Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2014, Az. XII ZB 705/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5214

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 705/13

vom

28. Mai 2014

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §
1896 Abs.
1
a; FamFG §§
295 Abs.
1 Satz
1, 276 Abs.
1 Satz
1
a)
Dass eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen eingerichtet oder verlän-gert wird, begründet für sich genommen noch nicht die Notwendigkeit, einen [X.] zu bestellen (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2011

XII
ZB
19/11
mRZ 2011, 1577).
b)
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers ist in der Regel erforderlich, wenn der Verfahrensgegenstand eine Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenhei-ten als möglich erscheinen lässt (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 4.
August 2010
XII
ZB
167/10
FamRZ 2010, 1648 und
vom 7.
August 2013

XII
ZB
223/13
Z 2013, 1648).
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 -
XII ZB 705/13 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 28.
Mai 2014 durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose,
die Richterin
Weber-Monecke
und [X.]
Klinkhammer, Dr.
Günter und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss
der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 26.
Novem-ber 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 5.000

Gründe:
I.
Für die heute 59jährige Betroffene, die an einer leichten intellektuellen Beeinträchtigung vom Ausmaß einer Lernbehinderung leidet, wurde nach dem Tod ihres Ehemanns im November 2010 auf ihre Anregung eine rechtliche Be-treuung mit den [X.], Vermögenssorge, [X.], Organisation der Haushaltsführung und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen [X.] eingerichtet sowie ein Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Vermögenssorge angeordnet. Eine 2012 von der Betroffenen beantragte Aufhebung der [X.] lehnte das Amtsgericht ab.
1
-
3
-
Durch Beschluss
vom 9.
Oktober 2013 hat
das Amtsgericht die [X.] im gleichbleibenden Umfang mit Überprüfungsfrist zum 8.
Oktober 2020
verlängert. Die Beschwerde der Betroffenen
ist vom [X.] worden. Mit der von ihr eingelegten Rechtsbeschwerde
rügt sie vor allem, dass ihr kein Verfahrenspfleger bestellt worden sei.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg, denn der angefochtene Beschluss be-ruht auf einem fehlerhaften Verfahren.
1. Nach §
295 Abs.
1 Satz
1 FamFG gelten für die Verlängerung der Be-stellung eines Betreuers oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahmen entsprechend. Nach §
276 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 FamFG ist die Bestellung eines Verfahrenspfle-gers in der Regel erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des [X.]s hierauf ist, wenn sich das Verfahren auf eine Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betreuten und über die Entge-gennahme, das Öffnen und das Anhalten seiner Post erstreckt (§
1896 Abs.
4 BGB) oder die Sterilisation des Betreuten zum Gegenstand hat (§
1905 BGB). Dabei ist nach der Rechtsprechung des Senats aufgrund der Bedeutung des Verfahrensgegenstands die Bestellung eines Verfahrenspflegers in der Regel schon dann erforderlich, wenn der Verfahrensgegenstand eine Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt ([X.] vom 4.
August 2010
XII
ZB
167/10
FamRZ 2010, 1648 Rn.
11
f.; vom 28.
September 2011
XII
ZB
16/11
FamRZ 2011, 1866 Rn.
9 und vom 7.
August 2013
XII
ZB
223/13
FamRZ 2013, 1648 Rn.
11).
Abgesehen von 2
3
4
-
4
-
den Regelfällen nach §
276 Abs.
1 Nr.
2 FamFG hat das Gericht dem Betroffe-nen gemäß §
276 Abs.
1 Satz
1 FamFG einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des Senats
hängt die Notwendigkeit der Bestellung eines [X.]s vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen [X.] von der Bedeutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab ([X.] vom 13.
November 2013

XII
ZB
339/13

FamRZ 2014, 192 Rn.
10 und vom 11.
Dezember 2013

XII
ZB
280/11

FamRZ
2014, 378 Rn.
11).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde begründet der [X.], dass die Betreuung letztlich gegen den Willen des Betroffenen eingerich-tet oder verlängert wird, weil dieser nicht in der Lage ist, einen der Betreuung entgegenstehenden freien Willen nach §
1896 Abs.
1
a BGB zu bilden, für sich genommen noch nicht die Notwendigkeit, einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2011 (XII
ZB
19/11
FamRZ 2011, 1577 Rn.
8
mwN). Zur Wahrung des rechtlichen Gehörs kommt es vielmehr darauf an, ob der Betroffene die Möglichkeit hat, seine Interessen gegenüber dem Betreuungsgericht geltend zu machen und seinen Willen kundzutun. Das wird noch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Betroffene

etwa wegen mangelnder Krankheitseinsicht

nicht in der Lage ist, die Notwendigkeit der Betreuung zu erkennen. Ob in diesem Fall die Bestel-lung
eines Verfahrenspflegers zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffe-nen notwendig ist, hängt vielmehr von den weiteren Umständen, insbesondere vom Grad der Krankheit oder Behinderung des Betroffenen sowie von der Be-deutung des jeweiligen Verfahrensgegenstands ab (Senatsbeschlüsse vom 13.
November 2013

XII
ZB
339/13
FamRZ 2014, 192 Rn.
10 und vom 11.
Dezember 2013

XII
ZB
280/11
RZ 2014, 378 Rn.
11). Je weniger der Betroffene in der Lage ist, seine Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeuti-ger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen seinen 5
-
5
-
natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte des Betroffenen ist, umso eher ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Dezember 2013

XII
ZB
280/11
Z 2014, 378 Rn.
11 mwN).
2. Nach den genannten Grundsätzen war im vorliegenden Fall die Be-stellung eines Verfahrenspflegers notwendig.
Die verlängerte und vom Umfang her beibehaltene Betreuung bezieht sich auf die [X.] Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Aufent-haltsbestimmung, Organisation der Haushaltsführung und Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen [X.] sowie den Einwilligungsvorbehalt hinsichtlich der Vermögenssorge. Damit [X.] es sich um eine umfassende Betreuung im Sinne der oben genannten [X.].
Die Begründung dafür, dass von einer Verfahrenspflegerbestellung ab-gesehen worden ist, ist unzutreffend. Das Amtsgericht hat in seinem Beschluss darauf abgestellt, dass aufgrund der durchgeführten Ermittlungen die [X.]sbedürftigkeit für die angeordneten Wirkungskreise und die Geeignetheit des Betreuers offenkundig seien. Diese Gründe tragen ein Absehen von der Verfahrenspflegerbestellung nicht, weil es auf die Offenkundigkeit insoweit nicht ankommt und die Verfahrenspflegerbestellung gerade auch in diesem Fall das
rechtliche Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG
gewährleisten soll. Dem Beschluss des [X.] mangelt es gänzlich an einer Begründung.

3. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben, weil sich nicht ausschlie-ßen lässt, dass nach Bestellung und Anhörung des Verfahrenspflegers eine andere Entscheidung veranlasst
ist. Ob das [X.] von einer persönlichen Anhörung der Betroffenen absehen durfte, bedarf keiner Entscheidung. Auf-6
7
8
9
-
6
-
grund der gebotenen Verfahrenspflegerbestellung und des weiteren Zeitablaufs wird das [X.] nach Zurückverweisung zu prüfen haben, ob es von einer eigenen Anhörung der Betroffenen absehen kann.

Dose

Weber-Monecke

Klinkhammer

Günter

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.10.2013 -
9 [X.] 359/10 -

LG [X.], Entscheidung vom 26.11.2013 -
1 [X.] -

Meta

XII ZB 705/13

28.05.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2014, Az. XII ZB 705/13 (REWIS RS 2014, 5214)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5214

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 705/13 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Voraussetzungen einer Verfahrenspflegerbestellung bei Einrichtung bzw. Verlängerung einer rechtlichen Betreuung gegen den Willen des …


XII ZB 16/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 59/13 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 167/10 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 43/11 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Notwendige Verfahrenspflegerbestellung zur Bekanntgabe eines Gutachtens; erstmaliger Antrag auf Betreuerwechsel in der Rechtsbeschwerdeinstanz


Referenzen
Wird zitiert von

V R 34/19

Zitiert

XII ZB 705/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.