Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2016, Az. IX ZR 216/14

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13418

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070416UIXZR216.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX [X.]

Verkündet am:

7. April 2016

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 110; [X.] § 50 Abs. 1, § 89 Abs. 1
[X.] ein Geschädigter den haftpflichtversicherten Schädiger und gibt der [X.] nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schädigers die Versicherungsforderung im Umfang des entstandenen Absonde-rungsrechts frei,
kann der Geschädigte sein Pfandrecht an der [X.] mit einem Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Schädiger persönlich verfolgen.
[X.], Urteil vom 7. April 2016 -
IX [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2016
durch [X.] [X.],
[X.] Dr. Gehrlein, [X.], [X.] und Dr. Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 23. Zivilsenats des [X.] vom 19. August 2014 aufge-hoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger war zusammen mit seinen Eltern Gesellschafter der

H.

GmbH. Das Betriebsgrundstück stand im Eigentum des [X.], der es im Rahmen eines Einzelunternehmens an die [X.] hatte. Die Beklagte zu 1 ist eine Steuerberatungsgesellschaft. Sie beriet den Kläger und seine Eltern im Jahr 2001 bei der Übertragung von [X.] auf den Kläger. Durch notariell
beurkundeten Vertrag vom 18.
Dezember 2001 übertrug der Vater dem Kläger das Betriebsgrundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Vorbehalt des unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauchs. Wegen dieses Vorgangs setzte das Finanzamt 1
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im Jahr 2006 Schenkungssteuer in Höhe von 131.474

e-günstigung nach §
13a [X.] lehnte es ab, weil es sich bei dem übertragenen Vermögen nicht um Betriebsvermögen gehandelt habe. Der Kläger legt dies der Beklagten zu 1 zur Last und hat sie auf Ersatz eines Steuerschadens in Höhe von 114.196,49

Während des erstinstanzlichen Verfahrens wurde
über das Vermögen der Beklagten zu 1 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger meldete die
eingeklagte Forderung für den Ausfall bei der abgesonderten Befriedigung aus dem Deckungsanspruch der Beklagten zu 1 gegen ihren Haftpflichtversicherer zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte zu 2 bestritt die angemeldete Forderung und gab einen etwaigen Deckungsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer frei. Der Kläger hat [X.] das wegen der Insolvenzeröffnung unterbrochene Verfahren gegen die Beklagte zu 1 mit dem Antrag aufgenommen, sie zur Zahlung von 114.711,17

Schadensersatz nebst Zinsen zu verurteilen, beschränkt auf die Leistung aus der Versicherungsforderung gegen die Haftpflichtversicherung. Er hat außer-dem die Klage auf
den Beklagten zu 2 erweitert mit dem Antrag, festzustellen, dass ihm im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten zu 1 die ge-nannte Schadensersatzforderung zustehe, soweit er bei der Geltendmachung seiner Rechte auf abgesonderte Befriedigung ausfalle.

Das [X.] hat der Klage in Höhe von 108.418,74

stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewie-sen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Kläger im [X.] zum Beklagten zu 2 die Wiederherstellung des Urteils des [X.]s und gegenüber der Beklagten zu 1 deren
Verurteilung, die Zwangsvollstreckung 2
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-
in den versicherungsrechtlichen Deckungsanspruch wegen des Betrags
von 108.418,74

nebst Zinsen
zu dulden.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

1. Die Klage gegen die Beklagte zu 1 sei nicht zulässig. Die Beklagte zu 1 sei hinsichtlich der geltend gemachten Forderung nicht [X.]. Der verfolgte Zahlungsanspruch betreffe das vom [X.] be-troffene Vermögen der Beklagten zu 1 und -
trotz der
Beschränkung der Forde-rung auf die Versicherungsleistung
-
nicht den vom Insolvenzverwalter freige-gebenen Deckungsanspruch.
Selbst wenn von einer Prozessführungsbefugnis der Beklagten zu 1 auszugehen wäre, stünde dem Kläger gegen diese kein Zahlungsanspruch zu. Aus dem Pfandrecht des [X.] an dem freigegebenen Deckungsanspruch lasse sich ein solcher nicht ableiten.

2. Die Klage gegen den Beklagten zu 2 sei nicht begründet. Der Kläger habe einen Schadensersatzanspruch nicht schlüssig dargelegt. Zwar habe die Beklagte zu 1 ihre Beratungspflichten verletzt. Sie habe ungefragt darauf hin-weisen müssen, dass anstelle der Übertragung des Betriebsgrundstücks unter 4
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Nießbrauchsvorbehalt auch eine Übertragung gegen Zahlung einer dauernden Last -
etwa einer lebenslangen Rente
-
möglich gewesen wäre. Es sei jedoch nicht schlüssig, dass diese Pflichtverletzung für den geltend gemachten Scha-den kausal gewesen sei. Dass der übertragene Grundbesitz vom Finanzamt nicht als Betriebsvermögen im Sinne von §
13a [X.] aF behandelt worden sei, beruhe nicht auf dem Nießbrauchsvorbehalt, sondern darauf, dass das ur-sprünglich dem Einzelunternehmen des [X.] zugeordnete Grundstück zum Übertragungszeitpunkt als dem Betriebsvermögen entnommen gegolten habe. Zu der steuerschädlichen Entnahme wäre es nicht gekommen, wenn der Vater sein Einzelunternehmen übertragen hätte. Diese Variante einer Übertragung des Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt habe die Beklagte zu 1 im Rahmen einer am 1.
Juni 2001 vorgelegten schriftlichen Expertise mit einer Übertragung des Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt verglichen und [X.] die Unternehmensübertragung
als steuerlich günstiger dargestellt. Die ein-getretene höhere Steuerbelastung beruhe darauf, dass der Kläger und sein Va-ter sich gleichwohl für die Übertragung allein des Grundbesitzes
anstelle des Einzelunternehmens insgesamt
entschieden hätten.
Dass bei einer Übertra-gung des Einzelunternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt ebenfalls Schen-kungssteuer in der festgesetzten Höhe angefallen wäre, habe der Kläger nicht dargelegt. Letztendlich könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Klä-ger und sein Vater einem Hinweis auf die Möglichkeit einer Übertragung gegen Zahlung einer dauernden Last gefolgt wären, da sie sich bewusst gegen eine Variante der Übertragung entschieden hätten, bei der die Steuerbelastung ähn-lich niedrig gewesen wäre wie in diesem Fall.

-
6
-
II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Die Beurteilung, der gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klageantrag sei unzulässig, beruht auf [X.].

a) Es spricht bereits viel dafür, den
Antrag des [X.], die Beklagte zu 1 zur Zahlung von Schadensersatz,
beschränkt auf die Leistung aus der [X.] gegen die Haftpflichtversicherung, zu verurteilen, im Sinne eines Zugriffs auf den Deckungsanspruch der Beklagten zu 1 gegen ihren [X.] zu verstehen. Insoweit ist die Beklagte zu 1 nach der [X.] des Beklagten zu 2 prozessführungsbefugt.

aa) Klageanträge sind [X.]. Ihre Auslegung kann vom Revisionsgericht -
anders als diejenige von sonstigen Willenserklärungen
-
un-beschränkt überprüft werden ([X.], Urteil vom 30.
Januar 1979 -
VI
ZR 45/78, [X.], 373; vom 7.
Mai 1998 -
I
ZR 85/96, [X.], 3350, 3352; vom 1.
August 2013 -
VII
ZR 268/11, NJW 2014, 155 Rn. 30; jeweils mwN). Die [X.] darf auch im Prozessrecht nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der [X.] zu erforschen. Bei der [X.] von [X.] ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht ([X.], Beschluss vom 29.
März 2011 -
VIII
ZB 25/10, NJW 2011, 1455 Rn. 9; Urteil vom 1.
August 2013, aaO).
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bb) Im Recht der Haftpflichtversicherung ist zwischen dem (Haft-
pflicht-)Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger und dem im De-ckungsverhältnis bestehenden (Versicherungs-)Anspruch des
Schädigers ge-gen den Versicherer zu unterscheiden. Ein Direktanspruch des Geschädigten gegen den Versicherer besteht grundsätzlich nicht.
Die Fälligkeit des Versiche-rungsanspruchs setzt die Feststellung des [X.] voraus (§
106 [X.]).
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schädigers
kann der Ge-schädigte seinen Haftpflichtanspruch nur durch Anmeldung zur Tabelle verfol-gen (§§
87, 174 ff [X.]). Weil aber die Versicherungsleistung ihm und nicht den übrigen Gläubigern des Versicherungsnehmers zugutekommen soll,
räumt §
110 [X.] (früher §
157 [X.]) ihm das Recht
zur abgesonderten Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch des Schädigers gegen den Versicherer ein. [X.] handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um ein gesetzli-ches Pfandrecht ([X.], Beschluss vom 25.
September 2014 -
IX
ZB 117/12, [X.], 2057 Rn.
7 mwN). Zur Durchsetzung seines Absonderungsrechts kann der Geschädigte gegen den Verwalter auf Zahlung klagen, beschränkt auf die Leistung aus dem Versicherungsanspruch, ohne dass es des [X.] über das insolvenzrechtliche Anmeldungs-
und Prüfungsverfahren bedarf ([X.], Ur-teil vom 18.
Juli 2013 -
IX
ZR 311/12,
WM 2013, 1654 Rn. 10, 13 mwN). Gibt der Verwalter, wie im Streitfall geschehen, die Versicherungsforderung
im [X.] des Absonderungsrechts
frei, besteht das gesetzliche Pfandrecht des [X.] an dieser Forderung
fort
([X.], Beschluss vom 25.
September 2014, aaO Rn. 11 mwN). Die Verwertung des
Pfandrechts
erfolgt nach den für dieses Recht geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Passiv legitimiert ist nun
wegen der Freigabe
nicht mehr der Insolvenzverwalter ([X.], Urteil vom 2.
April 2009 -
IX
ZR 23/08, [X.], 960 Rn. 4). Der Geschädigte kann
das Pfand-recht
gegen den Schuldner mit einer Klage auf Duldung der Zwangsvollstre-12
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8
-
ckung oder auf Gestattung der Befriedigung aus dem Pfandrecht geltend ma-chen (§
1282 Abs. 2, §
1277 [X.]; [X.], Beschluss vom 25.
September 2014, aaO Rn. 10 aE mwN).
In diesem Verfahren wird -
wie bei der Geltendmachung des Absonderungsrechts gegenüber
dem Insolvenzverwalter (vgl. [X.], Urteil vom 2.
April 2009, aaO Rn. 6)
-
das Bestehen des [X.] mit Feststellungswirkung gegenüber dem Versicherer
geklärt
(vgl. [X.], [X.], 665, 669).

cc) Unter diesen Umständen entsprach es dem Interesse des [X.], nach der Freigabe des [X.] durch den Beklagten zu 2 gegen die Beklagte zu 1 sein
Pfandrecht an diesem Anspruch geltend zu machen. Auf die Durchsetzung dieses Rechts war auch erkennbar sein Wille gerichtet. So
hat er bei der Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits ausgeführt, er [X.], um eine Feststellung des Versicherungsfalles mit bindender Wirkung ge-genüber der Versicherung zu erreichen und um sein Recht auf abgesonderte Befriedigung aus seinem gesetzlichen Pfandrecht durchzusetzen, den [X.] nach Freigabe im Verhältnis zur Schuldnerin wieder aufnehmen und diese auf Zahlung verklagen.

b) Ein hiervon abweichendes, zur Unzulässigkeit der Klage führendes
Verständnis des gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Klageantrags durfte das Berufungsgericht seiner Entscheidung jedenfalls nicht zugrunde legen, ohne den Kläger zuvor hierauf hinzuweisen. Nach §
139 Abs.
1 Satz 2 ZPO hat das Gericht darauf hinzuwirken, dass die [X.]en die sachdienlichen Anträge stel-len. Diese
verfahrensrechtliche Pflicht hat das Berufungsgericht, wie die [X.] mit Recht rügt, verletzt. Zwar kann eine Hinweispflicht des Gerichts entfallen, wenn sie eine Frage
betrifft, die
bereits ein zentraler Punkt in der Auseinander-setzung der [X.]en ist,
und wenn das Gericht annehmen darf, es bestehe kein 13
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-
weiterer Aufklärungsbedarf (vgl. [X.], Urteil vom 19.
August 2010 -
VII
ZR 113/09, NJW 2010, 3089 Rn. 18 mwN). So verhält es sich
hier aber nicht. Die [X.]en haben
über die Frage
gestritten, ob der Rechtsstreit nach der Freigabe der Versicherungsforderung mit einem [X.] gegen die Beklagte zu 1 fortgesetzt werden kann. Die richtige Fassung eines Antrags, der geeignet war, zu dem vom Kläger erkennbar verfolgten Ziel zu führen, kam jedoch in den
Schriftsätzen der [X.]en nicht zur Sprache.

Das Versäumnis des Berufungsgerichts war auch ursächlich für den missverständlichen Antrag des [X.]. Er hätte, vom Gericht entsprechend aufgeklärt, ausdrücklich den Antrag gestellt, die Beklagte zu 1 wegen des gel-tend gemachten Betrags zur Duldung der Zwangsvollstreckung in den versiche-rungsrechtlichen Deckungsanspruch zu verurteilen.

c) Ein solcher Antrag ist entgegen der von den Beklagten in der [X.]sverhandlung geäußerten Ansicht nicht mangels eines [X.] unzulässig. [X.] -
wie hier
-
ein Geschädigter zunächst den haft-pflichtversicherten Schädiger und gibt der Insolvenzverwalter nach der Eröff-nung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schädigers die [X.] im Umfang des entstandenen Absonderungsrechts frei, kann dem Geschädigten nicht das Recht abgesprochen werden, sein Pfand-recht an der Versicherungsforderung mit einem Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu verfolgen. Die Möglichkeit, die nach §
106 [X.] erforderliche Feststellung des [X.] durch eine Klage gegen den Insolvenzverwalter auf Feststellung dieser Forderung für den Ausfall zur Insolvenztabelle zu erreichen und sodann die [X.] nach §
1282 Abs.
1 [X.] direkt beim Versicherer einzuziehen, stellt keine einfachere, gleichwertige und deshalb vorrangige (vgl. [X.], Urteil vom 15
16
-
10
-
17.
November 2005 -
IX
ZR 179/04, [X.]Z 165, 96, 99 f; Beschluss vom 9.
Juli 2009 -
IX
ZR 29/09, [X.], 1620 Rn.
5 mwN) [X.] dar. Nach §
1282 Abs.
2 Halbs.
2 [X.] lässt das Recht zum unmittelbaren Forde-rungseinzug das Recht des Pfandrechtsgläubigers, Befriedigung aus der Forde-rung nach §
1277 [X.] durch eine Klage gegen den Inhaber der Forderung zu suchen, unberührt. Ein Vorgehen nach §
1277 [X.] bietet dem Kläger zusätzli-chen Rechtsschutz, etwa die Feststellung des Pfandrechts, das ihm das Recht zur Befriedigung aus der Versicherungsforderung zuweist.

2. Auch die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 ist von [X.] beeinflusst.

a) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht [X.] dargelegt, dass der unterlassene Hinweis der Beklagten zu 1 auf
die Mög-lichkeit, das
Betriebsgrundstück gegen Zahlung einer dauernden Last -
etwa einer lebenslangen Rente
-
statt
unter Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen,
für die Festsetzung von Schenkungssteuer in der geltend gemachten Höhe kausal gewesen sei, trifft nicht zu. Der Kläger hat vorgetragen, er und sein Vater hätten sich bei entsprechender Beratung sehr wohl auf die Zahlung einer lebenslangen Rente statt des vereinbarten [X.] eingelassen. Damit ist ent-gegen der Ansicht des Berufungsgerichts schlüssig dargelegt, dass der Kläger und sein Vater sich für diejenige vertragliche Gestaltung entschieden hätten, die nach ihrer Behauptung zu der niedrigeren Schenkungssteuer geführt hätte.

b) Sofern die Ausführungen des Berufungsgerichts dahin zu verstehen sein sollten, dass es die erforderliche Überzeugung von
dem behaupteten [X.] nicht gewinnen konnte, bleibt
erhebliches Vorbringen des [X.] außer Betracht.
17
18
19
-
11
-

aa) Allerdings ist der Kläger für den in Rede stehenden [X.] uneingeschränkt beweispflichtig. Ein Anscheinsbeweis
dafür, dass sich der
Kläger
und sein
Vater
bei entsprechender Aufklärung gegen die Vereinbarung eines [X.] und für eine Versorgungszahlung als dauernde Last entschieden hätten
(vgl. [X.], Urteil vom 30.
September 1993 -
IX
ZR 73/93, [X.]Z 123,
311, 314 ff; vom 14.
Juni 2012 -
IX
ZR 145/11, [X.]Z 193, 297 Rn.
39 mwN), besteht nicht.
Denn wegen der erheblichen
rechtlichen
Unterschiede, insbesondere im Blick auf die vom Vater erstrebte sichere Altersversorgung, war
eine Entscheidung für eine Versorgungszahlung nicht allein sinnvoll und naheliegend.

bb) Das Finanzamt versagte die Steuervergünstigung des §
13a [X.] aF mit der Begründung, es habe sich bei dem übertragenen Gegenstand nicht um Betriebsvermögen gehandelt (vgl. §
13a Abs.
1 Satz 1, Abs.
4 [X.] aF). Das Grundstück sei mit der Übertragung unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs aus dem Betriebsvermögen der Einzelfirma des [X.] des [X.] entnommen worden (vgl. S. 5 des Berichts zur Betriebsprüfung

H.

vom 17.
März 2008, Anlage zum Schriftsatz
vom 18.
Mai 2010). Wurde das [X.] dem Kläger mithin als Privatvermögen zugewendet, musste die Vergüns-tigung des §
13a [X.] aF ausscheiden.

cc) Nach den Darlegungen des [X.] hätte die Steuervergünstigung erlangt werden können, wenn die Übertragung gegen Gewährung laufender Versorgungsbezüge in Gestalt einer dauernden Last erfolgt wäre und mit dem Grundstück alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermö-gens der Einzelfirma des [X.] auf den Kläger übertragen worden wären. Das Berufungsgericht meint, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich 20
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12
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der Kläger und sein Vater für diese Übertragungsform entschieden hätten, weil sie von den beiden Gestaltungsvarianten, die ihnen die Beklagte zu 1 mit
Ex-pertise vom 1.
Juni 2001 dargestellt hatte,
die Variante einer Übertragung des Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt gewählt hätten, obwohl für diesen Fall eine deutlich höhere Belastung mit Schenkungssteuer prognostiziert war als im Fall der Alternative einer Schenkung der Einzelfirma des [X.] unter Vorbehalt des Nießbrauchs. Der daraus vom Berufungsgericht offenbar gezogene Schluss, es sei dem Kläger und seinem Vater nicht entscheidend auf eine mög-lichst steuergünstige Gestaltung angekommen, weshalb
auch offen bleiben müsse, ob sie sich für die vom Sachverständigen dargestellte Gestaltung ent-schieden hätten, lässt maßgebliche Teile des Prozessstoffs unberücksichtigt.

Für eine erhebliche Bedeutung der Steuerbelastung
bei der zu treffenden Entscheidung
spricht bereits, dass der Kläger und sein Vater die Beklagte zu 1
um eine Stellungnahme zu den steuerlichen Auswirkungen verschiedener Ge-staltungsmodelle ersuchten. Als ihnen die Expertise vom 1.
Juni 2001 zuge-gangen war, setzte der Vater des [X.]
unter die Variante einer Schenkung des Betriebsgrundstücks, für die eine im Vergleich zur Variante einer Schen-kung der Einzelfirma deutlich höhere Schenkungssteuer berechnet worden war, den Vermerk "entfällt". Aus welchen Gründen der Kläger und sein Vater
von dieser Bewertung später wieder hätten abrücken sollen, ist nicht erkennbar. Viel näher liegt, dass sie annahmen, die letztlich beurkundete Gestaltung führe zur niedrigeren Schenkungssteuer. Dafür spricht, dass mit dieser Gestaltung jeden-falls nicht offensichtlich die Variante einer Übertragung allein des Grundstücks umgesetzt wurde. Nach Abschnitt [X.] des Übertragungsvertrags waren sich die Vertragsparteien nämlich einig, dass mit Beendigung des nachfolgend verein-barten Nießbrauchsrechts auch die Einzelfirma des [X.] auf den Kläger übergehen sollte. Unstreitig wurde die Beklagte zu 1 kurz
vor der Beurkundung 23
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-
des Übertragungsvertrags nochmals mit der Sache befasst und übersandte dem beurkundenden Notar eine weitere Expertise
vom 3.
Dezember 2001 mit der Überschrift "Nießbrauch zugunsten des Übergebers eines Einzelunterneh-mens (Vorbehaltsnießbrauch)", die umfangreiche steuerliche Ausführungen enthielt. Schließlich legt auch der Umstand, dass die Beklagte zu 1 in der
im Jahr 2003 eingereichten Schenkungssteuererklärung zu der in Rede stehenden Übertragung von der Anwendbarkeit des §
13a [X.] ausging, nahe, dass alle an der Übertragung Beteiligten glaubten, eine Gestaltung gewählt zu haben, mit der die Steuervergünstigung nach dieser Norm erreicht werden konnte.

III.

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Eine eigene Sachentscheidung kann der Senat

24
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14
-
auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen
Feststellungen nicht treffen (§
563 Abs.
3 ZPO). Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 ZPO).

Kayser
Gehrlein
[X.]

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.07.2013 -
3 [X.]/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.08.2014 -
I-23 [X.]/13 -

Meta

IX ZR 216/14

07.04.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2016, Az. IX ZR 216/14 (REWIS RS 2016, 13418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13418

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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