Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2015, Az. 2 StR 495/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 14953

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
2 StR 495/13
vom
25. Februar 2015
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

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Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 25. Februar 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Prof. Dr. Fischer,

[X.] am [X.]
Dr. [X.],
Prof. Dr. [X.],
[X.],
[X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als
Verteidiger,

Rechtsanwalt

als Vertreter der Neben-
und Adhäsionsklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22.
März 2013 wird verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet.
Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen die Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels bleibt einer abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.], Vergewaltigung und gefährlicher Kör-perverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheits-strafe von dreizehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten dazu verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000
Euro nebst Zinsen zu zahlen. Außerdem hat es festgestellt, dass der Angeklagte dazu verpflichtet ist, ihr allen künftigen materiellen und immate-riellen Schaden zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Sozialversicherungs-träger übergegangen sind. Ein Beil hat es eingezogen. Gegen dieses Urteil rich-tet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das [X.] hat zum Schuld-
und Strafausspruch keinen Erfolg; die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch ist zurückzustellen.
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I.
Nach den Feststellungen des [X.]s kam es in der Ehe des Ange-klagten mit der Nebenklägerin vielfach zu Gewalthandlungen und zu [X.] gegen ihren Willen. Die Nebenklägerin vermochte sich aber nicht von dem Angeklagten zu trennen. Dieser litt unter einer wahnhaften Stö-rung in Form eines isolierten [X.]. Deshalb befand er sich in [X.], zeitweise auch in stationärer psychiatrischer Behandlung.
Im September 2010 vollzog der Angeklagte gegen den Willen der Ne-benklägerin mit ihr den Geschlechtsverkehr, wobei er sie gegen ihren [X.] auszog und mit seinem Körpergewicht auf das Bett drückte (Fall II.1. der Urteilsgründe).
Im Oktober 2011 wollte er seine Tochter I.

dazu veranlassen auf die Nebenklägerin einzuwirken, damit sie sich mit ihm versöhne. Nachdem die Tochter dies abgelehnt hatte, hielt er ihr ein Brotmesser an den Hals und [X.] erneut deren Beitrag zur Herbeiführung einer Versöhnung. Dabei wurde die Tochter leicht am Hals verletzt. Der Angeklagte ließ von ihr ab, weil er glaubte, er habe sie genügend eingeschüchtert,
um sein Ziel zu erreichen (Fall II.2. der Urteilsgründe).
Am 28. Dezember 2011 wurde der Angeklagte morgens von der Neben-klägerin aus [X.] verwiesen. Er fühlte sich als bisheriges Oberhaupt aus der Familie ausgeschlossen und beschloss, die Nebenklägerin dafür zu bestrafen und sie zu töten. Er verließ die Wohnung, holte aus [X.] ein Beil, versteckte sich hinter einem Mauervorsprung vor dem Haus und wartete, bis die Nebenklägerin das Haus verließ. Dann folgte er ihr und holte zu einem Schlag mit dem Beil auf ihren Kopf aus. Die Nebenklägerin nahm ihn im letzten Augenblick wahr und drehte sich um,
so dass der Schlag sie seitlich am Kopf 2
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traf. In rascher Folge schlug der Angeklagte dann weiter auf sie ein, so dass sie zu Boden ging. Der Angeklagte ließ erst von ihr ab, als er glaubte, sie sei tot. Tatsächlich hatte sie keine konkret lebensgefährlichen Verletzungen erlitten, wohl aber eine Skalpierungsverletzung am Kopf, eine Durchtrennung der rech-ten Achillessehne, den Verlust des linken Zeigefingers und weitere Hieb-
und Schnittverletzungen am ganzen Körper (Fall II.3. der Urteilsgründe).
Das sachverständig beratene [X.] ist davon ausgegangen, der Angeklagte sei bei der Begehung der Taten jeweils in seiner Fähigkeit, das Un-recht einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, nicht erheblich beein-trächtigt gewesen.
II.
Die Revision des Angeklagten gegen den Schuld-
und Strafausspruch ist unbegründet.
1. Der Schuldspruch begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Be-denken. Das gilt auch für die Annahme des
[X.]s, der Angeklagte habe seine Tochter im Fall II.2.
der Urteilsgründe bedingt vorsätzlich mit dem Messer verletzt (§§
223 Abs.
1, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Zwar hat er ihr nur eine leichte Hautverletzung beigebracht, jedoch übersteigt diese Verletzung nach den [X.] die Bagatellgrenze zur Erfüllung des [X.]. Da er der Tochter "ohne Vorwarnung" ein Messer mit gezackter Klinge an den Hals hielt, ist auch die dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmende Feststellung bedingten Verletzungsvorsatzes nicht rechtsfeh-lerhaft.
2. [X.] ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

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Das gilt insbesondere für die Annahme des [X.]s, §
21 StGB greife unbeschadet des isolierten [X.] (vgl. [X.]/[X.] NStZ 1997, 297, 298) als schwerer seelischer Abartigkeit nicht ein. Wahnhafte Störungen können sich zwar bei akuten psychotischen Phasen erheblich auf die Schuldfähigkeit auswirken (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/Leygraf/[X.], [X.] der Forensischen Psychiatrie, Bd.
2, 2010, S.
330; [X.]/[X.], [X.], 4.
Aufl., S.
181). Dies war aber nach den [X.] zur jeweiligen Tatzeit nicht der Fall. Wenn Tatmotiv und Tathandlung nicht in einer direkten Beziehung zum Wahnthema standen, ist alleine aus der Diag-nose einer wahnhaften Störung regelmäßig noch keine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit herzuleiten (vgl. [X.]-Isberner/[X.] in [X.]/[X.], Psychiatrische Begutachtung, 5.
Aufl., S.
180 f.).
Weder die Vergewaltigung der Nebenklägerin noch die gefährliche Kör-perverletzung und versuchte Nötigung der Tochter wurden unmittelbar aus ei-nem Eifersuchtsmotiv heraus begangen. Von den beschriebenen Wahnvorstel-lungen über angebliche eheliche Verfehlungen der Nebenklägerin abgesehen, kam es bei dem Angeklagten nicht zu einem Realitätsverlust. Hinweise auf psy-chotische Situationsverkennungen sind in den Urteilsfeststellungen zum Tatge-schehen nicht vorhanden.
Das gilt insbesondere auch für den Fall des Versuchs der heimtücki-schen Tötung der Nebenklägerin. Bei der Begehung dieser Tat fühlte sich der Angeklagte aus der Familie ausgestoßen und respektlos behandelt. Er ging planmäßig vor, indem er das Beil aus [X.] holte, sich hinter einem Mau-ervorsprung versteckte und die Nebenklägerin von hinten angriff, nachdem sie vorbeigegangen war.
3.
Die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch ist zurückzustellen.
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Der [X.] hat mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014 -
2 StR 137/14 und 2
StR 337/14 -
bei den
anderen Strafsenaten des [X.] und bei dem [X.] für Zivilsachen
gemäß § 132 [X.] angefragt, ob an Recht-sprechung festgehalten wird, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse von Schädiger und Geschä-digtem fordert. Der [X.] möchte diese Rechtsprechung aufgeben.
Es ist nicht auszuschließen, dass diese Frage auch im vorliegenden Fall Bedeutung besitzt. Daher kann der [X.] mit Blick auf das Anfrageverfahren derzeit nicht über den Adhäsionsausspruch entscheiden.
Weil insoweit eine Entscheidung nicht in absehbarer Zeit erfolgen kann, ist über den bereits [X.] strafrechtlichen Teil des Revisionsverfahrens vorab zu befin-den. Eine solche Teilerledigung des Rechtsmittels ist, wie
der [X.] im [X.] erläutert hat, ausnahmsweise zulässig.
Fischer [X.] [X.]

Eschelbach

[X.]

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Meta

2 StR 495/13

25.02.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.02.2015, Az. 2 StR 495/13 (REWIS RS 2015, 14953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 14953

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2 StR 495/13

2 StR 337/14

2 StR 137/14

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