Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.01.2010, Az. I R 103/08

1. Senat | REWIS RS 2010, 9960

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Gegenstand

Keine Rückstellungen für Sanierungsgelder der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) - Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen


Leitsatz

Für die ab dem Jahr 2002 an die VBL abzuführenden sog. Sanierungsgelder waren in den Bilanzen der an der VBL Beteiligten zum 31.12.2001 keine Rückstellungen zu bilden      .

Tatbestand

1

I. Streitpunkt sind Rü[X.]kstellungen, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und eine ihrer Organgesells[X.]haften in ihren Bilanzen zum 31. Dezember 2001 (Streitjahr) für [X.], die sie künftig an die [X.] ([X.]) zu erbringen haben, gebildet haben.

2

Die Klägerin ist eine im Jahr 1998 gegründete GmbH, deren Gesells[X.]hafter kommunale Gebietskörpers[X.]haften sind. Ihr Gegenstand ist die Energieerzeugung und der Energiehandel zur Weiterlieferung an kommunale Stadtwerke. Die Klägerin ist Organträgerin einer körpers[X.]haftsteuerli[X.]hen Organs[X.]haft mit der O-GmbH.

3

Die Klägerin und die O-GmbH sind als Mitglieder des [X.] an der [X.] beteiligt. Diese gewährt Arbeitnehmern ihrer Beteiligten Anwarts[X.]haften und Ansprü[X.]he auf zusätzli[X.]he Alters-, [X.] und Hinterbliebenenversorgung. Die [X.] erbra[X.]hte ihre Leistungen zunä[X.]hst im Rahmen einer Gesamtversorgung. Diese war dadur[X.]h gekennzei[X.]hnet, dass die Leistungen aus der gesetzli[X.]hen Rentenversi[X.]herung dur[X.]h die hinzutretende [X.]-Rente im Ergebnis annähernd auf das Niveau der na[X.]h beamtenversorgungsre[X.]htli[X.]hen Grundsätzen zu erwartenden Versorgung angehoben wurde. Die laufenden Rentenleistungen wurden im Umlageverfahren aus den laufenden Beiträgen erbra[X.]ht.

4

Dieses System war aus vers[X.]hiedenen Gründen ni[X.]ht mehr finanzierbar. Dur[X.]h den Tarifvertrag "[X.] 2001" vom 13. November 2001 s[X.]hlossen die Tarifvertragsparteien deshalb das Gesamtversorgungssystem zum 1. Januar 2001. Na[X.]h diesem Sti[X.]htag erwarben die Versi[X.]herten ihre Anwarts[X.]haften in einem Betriebsrentensystem na[X.]h einem Punktemodell. Die laufenden Leistungen wurden weiterhin im Umlageverfahren aufgebra[X.]ht. Auf Seiten der Versi[X.]herten wurden die Leistungsansprü[X.]he künftiger Versorgungsbere[X.]htigter --unter Gewährung weitgehenden Vertrauenss[X.]hutzes für Rentenbezieher und rentennahe [X.] um dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]h 20 % abgesenkt. Die dur[X.]h die Arbeitgeber an die [X.] abzuführende Umlage wurde ab dem 1. Januar 2002 wie folgt bemessen (jeweils in % des zusatzversorgungspfli[X.]htigen Entgelts der Pfli[X.]htversi[X.]herten):

- Beitrag des Arbeitgebers: 6,45 % (unverändert),

- Beitrag des Arbeitnehmers: 1,41 % (zuvor 1,25 %),

- vom Arbeitgeber zu tragendes [X.]:

dur[X.]hs[X.]hnittli[X.]h 2,0 %; für die Arbeitgebergruppe, der die Klägerin angehört, jedo[X.]h 1,85 % (zuvor ni[X.]ht erhoben).

5

Insgesamt hatte die Klägerin nunmehr Beträge in Höhe von 9,71 % des zusatzversorgungspfli[X.]htigen Entgelts ihrer Arbeitnehmer an die [X.] abzuführen; bis zum 31. Dezember 2001 belief si[X.]h dieser Satz hingegen auf ledigli[X.]h 7,7 %.

6

Die Erhebung des [X.] beruht auf § 65 der Satzung der [X.] vom 22. November 2002 ([X.]-Satzung), die mit Rü[X.]kwirkung zum 1. Januar 2001 in [X.] getreten ist (Bundesanzeiger vom 3. Januar 2003). Eine entspre[X.]hende Regelung war bereits im Tarifvertrag "[X.] 2001" festgelegt worden. § 65 [X.]-Satzung lautet:

7

"(1) Infolge der S[X.]hließung des [X.] und des We[X.]hsels vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell erhebt die Anstalt entspre[X.]hend dem periodis[X.]hen Bedarf von den Beteiligten im [X.] ab 1. Januar 2002 paus[X.]hale [X.] zur De[X.]kung eines zusätzli[X.]hen [X.], der über die Einnahmen bei dem [X.] von 7,86 v.H. hinausgeht und der zur Finanzierung der vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwarts[X.]haften und Ansprü[X.]he (Altbestand) dient. [X.] werden erhoben, solange das [X.], soweit es dem [X.] zuzure[X.]hnen ist, am Ende des De[X.]kungsabs[X.]hnitts ohne Berü[X.]ksi[X.]htigung von [X.]n den versi[X.]herungsmathematis[X.]hen Barwert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden und vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwarts[X.]haften und Ansprü[X.]he voraussi[X.]htli[X.]h unters[X.]hreitet. Bei der Ermittlung des [X.] sind ein Re[X.]hnungszins von 3,25 v.H. während der [X.] und 5,25 % während des [X.] sowie eine Dynamisierungsrate der Renten ab Rentenbeginn von 1 v.H. jährli[X.]h zu berü[X.]ksi[X.]htigen.

8

(2) Die Gesamthöhe der [X.] wird im De[X.]kungsabs[X.]hnitt auf der Grundlage eines versi[X.]herungsmathematis[X.]hen Guta[X.]htens von der Anstalt festgesetzt; die Feststellung na[X.]h § 64 Abs. 2 ist zu bea[X.]hten. Ab 1. Januar 2002 entspri[X.]ht die Gesamthöhe der [X.] 2,0 v.H. der zusatzversorgungspfli[X.]htigen Entgelte aller Pfli[X.]htversi[X.]herten im [X.]. Die Summe dieser Entgelte ist jährli[X.]h entspre[X.]hend der Anpassung der Betriebsrenten (§ 39) zu erhöhen. Ändert si[X.]h der periodis[X.]he Bedarf, sind die [X.] in dem Umfang anzupassen, wie dies zur De[X.]kung des Mehrbedarfs für den Altbestand, der über den [X.] von 7,86 v.H. hinausgeht, erforderli[X.]h ist.

9

(3) Die auf die Beteiligten entfallenden [X.] für das jeweilige Kalenderjahr werden jährli[X.]h bis 30. November des Folgejahres na[X.]h dem für das jeweilige Kalenderjahr ermittelten Verhältnis der neunfa[X.]hen [X.] aller Renten zuzügli[X.]h der Entgeltsumme aller Pfli[X.]htversi[X.]herten zu der auf den Beteiligten entfallenden neunfa[X.]hen [X.] zuzügli[X.]h der Entgeltsumme seiner Pfli[X.]htversi[X.]herten betragsmäßig festgesetzt.

(4) Für die Beteiligten, die einem Arbeitgeberverband angehören, ist ein Betrag na[X.]h Maßgabe des Absatzes 3 festzulegen, indem die auf sie entfallenden [X.]n und die Entgeltsummen ihrer Pfli[X.]htversi[X.]herten zusammengere[X.]hnet werden. (...) Folgende Aufgliederung der Beteiligten ist damit im Rahmen der Festlegung des [X.] zugrunde zu legen:

a) Bund (...),

b) Mitgliedsländer der [X.] (...),

[X.]) Mitglieder kommunaler Arbeitgeberverbände (...),

d) sonstige Arbeitgeber (...).

(6) Die Beteiligten entri[X.]hten in entspre[X.]hender Anwendung des § 64 Abs. 6 monatli[X.]he Abs[X.]hlagszahlungen für die auf sie entfallenden [X.] in Form eines vorläufigen Vomhundertsatzes der zusatzversorgungspfli[X.]htigen Entgelte aller Pfli[X.]htversi[X.]herten des Beteiligten. (...)"

Für das [X.] wurden gemäß § 65 Abs. 1 der [X.]-Satzung no[X.]h keine [X.] erhoben. In ihren Steuerbilanzen zum 31. Dezember des [X.] bildeten die Klägerin und die O-GmbH im Hinbli[X.]k auf das [X.] Rü[X.]kstellungen für ungewisse Verbindli[X.]hkeiten (Klägerin: 354.000 DM; O-GmbH: 20.904.000 DM). Diese Beträge ermittelten die Klägerin und die O-GmbH, indem sie das [X.], das si[X.]h für 2001 ergeben hätte, wenn die ab 2002 geltende Regelung bereits zuvor anwendbar gewesen wäre, kapitalisierten und dabei eine unbegrenzte Laufzeit annahmen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) berü[X.]ksi[X.]htigte die Rü[X.]kstellungen in Änderungsbes[X.]heiden zum Körpers[X.]haftsteuerbes[X.]heid der Klägerin für das Streitjahr ni[X.]ht.

Die deswegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgeri[X.]ht (FG) Münster hat sie mit Urteil vom 26. August 2008 9 K 1660/05 K, das in Ents[X.]heidungen der Finanzgeri[X.]hte ([X.]) 2008, 1942 abgedru[X.]kt ist, als unbegründet abgewiesen. Seiner Auffassung na[X.]h fehlt es an dem für die Rü[X.]kstellungsbildung erforderli[X.]hen wirts[X.]haftli[X.]hen Bezug der Verpfli[X.]htungen zum Zeitraum vor dem Bilanzsti[X.]htag.

Gegen das [X.] ri[X.]htet si[X.]h die auf die Verletzung materiellen Re[X.]hts gestützte Revision der Klägerin.

Mit Bes[X.]heid vom 25. Juni 2009 hat das [X.] während des Revisionsverfahrens den Körpers[X.]haftsteuerbes[X.]heid 2001 erneut geändert. Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass der Streitstoff von der Änderung ni[X.]ht betroffen ist.

Die Klägerin beantragt, das [X.] und den Körpers[X.]haftsteuerbes[X.]heid 2001 in Gestalt des Änderungsbes[X.]heids vom 25. Juni 2009 insoweit abzuändern, als darin eine Rü[X.]kstellung für ungewisse Verbindli[X.]hkeiten für die an die [X.] zu entri[X.]htenden [X.] der Klägerin sowie der O-GmbH, in Höhe von insgesamt 21.258.000 DM unter gegenläufiger Anpassung der Gewerbesteuerrü[X.]kstellung zu berü[X.]ksi[X.]htigen ist.

Das [X.] beantragt, die Revision zurü[X.]kzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Das angefochtene Urteil ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des vor dem [X.] angefochtenen Änderungsbescheids vom 3. November 2004 ist während des Revisionsverfahrens der geänderte Bescheid des [X.] vom 25. Juni 2009 getreten. Da dem [X.]-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. Urteile des [X.] --[X.]-- vom 3. August 2005 [X.], [X.], 398, [X.], 20; vom 28. August 2003 IV R 20/02, [X.], 143, [X.], 10).

Der Änderungsbescheid vom 25. Juni 2009 wurde gemäß § 68 Satz 1 [X.]. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 [X.]O bedarf es nicht, weil die Sache spruchreif ist. Die vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen werden von dem Änderungsbescheid nicht berührt und bilden unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats. Diese kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 [X.]O).

2. Die Klage ist unbegründet und deshalb abzuweisen. [X.] und [X.] haben die von der Klägerin und der O-GmbH gebildeten Rückstellungen für die an die [X.] künftig zu leistenden [X.] zu Recht nicht ergebnismindernd berücksichtigt.

a) Gemäß § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes [X.]. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen GoB ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des [X.] "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des Handelsgesetzbuchs (HGB).

b) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] entweder --erstens-- das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit oder --zweitens-- die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer --ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen-- Verbindlichkeit (vgl. Senatsurteil vom 20. August 2008 [X.], [X.]E 222, 494, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (Senatsurteil vom 30. Januar 2002 [X.]/00, [X.]E 197, 530, [X.] 2002, 688). Dieser muss darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen (vgl. [X.]-Urteil vom 19. Oktober 1993 [X.], [X.]E 172, 456, [X.] 1993, 891, m.w.N.). Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender Verbindlichkeiten ist des Weiteren ein wirtschaftlicher Bezug der möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum [X.]raum vor dem jeweiligen Bilanzstichtag erforderlich (vgl. [X.]-Urteile vom 27. Juni 2001 [X.], [X.]E 196, 216, [X.] 2003, 121; vom 30. Januar 2002 [X.]/00, [X.]E 198, 420, [X.] 2003, 279; vom 30. November 2005 [X.]/04, [X.]E 212, 83, [X.] 2007, 251; vom 13. Dezember 2007 [X.], [X.]E 220, 117, [X.] 2008, 516).

c) Nach diesen Maßgaben lagen am Bilanzstichtag 31. Dezember 2001 die Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen für die [X.] nicht vor.

aa) Die Ansprüche der [X.] gegen die Klägerin und die O-GmbH auf Leistung der [X.] waren zum Bilanzstichtag zwar für die [X.] hinreichend wahrscheinlich, jedoch rechtlich noch nicht entstanden.

Die Satzungsänderung, mit der die Bestimmung des § 65 [X.]-Satzung über die Erhebung der [X.] geschaffen worden ist, ist am 22. November 2002 wirksam geworden, mithin nach dem Bilanzstichtag. Dass die Satzungsänderung mit Rückwirkung zum 1. Januar 2001 beschlossen worden ist, ändert nichts daran, dass es sich bei der Änderung um ein zeitlich nach dem Bilanzstichtag eingetretenes Ereignis handelt. Erst durch dieses Ereignis sind Rechtspflichten der Klägerin und der O-GmbH begründet worden, die in Rede stehenden Zahlungen zu leisten.

Ob --wie die Revision meint-- bereits durch den Abschluss des [X.] "[X.] 2001" am 13. November 2001, in dem sich auch Bestimmungen über die Erhebung der [X.] zur Deckung der zu erwartenden Finanzierungslücke bei den [X.] finden, diese betreffende Rechtspflichten im Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien oder im Verhältnis der an der [X.] beteiligten Arbeitgeber begründet worden sind, kann offenbleiben. Denn eine Verpflichtung ist erst dann in dem für die Bilanzierung maßgeblichen Sinne rechtlich entstanden, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Leistungspflicht geknüpft ist ([X.]-Urteile vom 12. Dezember 1991 [X.], [X.]E 167, 334, [X.] 1992, 600; vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, [X.]E 150, 140, [X.] 1987, 848; vgl. auch [X.]-Urteil in [X.]E 220, 117, [X.] 2008, 516). Im Streitfall erforderte die Begründung einer auf die [X.] bezogenen Leistungspflicht aber jedenfalls noch der Verankerung der entsprechenden Beitragspflichten in der Satzung der [X.], die zum Bilanzstichtag noch nicht erfolgt war.

bb) Der sonach für die Passivierung erforderliche wirtschaftliche Bezug der dem Grunde und der Höhe nach ungewissen Verpflichtungen zur Zahlung der [X.] zum [X.]raum vor dem 31. Dezember 2001 ist nicht gegeben.

aaa) Der [X.] setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]-Urteile in [X.]E 167, 334, [X.] 1992, 600; in [X.]E 198, 420, [X.] 2003, 279; in [X.]E 212, 83, [X.] 2007, 251). Maßgeblich ist dabei die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalles vor dem Hintergrund der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht (Senatsurteil in [X.]E 212, 83, [X.] 2007, 251).

bbb) Die [X.] weisen ein wirtschaftlich wesentliches Merkmal auf, welches an die [X.] nach dem Bilanzstichtag anknüpft. Ihr wirtschaftlicher Zweck besteht darin, Finanzierungslücken bei der [X.] zu schließen. Diese Finanzierungslücken sind darauf zurückzuführen, dass die von den Kassenmitgliedern in Form von Umlagen aufzubringenden Beiträge ab dem 1. Januar 2002 auf der Basis des nach dem Systemwechsel maßgeblichen Punktesystems bemessen werden, die vor diesem [X.]punkt entstandenen Versorgungsansprüche der Bestandsrentner und Versorgungsanwartschaften der rentennahen Jahrgänge von der [X.] jedoch weiterhin auf der Grundlage des vor dem Systemwechsel geltenden Gesamtversorgungsprinzips bedient werden müssen. Es soll demnach mit den [X.]n eine für die nach dem 31. Dezember 2001 beginnenden [X.] erwartete Unterdeckung des versicherungsmäßigen [X.] der [X.] ausgeglichen werden. Sobald diese Deckungslücke geschlossen ist, werden gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 [X.]-Satzung keine [X.] mehr erhoben.

Aus Sicht des [X.] 31. Dezember 2001 sollen mit den [X.]n folglich zwar versicherungsmathematisch bereits absehbare, jedoch tatsächlich erst in späteren [X.] entstehende Finanzierungslücken bei der [X.] abgedeckt werden. Insoweit bezieht sich deshalb die wirtschaftliche Ursache für die Erhebung der [X.] auf [X.]räume nach dem Bilanzstichtag. Zwar sind die Versorgungsanwartschaften der betreffenden Pensionäre und Arbeitnehmer --soweit sie zum Bilanzstichtag bereits entstanden waren-- durch die bis dahin bestehenden Beschäftigungsverhältnisse begründet worden. Der für die Erhebung der [X.] wirtschaftlich maßgebliche Umstand besteht indes in der Gewährung des Bestandsschutzes für die Altfälle, ohne dass die dafür voraussichtlich erforderlichen Mittel künftig noch aus dem "regulären" Umlageaufkommen der [X.] bestritten werden könnten. Die entsprechenden Leistungspflichten deckten mithin nicht Vergangenes (z.B. zu niedrige Zahlungen) ab, sondern hingen vorrangig mit dem künftigen betrieblichen Geschehen der Klägerin bzw. der O-GmbH zusammen.

Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass der Systemwechsel auf dem im Streitjahr abgeschlossenen Tarifvertrag "[X.] 2001" beruht. Denn nicht der Systemwechsel als solcher, sondern die durch die Gewährung des Bestandsschutzes für die "Altfälle" hervorgerufenen künftigen Finanzierungslücken bei der [X.] sind die wirtschaftliche Ursache für die Verpflichtung zur Zahlung der [X.].

Dem [X.] steht auch nicht entgegen, dass die Gesamthöhe der [X.] gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 [X.]-Satzung ab dem 1. Januar 2002 auf 2 % der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr 2001 festgelegt worden ist. Die Heranziehung der im Streitjahr bezogenen zusatzversorgungspflichtigen Entgelte als Ausgangsgröße für die Bemessung der Gesamthöhe der [X.] führt nicht zu einer inhaltlichen, wirtschaftlich wesentlichen Verknüpfung mit Vorkommnissen des [X.]. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Berechnungsmodalität, die nichts daran ändert, dass mit den [X.]n künftige Deckungslücken geschlossen werden sollten.

d) Da somit die handelsrechtlichen Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen zum 31. Dezember des [X.] nicht gegeben waren, bedarf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob § 4c EStG der steuerlichen Anerkennung von Rückstellungen für die [X.] entgegenstehen würde, keiner Entscheidung.

Meta

I R 103/08

27.01.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 26. August 2008, Az: 9 K 1660/05 K, Urteil

§ 5 Abs 1 S 1 EStG 1997, § 249 Abs 1 S 1 HGB, § 4c EStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 27.01.2010, Az. I R 103/08 (REWIS RS 2010, 9960)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9960

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