Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2016, Az. XII ZB 207/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 811

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[X.]:[X.]:BGH:2016:141216BXIIZB207.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/15

vom

14. Dezember 2016

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 2; [X.] § 82 Abs. 1 Satz 3
Kindergeld ist im Sinne des Prozesskostenhilferechts auch nach der zum
1.
Januar
2008 erfolgten Änderung des §
1612
b [X.] grundsätzlich Einkom-men des [X.], soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebens-unterhalts eines minderjährigen Kindes zu verwenden ist ([X.] an Se-natsbeschluss vom 26.
Januar
2005

XII
ZB
234/03

FamRZ 2005, 605).
BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2016 -
XII [X.]/15 -
[X.] [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14.
Dezember 2016 durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose
und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Be-schluss des 12.
Zivilsenats

Familiensenat

des Oberlandesge-richts [X.] vom 25.
März 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung
an das [X.]
zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.

Gründe:
I.
Der Antragsgegnerin ist im vorliegenden Scheidungsverbundverfahren vom Amtsgericht
ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Bei der Be-rechnung der wirtschaftlichen Voraussetzungen hat das Amtsgericht das von der Antragsgegnerin für den [X.] bezogene Kindergeld allein als Einkommen des Kindes angesehen. Der
Betrag, mit dem das Kindergeld neben dem [X.] den Freibetrag für das Kind übersteigt, ist deswegen nicht als Ein-kommen der Antragsgegnerin berücksichtigt
worden.

1
-
3
-
Das [X.] hat die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Staatskasse zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlan-desgericht.
1. Nach Auffassung des [X.]s
ist das Kindergeld nicht als Einkommen der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Zwar habe der Bundesge-richtshof
entschieden, dass Kindergeld, das die um Prozesskostenhilfe [X.] beziehe, als deren Einkommen zu berücksichtigen sei, soweit es nicht zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes zu verwenden sei. Eine Anrechnung des Kindergelds als Einkommen des Elternteils verbiete aber nunmehr §
1612
b [X.] in der seit 1.
Januar 2008 geltenden Fassung. Mit der Neuregelung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Kind einen Anspruch auf die Auszahlung des Kindergelds oder die Erbringung entsprechender Naturalleistungen
gegen den Elternteil ha-be, der das Kindergeld ausgezahlt erhalte. Damit wäre es unvereinbar, das Kindergeld im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe
ganz oder anteilig als Ein-kommen der antragstellenden [X.] zu berücksichtigen und sie auf diese [X.] dazu zu zwingen, das Kindergeld wider die vom Gesetzgeber getroffene Zweckbestimmung nicht für das Kind, sondern zur Deckung der eigenen [X.] zu verwenden.

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4
-
Das Kindergeld sei auch nicht hälftig als Einkommen der das Kind [X.] Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Denn neben der zur [X.] gelangenden und für den Barunterhalt einzusetzenden Hälfte des Kinder-gelds solle
die weitere Hälfte den betreuenden Elternteil nach der gesetzgeberi-schen Intention bei der Erbringung der Betreuungsleistung unterstützen. Auch mit dieser Zielsetzung sei es nicht in Einklang zu bringen, das Kindergeld als Einkommen des Elternteils zu berücksichtigen.
Das Kindergeld sei damit nur durch Abzug des auf das Kind entfallenden Freibetrags
zu berücksichtigen, der vorliegend schon durch den bezogenen Kindesunterhalt ausgeschöpft werde.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach §
113 Abs.
1 Satz
2 FamFG
iVm §
115 Abs.
1 Satz
2 ZPO gehö-ren zum Einkommen im Sinne der Verfahrenskostenhilfe alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert.
Der [X.] hat bereits darauf hingewiesen, dass diese Defini-tion mit derjenigen des §
82 Abs.
1 SGB
XII wörtlich übereinstimmt und zudem
hinsichtlich der vom Einkommen vorzunehmenden Abzüge in §
115 Abs.
1 Satz
3
Nr.
1 ZPO auf §
82 Abs.
2 SGB
XII verwiesen wird. Daraus wird deutlich, dass der Einkommensbegriff des §
115 Abs.
1 ZPO an denjenigen des [X.] anknüpft. Dies erklärt sich auch daraus, dass Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe im Bereich der [X.] darstellt
(vgl. [X.]sbeschluss vom 26.
Januar
2005

XII
ZB
234/03

FamRZ 2005, 605; [X.], 1161
f.).
Dementsprechend ist Kinder-geld wie im Sozialhilferecht grundsätzlich als Einkommen des [X.]
zu be-trachten
(vgl. [X.], 51, 52
f. mwN).
Die gesetzliche Regelung zur grundsätzlichen Anrechnung des gesamten Kindergelds ist verfassungsrecht-lich unbedenklich, soweit das Existenzminimum
des Kindes gewahrt bleibt (vgl. [X.] FamRZ 2010, 800 zur Anrechnung des Kindergelds auf das Sozialgeld nach §
28 SGB
II).
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6
7
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5
-
Eine Ausnahme gilt nach §
82 Abs.
1 Satz
3
SGB
XII bezüglich des Exis-tenzminimums minderjähriger
Kinder. Soweit das Kindergeld zur Deckung ihres notwendigen Lebensunterhalts benötigt wird, wird es vom [X.] als Einkommen zugerechnet. Dieser Gedanke ist auch im Recht
der Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe zu berücksichtigen ([X.]sbe-schluss vom 26.
Januar
2005

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234/03

FamRZ 2005, 605, 606; vgl. [X.], 1161, 1162).
b) Entgegen der Auffassung des [X.]s (ebenso [X.] Rostock
FamRZ 2013, 648; [X.] NZFam 2015, 82; [X.]/[X.] ZPO
31.
Aufl. §
115 Rn.
19) ergibt sich aus §
1612
b [X.] in der seit 1.
Januar 2008 geltenden Fassung kein Korrekturbedarf
bezüglich der sozial-rechtlich orientierten Einkommensanrechnung nach §
115 Abs.
1 Satz
2 ZPO (so zutreffend [X.] Karlsruhe FamRZ
2008, 1960
f.; [X.] Bamberg FamRZ 2015, 349, 350; [X.], 1161, 1163; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 37.
Aufl. §
115 Rn.
2; [X.]/Wache 5.
Aufl. §
115 Rn.
19; Hk-ZPO/[X.] 6.
Aufl. §
115 Rn.
12; vgl. bereits [X.]sbeschluss vom 5.
Mai
2010

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65/10

FamRZ 2010, 1324 Rn.
29).
§
1612
b [X.] betrifft den zivilrechtlichen Ausgleich des Kindergelds un-ter den Eltern. Die Eltern sind öffentlich-rechtlich grundsätzlich beide nach §§
62, 63 EStG kindergeldberechtigt.
Da das Kindergeld aber zum Zweck der Verwaltungsvereinfachung nur einem Elternteil als Bezugsberechtigtem
ausge-zahlt wird

64 EStG), bedarf es eines Ausgleichs zwischen den Eltern, der gemäß §
1612
b Abs.
1 [X.] auf zivilrechtlichem Weg vorwiegend durch Anrechnung
auf den Barbedarf des Kindes gewährleistet wird
(zum familien-rechtlichen Ausgleichsanspruch vgl. [X.]sbeschluss vom 20.
April 2016

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45/15

FamRZ 2016, 1053
Rn.
10
ff.).
Außerdem gewährt §
1612
b
Abs.
1 Satz
1 [X.] in bestimmten Fällen einen Auskehrungsanspruch des Kin-8
9
10
-
6
-
des
(BT-Drucks. 16/1830 S.
30; vgl. [X.]surteil [X.], 375 =
[X.], 99, 102).
Die Vorschrift regelt mithin zivilrechtlich zu beurteilende
Fragen des fami-lienrechtlichen Ausgleichs im Rahmen der Festsetzung des Kindesunterhalts, nicht aber die öffentlich-rechtliche Einkommensanrechnung im Rahmen der [X.] oder der ihr insoweit entsprechenden Prozesskostenhilfe.
Durch die zum 1.
Januar 2008 geänderte [X.] hat sich daran nichts geän-dert, so dass §
1612
b [X.] nach wie vor keinen Einfluss auf die sozialhilfe-rechtliche Einkommensanrechnung hat. Die Zweckbindung des §
1612
b [X.] für die Verwendung des Kindergelds hat daher nur familienrechtliche Wirkungen und bleibt auf diese beschränkt.
Aus §
1612
b Abs.
1 [X.] geht zudem hervor, dass eine Zuwendung des Kindergelds an das Kind eines besonderen [X.] seitens des das Kindergeld beziehenden Elternteils bedarf (zutref-fend [X.] Karlsruhe FamRZ 2008, 1960, 1961; vgl. auch §
74 EStG).
Dement-sprechend sieht das [X.] das Kindergeld auch unter der heuti-gen Rechtslage unverändert als Einkommen des beziehenden Elternteils an ([X.], 221 Rn.
20).
Das Sozialhilferecht bzw. das Prozesskostenhilferecht einerseits und das Unterhaltsrecht andererseits folgen unterschiedlichen Regeln
([X.]sbeschluss vom 26.
Januar
2005

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ZB
234/03

FamRZ 2005, 605, 606).
Die Zweckbin-dung in §
1612
b Abs.
1 [X.] kann mithin nicht dazu führen, eine ausdrückliche sozialhilferechtliche bzw. prozesskostenhilferechtliche Regelung der Bedarfs-
und Einkommensermittlung, wie sie in
§
115 Abs.
1 Satz
3 Nr.
2
b ZPO und §
82 Abs.
1 Satz
3
SGB
XII bezüglich des Bedarfs des Kindes und des Kinder-gelds
vom Gesetzgeber getroffen worden ist, durch eine abweichende familien-rechtliche Wertung zu ersetzen.
11
12
-
7
-
c) Nach den vorstehenden Grundsätzen ist das Kindergeld vorliegend [X.] teilweise als Einkommen der Antragsgegnerin
zu berücksichtigen, so dass die Anordnung einer Ratenzahlung in
Betracht kommt.
3. Der angefochtene Beschluss ist deswegen aufzuheben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, schon weil das Oberlan-desgericht

aus seiner Sicht folgerichtig

nicht alle Positionen der Einkom-mensermittlung abschließend geklärt hat. Auch hat das [X.] noch keine Betrachtung vorgenommen, ob das Kindergeld teilweise zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts des Kindes benötigt wird (vgl. [X.]sbeschluss vom 26.
Januar
2005

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234/03

FamRZ 2005,
605, 606). Die Sache ist somit an das [X.] zurückzuverweisen.

Dose

Klinkhammer

Schilling

Botur

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.12.2014 -
33 [X.]/12 -

[X.] [X.], Entscheidung vom 25.03.2015 -
II-12 [X.] -

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14

Meta

XII ZB 207/15

14.12.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2016, Az. XII ZB 207/15 (REWIS RS 2016, 811)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 811

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XII ZB 207/15

12 WF 11/15

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