Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2014, Az. 9 AZR 449/12

9. Senat | REWIS RS 2014, 3875

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Gegenstand

Zulässigkeit der Revision - unzureichende Revisionsbegründung


Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. März 2012 - 5 [X.]/12 - wird als unzulässig verworfen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung.

2

Die Klägerin war vom 1. Februar 2002 bis zum 31. März 2011 bei der [X.] als Arzthelferin gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt 1.680,00 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch eine Eigenkündigung der Klägerin. Ihr Urlaubsanspruch betrug 26 Werktage pro Kalenderjahr.

3

Im Hinblick auf die bei der Klägerin bestehende Schwangerschaft und die beabsichtigte Elternzeit machte die Beklagte mit Schreiben vom 8. November 2009 gegenüber der Klägerin von ihrem Recht zur Kürzung des Erholungsurlaubs nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] Gebrauch. Nach der Geburt ihrer Tochter am 4. Dezember 2009 befand sich die Klägerin ab dem 30. Januar 2010 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Elternzeit.

4

Die Klägerin hat mit ihrer am 19. April 2011 bei Gericht eingegangenen Klage von der [X.] ua. die Abgeltung von 22 Urlaubstagen aus dem [X.] und sechs Urlaubstagen aus dem [X.] verlangt. Sie ist der Ansicht, die Kürzungsbefugnis nach § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoße gegen Unionsrecht und sei unwirksam.

5

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 2.171,07 Euro brutto zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält die [X.] in § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] für unionsrechtskonform.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin weiterhin die Abgeltung des während der Elternzeit entstandenen Erholungsurlaubs.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Klägerin ist unzulässig. Sie ist nicht ordnungsgemäß begründet.

9

I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge muss die Revisionsbegründung den Rechtsfehler des [X.]s so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Deshalb muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (st. Rspr., zB [X.] 15. Januar 2013 - 9 [X.] - Rn. 9 mwN). Dadurch soll sichergestellt werden, dass der Prozessbevollmächtigte des Revisionsklägers das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel überprüft und mit Blickrichtung auf die Rechtslage genau durchdacht hat. Außerdem soll die Revisionsbegründung durch ihre Kritik des angefochtenen Urteils zur richtigen Rechtsfindung durch das Revisionsgericht beitragen. Die bloße Darstellung anderer Rechtsansichten ohne jede Auseinandersetzung mit den Gründen des Berufungsurteils genügt den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung vor diesem Hintergrund nicht ([X.] 18. Mai 2011 - 10 [X.] - Rn. 10 mwN).

Hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf zwei voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Revisionsbegründung beide Erwägungen angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig ([X.] 17. Oktober 2007 - 4 [X.] - Rn. 10 mwN; BGH 20. Mai 2011 - V ZR 250/10 - Rn. 6).

II. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung der Klägerin nicht gerecht.

1. Das [X.] hat seine Entscheidung auf zwei unterschiedliche Gesichtspunkte gestützt. Unter B 1 der Entscheidungsgründe hat es zunächst offengelassen, ob die Bestimmung des § 17 Abs. 1 [X.] gegen eine Richtlinie der [X.], insbesondere gegen Art. 7 der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie), verstößt. Die Kürzungsvorschrift sei nämlich weiterhin anzuwenden, selbst wenn sie gegen eine Richtlinie verstieße. Eine unionsrechtskonforme Auslegung widerspreche dem eindeutigen Wortlaut und dem erkennbaren Zweck ihres [X.]. Die Klägerin stellt dem in ihrer Revisionsbegründung vom 15. Juni 2012 nur die Aussage entgegen: „Das [X.] ist der richtlinienkonformen Auslegung zugänglich.“ Unabhängig davon, dass [X.] nicht die unionsrechtskonforme Auslegung des gesamten [X.], sondern nur die Auslegung der konkreten Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist, negiert die Klägerin lediglich die Aussage des [X.]s ohne darzulegen, inwiefern der Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] („Der Arbeitgeber kann … kürzen“) und der [X.] des Gesetzgebers entgegen der Ansicht des [X.]s eine unionsrechtskonforme Auslegung zulassen sollen. Die Klägerin zitiert stattdessen nur - unvollständig - Ausführungen des [X.]s Düsseldorf in seinem Urteil vom 2. Februar 2009 (- 12 [X.]/06 - zu [X.] 1 a der Gründe) zur Auslegung von nationalen Gesetzen. Eine fallbezogene Subsumtion unter die abstrakten Rechtssätze fehlt ebenso wie die Wiedergabe der vom [X.] Düsseldorf gemachten Einschränkung: „Allerdings darf zum einen die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung der entsprechenden Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen, und sie wird zum anderen begrenzt durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere durch den Grundsatz der Rechtssicherheit und das Rückwirkungsverbot.“ Vorliegend hat das [X.] gerade angenommen, dass eine unionsrechtskonforme Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur contra legem möglich sei. In der Revisionsbegründung findet sich nicht ein Argument, mit dem die Klägerin versucht, diese Annahme zu widerlegen.

2. Mit der zweiten selbstständig tragenden Begründung des [X.]s setzt sich die Klägerin ebenfalls nicht ausreichend auseinander. Dieses hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des [X.]s Niedersachsen vom 16. November 2010 (- 3 Sa 1288/10 -) angenommen, die Kürzungsbestimmung des § 17 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoße nicht gegen Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie, sondern gehöre zu den Bedingungen für die Inanspruchnahme und Gewährung des bezahlten [X.], deren Ausgestaltung Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie nicht selbst regele, sondern den Mitgliedstaaten überlasse. Auf dieses Argument geht die Revisionsbegründung nicht ein und zeigt damit nicht auf, warum die Rechtsauffassung des [X.]s unrichtig sein soll.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Brühler    

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

        

        

  Heilmann    

        

    Matth. [X.]    

                 

Meta

9 AZR 449/12

22.07.2014

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hameln, 21. Dezember 2011, Az: 3 Ca 203/11, Urteil

§ 551 Abs 3 S 1 Nr 2 ZPO, § 72 Abs 5 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.07.2014, Az. 9 AZR 449/12 (REWIS RS 2014, 3875)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3875

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