Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.09.2013, Az. B 8 SF 1/13 R

8. Senat | REWIS RS 2013, 2480

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Verwaltungsrechtsweg - Vollstreckung einer Forderung des Sozialhilfeträgers - Anwendbarkeit des VwVG NW 2003 - keine Betroffenheit materiellen Sozialhilferechts


Leitsatz

Zum Rechtsweg für Klagen bei Vollstreckungsmaßnahmen wegen sozialhilferechtlicher Forderungen eines kommunalen Sozialhilfeträgers.

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des [X.] vom 7. August 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist im Rahmen eines Zwischenverfahrens die Zulässigkeit des von der Klägerin beschrittenen Rechtswegs zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.

2

Die Klägerin bezog ab Juni 2008 von der [X.] in deren Eigenschaft als örtlicher Sozialhilfeträger Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem [X.] - ([X.]). Nachdem die Polizei Geld im Wert von über 40 000 Euro gefunden hatte, nahm der Beklagte die Bewilligung von Sozialhilfe für die Zeit von Juni 2008 bis Januar 2012 zurück, forderte die Erstattung von 16 247,66 Euro zu Unrecht geleisteter Sozialhilfe und ordnete den Sofortvollzug der Verfügungen an (Bescheid vom 25.1.2012), weil die Klägerin erklärt habe, ein Teilbetrag von 20 000 Euro gehöre ihr. Das Bargeld befindet sich in Verwahrung der Polizeidirektion [X.] Zur Sicherung ihres Anspruchs erließ die Beklagte wegen des Erstattungsanspruchs und Vollstreckungskosten in Höhe von 182,10 Euro eine Arrest- sowie eine Pfändungsverfügung bezüglich des Anspruchs der Klägerin auf Herausgabe des verwahrten Geldes gegen die Polizeidirektion [X.] (Bescheide vom 6.2.2012; Widerspruchsbescheid vom 8.5.2012).

3

Im dagegen geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht ([X.]) verwies dieses den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht (VG) [X.]ünster (Beschluss vom [X.]); das [X.] ([X.]) hat die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen (Beschluss vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Klägerin wende sich nicht gegen die Forderung, die der Vollstreckung zugrunde liege, sondern gegen die Art und Weise der Vollstreckung. Welcher Rechtsweg bei der Vollstreckung eröffnet sei, bestimme sich maßgeblich nach der handelnden Behörde und der [X.]aßnahme, die ergriffen werde. Hier habe der Sozialhilfeträger durch kommunale Bedienstete aufgrund der landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren gehandelt, sodass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.

4

[X.]it der vom [X.] zugelassenen (weiteren) Beschwerde macht die Klägerin geltend, sie wende sich nicht nur gegen die Art der Vollstreckung, sondern auch gegen die der Vollstreckung zugrunde liegende Verfügung, die im Sozialhilferecht begründet sei, sodass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet sei.

5

II. Die (weitere) Beschwerde (§ 202 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G> iVm § 17a Abs 4 Satz 4 Gerichtsverfassungsgesetz <[X.]>) ist unbegründet. Nach § 202 [X.]G iVm § 17a Abs 2 Satz 1 [X.] spricht das Gericht, wenn der zu ihm beschrittene Rechtsweg unzulässig ist, dies aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs. Zu Recht hat das [X.] die Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] zurückgewiesen, denn für die Klage gegen die Pfändungsverfügung ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet; das sachlich und örtlich zuständige Gericht (§§ 45, 52 VwGO) ist das VG [X.]ünster.

6

Nach § 40 Abs 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch [X.] einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Um eine von der Norm erfasste Streitigkeit handelt es sich. Rechtsgrundlage für die hier im Streit stehende Pfändung des Anspruchs der Klägerin als Vollstreckungsmaßnahme bilden § 66 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - ([X.]B X) iVm den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VwVG) für das [X.] ([X.]) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes und des [X.] vom 18.12.2002 (Gesetz- und Verordnungsblatt [X.] 2003, 24).

7

Gemäß § 66 Abs 3 Satz 1 [X.]B X gelten für die Vollstreckung zugunsten einer Behörde, die nicht Behörde des [X.] oder eine bundesunmittelbare Körperschaft, Anstalt und [X.] ist (Abs 1 Satz 1), soweit es sich nicht um Vollstreckung durch Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung handelt (Abs 2), die landesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsvollstreckungsverfahren. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 VwVG [X.] werden Geldforderungen - wie hier - der Gemeinden - dazu zählen auch Städte -, die öffentlich-rechtlicher Natur sind, nach den Bestimmungen dieses Gesetzes im [X.] vollstreckt. Vollstreckungsbehörden sind nach § 2 Abs 1 Satz 2 VwVG [X.] bei den Gemeinden die (von diesen; vgl: § 2 der Verwaltungsvorschriften zum VwVG, GV [X.] 2003, 155) jeweils für das [X.]ahn- und Vollstreckungsverfahren bestimmte zentrale Stelle ([X.]). Die Klage gegen die Vollstreckungsmaßnahme der [X.] ist eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weil ein Träger öffentlicher Gewalt aufgrund eines damit ihm eingeräumten oder auferlegten [X.] gehandelt hat (vgl: Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.], [X.], 284, 287 = [X.] 1500 § 51 [X.]; B[X.]E 65, 133, 135 f = [X.] 2100 § 76 [X.]; [X.]/[X.], VwGO, 18. Aufl 2012, § 40 Rd[X.]1). Die Streitigkeit ist auch nichtverfassungsrechtlicher Art, weil sie nicht aufgrund verfassungs- oder einfachgesetzlicher Rechtsvorschriften in die Kompetenz der Verfassungsgerichte fällt ([X.]/[X.], aaO, Rd[X.]2a).

8

Der deshalb grundsätzlich vorgesehene allgemeine Verwaltungsrechtsweg ist nicht durch Zuweisung an einen anderen Rechtszweig ausgeschlossen; denn das [X.] hat (zu Recht) eine Zuweisung durch § 51 Abs 1 [X.]a [X.]G oder landesrechtliche Regelungen an die besonderen Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit abgelehnt; es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob der Senat zur eigenständigen Prüfung von Landesrecht befugt wäre (s dazu [X.], 240 ff).

9

Nach § 51 Abs 1 [X.]a [X.]G entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe. Ausschlaggebend ist, ob die von der [X.] getroffene Entscheidung ihre rechtliche Grundlage in Vorschriften des [X.] findet oder in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Verwaltungstätigkeit nach dem [X.] steht (vgl: [X.] in [X.]eyer-Ladewig/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 51 Rd[X.]3b und 29; zur [X.] kraft [X.] außerhalb des Vollstreckungsrechts B[X.] [X.] 4-1500 § 51 [X.] Rd[X.]5; im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz B[X.] [X.] 4-1720 § 17a [X.] Rd[X.]0; für den Bereich der Pflegeversicherung B[X.] [X.] 3-1500 § 51 [X.]5 S 62, 64, und [X.] 4-1500 § 51 [X.] RdNr 8). Dies ist hier nicht der Fall, weil weder § 66 Abs 3 Satz 1 [X.]B X noch die Vorschriften des VwVG [X.] einen sozialhilferechtlichen Bezug haben oder damit in rechtlichem Zusammenhang stehen; sie bestimmen vielmehr allein die [X.]odalitäten der Vollstreckung von Forderungen (vgl auch: [X.], 139, 140). Die dahinter stehende Regelungsmaterie des zu vollstreckenden Verwaltungsakts ist hierfür unerheblich.

Dies beweist die Systematik des § 66 [X.]B X (B[X.]E 64, 289, 291 f = [X.] 1300 § 44 [X.] f). Dessen Abs 1 Satz 1 verweist für die Vollstreckung durch Behörden des [X.] auf die Vorschriften des VwVG; nach § 5 Abs 1 VwVG richtet sich die Vollstreckung nach den Vorschriften der Abgabenordnung, deren gerichtliche Überprüfung in die Zuständigkeit der Finanzgerichte fällt (§ 33 Abs 1 [X.] Finanzgerichtsordnung). Nur in den Fällen des § 66 Abs 1 Satz 2 [X.]B X (Anordnung der Ersatzzwangshaft in Angelegenheiten der Sozialhilfe) wird die Angelegenheit ausdrücklich den Sozialgerichten zugewiesen. Abs 4 stellt sogar der Behörde frei, ob sie den Zivilrechtsweg zur Durchsetzung ihrer Forderung beschreitet.

Dem stehen nicht die Entscheidungen des 12. und 3. Senats des [X.]sozialgerichts (B[X.]E 64, 289, 291 f = [X.] 1300 § 44 [X.] f; B[X.]E 3, 204 ff) entgegen. Die Entscheidung des [X.] ist zu § 66 Abs 3 Satz 2 iVm Abs 1 Satz 3 [X.]B X ergangen und deshalb vorliegend schon nicht einschlägig; sie rekurriert zudem auf die vor Inkrafttreten des [X.]B X ergangene Entscheidung des 3. Senats. Unerheblich für die Frage des Rechtswegs ist, welche Einwände die Klägerin gegen den Bescheid vom 6.2.2012 erhebt und ob diese durchgreifen (B[X.] [X.] 4-1500 § 51 [X.] Rd[X.]7); denn dies berührt allenfalls die Frage der Erfolgsaussicht ihrer Klage.

Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit für das Verfahren der Beschwerde und weiteren Beschwerde trotz § 17b Abs 2 [X.] nur: B[X.] [X.] 4-1720 § 17a [X.] Rd[X.]3 mwN; [X.] 4-1300 § 116 [X.] Rd[X.]6 mwN; [X.] 4-1780 § 40 [X.] Rd[X.]2 mwN) beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G. § 197a [X.]G ist nicht einschlägig, weil es sich bei der Klägerin um eine Leistungsempfängerin iS des § 183 Satz 1 [X.]G handelt; sie macht - wenn auch zu Unrecht - geltend, dieser Umstand bedinge den Rechtsweg (vgl zu diesem Gesichtspunkt allgemein für die Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]G: B[X.]E 106, 264 ff Rd[X.]8 mwN, insoweit nicht abgedruckt = [X.] 4-3500 § 19 [X.]).

Meta

B 8 SF 1/13 R

25.09.2013

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Münster, 2. Januar 2013, Az: S 12 SO 174/12, Beschluss

§ 17a Abs 2 S 1 GVG, § 40 Abs 1 S 1 VwGO, § 51 Abs 1 Nr 6a SGG, § 66 Abs 3 S 1 SGB 10, § 66 Abs 1 S 1 SGB 10, § 66 Abs 1 S 2 SGB 10, § 66 Abs 4 SGB 10, § 5 Abs 1 VwVG, § 1 Abs 1 S 1 VwVG NW 2003, § 2 Abs 1 S 2 Nr 2 VwVG NW 2003

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.09.2013, Az. B 8 SF 1/13 R (REWIS RS 2013, 2480)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2480

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