Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2006, Az. NotZ 21/06

Senat für Notarsachen | REWIS RS 2006, 2434

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[X.] BESCHLUSS [X.] 21/06 vom 24. Juli 2006 in dem Verfahren wegen Bestellung zum Notar - 2 -

Der [X.], [X.], hat durch den [X.], [X.], die Richterin Dr. Kessal-Wulf, die Notare [X.] und [X.] am 24. Juli 2006 beschlossen: Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats für Notarsachen des [X.] vom 16. März 2006 - 1 Not 7/05 - wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfah-rens zu tragen und dem Antragsgegner sowie dem weite-ren Beteiligten die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. - 3 -

Gründe: [X.] Der Antragsgegner schrieb am 1. Oktober 2004 im [X.] für [X.] ([X.]. S. 527) für den Amtsgerichtsbezirk [X.]eine Notarstelle aus. Auf diese bewarben sich insgesamt [X.] Rechtsanwälte, unter ihnen der Antragsteller und der weitere [X.]. Das Auswahlverfahren wurde gemäß Abschnitt [X.] des Runderlas-ses zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999 ([X.]. [X.]), geändert durch Runderlass vom 10. August 2004 ([X.]. S. 323) durchgeführt. Aufgrund der für die Bewerber ermittelten Gesamt-punktzahlen schlug die Präsidentin des [X.] den weiteren Beteiligten für die Besetzung der Stelle vor, der eine Punktzahl von 174,75 erreicht hatte. Der Antragsteller wurde mit Schreiben vom 3. Juni 2005 davon unterrichtet, dass seiner Bewerbung bei einer Punktzahl von 137,25 nicht entsprochen werden könne. Der Antragsteller nahm mit die-ser Punktzahl die zweite Rangstelle ein, nachdem ein an sich punktstär-kerer Bewerber wegen Nichterfüllung der örtlichen Wartezeit keine Be-rücksichtigung finden konnte. 1 Das [X.] hat seinen Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung mit dem Inhalt, den Antragsgegner unter Aufhebung des [X.] vom 3. Juni 2005 zu verpflichten, seine Bewerbung neu zu [X.], zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine sofortige Be-schwerde, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. 2 3 I[X.] Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 111 Abs. 4 [X.] i.V. mit § 42 Abs. 4 [X.] zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die Aus-- 4 -

wahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich als [X.]. Die seitens des Antragstellers erhobenen Beanstandungen, soweit er an ihnen für das Beschwerdeverfahren festhält, greifen nicht durch.
1. Durch Beschluss vom 20. April 2004 hat das Bundesverfas-sungsgericht die durch Verwaltungsvorschriften konkretisierte Auslegung und Anwendung der in § 6 [X.] normierten [X.] in ver-schiedenen Bundesländern - so auch den Runderlass des [X.] in seiner früheren Fassung - für verfassungswidrig erklärt; die um der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit willen gebotene chancengleiche Bestenauslese sei nicht gewährleistet. Eine nach diesen Maßstäben erstellte Prognose über die Eignung eines Bewerbers für das von ihm erstrebte öffentliche Amt oder über seine bessere Eignung bei der Auswahl aus einem größeren Kreis von Bewerbern lasse vor allem eine konkrete und einzelfallbezogene Bewertung der fachlichen Leistung des Bewerbers vermissen ([X.] 110, 304 = [X.] 2004, 560 = [X.] 2004, 281 = NJW 2004, 1935). 4 Der Antragsgegner hat mit Blick auf diese Entscheidung seinen Runderlass geändert. Im Unterschied zum Runderlass in seiner früheren Fassung sind die [X.] für den Bereich theoretischer Befä-higung und praktischer Bewährung aufgegeben. Die für Fortbildung und praktische Notartätigkeit erzielbaren Punkte sind nicht mehr gedeckelt; auch gibt es keine gemeinsame Kappungsgrenze für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen und den Erwerb notarieller Praxis mehr. Zudem werden die Fortbildungskurse danach gewichtet, ob sie innerhalb der letzten drei Jahre vor Ausschreibung bis zum Ende der Bewerbungs-frist (1,0 Punkte je Halbtag) oder davor (0,5 Punkte je Halbtag) absolviert 5 - 5 -

wurden. Die von den Bewerbern vorgenommenen [X.] - mit Ausnahme von Niederschriften nach § 38 BeurkG und Vermerken nach § 39 BeurkG einschließlich Beglaubigungen (mit oder ohne Ent-wurf) - werden ebenfalls nach ihrer Anzahl und zeitlichen Vornahme ge-wichtet. Durch den Wegfall der [X.] erhalten die [X.] das vom [X.] geforderte Gewicht; zugleich erfolgt eine Stärkung der fachbezogenen Anforderungen. Im Rahmen der Gesamtentscheidung können nach Anhörung der Notarkammer weitere Punkte für im Einzelfall vorhandene besondere notarspezifische Qualifi-kationsmerkmale angerechnet werden (Abschnitt [X.] Nr. 3 Buchst. e des [X.]).
2. Der Senat hat zur Umsetzung der verfassungsgerichtlichen Ent-scheidung vom 20. April 2004 bereits in seinen Beschlüssen vom 22. No-vember 2004 ([X.] 16/04 - [X.] 2005, 155, 157) und vom 11. Juli 2005 ([X.] 29/04 - [X.] 2004, 942, 945) Stellung genommen. Erforderlich ist eine Bewertung der Bewerber, bei der auch die von ihnen bei der Vorbe-reitung auf den angestrebten Zweitberuf als Anwaltsnotar gezeigten the-oretischen Kenntnisse und praktischen Erfahrungen differenziert zu be-rücksichtigen sind. Solange es insoweit an beachtlichen Bewertungen noch fehlt, ist eine individuelle Eignungsprognose im weiteren Sinne zu treffen, bei der diese beiden notarspezifischen Eignungskriterien mit ei-genständigem höheren Gewicht als bisher im Verhältnis zu der Anwalts-praxis und dem Ergebnis des die juristische Ausbildung abschließenden, die allgemeine juristische Qualifikation des Bewerbers erfassenden Staatsexamens einfließen müssen. Vor diesem Hintergrund gilt [X.]: 6 - 6 -

a) Der Senat hat keine Bedenken, wenn der Antragsgegner für das Bewerbungsverfahren grundsätzlich an einem Punktesystem - mit seinen unter 1. dargestellten Modifizierungen - festhält. Auch das [X.] hat ein solches Punktesystem prinzipiell nicht beanstan-det; es ist durch die gesetzlichen Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 [X.] gedeckt ([X.], 327, 335). Das Punktesystem ermöglicht ein [X.] nach objektiven, nachvollziehbaren und transparenten Bewertungskriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungserfahrungen). Der ein-zelne Bewerber kann sich auf feste und für ihn durchschaubare Auswahl-kriterien einstellen. Er kann ihnen entnehmen, welches Anforderungspro-fil zu erfüllen ist und auf dieser Grundlage beantworten, ob eine Bewer-bung Erfolg verspricht und welche Nachweise er für die von ihm erwor-benen theoretischen und praktischen Fähigkeiten in das Bewerbungsver-fahren einzuführen hat. Dem Antragsgegner selbst erlaubt das Punkte-system eine verlässliche Sichtung des [X.]. Er kann die Be-werber erfassen, die nach ihrer fachlichen Eignung für die Besetzung der ausgeschriebenen Notarstellen in Frage kommen; anhand der nach dem Punktesystem vorgegebenen Kriterien ist eine Vergleichbarkeit ihrer Leistungen und sonstigen Eignungsmerkmale gewährleistet. Dieser [X.] mit den Verhältnissen anderer Bewerber setzt ein gewisses Maß an Abstraktion, Generalisierung und Schematisierung notwendig voraus, damit ein einheitlicher und nachprüfbarer Maßstab gewonnen werden kann, nach dem sich die Justizverwaltung zu richten hat (vgl. Senatsbe-schluss vom 18. März 2002 - [X.] 19/01 - NJW-RR 2002, 1142, 1143). 7 8 b) Für den gegebenen Fall bedeutet dies: Der Antragsteller (2,73) und der weitere Beteiligte (2,78) haben im zweiten Staatsexamen ein fast - 7 -

identisches Ergebnis erzielt; beide Bewerber haben die Note "vollbefrie-digend" erhalten. Die Dauer ihrer bisherigen anwaltlichen Tätigkeit ist mit jeweils 45 Punkten berücksichtigt worden.
Hingegen waren an den weiteren Beteiligten deutlich mehr Fortbil-dungspunkte als an den Antragsteller zu vergeben. Der Antragsgegner hat die Fortbildungskurse zu Recht danach gewichtet, ob sie innerhalb der letzten drei Jahre vor Ausschreibung bis zum Ende der Bewerbungs-frist (1,0 Punkte je Halbtag) oder davor (0,5 Punkte je Halbtag) absolviert worden. Damit ist eine weitere Vorgabe des [X.]s umgesetzt, das die bislang fehlende Differenzierung zwischen zeitlich länger zurückliegenden und jüngeren Lehrgängen beanstandet hat. [X.] darf der Antragsgegner im Rahmen der gebotenen generalisierenden und schematisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass das in zeitnäheren Lehrgängen erworbene Wissen in seinen Einzelheiten eher abrufbar ist als Wissen, das in früheren Jahren erworben wurde. Darüber hinaus darf der Antragsgegner berücksichtigen, dass [X.], die in den letzten drei Jahren vor der Bewerbung stattgefun-den haben, regelmäßig den aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre wiedergeben und damit die Teilnehmer in den neuesten Stand von Praxis und Lehre versetzen; schon dies rechtfertigt die Vergabe von 1,0 Punkten je Halbtag für zeitnah besuchte Lehrgänge. Auf die vom [X.] eingeforderte Qualitätssicherung durch Be-wertung fachspezifischer Leistungen kommt es an dieser Stelle nicht an, weil der Antragsteller jedenfalls nicht darlegt, insoweit Fortbildungsver-anstaltungen besucht zu haben, bei denen strengere Leistungskontrollen stattgefunden haben als bei den durch die weiteren Beteiligten absolvier-ten Fortbildungen. Der Antragsteller rügt lediglich pauschal, als [X.] - 8 -

anwalt gegenüber solchen Bewerbern im Nachteil zu sein, die sich in [X.] anwaltlichen Sozietät verbunden haben, ohne deutlich zu machen, in welchem Maße er dadurch konkret gehindert gewesen ist, an Fortbil-dungsveranstaltungen teilzunehmen. Die Anzahl der von ihm besuchten Fortbildungskurse spricht dagegen; er hat ebenso wie der weitere [X.] 50 Halbtage aufzuweisen. Die höhere Punktzahl des weiteren [X.]n resultiert allein aus dem bewerbungsnahen Absolvieren von [X.]. Mithin waren dem weiteren Beteiligten 36 Fortbildungspunkte zu-zuerkennen, während der Antragsteller nur 26 Fortbildungspunkte er-reicht hat. Insgesamt ergibt sich aus den Bereichen Examensnote, Dauer der anwaltlichen Tätigkeit und theoretischer Fortbildung für den weiteren Beteiligten gegenüber dem Antragsteller ein Punktevorsprung von 8,4. 10 c) Dies vermag der Antragsteller durch seine aus der praktischen Beurkundungstätigkeit erreichten 15,8 Punkte gegenüber dem weiteren Beteiligten (44,9 Punkte) bei weitem nicht auszugleichen. Auch hier wird nicht deutlich, weshalb der Antragsteller aufgrund seiner einzelanwaltli-chen Tätigkeit gegenüber dem weiteren Beteiligten in unzumutbarer Weise schlechter gestellt wäre, verweist er doch selbst auf seine lang-jährige Zusammenarbeit mit dem Notar [X.], die ihm neben der vorge-tragenen "notarnahen" Ausrichtung seines Anwaltsberufes auch regel-mäßige [X.] ermöglicht hat. 11 12 Die [X.] haben zudem das ihnen zukommende spe-zifische Gewicht erhalten, wenn der Antragsgegner zwischen ihrer [X.], ihrer zeitlichen Vornahme und ihrer Bewältigung während einer [X.] 9 -

tarvertretung von mehr als zwei Wochen differenziert. Allein der Anzahl der [X.] kommt nur eine beschränkte Aussagekraft für die fachliche Qualifikation eines Bewerbers zu, weil der Lern- und [X.] bei der Beurkundung mit der Zahl der [X.] ab-nimmt; überdies ist mit steigender Zahl der [X.] mit einer Wiederholung der Art der Beurkundungsvorgänge zu rechnen. Es ist [X.] ohne weiteres nachzuvollziehen, dass bei [X.] von längerer Dauer die Bewältigung aller - auch schwieriger - notarieller Tä-tigkeiten abverlangt wird, weil sich diese nicht bis zur Rückkehr des Amtsinhabers aufschieben lassen. Wenn der Antragsgegner dafür einen Zeitraum von mehr als zwei Wochen zum Maßstab nimmt, liegt dies in-nerhalb des ihm zugewiesenen Ermessensspielraums. Es werden erneut für alle Bewerber gleiche Ausgangsbedingungen geschaffen, auf die sie sich einrichten können; die damit verbundene Generalisierung und Schematisierung ist unvermeidlich und vom Antragsteller hinzunehmen. - 10 -

3. Die Bescheinigung des Notars [X.] vom 15. Februar 2000 dürfte bereits inhaltlich zu unbestimmt gefasst sein, um Grundlage für die Prüfung einer Vergabe von [X.] zu sein. Dies kann [X.] bleiben. Denn es liegt auf der Hand, dass sich der zum weiteren Beteiligten im Gesamtergebnis bestehende Punkteabstand von 37,5 durch die Vergabe von [X.] nicht überbrücken ließe. 13 Schlick [X.] Kessal-Wulf

Doyé Ebner Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 16.03.2006 - 1 Not 7/05 -

Meta

NotZ 21/06

24.07.2006

Bundesgerichtshof Senat für Notarsachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.07.2006, Az. NotZ 21/06 (REWIS RS 2006, 2434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2434

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