Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2004, Az. IX ZR 148/03

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1503

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]
Verkündet am: 23. September 2004 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

StBerG § 68; [X.] § 28p Abs. 1

Der Lauf der Verjährung bei dem Schadensersatzanspruch eines Arbeitgebers gegen den Steuerberater, welcher die Lohnabrechnungen für ihn besorgt und hierbei keinen Arbeitnehmeranteil der Rentenversicherungsbeiträge abzieht, beginnt in Fällen der unerkannten Beitragspflicht eines Mitarbeiters erst mit dem Zugang des [X.] der zuständigen Behörde.

BGB §§ 249 [X.], 255; [X.] § 28g

Auf den Regreßschaden eines Arbeitgebers, der infolge unerkannter Versicherungs-pflicht eines Mitarbeiters keinen Arbeitnehmeranteil vom Lohn abzieht und diesen [X.] nicht mehr nachholen kann, ist der Vorteil anzurechnen, den die Verjährung von [X.]n gegen den Arbeitgeber aus dem nämlichen Grund wegen des [X.] bewirkt.

[X.], Urteil vom 23. September 2004 - [X.] - LG Berlin

AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2004 durch [X.] Kreft und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der [X.] des [X.] vom 20. Mai 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagten besorgten als Steuerberater der Klägerin neben anderen Tätigkeiten die Lohnabrechnungen, und zwar insbesondere in den Jahren 1996 bis 1999. Für den seit 1987 teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter [X.]entrichtete die Klägerin keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die [X.] zogen dem Arbeitnehmer dementsprechend keinen Beitragsanteil vom Lohn ab. Anläßlich einer Außenprüfung im Jahr 2000 stellte die Landesversi-cherungsanstalt abweichend von dem Ergebnis einer vorausgegangenen [X.] fest, daß [X.]nicht nach § 1229 Abs. 1 Nr. 6 [X.], § 230 Abs. 1 Satz 2 [X.] versicherungsfrei war, weil seine Beamtenversorgung nur 57 v.H. der - 3 - ruhegehaltfähigen Dienstbezüge betrug. Daraufhin wurden mit Bescheid vom 7. November 2000 zu den nachentrichteten [X.] von der [X.] insgesamt 10.306,42 [X.] unverjährte Arbeitnehmeranteile zur Rentenversi-cherung beginnend mit dem 1. Januar 1996 nachgefordert. Der hiergegen ge-richtete Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos.

Durch [X.] vom Arbeitnehmer konnte die Klägerin von dem Nach-forderungsbetrag nur noch 578,67 [X.] erlangen. Für den Unterschiedsbetrag in Höhe von 9.727,75 [X.] (4.973,72 •) macht sie die Beklagten [X.]. Die Beklagten reden gegen ihre Haftpflicht, die sie aus [X.] bestreiten, Verjährung ein.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat sie abgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wieder-herstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet; der [X.] kann jedoch nicht in der Sache selbst entscheiden.

[X.]
Beide Vorinstanzen haben eine Pflichtverletzung der Beklagten ange-nommen, weil sie die Lohnabrechnungen der Klägerin unter [X.] der - 4 - sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflichten zu besorgen gehabt hätten. Das Berufungsgericht hat jedoch die Schadensersatzpflicht der Beklagten im Gegensatz zum Amtsgericht mit Ablauf des 30. April 1999, also vor Klagerhe-bung, für verjährt gehalten, weil der [X.] vom Arbeitslohn hier nach der Regel des Gesetzes nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlun-gen habe nachgeholt werden können. Der dadurch verursachte Schaden sei seit dem 1. Mai 1996 zwar fortlaufend entstanden, aber mit dem [X.] einheitlich nach Ablauf von drei Jahren verjährt.

I[X.]

Gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision mit Erfolg. Das Berufungsurteil kann daher mit der bisherigen [X.] nicht bestehen bleiben.

1. Die [X.] des § 68 StBerG hat gegen die Beklagten mit der monatlich vorrückenden [X.] des § 28g Satz 2 bis 4 [X.] seit dem 1. Mai 1996 weder einheitlich noch schrittweise begonnen. Denn vor der [X.] im Gefolge der Betriebsprüfung des Jahres 2000 [X.] für die Klägerin insoweit nur ein Schadensrisiko. Diese Frage ist in der bisherigen Rechtsprechung noch offengelassen worden (vgl. [X.], Urt. v. 12. Februar 2004 - [X.] ZR 246/02, [X.]-Report 2004, 809, 811 unter [X.] 1. b. a.E.). Sie ist im Streitfall zugunsten der Auftraggeberin zu entscheiden.

a) Der nach § 28g Satz 2 bis 4 [X.] verhinderte Abzug des Arbeit-nehmeranteils an den Rentenversicherungsbeiträgen darf als Schaden des - 5 - Arbeitgebers nicht isoliert betrachtet werden, wenn für den Arbeitnehmer irr-tümlich im Rahmen des [X.] (§ 28d [X.]) keinerlei Beitragsteile zur Rentenversicherung abgeführt worden sind. Denn die [X.] wirkt sich nur aus, wenn und soweit gegen den Arbeitgeber ein durchsetzbarer Beitragsanspruch (§ 28e Abs. 1 Satz 1 [X.]) besteht. Insoweit handelt es sich - wie bei der Erfüllung eines Steuertatbestandes (§ 38 AO) - um eine abstrakte gesetzliche Abgabenschuld (§ 22 Abs. 1 [X.]). Sie bedarf allerdings zur Beitragserhebung, anders als die Steuererhebung nach den §§ 218, 155 AO, nicht schon für den Regelfall eines Festsetzungsbeschei-des, weil Grund und Höhe der Beitragspflicht von dem Arbeitgeber leicht fest-gestellt werden können. Werden jedoch [X.] nicht rechtzeitig erfüllt, ergehen durch die Einzugsstellen nach § 28b Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 [X.] gleichfalls Bescheide zu ihrer Durchsetzung gegen den säumigen Ar-beitgeber. Dasselbe gilt nach § 28p Abs. 1 Satz 5 [X.] für die hierzu ver-pflichteten Rentenversicherungsträger, wenn eine Außenprüfung bislang nicht erkannte Beitragspflichten eines Arbeitgebers aufdeckt. Im letztgenannten Fall bestehen vor Erlaß eines Beitragsbescheids gegen den Arbeitgeber ähnliche Unsicherheiten über die Verwirklichung des Schadensrisikos, welches die [X.]ssperre des § 28g Satz 2 bis 4 [X.] für den Arbeitgeber darstellt, wie vor der belastenden Konkretisierung eines Steuerschuldverhältnisses nach [X.] einer steuerrechtlichen Gestaltung.

b) Der Streitfall verdeutlicht, welche Unsicherheiten mit der Aufdeckung eines Beitragstatbestandes bei bestimmten Beschäftigungsverhältnissen im Einzelfall verbunden sein können. Der hier betroffene Arbeitnehmer war bei der Klägerin bereits seit dem Jahre 1987 beschäftigt. Die [X.] aus der [X.] vor dem 1. Januar 1996 konnten wegen Verjährung (§ 25 [X.]) - 6 - nicht mehr durchgesetzt werden. Ein Schaden durch die [X.] ist in diesem [X.]raum bei wertender Betrachtung nicht erst durch Verjährung im Außenverhältnis weggefallen, sondern von vornherein nicht entstanden. Selbst der zuständige Rentenversicherungsträger hatte bei einer vorausgegangenen Außenprüfung den Beitragstatbestand noch nicht erkannt. Im [X.] hatte er sich auf den Widerspruch der Klägerin daher sogar mit dem Verwirkungseinwand auseinanderzusetzen.

Es wäre unter diesen Umständen nach Berücksichtigung der beiderseiti-gen Belange von Arbeitgeber und steuerlichen Beratern unangemessen, die Verjährung der Haftung nach § 68 StBerG hier mit dem Berufungsgericht be-reits zu einem [X.]punkt eintreten zu lassen, bevor sich das unvermutete [X.] in einem Leistungsbescheid verwirklichte.

2. Die Rechtssache ist nach dem festgestellten Sachverhältnis jedoch noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), sondern an das [X.] zurückzuverweisen. Denn anhand des bisherigen Streitstoffs läßt sich der [X.] rechtlich nicht abschließend beurteilen. Der Scha-den der Klägerin kann auch nicht mit Beschränkung auf den [X.]ausschnitt be-rechnet werden, welcher der Klage zugrunde liegt.

II[X.]

Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der [X.] auf fol-gendes hin:
- 7 - 1. Der steuerliche Berater, der im Auftrag des Arbeitgebers die Lohnab-rechnungen besorgt, muß grundsätzlich auch prüfen, ob für Arbeitnehmer eine Befreiung von der Versicherungspflicht in Betracht kommt, wenn Beiträge nicht abgeführt werden (vgl. [X.], Urt. v. 12. Februar 2004 aaO [X.] f; OLG Celle VersR 2001, 1437, 1438). Ergeben sich in einem solchen Fall tatsächliche [X.] oder sozialversicherungsrechtliche Schwierigkeiten, so ist der steu-erliche Berater gehalten, die Unklarheiten durch eigene Rückfragen auszuräu-men oder deswegen ebenso wie für die Klärung sozialversicherungsrechtlicher Zweifel auf die Einschaltung eines hierfür fachlich geeigneten Beraters [X.].

Im Streitfall steht nicht fest, was die Beklagten über die Beitragspflicht des Mitarbeiters [X.]den Arbeitgeberunterlagen der Klägerin entnehmen konnten. Offen ist auch, was bei Unvollständigkeit der Arbeitgeberunterlagen eine dann gebotene Rückfrage der Beklagten bei der Klägerin ergeben hätte. Ungeklärt ist ferner, weshalb die Betriebsprüfung des Jahres 1996 noch nicht beanstandet hat, daß für den Mitarbeiter [X.] keine Beiträge zur [X.] abgeführt wurden. Denn die Parteien haben den 1996 erstellten [X.] bisher nicht in den Rechtsstreit eingeführt.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung spricht vieles dafür, daß die [X.] bei einem "unverdächtigen" Prüfungsergebnis im Jahre 1996 kein Vorwurf mehr treffen kann, daß sie danach selbst noch kritischer hätten sein müssen als der zuständige Prüfungsdienst. Die Beklagten würden dann für den einge-tretenen Schaden nur einzustehen haben, wenn sie bereits vor der [X.] nach der bestehenden Aktenlage auf die tatsächliche und rechtliche Klärung einer möglichen Befreiung [X.]

von der [X.] 8 - rungspflicht hätten hinwirken müssen und in der Folge die unerkannte [X.] schon vor oder spätestens bei der Betriebsprüfung im Jahre 1996 aufgedeckt worden wäre.

Den Beklagten könnte dabei auch zugerechnet werden, wenn als Folge eines unterbliebenen Hinweises auf die ungeklärte Beitragsfreiheit des Mitar-beiters [X.]die Notwendigkeit eines Befreiungsantrages nach § 1230 [X.] oder § 230 [X.] übersehen worden sein sollte. Nicht vorgetragen worden ist bisher aber auch, ob der betroffene Arbeitnehmer bereit gewesen wäre, einen solchen Befreiungsantrag mit Nachteil für seine Rentenanwartschaften zu stel-len.

2. Die Schadensberechnung verlangt im Streitfall einen [X.] von dem [X.]punkt ab, an dem die Beklagten im Rahmen ihrer Tätigkeit erstmals auf die Klärung der Beitragspflicht des Arbeitnehmers [X.]hätten hinwirken müssen und infolgedessen die gesetzlich geschuldeten [X.] abgeführt worden wären.

Vor dem 1. Januar 1996 würde eine Pflichtverletzung der Beklagten der Klägerin im Ergebnis nur genützt haben, weil sie für den Mitarbeiter [X.]auf-grund Verjährung gemäß § 25 [X.] auch wegen ihres [X.] leistungsfrei geworden ist. Bei pflichtgemäßem Handeln der Beklagten hätte dieser (kongruente) Vorteil nicht entstehen können. Er ist auch nach wertender Betrachtung auf den späteren Schaden der Klägerin anzurechnen. Denn Vor- und Nachteil stammen aus der gleichen Wurzel und sind von gleicher Art. Der Vorteil verjährter Beitragspflicht des Arbeitgebers und der Nachteil des in un-verjährter [X.] ausgeschlossenen Abzugs des Arbeitnehmeranteils stehen in - 9 - einem inneren Zusammenhang, der beide Größen zu einer Rechnungseinheit verbindet (vgl. zur Schadensberechnung insoweit allgemein [X.] 91, 206, 210; 136, 52, 54 f; [X.], Urt. v. 19. Juli 2001 - [X.] ZR 62/00, [X.], 1605, 1607). - 10 - Die Parteien werden Gelegenheit haben, zu den angesprochenen Punk-ten in der wiedereröffneten Berufungsinstanz ihren Sachvortrag zu ergänzen.

Kreft Ganter

[X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 148/03

23.09.2004

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2004, Az. IX ZR 148/03 (REWIS RS 2004, 1503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1503

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 246/02 (Bundesgerichtshof)


VI R 27/20 (Bundesfinanzhof)

(Arbeitgeberleistungen auf einen Summenbescheid nach § 28f Abs. 2 des Vierten Buches SozialgesetzbuchSGB IV) kein …


IX ZR 137/22 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatz bei Verletzung einer Hauptpflicht aus Lohnbuchhaltungsmandat


5 AZR 273/16 (Bundesarbeitsgericht)

Arbeitsentgelt - Lohnsteuer - Sozialversicherung


B 12 AL 2/11 R (Bundessozialgericht)

Arbeitslosenversicherung - Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge - Berufung auf die Einrede der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.