.], das
Urteil des [X.]s [X.]
vom 16.
Oktober 2008
geändert und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter einer
Versicherungsgesell-schaft
(im Folgenden: Schuldnerin), die mit der Beklagten als [X.] mehrere -
obligatorische und fakultative
-
Rückversicherungsver-träge geschlossen hatte. Noch vor der Eröffnung des [X.] am 1.
September 2006 hatte die Beklagte diese Verträge am 16.
August 2006 fristlos gekündigt. Der Kläger nimmt die Beklagte aus den obligatorischen proportionalen Rückversicherungsverträgen auf Grundlage zweier Abrechnungen vom 14.
November 2006 (betreffend die Monate Juli und August 2006) und vom 25.
Januar 2007 (betreffend die 1
-
3
-

Monate September bis Dezember 2006) auf Zahlung zum Ausgleich von [X.] für die Monate Juli bis Dezember 2006 in Höhe von 85.931,82

Rückversicherungsverträge vereinbarten Allgemeinen Bestimmungen enthalten zur Abrechnung in Art.
8 die folgenden Klauseln:

"8.1.
Abrechnung

Spätestens sechs Wochen nach Quartalsende übermittelt der [X.] dem Rückversicherer [X.] in der Vertragswährung. Diese sind -
getrennt nach den unter diesen Vertrag fallenden Versicherungszweigen oder -arten
-
nach Zeichnungs-
bzw. [X.] aufzuglie-dern.

Der Rückversicherer bestätigt innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Abrechnung deren Richtigkeit oder erhebt etwaige Einwendungen. Andernfalls gilt die Abrechnung als anerkannt.

8.2. Saldenausgleich

Der [X.] begleicht einen Saldo zugunsten des Rückversicherers mit der Abrechnung. Ein Saldo zugunsten des [X.]n wird vom Rückversicherer zusammen mit dem [X.], spätestens jedoch vier Wochen nach Zugang der Abrechnung, ausgeglichen. Werden vom Rückversicherer Einwendungen erhoben, hat der Rückver-sicherer den anerkannten Teilbetrag des Saldos unverzüg-lich zu begleichen. Der Differenzbetrag ist unverzüglich nach Klärung der Einwendung zu zahlen.

8.4. Aufrechnung

Jede Partei hat das Recht, fällige Salden zu ihren Lasten gegen fällige Salden zu ihren Gunsten -
auch wenn diese -
4
-

aus anderen Verträgen oder Geschäften resultieren
-
aufzu-rechnen."

Die Beklagte hat die Aufrechnung mit unstreitigen Prämienansprü-chen aus der [X.] vor Vertragskündigung in die Klageforderung weit
übersteigender Höhe erklärt und hilfsweise die Berechtigung der geltend gemachten Forderungen bestritten.
Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig.

Das [X.] hat der Klage in Höhe von 84.971,46

n-sen stattgegeben. Das Oberlandesgericht
hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen
und die Revision "im Hinblick auf die Frage der Zuläs-sigkeit der Aufrechnung"
zugelassen.

Mit der Revision verfolgt die Beklagte die von ihr erklärte Aufrech-nung weiter. Ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Übrigen hat der Senat mit Beschluss vom heutigen [X.].

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

[X.] Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil, das in [X.], 1400 veröffentlicht ist, ausgeführt, dass die Beklagte Einwendungen ge-gen die Richtigkeit der Abrechnungen des [X.] vorprozessual nicht fristgerecht geltend gemacht und auch im Übrigen keine substantiierten Einwendungen gegen die
Berechnung des [X.] vorgebracht habe. Ih-2
3
4
5
6
-
5
-

re Aufrechnung sei unzulässig. Dies ergebe sich zum einen aus einer entsprechenden Anwendung von §
77
Abs.
2 [X.] in der bis zum 31.
Dezember 2007 gültigen Fassung
(im Folgenden: [X.] a.F.), [X.] aber auch aus einer
entsprechenden Anwendung von §
394
Satz
1 [X.].

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Erlöschen
der
streitbefangenen Forderungen, die Gegen-stand der Abrechnung des [X.] vom 14.
November 2006 sind, folgt jedenfalls für die bis zum Zugang der Kündigung vom 16.
August 2006 fällig gewordenen Forderungen bereits daraus, dass die vertraglich vor-gesehene Saldierung gemäß Ziffern 8.1. und 8.2. der [X.] einen Saldo zugunsten der Beklagten ergeben hat. Auf eine Aufrechnung
der Beklagten mit weiteren Gegenansprüchen kommt es in-soweit nicht an.

a) Die in der Saldierungsabrede vorgenommene antizipierte Ver-rechnung der wechselseitigen Einzelforderungen hat trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin hinsichtlich der vor dem 1.
September 2006 entstandenen und fällig gewordenen Einzelforderungen Bestand.

Die Schuldnerin und die Beklagte hatten ein Periodenkontokorrent i.S. von §
355 HGB und eine automatische Verrechnung vereinbart, so dass nur der jeweilige Saldo aus den wechselseitigen Einzelforderungen geschuldet sein sollte. Diese Kontokorrentverträge endeten unabhängig von der durch die Beklagte ausgesprochenen Kündigung spätestens mit 7
8
9
10
-
6
-

der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. [X.], Urteile vom 25.
Juni 2009 -
IX ZR 98/08, [X.]Z 181, 362 Rn.
10; vom 14.
Dezember 2006 -
IX ZR 194/05, [X.]Z 170, 206, Rn.
19; vom 4.
Mai 1979 -
I [X.], [X.]Z 74, 253, 254
f.; vom 7.
Dezember 1977 -
VIII ZR 164/76, [X.]Z 70, 86, 92
f.). Damit standen sich ab dem [X.]punkt der Insolvenzeröff-nung die nunmehr fällig werdenden
jeweiligen Einzelforderungen wieder ohne Kontokorrentbindung gegenüber. Diese konnten
außer durch [X.] nur durch Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden. [X.] der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen und kontokorrentgebundenen fälligen Forderungen blieb die in der [X.] antizipierte Verrechnung dagegen wirksam. Insoweit führte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer kausalen Saldoforderung hinsichtlich der bis dahin
entstandenen und kontokorrentgebundenen Forderungen (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Dezember 2006 aaO).

b) Ein
[X.], das diese antizipierte Verrechnung er-fasste, lässt sich weder
aus einer entsprechenden
Anwendung von §
77
Abs.
2 [X.] a.F. noch einer solchen von
§
394
Satz
1 [X.]
herleiten.
Dem steht entgegen, dass schon das Vollstreckungsverbot des §
77 Abs.
2 [X.] a.F., wonach in das [X.] nur wegen solcher Ansprüche vollstreckt werden kann, "zu deren Gunsten" die Zuführung zum [X.] i.S. von §
66 Abs.
1a [X.] vorgeschrieben ist,
d.h. wegen Ansprüchen aus einem Versicherungsverhältnis (vgl. [X.]/[X.][X.], [X.], 4.
Aufl. §
77 Rn.
6; [X.]/[X.], [X.] 12.
Aufl. §
77 Rn.
7),
sich
auf die in den kausalen Saldo eingestell-ten Einzelforderungen nicht erstreckt
(vgl. [X.], Urteile vom 30.
Juni 1982 -
VIII ZR 129/81, [X.]Z 84, 325, 330
ff. und vom 8.
Juli 1982 -
I [X.], [X.]Z 84, 371, 375
ff. bezüglich der Pfändung von Girokonten).

11
-
7
-

Diese Vollstreckungsbeschränkung
greift nach ihrem
klaren Wort-laut nur ein, soweit eine Zuführung zum [X.] auch "tat-sächlich erfolgt ist". Das ist hinsichtlich der kontokorrentgebundenen
Einzelforderungen gerade nicht der Fall. Die Ansprüche der Schuldnerin gegen die Beklagte sind vielmehr von vornherein nur mit der [X.] begründet worden und fallen deshalb nur in dieser Form un-ter die Zuweisung zum [X.] gemäß §
66 Abs.
6a [X.].
Anderes ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zweck dieser Bestimmung.

aa) Das [X.], zu dem nach der Neuregelung in §
66 Abs.
6a [X.] durch das Gesetz zur Umsetzung aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zur Sanierung und Liquidation von [X.] und Kreditinstituten ([X.]) vom 10.
Dezember 2003 ([X.]
I S.
2478) auch die "Anteile der Rückversicherer an den versiche-rungstechnischen Brutto-Rückstellungen" gehören, stellt ein vom übrigen Vermögen des Versicherungsunternehmens getrenntes Sondervermögen dar, für dessen Verwaltung, Aufbewahrung und Anlage die besonderen Regelungen des §
66 Abs.
5 und 6 [X.] und grundsätzlich die Anlagebe-stimmungen des § 54 [X.] gelten.

Es setzt sich mithin im Grundsatz aus besonders werthaltigen Vermögenspositionen zusammen, zu denen ein wechselnder Forde-rungsbestand aus dem operativen Geschäft, wie es [X.] gegen Rückversicherer darstellen, nicht gehört. Der zunächst in §
66 Abs.
1 bis 4 [X.] vorgeschriebene Umfang des Sicherungsvermö-gens (Sollwert) wird dabei unter anderem auch durch verschiedene, in §
66 Abs.
1a [X.] bezeichnete Rückstellungen bestimmt.
12
13
14
-
8
-

Anlass für den Gesetzgeber, die "Anteile der Rückversicherer an den versicherungstechnischen Brutto-Rückstellungen des selbst abge-schlossenen [X.]" in §
66 Abs.
6a [X.] zum Be-standteil des [X.]s zu erklären, war der Umstand, dass
bei Verabschiedung des [X.], das unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2001/17/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.
März 2001 über die Sanierung und Liquidation von Versiche-rungsunternehmen (im Folgenden [X.] 2001/17/[X.]) diente, im Hinblick auf Art.
2 Buchst.
k [X.] 2001/17/[X.] eine "Brutto-Sicherung" vorgeschrie-ben worden
ist, indem etwaige Anteile der Rückversicherer in §
66 Abs.
1a [X.]
unberücksichtigt geblieben sind. Durch die gleichzeitige Er-klärung der "Anteile der Rückversicherer"
zum Bestandteil des Siche-rungsvermögens sollte
es den Versicherungsunternehmen erspart [X.], infolge der Umstellung auf die Bruttobedeckung dem [X.] zusätzliche Vermögenswerte zuführen zu müssen, die nach Maßgabe von §
54 [X.] anzulegen wären (vgl. RegE-[X.]
BT-Drucks.
15/1653 S.
25 re.Sp.).
Somit handelt es sich bei §
66
Abs.
6a [X.] um eine Bestimmung, die nicht den Sollwert des Sicherungsvermö-gens betrifft, sondern primär im Interesse der Versicherer den Istwert des [X.]s erhöht, soweit eine Rückversicherung vorge-nommen wurde.

bb) Vor diesem Hintergrund ist das Tatbestandsmerkmal "tatsäch-lich erfolgt" in §
77 Abs.
2
[X.] a.F. so zu verstehen, dass Forderungen gegen den Rückversicherer nur in der Gestalt zum Bestandteil des Si-cherungsvermögens geworden sind, wie sie vertraglich begründet [X.]. Ist wie hier ein Periodenkontokorrent vereinbart
worden, ist dies nur ein Anspruch auf den jeweiligen Saldenüberschuss. Solange die Konto-korrentabrede besteht, ist
auch nur diese Forderung auf einen etwaigen 15
16
-
9
-

Saldenüberschuss ein bilanzierungsfähiges Aktivum, mit dem die Bede-ckung des Mindestumfangs des [X.]s dargestellt [X.] kann. Soweit auch wegen dieser Einschränkung die notwendige Be-deckung nicht erreicht sein sollte, besteht die Pflicht zur Ergänzung des [X.]s nach §
66 Abs.
2 [X.]. Dies ändert aber nichts daran, dass der Anspruch gegen den Rückversicherer nur als Forderung auf einen etwaigen Saldoüberschuss begründet und damit nur in dieser Form dem Vermögen des Versicherers und zugleich dem [X.] zugeführt worden ist. Selbst die privilegierten Gläubiger, deren Schutz das Vollstreckungsverbot des §
77 Abs.
2 [X.] a.F. dienen soll, konnten vor der Insolvenzeröffnung nicht auf kontokorrentgebundene Einzelforderungen zugreifen.

2. Alle weiteren Forderungen, insbesondere diejenigen aus der [X.] des [X.] vom 25.
Januar 2007, sind durch die von der [X.] erklärte Aufrechnung mit rückständigen Prämienansprüchen er-loschen, §
389 [X.]. Dem steht kein [X.] entgegen.

a) Insolvenzrechtliche [X.]e greifen nicht ein.

Einem [X.] nach §
96 Abs.
1 Nr.
1 [X.] steht die Bestimmung des §
95 Abs.
1 Satz
1 [X.] entgegen, die über den An-wendungsbereich des §
94 [X.] hinaus die Aufrechnung zulässt und der Regelung des §
96 Abs.
1 Nr.
1 [X.] vorgeht ([X.], Urteil vom 29.
Juni 2004 -
IX ZR 147/03,
[X.]Z 160, 1, 3). Sie setzt zwar voraus, dass die aufzurechnende Forderung schon vor Insolvenzeröffnung entstanden ist und lediglich Fälligkeit oder Eintritt einer aufschiebenden Bedingung erst nach der Verfahrenseröffnung eingetreten sind. Diese Voraussetzungen
17
18
19
-
10
-

sind aber hinsichtlich aller noch im Streit befindlichen Forderungen er-füllt.

Die tatsächlichen Voraussetzungen eines [X.]s nach §
96 Abs.
1 Nr.
3 [X.] hat der Kläger nicht dargelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, durch welche anfechtbare Rechtshandlung die [X.] die Aufrechnungsmöglichkeit erlangt haben soll.

b) Ein [X.] ergibt sich auch nicht aus einer analo-gen Anwendung des §
77 Abs.
2 [X.] a.F. oder des §
394 Satz
1 [X.].

aa) Allerdings ist [X.] mit der Eröffnung des [X.] hinfällig geworden. Die danach fällig werdenden Forderungen der Schuldnerin standen den offenen Gegenfor-derungen der Beklagten jeweils als isolierte Einzelforderungen gegen-über. Eine
nunmehr aufzustellende Bilanz der Schuldnerin würde [X.] nicht mehr den Saldobetrag aktivieren oder passivieren, sondern diese Einzelforderungen als Aktiva und die Gegenforderungen der [X.] als Passiva ausweisen müssen. Die zu aktivierenden Einzelfor-derungen sind aber ein Vermögenswert, der durch §
66 Abs.
6a [X.] dem [X.] zugewiesen ist. Sie werden deshalb vom [X.] des §
77 Abs.
2 [X.] a.F. erfasst.

bb) Eine analoge Anwendung des §
77 Abs.
2 [X.] a.F. auf die Aufrechnung wäre aber nur im Falle einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz möglich. An dieser fehlt es.

(1) Sie
lässt sich insbesondere nicht mit dem Inhalt der Gesetzes-begründung der Bundesregierung (BT-Drucks.
16/6518) und ihrer Ge-20
21
22
23
24
-
11
-

genäußerung zur ablehnenden Stellungnahme des Bundesrates (BT-Drucks.
16/6966) im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
zum Neun-ten Gesetz zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes
begrün-den, das zur Einfügung von Satz 2 in
§
77 Abs.
2 [X.] mit Wirkung zum 1.
Januar 2008 geführt hat.
Danach gilt die Regelung des Satzes
1 über die Beschränkung der Zwangsvollstreckung in die Bestände des Siche-rungsvermögens entsprechend für die Aufrechnung gegen Ansprüche, die zu den Beständen des [X.]s gehören.

Zwar lässt sich den Gesetzesmaterialien
entnehmen, dass die Bundesregierung in diesem Verfahren von einer bloßen Klarstellung der schon vorher bestehenden Rechtslage ausgegangen ist.

Für die Auslegung des zu
ändernden
Gesetzes
sind als
anerkannte
Auslegungskriterien dessen
Wortlaut, die Gesetzessystematik, der er-kennbare Sinn und Zweck der Norm sowie der
in den Gesetzgebungsma-terialien für das noch geltende Recht geäußerte
Wille des Gesetzgebers
heranzuziehen. Spätere Äußerungen des Gesetzgebers, insbesondere desjenigen einer anderen Legislaturperiode, sind dagegen nicht bindend (vgl.
[X.], Beschluss vom 29.
September 2009 -
X [X.], NJW 2010, 76 Rn.
23 [zu §
15a [X.]]). Denn sie geben Aufschluss nur über die [X.] und Ziele bei der Neuregelung und können ohne weiteres auf neuen Erkenntnissen oder Bewertungen beruhen.

(2) Die Vorschrift des §
77 Abs.
2 [X.] a.F. ist wie §
66 [X.] eben-falls
zwecks Umsetzung der
Richtlinie
2001/17/[X.] durch das [X.] mit Wirkung zum
17.
Dezember 2003 neu gefasst
worden.

25
26
27
-
12
-

In dieser Richtlinie
ist es in Art.
9 Abs.
2 Buchst.
c) ausdrücklich dem nationalen Recht überlassen worden zu regeln, unter welchen [X.] eine Aufrechnung wirksam ist. Schon von daher erscheint es fern liegend, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie die Frage eines etwaigen [X.]s
übersehen haben könnte; sein Schweigen zu diesem Punkt deutet vielmehr darauf hin, dass es hinsichtlich der Wirksamkeit von Aufrechnungen bei den allgemeinen Regeln der Insolvenzordnung
sein Bewenden haben sollte. Zumindest gibt es keinen positiven Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber des [X.] das Problem der Aufrechnung übersehen hätte.

Des Weiteren macht Art.
9 Abs.
2 Buchst.
c) [X.] 2001/17/[X.] deut-lich, dass der Richtliniengeber in der Wirksamkeit einer Aufrechnung keinen Konflikt mit dem Gebot vorrangiger Befriedigung von [X.] nach Art.
10 [X.] 2001/17/[X.] sieht, mit dem der [X.] 13 der Richtlinie umgesetzt wurde; anderenfalls wäre die Entscheidung hierüber nicht dem nationalen Recht vorbehalten geblie-ben. Hiermit korrespondiert weiter, dass Art.
9 Abs.
2 Buchst.
a) [X.] 2001/17/[X.] es generell dem nationalen Recht überlässt, welche Vermö-genswerte zur Masse gehören und damit für die in Art.
10 [X.] 2001/17/[X.] angeordnete vorrangige Befriedigung zur Verfügung stehen. Ferner wird in Art.
22 [X.] 2001/17/[X.] ein nach dem nationalen Recht be-stehendes Aufrechnungsrecht im eröffneten Liquidationsverfahren -

also auch ein solches nach §§ 94, 95 [X.]
-
ausdrücklich anerkannt. Eine am Zweck der Umsetzung der Richtlinie orientierte Betrachtung gebietet deshalb ebenfalls keine ausdehnende analoge Anwendung des §
77 Abs.
2 [X.] a.F.

28
29
-
13
-

Hinzu kommt, dass dem Gesetzgeber des [X.] die [X.] im laufenden [X.] aufgrund üblicher Parteivereinbarungen in Rückversiche-rungsverträgen im Grundsatz bewusst gewesen ist (s. RegE-[X.], BT-Drucks.
15/1653 S.
25 re.Sp. unten), er aber gleichwohl keinen An-lass zur Regelung eines [X.]s gesehen hat.

In Anbetracht dieser Umstände kann allein der allgemeine Zweck des §
77 Abs.
2 [X.] a.F., das [X.] zugunsten der [X.] der Bevorrechtigten vor einer Schmälerung durch den Zugriff einzelner
Gläubiger zu schützen, dessen analoge Anwendung auf [X.] auch unter weiterer Berücksichtigung der Regelung des §
66 Abs.
6a [X.] nicht rechtfertigen.

Hinzu kommt, dass
eine Vergleichbarkeit von Zwangsvollstreckung und Aufrechnung, die eine Gleichbehandlung geböte, nicht gegeben
ist.
Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass die Aufrechnung keine gerichtliche Zwangsmaßnahme darstellt und sich von einer echten Voll-streckungsmaßnahme dadurch unterscheidet, dass der Zugriff auf das Schuldnervermögen nur unter Aufopferung der eigenen Forderung mög-lich ist (ebenso [X.], Urteil vom 26.
Mai 1971 -
VIII ZR 137/70, WM
1971, 859
unter I
zur Ablehnung einer analogen Anwendung des §
14 KO im [X.] an [X.], 66). Dies ist entgegen der Auffassung des Be-rufungsgerichts nicht deshalb anders zu beurteilen, weil sich die Forde-rung der Beklagten nicht gegen das [X.] richtet.

cc) Aus
vorstehenden Erwägungen erhellt, dass es
auch für eine entsprechende Anwendung des §
394 Satz
1 [X.]
an der notwendigen Regelungslücke im Gesetz fehlt.
Nach dieser Vorschrift findet, soweit ei-30
31
32
33
-
14
-

ne Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, eine Aufrechnung ge-gen die Forderung nicht statt.

(1) Die Frage, ob von §
394 Satz
1 [X.] auch [X.] erfasst werden, kann nicht allgemein beantwortet werden, sondern es ist auf den Zweck des jeweiligen [X.] abzustellen.

Demgemäß
hat der [X.] nicht nur die analoge An-wendung des §
14 KO auf die Aufrechnung abgelehnt (Urteil vom 26.
Mai 1971, aaO), sondern auch die Anwendbarkeit des §
400 [X.] auf nach Konkurseröffnung begründete, gemäß §
14 Abs.
1 KO unpfändbare [X.] des Gemeinschuldners verneint und dies mit der Entstehungs-geschichte der Norm begründet. Aus ihr ergebe sich, dass dem Abtre-tungsverbot des §
400 [X.] nur solche nicht pfändbaren Forderungen unterlägen, deren Unpfändbarkeit auf ähnlichen Erwägungen beruhe wie diejenige nach §§
850
ff.
ZPO und vergleichbaren Vorschriften (Urteil vom 10.
Februar 1994 -
IX ZR 55/93, [X.]Z 125,
116, 121
f.; ebenso [X.]/[X.], [X.] [2005] §
400 Rn.
1).

Die Entstehungsgeschichte des §
394 Satz
1 [X.] ist mit der des §
400 [X.] vergleichbar. Auch hier hatte der erste Entwurf der Bestim-mung lediglich die Aufrechnung gegen die in §
749 [X.] genannten un-pfändbaren Ansprüche versagt
([X.]/[X.], Die Beratung des [X.], Recht der Schuldverhältnisse, S.
711
f.).
Erst von der [X.] ist auf Vorschlag der [X.] beschlossen worden, das [X.] nicht auf die durch §
749 [X.] der Pfändung entzogenen Forderungen zu beschränken (Ja-kobs/[X.] aaO S.
716
f.), ohne dass ein Anhaltspunkt erkennbar ist, dass damit andere als die der Sicherung des Lebensunterhalts des Be-34
35
36
-
15
-

rechtigten dienende
Forderungen erfasst werden sollen. [X.] hat der [X.]
in einer späteren Entscheidung zu §
89 Abs.
1 [X.] ausgeführt, dass die genannten Erwägungen zu §
400 [X.] für §
394 Satz 1 [X.] entsprechend gelten; auch das Aufrechnungsver-bot solle im öffentlichen Interesse verhindern, dass dem Gläubiger der unpfändbaren Forderung der nötige Lebensunterhalt entzogen werde,
oder aber, sofern dies nicht in Betracht komme, jedenfalls dem allgemei-nen Wohl und dem Staatsinteresse dienen (Urteil vom 21.
Juli 2005 -
IX ZR 115/04, [X.]Z 163, 391, 395
f.; kritisch gegenüber einer einengenden Auslegung der Norm [X.]/Gursky, [X.] [2006] §
394 Rn.
4).

Dagegen hat der [X.]
auf das vollstreckungsrechtli-che Verwertungsverbot des §
2 Abs.
4 [X.] die §§
394, 400 [X.] ange-wendet. Er hat dies damit begründet, dass §
2 Abs.
4 [X.] keine gleichermaßen begrenzte Aufgabe und Tragweite habe wie §
14 KO, sondern in Verbindung mit §
7 Abs.
3 Satz
1 [X.] das der Gesamtvoll-streckung unterliegende Schuldnervermögen möglichst frühzeitig schüt-zen und den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung stärker zur [X.] bringen solle als §
14 KO; er diene dem im allgemeinen Interesse liegenden Gesichtspunkt des Masseschutzes (Urteile vom 13.
Juni 1995 -
IX ZR 137/94, [X.]Z 130, 76, 81
ff. und
vom 24.
Oktober 1996 -
IX ZR
284/95, [X.], 2080 unter I).

(2) Nach diesen Maßstäben, denen der erkennende Senat beitritt, ist eine analoge Anwendung des §
394 Satz
1 [X.] auf die Aufrechnung gegen die von §
77 [X.] a.F. erfassten Ansprüche abzulehnen, weil der Gesetzgeber des [X.] durch die unterbliebene Regelung eines [X.]s bei der Umsetzung der Richtlinie
2001/17/[X.] ver-deutlicht hat, dass er insoweit einen über die Regelung der §§ 94, 95
37
38
-
16
-

[X.] hinausgehenden Schutz der nach §
77a [X.] privilegierten [X.] für nicht geboten erachtet. Da dieses, wie oben dargestellt, mit den Vorgaben der Richtlinie zu vereinbaren ist, kann eine durch die entspre-chende Anwendung des §
394 Satz
1 [X.] zu schließende Gesetzeslü-cke in diesem Punkt nicht angenommen werden.

c) Die vorstehenden Erwägungen, die gegen die von den Vo-rinstanzen und dem Kläger befürwortete Analogie von §
77 Abs.
2 [X.] a.F. und §
394 Satz
1 [X.] sprechen, schließen zugleich die vom Kläger gerügte Treuwidrigkeit auf Seiten der Beklagten "mit Rücksicht auf die besondere Natur der Rechtsbeziehungen der Parteien"
aus.

3. Da weitere Feststellungen nicht zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, §
563 Abs.
3 ZPO.

Die Kostenentscheidung beruht auf §
91
Abs.
1 ZPO. Sie erfasst auch die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde.
Eine gesonderte Kostenentscheidung mit einer abweichenden Kostenver-teilung war insoweit nicht geboten, da die Rechtsverteidigung der Be-39
40
41
-
17
-

klagten mit Hauptaufrechnung einerseits und hilfsweise erhobenen [X.] gegen den [X.] andererseits infolge der Unstrei-tigkeit der Gegenforderung den Streitwert nicht erhöht
hat.

Dr. [X.][X.]

Dr.
[X.]

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.10.2008 -
24 O 124/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 07.07.2009 -
9 [X.]/08 -

Meta

IV ZR 177/09

20.07.2011

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.07.2011, Az. IV ZR 177/09 (REWIS RS 2011, 4618)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4618

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IV ZR 177/09 (Bundesgerichtshof)

Anwendbarkeit des versicherungsrechtlichen Vollstreckungsverbots auf die zwischen Erstversicherung und Rückversicherer vereinbarte quartalsweise Saldierung ihrer wechselseitigen …


9 U 151/08 (Oberlandesgericht Köln)


IX ZR 210/10 (Bundesgerichtshof)


7 K 361/21 (FG München)

Unterscheidung zwischen Erst- und Rückversicherungsunternehmen im Hinblick auf die gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Zinsen auf Depotverbindlichkeiten


IX ZR 210/10 (Bundesgerichtshof)

Insolvenz eines Versicherungsunternehmens: Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung eines Staatshaftungsanspruchs aus verspäteter innerstaatlicher Umsetzung einer …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IV ZR 177/09

9 U 151/08

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.