Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2012, Az. VI ZR 174/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1723

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]/11

Verkündet am:

6. November 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 831 Abs. 1 A, B

a)
Ob ein Geschäftsherrn-/[X.]nverhältnis besteht, beurteilt sich nach den tatsächlichen Umständen.

b)
Zu den Voraussetzungen eines solchen Verhältnisses zwischen konzern-angehörigen Gesellschaften.

[X.], Urteil vom 6. November 2012 -
VI [X.]/11 -
O[X.]

[X.]

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6.
November 2012 durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Stöhr

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 9.
Zivilsenats des Oberlandes-gerichts Oldenburg vom 7.
Juni 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine
Apothekerin, macht als Untermieterin vertragliche und deliktische Schadensersatz-, Freistellungs-
und Feststellungsansprüche für be-hauptete Vermögensschäden im Zusammenhang mit Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Mietvertrags geltend.
Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der D. [X.]nk AG (im Folgenden D.-[X.]nk). Diese war Eigentümerin eines Einkaufszentrums in [X.] Das gesamte Vermietungsgeschäft für das Einkaufszentrum wurde von der [X.] (im Folgenden [X.]), einer "Konzernschwester" der D.-[X.]nk, organisiert und durchge-führt.
Die Klägerin überlegte im Jahr 2004, in dem Einkaufszentrum eine Apo-theke zu eröffnen. Sie beauftragte ihre vormalige Streithelferin, deren Rechts-1
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nachfolgerin inzwischen insolvent geworden ist, mit Verhandlungen über die Anmietung von Räumen für eine Apotheke. Bei den zwischen [X.] und der Streit-helferin am 26.
November 2004 geführten Vertragsverhandlungen erklärte die für [X.] tätige [X.], dass im Durchschnitt von einer täglichen Be-sucherzahl von rund 28.000 Personen ausgegangen werden könne. Mit dieser Besucherzahl warb [X.] auch in ihrem Internetauftritt sowie in Flyern. Im Februar 2005 mietete die Streithelferin Räume von der D.-[X.]nk an, in denen die Kläge-rin ihre Apotheke betreiben sollte. Am 16.
Juni 2005 unterzeichneten die Streit-helferin und die Klägerin einen Untermietvertrag. Im Juli 2005 begann die Klä-gerin mit dem Betrieb der Apotheke in dem Einkaufszentrum. Ab September 2005 bezahlte sie nicht mehr die volle Miete, weil die Besucherzahl von täglich 28.000
Personen nicht erreicht werde.
Das [X.] hat die Beklagte zur Zahlung von 424.543,55

und im Übrigen die Klage und die Widerklage abgewiesen. Das Berufungsge-richt hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen und die auf [X.] einer Nutzungsentschädigung gerichtete weitergehende Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte verneint. Es lehnt auch eine deliktische Haftung der Beklagten nach §
831 Abs.
1 BGB ab. Eine widerrechtliche Schadenszufügung nach §
823 Abs.
2 BGB in Verbindung mit §
263 StGB scheide bereits deshalb aus, weil 4
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sich aus dem Vortrag der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestands ergäben. Auch die Voraussetzun-gen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach §
826 BGB lägen nicht vor. Es könne offen bleiben, ob die Angaben der [X.] über die Besucherzahlen objektiv falsch gewesen seien oder einen Hinweis erfordert hätten, dass sie möglicherweise nicht repräsentativ seien, und ob B. vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt habe. Der Anspruch scheitere jedenfalls an einer Exkulpation gemäß §
831 Abs.
1 Satz
2 Fall 2 BGB.
Die [X.] sei Verrichtungsgehilfin der D.-[X.]nk. B. sei Verrichtungsgehilfin der [X.] Die Beklagte habe aber bewiesen, dass der Schaden mit Sicherheit auch bei voller Überwachung eingetreten wäre. Sie habe das bankfremde [X.] auf die [X.] ausgelagert. Diesem Zweck liefe die Annahme einer ins Einzelne gehenden Kontrollpflicht zuwider. Selbst eine stichprobenartige Kontrolle hätte sich nur darauf beziehen müssen, ob die [X.] bei der Vermietung den rechtlichen Rahmen und die üblichen Standards einhält. Da der von B. ge-nannte Durchschnitt von täglich 28.000 Besuchern auf dem Ergebnis eines Marktforschungsgutachtens beruhe, könne eine mögliche Pflichtverletzung der [X.] lediglich darin bestehen, dass [X.] nicht darauf hingewiesen habe, dass die Zahlen der in der Vorweihnachtszeit durchgeführten Erhebung möglicherweise nicht repräsentativ seien. Diesen Fehler hätte die D.-[X.]nk aber nur bemerken können, wenn sie sich inhaltlich mit dem Gutachten befasst und dessen [X.] einer kritischen Würdigung unterzogen hätte. Die dazu erforderliche Über-wachungstätigkeit im Kernbereich der übertragenen Aufgabe würde die [X.] erheblich überspannen, zumal die [X.] keine besonders gefahrgeneigte Tätigkeit übernommen habe.

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II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält im Ergebnis [X.] Überprüfung stand.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht vertragliche Schadensersatzansprüche abgelehnt hat. Vertragliche Schadensersatzansprü-che der Klägerin gegen die D.-[X.]nk (und damit gegen die Beklagte als deren Rechtsnachfolgerin) scheiden aus, weil keine direkten vertraglichen Beziehun-gen zwischen ihnen bestanden und die Klägerin auch nicht in den Schutzbe-reich des [X.] einbezogen ist.
a) Der allein in Betracht kommende Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter kommt nur in Frage, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt, der Vertragspartner ein Interesse an der Einbeziehung des [X.] hat, dies für den Schuldner erkennbar ist und der Dritte keine eigenen vertraglichen Ansprüche desselben Inhalts hat ([X.], Urteile vom 20.
März 1995 -
II
ZR 205/94, [X.]Z 129, 136, 167, 169; vom 22.
Juli 2004 -
IX
ZR 132/03, NJW 2004, 3630, 3632). Eine Einbeziehung des Untermieters in den Schutzbereich des [X.] scheidet regelmäßig deshalb aus, weil dem Untermieter eigene vertragliche Ansprüche gegen den Hauptmieter zustehen ([X.], Urteile vom 15.
Februar 1978 -
VIII
ZR 47/77, [X.]Z 70, 327, 329
f.; vom 2.
Juli 1996 -
X
ZR 104/94, [X.]Z 133, 168, 173
f.; vom 20.
Dezember 1978 -
VIII
ZR 69/78, [X.], 307, 308). Dass der Anspruch gegen den eigenen Vertragspartner wegen dessen Insolvenz wirtschaftlich praktisch wertlos ist, ändert hieran nichts, denn die Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte sollen dem [X.] nicht das Insolvenzrisiko seines Vertragspartners abnehmen ([X.], Urteil vom 22.
Juli 2004 -
IX
ZR 132/03, NJW 2004, 3630, 3632).
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b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kläge-rin hier keine Garantieansprüche wegen Mängeln, sondern Ansprüche wegen einer Pflichtverletzung der D.-[X.]nk bei Vertragsverhandlungen mit der Streithel-ferin der Klägerin gemäß §
280 Abs.
1, §
311 Abs.
2, §
241 Abs.
2 BGB geltend macht. Die Revision meint, da hier nicht die für Haupt-
und Untermieter inhalts-gleiche Haftung nach §
536a BGB betroffen sei, sondern eine Haftung aus [X.] bei Vertragsschluss, die sich nach den jeweiligen konkreten Umstän-den der Vertragsverhandlungen richte, stehe der Klägerin kein eigener gleichar-tiger vertraglicher Schadensersatzanspruch gegenüber ihrer Vertragspartnerin zu. Für die Beurteilung, ob dem [X.] eigene gleichwertige (vgl. [X.], Urteil vom 2.
Juli 1996 -
X
ZR 104/94, [X.]Z 133, 168, 176) Schadensersatzansprü-che zustehen, die eine Einbeziehung in den Schutzbereich des fremden [X.] entbehrlich machen, kommt es indes nicht auf die Anspruchsgrundlage, sondern auf die Voraussetzungen und den Umfang des Schadensersatzan-spruchs an. Hierauf bezogen entspricht aber der eigene vertragliche Anspruch der Klägerin gegen ihre Streithelferin als Vermieterin des [X.] deren Anspruch gegen die D.-[X.]nk als Vermieterin des [X.].
c) Der Schadensersatzanspruch der vormaligen Streithelferin gegen die D.-[X.]nk wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen durch die behauptete
fehlerhafte Auskunft über die zu erwartenden Besucherzahlen geht von seinen Voraussetzungen und seinem Umfang nicht über die vertraglichen oder vorver-traglichen Schadensersatzansprüche hinaus, die der Klägerin gegen ihre Streit-helferin zustehen.
aa) Grundlage der Haftung der Streithelferin gegenüber der Klägerin kann nur eine
Pflichtverletzung aus einem selbständigen Beratungs-
oder Aus-kunftsvertrag oder eine Verletzung vorvertraglicher Beratungs-
und Auskunfts-ansprüche (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Dezember 1991 -
XI ZR 300/90, [X.]Z 116, 10
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209, 211 f.) im Zusammenhang mit dem Abschluss des [X.] sein. Die Streithelferin war verpflichtet, die an die Klägerin zu vermietenden Räume daraufhin zu überprüfen, ob sie zum wirtschaftlichen Betrieb einer Apotheke geeignet sind. Die sich aus der Verletzung dieser Pflicht ergebenden Scha-densersatzansprüche sind auf das negative Interesse gerichtet. Danach ist die Klägerin so zu stellen, wie sie bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Beratungs-
und Auskunftspflicht stünde (vgl. [X.], Urteile vom 6.
April 2001 -
V
ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2876; vom 11.
Juni 2011 -
V
ZR 144/09, [X.], 524 Rn.
8). Wenn die Streithelferin sich ohne eigene Prüfung auf die Auskunft der für die [X.] tätigen [X.] verlassen hat, wäre ihr dies als schuldhaf-te Pflichtverletzung zuzurechnen.
bb) Die vertraglichen Schadensersatzansprüche der Streithelferin gegen die D.-[X.]nk gehen darüber nicht hinaus. In diesem Verhältnis kommt ebenfalls ein Anspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen (§
280 Abs.
1, §
311 Abs.
2, §
241 Abs.
2 BGB) in Betracht, der auf das negative Inte-resse gerichtet ist. Die D.-[X.]nk hat nach dem Vortrag der Klägerin durch fal-sche Angaben zu den Besucherzahlen ihre Auskunftspflicht verletzt. Ein [X.] der [X.] ist der D.-[X.]nk gemäß §
278 Satz
1 BGB zuzurechnen. Auch der hieraus resultierende Anspruch setzt Verschulden vo-raus, dessen Fehlen zur Beweislast des [X.], hier also der D.-[X.]nk, steht. Mithin bedarf es einer Einbeziehung in den Schutzbereich des mit der D.-[X.]nk geschlossenen [X.] nicht.
2. Ohne Erfolg rügt die Revision auch, dass das Berufungsgericht eine deliktische Haftung gemäß §
831 Abs.
1 BGB abgelehnt hat. Entgegen der [X.] folgt dies bereits daraus, dass [X.] nicht als [X.] der D.-[X.]nk anzusehen ist.
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Maßgebend für die Einordnung als [X.] sind die fakti-schen Verhältnisse. [X.] im Sinne von § 831 BGB ist nur, wer von den Weisungen seines Geschäftsherrn abhängig ist. Ihm muss von einem anderen, in dessen Einflussbereich er allgemein oder im konkreten Fall ist und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen [X.] sein. Das dabei vorausgesetzte Weisungsrecht braucht nicht ins Einzelne zu gehen. Entscheidend ist, dass die Tätigkeit in einer organisatorisch abhängi-gen Stellung vorgenommen wird. Es genügt, dass der Geschäftsherr die Tätig-keit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach [X.] und Umfang bestimmen kann (vgl. Senatsurteil vom 10.
März 2009
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VI
ZR 39/08, [X.], 784 Rn.
11; [X.], Urteile vom 30. Juni 1966 -
VII
ZR 23/65, [X.]Z 45, 311, 313; vom 25. Februar 1988 -
VII
ZR 348/86, [X.]Z 103, 298, 303; vom 12.
Juni 1997 -
I
ZR 36/95, [X.], 862, 863).
Der Personenkreis, der nach diesen
Grundsätzen "zu einer Verrichtung bestellt" ist, unterscheidet sich von dem Kreis der Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB durch den Mangel an Selbstständigkeit und Eigenverant-wortlichkeit. Während selbständige Unternehmen ohne weiteres Erfüllungsge-hilfen sein können, setzt die Qualifikation als [X.] Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit voraus (MünchKommBGB/Wagner, 5.
Aufl., §
831 Rn.
14). Daran fehlt es in der Regel bei selbständigen Unternehmen, [X.] davon, ob sie mit dem Unternehmen, für das sie eine bestimmte Aufgabe wahrnehmen, in einem Konzernverhältnis stehen. Die Übertragung von [X.] auf ein bestimmtes Unternehmen innerhalb eines Konzerns dient regelmä-ßig gerade dem Zweck, durch die selbständige -
nicht weisungsgebundene
-
Erledigung der Aufgabe andere Teile des Konzerns zu entlasten. Der pauschale Vortrag der Klägerin, dass das gesamte Vermietungsgeschäft für das Einkaufs-zentrum von der [X.] für die Rechtsvorgängerin der Beklagten organisiert und durchgeführt wurde, führt im Streitfall nicht zu einer anderen
Wertung. Dies mag 15
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zwar eine Erfüllungsgehilfeneigenschaft der [X.] für die D.-[X.]nk begründen, die für einen [X.]n erforderliche Abhängigkeit und [X.] ergibt sich daraus aber nicht. Die Klägerin hat insoweit auch keine kon-kreten Umstände aufgezeigt, die eine Abweichung von dem für selbständige Unternehmen geltenden Grundsatz rechtfertigten.

Galke

[X.]
[X.]

Pauge

Stöhr
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.03.2010 -
4 O 3490/07 -

O[X.], Entscheidung vom 07.06.2011 -
9 U 26/10 -

Meta

VI ZR 174/11

06.11.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.11.2012, Az. VI ZR 174/11 (REWIS RS 2012, 1723)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1723

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VI ZR 174/11

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