Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2015, Az. VI ZR 418/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4715

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI ZR 418/14
vom
29. September 2015
in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der VI. Zivilsenat des [X.] hat am 29. September 2015 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] Stöhr
und Offenloch
und
[X.]innen Dr.
Oehler und Dr.
Roloff

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 6. Oktober 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als ein Schadens-ersatzanspruch der Klägerin wegen
einer
Verletzung der Aufklä-rungspflicht verneint
worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen.
Gegenstandswert

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit einer [X.] in der Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu
1 in Anspruch. Im [X.]
-
3
-

men des zweiten [X.]-Zyklus am 5.
Januar 2010 kam es zu einem sogenannten [X.].
Es erfolgte bis zum 19.
Januar 2010 eine Behandlung mit [X.], welche die Klägerin zuhause durchführte. Sie stellte sich am 7.
Januar, am 12.
Januar, am 15.
Januar und am 19.
Januar bei den [X.] zur ärztlichen Kontrolle vor. Am 12.
Januar 2010 suchte
sie auf Veran-lassung der Beklagten einen
Chirurgen auf, der keinen Handlungsbedarf sah. Am 19.
Januar 2010 kam es zu einer handtellergroßen Epitheliolyse im Bereich des [X.]s.
Deswegen wurde die [X.] beendet. Danach wurde die [X.] am 26.
Januar und 16.
Februar 2010 fortgesetzt. Im weiteren Verlauf kam es zu einer Nekrose, wegen der die Klägerin zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen musste und im Ergebnis beide Brüste entfernt wurden.
Das [X.] hat
die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisauf-nahme habe die Klägerin weder den Beweis geführt, dass den Beklagten ein Behandlungsfehler anzulasten sei,
noch könne sie sich auf Ansprüche aus [X.] möglichen [X.] stützen.

II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß §
544 Abs.
7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückver-weisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, soweit ein Schadenser-satzanspruch der Klägerin wegen einer Verletzung der [X.] worden ist.

2
3
-
4
-

1. Art.
103 Abs.
1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen.
Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unter-lassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.] haben. Insbesondere ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gegeben, wenn
eine erforderliche Beweiserhebung nicht erfolgt und dies im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. Senat, Beschluss vom 12.
Mai 2009 -
VI
ZR 275/08, [X.], 1137 Rn. 2 mwN).
2. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats darf der Tatrichter
Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Auf-klärung entschieden hätte, und ob er in einen [X.] geraten wäre, grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten treffen; ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn schon die unstreitigen äußeren Umstände eine sichere Beurteilung der hypothetischen Entscheidungssituation erlauben (vgl. Senat, Urteil
vom
26.
Juni 1990 -
VI
ZR 289/89
-
VersR 1990, 1238, 1240; vom
1.
Februar 2005 -
VI
ZR 174/03, [X.], 694; vom
17.
April 2007 -
VI
ZR 108/06, [X.], 999, 1000; vom
30.
September 2014 -
VI
ZR 443/13, [X.], 196 Rn. 19).
Im Streitfall hat die Klägerin erstinstanzlich und mit der Berufung vorge-tragen, sie sei über die Risiken der [X.] nicht aufgeklärt worden, insbesondere auch über die letztlich ungenügenden personellen und [X.] Versorgungsmöglichkeiten der Beklagten im Fall einer Komplikation durch ein [X.]. Wäre ihr dies alles
vor Beginn der [X.] erläu-tert worden, hätte sie eine Fachklinik aufgesucht, den Eingriff also nicht in der Praxis der Beklagten zu
1 vornehmen lassen. Das [X.] und das Beru-fungsgericht
haben offengelassen, ob die Klägerin im gebotenen Maße über 4
5
6
-
5
-

das tatsächlich eingetretene Risiko eines [X.]s aufgeklärt wurde. Sie ha-ben eine Haftung verneint, weil die Klägerin einen [X.] nicht plausibel dargelegt habe. Eine Anhörung der Klägerin ist weder beim Landge-richt
noch beim Berufungsgericht
erfolgt.
Das Vorbringen der Klägerin, sie hätte bei Kenntnis der Gefahren der [X.] eine Fachklinik aufgesucht,
ist als ausreichender
Vortrag
für einen [X.]
anzusehen, weil insoweit nur geringe Anforderun-gen an die
Substantiierungspflicht des Patienten zu stellen sind. Insbesondere gilt dies im Hinblick darauf, dass das Präparat Savene nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen
wegen der Kosten von ca. 12.000

als Notfallpräparat vermutlich nicht und auch nur in der [X.] der medizinischen Hochschule H. vorgehalten wird. Im Hinblick auf die möglichen schwerwiegenden Folgen eines [X.]s durfte die Plausibilität eines Ent-scheidungskonflikts
unter diesen Umständen nicht ohne Anhörung der Klägerin verneint werden.
Das Vorliegen eines Ausnahmefalls, auf den die Nichtzulas-sungsbeschwerdeerwiderung
für das Absehen von der Anhörung abstellen will, hat das Berufungsgericht
nicht angenommen und ist auch nicht gegeben. Es liegt
mithin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor.
Hinsichtlich einer behaupteten fehlerhaften Behandlung
war die Be-schwerde zurückzuweisen,
weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grund-sätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts

7
8
-
6
-

erfordert (§
543
Abs.
2 Satz
1
ZPO). Von einer näheren Begründung wird ge-mäß §
544
Abs.
4 Satz
2, 2.
Halbs.
ZPO abgesehen.

Galke
Stöhr
Offenloch

Oehler
Roloff

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.03.2014 -
5 O 158/12 -

OLG Celle, Entscheidung vom 06.10.2014 -
1 [X.] -

Meta

VI ZR 418/14

29.09.2015

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2015, Az. VI ZR 418/14 (REWIS RS 2015, 4715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4715

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.