Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2004, Az. II ZR 47/02

II. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2823

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/02 Verkündet am: 14. Juni 2004 [X.] Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

[X.] §§ 41 Abs. 1 Satz 2, 26 Abs. 2

a) Die Mitglieder des Aufsichtsrates einer nicht in das [X.] dem ersten Vorstand der [X.], mit dem sie für die [X.] den Anstellungsvertrag geschlossen haben, nicht nach § 41 Abs. 1 Satz 2 [X.] wegen seiner Vergütungsansprüche.
b) Die für den ersten Vorstand in der Gründungsphase einer Vor-AG geschulde-te Vergütung gehört nicht zu dem nach § 26 Abs. 2 [X.] in der Satzung [X.] auszuweisenden [X.].
[X.], Urteil vom 14. Juni 2004 - [X.]/02 - [X.]

LG Bonn

- 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2004 durch [X.] h.c. Röhricht und [X.], [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt:
Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 20. Dezember 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 26. März 1999 wurde die - später nicht in das Handelsregister einge-tragene - G. AG von J.H. und der [X.]; gleichzeitig bestellten die Gründer die [X.] zu 1 und zu 2 und [X.], dessen alleinige Erbin die Beklagte zu 3 ist, zu Mitgliedern des ersten Auf-sichtsrats. Dieser trat noch am selben Tag zu seiner ersten Sitzung zusammen, wählte [X.] zum Vorsitzenden und die Beklagte zu 1 zu seiner Vertreterin und bestellte den Kläger zum Vorstandsmitglied der [X.]. In der [X.] ist festgehalten, daß der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder seine Ver-treterin ermächtigt werde, die vom Aufsichtsrat beschlossenen Anstellungsver-träge mit den Vorstandsmitgliedern zu schließen. Dies geschah am 30. März - 3 - 1999, wobei für den Aufsichtsrat die [X.] zu 1 und 2 unterzeichneten. Der Kläger trat sein Amt - wie in diesem Vertrag vorgesehen - am 1. Juli 1999 an, kündigte das Anstellungsverhältnis aber bereits am 15. Oktober 1999 fristlos wegen Nichtzahlung der Bezüge. Seinem bereits am 21. September 1999 ge-stellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] hatte das zuständige Amtsgericht am 14. Oktober 1999 ent-sprochen.
Mit der Klage nimmt der Kläger die [X.] auf Zahlung der unstreitig rückständigen Dienstbezüge für Juli bis Oktober 1999 und der Differenz zwi-schen der vertraglich geschuldeten Vergütung und anderweitig in der [X.] von November 1999 bis November 2000 bezogenen Einkünften sowie auf die [X.] künftiger Ersatzpflicht in Anspruch.
Vor dem [X.] und dem [X.] blieb die Klage erfolg-los. Mit der - angenommenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren [X.]. Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger kann - wie [X.] und [X.] zutreffend entschieden haben - die [X.] nicht auf [X.] der in dem Anstellungsvertrag mit der [X.]. vom 30. März 1999 vereinbarten Vorstandsvergütung in Anspruch nehmen.
Die [X.] zu 1 und 2 als ehemalige Aufsichtsratsmitglieder und die Beklagte zu 3 als Alleinerbin des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden der Vorge-sellschaft kommen zwar grundsätzlich als Handelnde [X.]. § 41 Abs. 1 Satz 2 - 4 - [X.] in Betracht, es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages, die genannte Haftungsnorm eröffnet dem Kläger als in der Gründungsphase bestellten Vorstand aber keine [X.] gegen die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats der neuen [X.].
1. Die Klage ist nicht bereits deswegen unbegründet, weil für die [X.] nach § 41 Abs. 1 Satz 2 [X.] nach Aufgabe des [X.] verstandenen Vorbelastungsverbots kein Raum mehr wäre. Im Schrifttum wird verbreitet die Berechtigung dieser Rechtsfigur in Zweifel gezogen (vgl. [X.], [X.] 6. Aufl. § 41 [X.]. 18 f. "ohne überzeugende gedankliche Grundla-ge"; [X.] in [X.].Komm.z.[X.] 2. Aufl. § 41 [X.]. 126; [X.], [X.]. S. 1025 f.) und zutreffend angeführt, daß wesentliche Funktionen, die der historische Gesetzgeber dieser Haftungsnorm zugewiesen hat, entfallen sind. So hat die sog. Straf- und Druckfunktion der [X.], nachdem nicht nur für das GmbH-Recht, sondern auch für das Aktien-recht die Wahrung des Unversehrtheitsgrundsatzes durch das [X.] aufgegeben und der Übergang zur Unterbilanzhaftung vollzogen worden ist, ihre Bedeutung verloren. Dies trifft jedoch nicht in gleicher Weise auf die sog. Sicherungsfunktion der Handelndenhaftung zu. Sie trägt dem Gedanken Rechnung, daß die mit der [X.] in rechtsgeschäftlichen Kontakt [X.] Gläubiger nicht wissen können und mit der Unsicherheit nicht belastet werden sollen, ob die Gründer sämtlich das handelnde Organ ermächtigt ha-ben, schon vor der Eintragung der [X.] geschäftlich tätig zu werden (vgl. dazu [X.] in [X.].[X.]srechts [X.], 2. Aufl. § 3 [X.]. 36; [X.] aaO § 41 [X.]. 126; [X.]/[X.], [X.] § 41 [X.]. 28); fehlt diese Ermächtigung und ist demgemäß die Vertretungsmacht des Handelnden eingeschränkt, soll nach dem Willen des Gesetzgebers der Gläubiger [X.] die als organschaftlicher Vertreter für die [X.] auftretende Person - 5 - in Anspruch nehmen dürfen. Unter diesem Blickwinkel hat die [X.] nach wie vor ihren Platz. Sie ist zudem in Art. 7 der Publizitätsrichtlinie der [X.] (vgl. [X.], Europäisches Unternehmensrecht, 4. Aufl. [X.]; [X.], Europäisches [X.]srecht, 2. Aufl. § 5 [X.]. 96 f. i.V.m. [X.]. 133 S. 94) mit Bindungswirkung für die Mitgliedsstaaten niedergelegt und in der in diesem Zusammenhang auf das Aktienrecht übertragbaren GmbH-rechtlichen Recht-sprechung des [X.]s bis in die jüngste [X.] anerkannt worden (vgl. Beschl. v. 7. Juli 2003 - [X.], [X.], 1814).
2. Die Haftung der [X.] nach § 41 Abs. 1 Satz 2 [X.] (vgl. zu In-halt und Umfang [X.] aaO § 41 [X.]. 142 ff.; [X.] aaO § 41 [X.]. 24; für die GmbH: [X.] 53, 210, 214; [X.]/[X.], GmbHG 8. Aufl. § 11 [X.]. 100, 113) scheitert nicht schon daran, daß die [X.] gegenüber dem Kläger nicht wirksam verpflichtet worden wäre.
Der Aufsichtsrat war das für den Abschluß des Dienstvertrages zustän-dige Organ und ist, wie das Berufungsgericht zutreffend und von den Parteien nicht angegriffen festgestellt hat, in formell ordnungsgemäßer Weise tätig ge-worden. Auch im übrigen begegnet die Wirksamkeit des Anstellungsvertrages mit den in ihm eingegangenen Zahlungspflichten keinen durchgreifenden Bedenken, obwohl hier die Vergütung des im [X.] berufenen ersten Vorstandes nicht als [X.] nach § 26 Abs. 2 [X.] in die Satzung aufgenommen worden ist. Nach einer verbreiteten Meinung im Schrifttum soll dieses Versäumnis zur Unwirksamkeit der Verpflichtung führen (so Kraft aaO § 30 [X.]. 43; [X.] aaO § 30 [X.]. 12). Dieser Auffassung folgt der [X.] nicht, weil sie wenig praktikabel erscheint und vom Zweck des Gesetzes nicht gefordert wird (vgl. Röhricht in [X.].[X.] 4. Aufl. § 30 [X.]. 34; [X.] aaO § 30 [X.]. 41). - 6 -
Zwar ließen sich auch die Kosten für die Anstellung des ersten Vorstan-des nach dem Wortlaut des Gesetzes noch als [X.] einordnen, weil jede neu gegründete Aktiengesellschaft für ihre vollständige Entstehung eines Vertretungsorgans bedarf; der [X.] verkennt auch nicht, daß die Zuer-kennung einer überhöhten Vergütung an die Organe zu einer Aushöhlung des soeben erst aufgebrachten oder aufzubringenden Kapitals führen kann. Dies ist indessen keine Besonderheit der Gestaltung der Dienstverträge des ersten Vorstandes. Auch in anderer Weise können in diesem Stadium durch [X.] - z.B. durch den Abschluß von Mietverträgen, durch die Einstellung von Personal oder durch den Aufbau eines Vertriebsnetzes - oder durch Aufwendungen Teile des eingezahlten oder einzuzahlenden [X.] verbraucht werden, ohne daß dem ein entsprechender im [X.]s-vermögen verbliebener Gegenwert gegenübersteht.
3. a) Als für die [X.] handelndes Organ nach § 41 Abs. 1 Satz 2 [X.] kommt - anders als die Beklagte zu 1 meint - grundsätzlich auch der Aufsichtsrat in Betracht. Das gilt nicht allein dann, wenn er "wie ein [X.]" handelt, also im [X.] dessen Aufgaben an sich zieht. Da ihm nach § 112 [X.] die alleinige Vertretungskompetenz für den Abschluß von Anstellungsverträgen mit den Vorstandsmitgliedern zugewiesen ist, ist er in [X.] Bereich an sich der "geborene" Handelnde [X.]. § 41 Abs. 1 Satz 2 [X.].
b) Der Kläger als erster Vorstand der [X.] kann jedoch die Mitglieder des Aufsichtsrats nach dieser Vorschrift nicht in Anspruch nehmen.
Daß er von der [X.] die ihm versprochene Vergütung nicht erhält, rechtfertigt sein Begehren nicht. Nach dem oben beschriebenen [X.] - zweck der Handelndenhaftung wäre Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Aufsichtsratsmitglieder, daß der Aufsichtsrat den Anstellungsvertrag, ohne hierzu von den Gründern ermächtigt worden zu sein, geschlossen hat. Davon kann, da die [X.] im [X.] über einen organschaftli-chen Vertreter verfügen muß und sich kaum jemand bereit finden wird, dieses Amt ohne entsprechende Honorierung anzutreten, regelmäßig nicht ausgegan-gen werden; auch im vorliegenden Fall bestehen in dieser Richtung keinerlei Anhaltspunkte.
Davon abgesehen überdehnt der Kläger bei seinem Vorgehen den An-wendungsbereich der Handelndenhaftung. Zwar sind auch bei der Bestellung und Anstellung des ersten Vorstandes einer neu gegründeten [X.] Organ- und Dienstverhältnis voneinander zu unterscheiden. Der allein verbliebene Schutzzweck der Handelndenhaftung, dem Vertragspartner der [X.] einen Schuldner zu verschaffen, wenn die [X.] man-gels wirksamer Ermächtigung der Handelnden nicht leisten muß, ist aber in [X.] Fall nicht betroffen. Mit Recht ist deswegen das Berufungsgericht für eine restriktive Anwendung des § 41 Abs. 1 Satz 2 [X.] eingetreten (vgl. auch [X.] aaO § 41 [X.]. 18; [X.] aaO § 41 [X.]. 126; Nirk [X.].Aktienrechts Teil I [X.]. 104). Denn die zum ersten Vorstand berufenen Personen sind nach der ganzen Struktur des [X.] typischerweise mit den internen Verhältnissen der [X.] vertraut oder können sich die notwendigen In-formationen unschwer beschaffen und müssen - anders als außenstehende Dritte, die mit der [X.] in rechtsgeschäftlichen Kontakt treten und regelmäßig nicht wissen können, ob die handelnden Organe mit Ermächtigung der Gründer handeln - nicht geschützt werden (vgl. [X.] in [X.]. [X.] 3. Aufl. § 41 [X.]. 21; [X.], NJW 1970, 404, 406 reSp). Die Mitglieder des ersten Vorstands können schon im [X.] durch entsprechen-- 8 - de Vereinbarungen mit den Gründern die Erfüllung ihrer Vergütungsansprüche sicherstellen. Des Schutzes der Handelndenhaftung bedürfen sie ebensowenig, wie es gerechtfertigt ist, sie in der Insolvenz der [X.] dadurch besser zu stellen, daß sie nicht darauf beschränkt sind, ihre Vergütungsforderung zur Tabelle anzumelden, sondern außerdem die Aufsichtsratsmitglieder persönlich belangen können. Dem entspricht, daß nach der Rechtsprechung des [X.]s auch Gründungsgesellschafter oder mit den Verhältnissen vertraute, zum [X.] entschlossene Personen nicht durch die Handelndenhaftung geschützt werden sollen (vgl. [X.] 15, 204, 206; 76, 320, 325; schon [X.], 152 f.; ferner [X.] aaO § 41 [X.]. 21; [X.] aaO § 41 [X.]. 141).
Röhricht [X.]

[X.] Gehrlein

Meta

II ZR 47/02

14.06.2004

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.06.2004, Az. II ZR 47/02 (REWIS RS 2004, 2823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2823

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