Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2013, Az. XII ZB 59/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4752

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

7

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

XII ZB 59/13
vom
26. Juni
2013
in der Betreuungssache

-
2
-

Der X[X.]
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
26.
Juni
2013
durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose,
die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer,
Schilling und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Dem Betroffenen wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr.
[X.] beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde des
Betroffenen wird der Beschluss der 2.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
vom 18.
Januar
2013
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Durch Beschluss des Amtsgerichts
ist der
Beteiligte zu 1 zum Betreuer
des
Betroffenen mit den [X.]n Gesundheitssorge, Vermögenssorge,
Aufenthaltsbestimmung, Empfang, Öffnen und Anhalten der Post, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Geltendmachung von Ansprüchen auf Leis-tungen aller Art und Wohnungsangelegenheiten
bestellt worden. Das [X.]
-
3
-

richt hat die dagegen gerichtete Beschwerde des
Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der
Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

[X.]
Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthafte und auch sonst zu-lässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das [X.] hat angenommen, dass der Betroffene aufgrund einer Alkoholabhängigkeit vom [X.] nach [X.] in chronischer Phase mit fort-gesetztem Konsum und einer daraus resultierenden deutlichen, durch kognitive Beeinträchtigungen gekennzeichneten
Enzephalopathie derzeit nicht in der [X.] sei, die Angelegenheiten, derentwegen das Amtsgericht die Betreuung [X.] hat, selbst zu besorgen. Das folge aus dem psychiatrischen Betreu-ungsgutachten des
Sachverständigen. Der Betroffene
sei nach dem [X.] auch nicht zu einer freien Willensbildung in der Lage.
2. Die Rechtsbeschwerde rügt
zu Recht, dass das Beschwerdegericht dem Betroffenen keinen Verfahrenspfleger bestellt hat.
a) Nach §
276 Abs.
1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner
Interessen erforderlich ist. Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn der Gegenstand des Verfahrens die Bestellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erwei-terung des [X.] hierauf ist. Nach § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG kann von der Bestellung in den Fällen des Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 abgesehen werden, 2
3
4
5
-
4
-

wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des [X.] offensichtlich nicht besteht. Nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die [X.] zu begründen. Der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt es, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Entscheidung ermes-sensfehlerfrei getroffen worden ist.
b) Die Bestellung eines [X.] für den Betroffenen ist regel-mäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Für einen in diesem Sinne umfassenden Verfahrensgegenstand spricht, dass die vom Gericht getroffene Maßnahme die Betreuung auf [X.] erstreckt, die in ihrer Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Betroffenen umfassen und damit in die Zuständigkeit des Betreuers fallen. Selbst wenn dem Betroffenen nach der Entscheidung letztlich einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung verblieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der Bestellung eines [X.], wenn die verbliebenen Befugnisse den Betroffenen in seiner konkreten Lebenssituati-on keinen nennenswerten eigenverantwortlichen Handlungsspielraum belassen (Senatsbeschlüsse vom 28.
September
2011 -
XII
ZB
16/11 -
FamRZ 2011, 1866 Rn.
9 und vom 4.
August
2010 -
XII
ZB
167/10
-
FamRZ 2010, 1648 Rn.
13).
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall das Regelbeispiel des §
276 Abs.
1 Satz
2 Nr. 2 FamFG erfüllt. Die angeordnete Betreuung umfasst die [X.] Gesundheitssorge, Vermögenssorge,
[X.], Empfang, Öffnen und Anhalten der Post, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Geltendmachung von Ansprüchen auf Leistungen aller Art und 6
7
-
5
-

der Wohnungsangelegenheiten. Dies hat zur Folge, dass der Betreuer in allen wesentlichen Bereichen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensgestaltung des Betroffenen hat, so dass der Verfahrensgegenstand alle Angelegenheiten im Sinne des § 276
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG betrifft.
c) Da die Interessen des Betroffenen im Betreuungsverfahren nicht von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtig-ten vertreten wurden (vgl. §
276 Abs.
4 FamFG), konnte
nach §
276 Abs.
2 Satz
1 FamFG nur unter den bereits genannten Voraussetzungen von der [X.] abgesehen werden. Eine [X.] ist nur dann nicht anzuordnen, wenn sie nach den gegebenen Um-ständen einen rein formalen Charakter hätte (Senatsbeschlüsse vom 28.
Sep-tember
2011 -
XII [X.] -
FamRZ 2011, 1866 Rn.
13 und vom 4.
August
2010 -
XII ZB 167/10 -
FamRZ 2010, 1648 Rn. 15). Ob es sich um einen Ausnahmefall im Sinne dieser Umschreibung handelt, ist aufgrund der nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorgeschriebenen Begründung zu beurteilen.
Der angefochtene Beschluss enthält indessen keine Begründung für die unterbliebene Bestellung eines [X.]. Deshalb lässt sich weder feststellen, aus welchen Erwägungen von der Anordnung einer [X.] abgesehen wurde,
noch dass diese Entscheidung ermessensfehler-frei zustande gekommen ist. Dass der vor dem [X.] anwaltlich nicht ver-tretene Betroffene seine Interessen selbst hätte wahrnehmen können, erscheint angesichts des bei ihm angenommenen
Krankheitsbildes und der dargestellten mangelnden Krankheitseinsicht fernliegend.

8
9
-
6
-

d) Die Entscheidung des [X.]s beruht auf der Nichtbestellung des [X.]. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass das [X.] nach Hinzuziehung eines [X.] aufgrund dessen Stellung-nahme zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
3. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen. Dieses wird die Bestellung eines [X.] zu prüfen und gegebenenfalls nach dessen Stellungnahme er-neut zu entscheiden haben.
Dose

[X.]
Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.12.2012 -
3 [X.] 197/12 -

LG [X.], Entscheidung vom 18.01.2013 -
2 T 6/13 -

10
11

Meta

XII ZB 59/13

26.06.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.06.2013, Az. XII ZB 59/13 (REWIS RS 2013, 4752)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4752

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 59/13 (Bundesgerichtshof)

Betreuungsverfahren: Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrenspflegers


XII ZB 203/14 (Bundesgerichtshof)

Bestellung eine Verfahrenspflegers bei möglicher Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten


XII ZB 705/13 (Bundesgerichtshof)

Betreuungssache: Voraussetzungen einer Verfahrenspflegerbestellung bei Einrichtung bzw. Verlängerung einer rechtlichen Betreuung gegen den Willen des …


XII ZB 16/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 280/11 (Bundesgerichtshof)

Beschwerde im Betreuerbestellungsverfahren: Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen; Beachtung des Verschlechterungsverbots bei der Bestimmung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

XII ZB 59/13

XII ZB 16/11

XII ZB 167/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.