Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 2 StR 101/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5812

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[X.]:[X.]:BGH:2016:070916U2STR101.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
2 StR 101/16
vom
7. September
2016
in der Strafsache
gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

-
2
-
Der 2.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 7.
September 2016, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.]
Dr. Appl

als Vorsitzender,

die [X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
die [X.]innen
am [X.]
Dr. [X.],
[X.],

[X.] beim [X.]

als Vertreterin
der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,
Rechtsanwalt

als Vertreter der Nebenklägerin,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläge-rin wird das Urteil des [X.] vom 30.
November 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverlet-zung, Diebstahls und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jah-ren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen wenden sich die auf die Sachrüge gestützten, vom [X.] ver-tretene Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision der Nebenklägerin. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.
1. Nach den Feststellungen des [X.] begann der zur Tatzeit 25-jährige Angeklagte im Alter von 17
bis 18 Jahren mit dem [X.] von Mari-1
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-
huana und Alkohol, im Alter von etwa 20 Jahren mit dem [X.] von Kokain, auf das Wochenende verteilt in einer Größenordnung von 5-10
Gramm. In [X.] ist er bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten.
In der Nacht vom 10. auf den 11.
Mai 2015 zwischen 1.00
Uhr und 2.00
Uhr suchte der Angeklagte die ihm bis dahin nicht bekannte, als Prostitu-ierte
tätige Nebenklägerin H.

auf. Da er neun Stunden mit dieser auf dem
Zimmer verbleiben wollte,
zahlte er im Voraus 1.100
Euro, was in etwa seinem Monatsgehalt entsprach. Beide verbrachten die Nacht miteinander, wobei sie wach blieben und sich auf [X.] angeregt miteinander unterhielten. Während dessen konsumierte der Angeklagte, der einen ruhigen Eindruck machte, grö-ßere Mengen Wodka und Kokain. Im Verlaufe der Nacht kam es zu einem vagi-nalen Geschlechtsverkehr, den der Angeklagte jedoch wegen Erektionsproble-men vorzeitig abbrach. Nachdem er der Nebenklägerin weitere 200
Euro über-geben hatte, kündigte er zwischen 9.00 Uhr und 10.00 Uhr morgens an, zur Bank gehen zu wollen und weiteres Geld zu holen, um seinen Aufenthalt bei ihr bis etwa 15.00
Uhr verlängern zu können. Bis dahin hatte er sich ruhig verhal-ten und keinen betrunkenen Eindruck hinterlassen. Lediglich seine Pupillen [X.] erweitert und seine Augen gerötet.
Völlig unvermittelt schlug der Angeklagte, der die Nebenklägerin dabei anlachte, dieser die noch teilweise gefüllte [X.] ins Gesicht. Als die Geschädigte bewusstlos am Boden lag, entschloss er sich, die Situation auszu-nutzen. Er nahm deren Portemonnaie mit 2.000
Euro Bargeld sowie zwei wert-volle Mobiltelefone an sich. Beim
Verlassen des Zimmers schloss er die
Tür
von außen ab und nahm den Schlüssel mit. Gegen 12.00 Uhr wachte die [X.] blutüberströmt auf und es gelang ihr,
durch das geöffnete Fenster Hilfe herbeizurufen. Durch den Schlag hat sie eine rechtsseitige Fraktur des zentra-3
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5
-
len Mittelgesichts, eine Alveolarfortsatzfraktur des rechten Oberkiefers sowie eine beidseitige [X.] Fraktur erlitten und
einen Zahn verloren.
Noch vor Anklageerhebung während der Untersuchungshaft haben An-geklagter und Nebenklägerin über ihre Anwälte einen schriftlichen Täter-Opfer-Ausgleich
vereinbart. Infolge dessen hat
der Angeklagte 7.500
Euro an die Ge-schädigte gezahlt und sich in der Hauptverhandlung bei dieser entschuldigt.
2. Von einer Verurteilung wegen eines Raubdelikts hat die [X.] abgesehen. Der Angeklagte habe den Schlag mit der [X.] nicht wi-derlegbar plausibel damit erklärt, dass er in Angst und Panik verfallen sei, weil ihm in diesem Moment bewusst geworden sei, entgegen in [X.] Bewährungsauflagen Alkohol und Kokain konsumiert zu haben. Erst danach habe er sich entschlossen, das Geld und die Mobiltelefone an sich zu nehmen. Deshalb sei er -
weil es an einem finalen Zusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme fehle
-
nur wegen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
2 StGB in Tateinheit mit Diebstahl gemäß §
243 Abs.
1 Satz
2 Zif-fer
6
StGB
sowie
-
wegen des Einsperrens der bewusstlosen Geschädigten
-
in weiterer Tateinheit mit Freiheitsberaubung zu verurteilen.
[X.] beraten ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Angeklagte aufgrund des konsumierten Alkohols und Kokains bei Tatbege-hung in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt war. Aufgrund [X.] eigenen Trinkmengenangaben errechnet
sich eine maximale Blutalkohol-konzentration von 4,32
Promille, hinzu kommt
eine verstärkende Wirkung durch das gleichzeitig konsumierte Kokain. Eine völlige Aufhebung der Schuldfähig-keit sei jedoch trotz des rechnerisch hohen Blutalkoholwerts ausgeschlossen. Bei dem Angeklagten wurden keine Ausfallerscheinungen festgestellt und sein Vorgehen war geordnet und zielgerichtet (Suche nach Wertgegenständen, Si-5
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-
6
-
cherung seiner Flucht durch Verschließen des Zimmers) und im Nachhinein waren
bei ihm keine wesentlichen
Erinnerungslücken
zu verzeichnen.

II.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Die [X.] stützt ihre rechtliche Bewertung auf die "nicht wider-legbare" Einlassung des Angeklagten, den [X.] erst dann gefasst zu haben, als
die Geschädigte bewusstlos am
Boden gelegen
habe. Dabei ver-kennt sie bereits, dass Einlassungen, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne Weiteres als unwiderlegbar hin-zunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen sind. Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu [X.], ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen.
Eine solche Gesamtwürdigung -
insbesondere mit Blick auf das [X.] und das Nachtatverhalten
-
ist den Urteilsgründen nicht zu entneh-men. Die vorangegangene Nacht war harmonisch und konfliktfrei verlaufen und der Angeklagte gab vor, seinen Aufenthalt bei der Nebenklägerin sogar verlän-gern zu wollen. Wieso er gerade in diesem Moment in Angst und Panik verfal-len sein will, weil ihm bewusst
geworden sei, durch den [X.] von Alkohol und Kokain gegen in [X.] bestehende Bewährungsauflagen verstoßen zu haben, ist nicht plausibel. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, wieso und auf welche Weise die Behörden und Gerichte in [X.] von seinem "Bewährungs-versagen" hätten Kenntnis erlangen sollen. Gegen eine unüberlegte,
impulsive, von Panik getragene Kurzschlusshandlung und für ein eher heimtückisches 8
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Handeln spricht im Übrigen, dass der Angeklagte die Geschädigte freundlich anlachte, um dann im nächsten Moment völlig überraschend
zuzuschlagen. Auch sein geordnetes und zielgerichtetes Handeln nach dem Angriff auf die
Geschädigte (sofortige Suche nach Wertsachen, Mitnahme von Handys und Abschließen des Zimmers, um
eine
Flucht zu hindern) spricht
gegen ein [X.] unüberlegtes Verhalten.
b) Darüber hinaus hat das [X.] nicht erwogen, ob es sich bei dem überraschenden Angriff auf die Nebenklägerin um einen hinterlistigen Überfall gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
3 StGB bzw. in Anbetracht der erheblichen Verlet-zungsfolgen um eine das Leben gefährdende Behandlung gemäß §
224 Abs.
1 Nr.
5 StGB gehandelt hat.
2. Schließlich wird der neu entscheidende Tatrichter aus den Gründen der Zuschrift des [X.]s auch zu erwägen haben, ob eine Un-terbringung des langjährig drogenabhängigen Angeklagten, der bei Tatbege-hung erheblich unter Alkohol-
und Drogeneinfluss stand, in einer Entziehungs-anstalt gemäß §
64 StGB veranlasst ist.
[X.][X.]

[X.]

[X.] [X.]
11
12

Meta

2 StR 101/16

07.09.2016

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2016, Az. 2 StR 101/16 (REWIS RS 2016, 5812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5812

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