20. Zivilsenat | REWIS RS 1999, 697
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Es fehlt nämlich für die beantragte einstweilige Verfügung an einem Verfügungsgrund.
Ein Widerspruch kann gemäß § 899 BGB aufgrund einer einstweiligen Verfügung eingetragen werden, wenn das Grundbuch unrichtig ist. Zweck des Widerspruchs ist es, den wahren Berechtigten vor einem Rechtsverlust infolge gutgläubigen Erwerbs durch einen Dritten zu schützen (BGHZ 25, 16, 25; Soergel-Stürner, BGB, 12. Aufl., § 899 Rdn. 1; Staudinger-Gursky, BGB, 12. Aufl., § 899 Rdn. 22). Wegen dieses Schutzzwecks kommt die Eintragung eines Widerspruchs und damit der Erlass einer hierauf gerichteten einstweiligen Verfügung nicht in Betracht, wenn die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs nicht besteht. Eine solche Situation liegt hier vor: selbst wenn man davon ausgeht, dass das Grundbuch unrichtig ist, weil die zugunsten der Fa. S. bzw. der Verfügungsbeklagten eingetragene Auflassungsvormerkung nicht (mehr) besteht oder jedenfalls nicht der Verfügungsbeklagten zusteht, besteht die Gefahr, dass ein Dritter die Vormerkung oder die durch sie gesicherte Forderung gutgläubig erwirbt, nicht.
1. Ob die Eintragung eines Widerspruchs gegen eine Vormerkung überhaupt zulässig ist, ist streitig. Der Widerspruch gemäß [ref=3a3d3fd8-241d-4b93-a79b-f167f8281cf6]§ 899 BGB[/ref] hat wie erwähnt den Zweck, den sich aus dem Grundbuch ergebenden guten Glauben eines Dritten zu zerstören und damit einen gutgläubigen Erwerb zu verhindern. Demgemäß kommt die Eintragung eines Widerspruchs nur dort in Betracht, wo die Gefahr gutgläubigen Erwerbs besteht. Umstritten ist die Frage, ob es überhaupt einen gutgläubigen Erwerb einer Vormerkung geben kann. Während ein Teil der Literatur dies verneint (Staudinger-Gursky, a.a.O., § 892 Rdn. 47; Palandt-Bassenge, BGB, 58. Auflage, § 885 Rdn. 20, jeweils mit weiteren Nachweisen) und deshalb auch die Eintragung eines Widerspruchs gegen eine Vormerkung generell für unzulässig hält (Staudinger-Gursky, § 899 Rdn. 24; Palandt-Bassenge, § 899 Rdn. 3) ist nach der auch in der Rechtsprechung vertretenen Gegenmeinung ein gutgläubiger Vormerkungserwerb zwar möglich (BGHZ 25, 16, 23; Münchener Kommentar-Wacke, BGB, 3. Aufl., § 883 Rdn. 64 ff. m. w. N.), jedoch beschränkt auf die Fälle des redlichen Ersterwerbs einer Vormerkung von einem im Grundbuch eingetragenen Nichtberechtigten sowie der Abtretung eines bestehenden Anspruchs, für den eine etwa infolge fehlerhafter Bewilligung nicht wirksam entstandene Vormerkung eingetragen ist. Hiergegen wird eingewandt, dass ein gutgläubiger Erwerb allenfalls nach §§ 892, 893 BGB stattfinden könne, also einen rechtsgeschäftlichen Erwerb verlange. Der Erwerb der Vormerkung, die ein unselbständiges Sicherungsmittel ist, vollziehe sich aber kraft Gesetzes gemäß § 401 BGB und damit nicht rechtsgeschäftlich (vgl. etwa Soergel-Stürner, § 893 Rdn. 8 m. w. N.).
Die Streitfrage, ob überhaupt ein gutgläubiger Vormerkungserwerb möglich ist, kann hier dahinstehen, weil keine der vorgenannten Fallgestaltungen in Rede steht. Um einen gutgläubigen Ersterwerb vom in Wahrheit nicht berechtigten Bucheigentümer geht es nicht. Es geht auch nicht um den Fall des redlichen Zweiterwerbs. Hier sind ausschließlich die Fälle angesprochen, in denen ein bestehender Anspruch mit einer etwa wegen eines Mangels im dinglichen Bestellungsakt unwirksamen Vormerkung gesichert ist. Auch dies ist hier nicht der Fall, denn der Verfügungskläger stellt gerade in Abrede, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch überhaupt noch besteht bzw. der Verfügungsbeklagten als Gläubigerin zusteht. Existiert der vorgemerkte Anspruch in Wahrheit nicht, kommt auch ein gutgläubiger Erwerb der Vormerkung nicht in Betracht. Nach allgemeiner Auffassung ist nämlich wegen der Akzessorietät der Vormerkung das Bestehen des vorgemerkten Anspruchs für einen gutgläubigen Erwerb der Vormerkung unerlässliche Voraussetzung. Anderenfalls könnte eine Forderung gutgläubig erworben werden, was dem Schuldrecht indessen grundsätzlich fremd ist (vgl. BGHZ 25, 16, 24; Münchener Kommentar-Wacke, § 883 Rdn. 64). Die Vormerkung entfaltet also keine Vermutung für das Bestehen des gesicherten Anspruchs (KG OLGZ 1978, 122, 124 = MDR 1977, 500 f.). Kommt damit ein gutgläubiger Erwerb ohnehin nicht in Betracht, scheidet auch die Eintragung eines Widerspruchs aus (BGHZ 25, 16, 24; Soergel-Stürner, § 899 Rdn. 4; Münchener Kommentar-Wacke, § 899 Rdn. 5; RGRK-Augustin, § 899 Rdn. 4).
Die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs des Anspruchs besteht nach dem oben Gesagten auch dann nicht, wenn der Anspruch auf Eigentumsübertragung zwar noch bestehen, nicht aber der Verfügungsbeklagten, sondern wegen der Unwirksamkeit der Übertragung auf die Antragsgegnerin noch immer der Fa. S. zustehen sollte. Würde die Verfügungsbeklagte den ihr vermeintlich zustehenden Anspruch weiter übertragen wollen, wäre der Dritte durch die Eintragung der Verfügungsbeklagten als Vormerkungsberechtigte in seinem guten Glauben an die Rechtsinhaberschaft der Verfügungsbeklagten ebensowenig wie an den Bestand der Forderung geschützt, könnte die Forderung und die Vormerkung also nicht gutgläubig erwerben. Denn der gutgläubige Erwerb der Vormerkung als unselbständiges, streng akzessorisches Sicherungsmittel setzt in jedem Falle den Bestand des Anspruches, und zwar in der Hand desjenigen voraus, zu dessen Gunsten die Auflassungsvormerkung eingetragen ist. Ebensowenig wie die Vormerkung eine Vermutung für den Bestand des Anspruchs entfaltet, entfaltet sie eine Vermutung dafür, dass der eingetragene Vormerkungsberechtigte der wahre Gläubiger des Anspruchs ist. Deshalb besteht auch dann nicht die Gefahr eines gutgläubigen Erwerbs der Vormerkung durch einen Dritten, wenn die Antragsgegnerin den Anspruch auf Eigentumsübertragung - sein Fortbestand unterstellt - nicht wirksam erworben hat.
Dies hat zur Folge, dass die vom Landgericht erlassene einstweilige Verfügung, mit der die Eintragung eines Widerspruchs angeordnet worden ist, aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen ist.
2. Ein Verfügungsgrund ergibt sich auch nicht aus dem Bedürfnis des Verfügungsklägers, gegenüber dem Rechtsverkehr zu dokumentieren, dass das Grundbuch falsch sei, um so die Verkehrs- und Belastungsfähigkeit des Grundstücks wiederherzustellen. Es ist bereits fraglich, ob ein Widerspruch hierzu überhaupt in der Lage ist, denn er dokumentiert lediglich, dass der Widersprechende gegen den Grundbuchinhalt protestiert; das eingetragene, angeblich falsche Recht wird durch den Widerspruch nicht beseitigt. Dies gilt hier umso mehr, als der Antragsteller sich in erster Linie nicht gegen die Eintragung der Auflassungsvormerkung, sondern gegen die Abtretung des Eigentumsübertragungsanspruchs an die Antragsgegnerin und die Umschreibung der Vormerkung auf diese richtet. Abgesehen davon kommt dem Widerspruch auch nicht die Funktion zu, die der Verfügungskläger ihm beilegen will: Der Widerspruch dient ausschließlich der Verhinderung gutgläubigen Dritterwerbs, nicht aber darüber hinaus ganz allgemein der Dokumentation einer der angeblich falschen Eintragung entgegenstehenden Auffassung des Widersprechenden.
Auch die weiteren Erwägungen des Antragstellers in seinem nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatz vom 03.05.1999 rechtfertigen nicht die Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung. Dem Umstand, dass sich der Antragsteller - wie er befürchtet - immer neuen Gegnern gegenübersieht, wenn der Widerspruch im Grundbuch gelöscht wird, kann er durch Erhebung der Hauptsacheklage entgegenwirken. Sollte die Antragsgegnerin danach versuchen, ihre "Rechtsposition" weiter zu übertragen, hätte das auf das Prozessrechtsverhältnis keine Auswirkungen, [ref=843c1c42-8274-4253-92f0-c1157e07b050]§§ 265 Abs.2, 325 ZPO[/ref]. Abgesehen davon würde die Antragsgegnerin auch durch die Eintragung des Widerspruchs nicht in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt. Der Widerspruch bewirkt keine Grundbuchsperre.
Darauf, dass der redliche und rechtschaffene Rechtsverkehr vor Geschäften mit der Antragsgegnerin, die sich möglicherweise zu Unrecht auf ihre Buchposition berufen und es unterlassen könnte, eventuelle Erwerber darauf hinzuweisen, dass ihr Recht bestritten ist, hat der Antragsteller keinen Anspruch.
3. Dem Bedürfnis des Verfügungsklägers kann auch nicht auf andere Weise, wie etwa durch Eintragung einer Löschungsvormerkung oder eines Verfügungsverbotes, Rechnung getragen werden. Zwar hat der Senat gemäß § 938 Abs. 1 ZPO nach freiem Ermessen zu bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des mit der einstweiligen Verfügung verfolgten Zwecks erforderlich sind. Deshalb ist auch zu prüfen, ob z. B. auch die Eintragung eines Verfügungsverbotes oder einer Vormerkung anstelle des beantragten Widerspruchs in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 86, 49 = NJW-RR 1992, 898, Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 938 Rdn. 2). Dabei ist aber bereits fraglich, ob die Eintragung eines Verfügungsverbotes oder einer Vormerkung nicht bereits daran scheitert, dass der Widerspruch bei Unrichtigkeit des Grundbuchs der speziellere Rechtsbehelf ist (so Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, Band 2, § 938 Rn. 29). Die Eintragung einer Vormerkung und eines Verfügungsverbotes scheitert aber auch aus anderen Gründen. Vormerkungsfähig sind nämlich nur schuldrechtliche Ansprüche (Palandt-Bassenge, a.a.O., § 883 Rn.1), nicht also der dingliche Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB. Ein Verfügungsverbot nach § 938 Abs.2 ZPO verbietet sich schon deshalb, weil die Verfügungsbeklagte nach dem Vortrag des Verfügungsklägers kein Recht besitzt, über das sie verfügen könnte: entweder bestehen Forderung und Vormerkung überhaupt nicht (mehr), oder sie stehen jedenfalls nicht der Verfügungsbeklagten zu. Ganz abgesehen von der Frage, ob die Voraussetzungen für ein Verfügungsverbot oder eine Löschungsvormerkung überhaupt vorliegen, würden im übrigen auch diese Rechtsbehelfe darauf abzielen, einen gutgläubigen Erwerb der gesicherten Forderung und der Vormerkung zu verhindern. Da ein solcher gutgläubiger Erwerb aber aus den oben ausgeführten Gründen nicht zu befürchten ist, sind solche Maßnahmen in gleicher Weise wie die Eintragung eines Widerspruchs unzulässig.
Berufungsstreitwert: 330.000,00 DM
Meta
21.05.1999
Oberlandesgericht Köln 20. Zivilsenat
Urteil
Sachgebiet: U
Zitiervorschlag: Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 21.05.1999, Az. 20 U 181/98 (REWIS RS 1999, 697)
Papierfundstellen: REWIS RS 1999, 697
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
V ZR 21/07 (Bundesgerichtshof)
19 W 8/01 (Oberlandesgericht Köln)
19 W 9/01 (Oberlandesgericht Köln)
V ZR 91/21 (Bundesgerichtshof)
Anspruch auf Bewilligung der Löschung von Widersprüchen im Grundbuch
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