Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2013, Az. 6 P 3/13

6. Senat | REWIS RS 2013, 2587

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Gegenstand

Einigung auf Einigungsstellenvorsitzenden; Mitbestimmungsverfahren zwischen Eigenbetriebsleiter und Personalrat des Eigenbetriebs


Leitsatz

Kommt im Mitbestimmungsverfahren zwischen dem Eigenbetriebsleiter und dem Personalrat des Eigenbetriebs keine Einigung zustande und ruft einer von ihnen daraufhin die Einigungsstelle (§ 85 SächsPersVG ) an, obliegt nicht nur die in § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersVG geregelte Bestellung der Beisitzer der Einigungsstelle dem Eigenbetriebsleiter und dem Personalrat des Eigenbetriebs, sondern sind diese auch zuständig für die Einigung auf die Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle. Dies gilt auch dann, wenn beim Oberbürgermeister der Stadt in Absprache mit dem Gesamtpersonalrat eine Einigungsstelle als ständige Einrichtung (§ 85 Abs. 1 Satz 2 SächsPersVG) eingerichtet und für diese ein Vorsitzender benannt ist.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Zuständigkeit zur Einigung über den Vorsitzenden der Einigungsstelle gemäß § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersV[X.].

2

Der antragstellende Personalrat des [X.] Behindertenhilfe verweigerte die Zustimmung zur Einstellung einer Logopädin durch den Beteiligten, den Betriebsleiter des Eigenbetriebs. Der Beteiligte rief die beim Oberbürgermeister der Stadt in Absprache mit dem dort gebildeten [X.]esamtpersonalrat ständig eingerichtete Einigungsstelle an. Diese empfahl die Einstellung der Logopädin.

3

Der Antragsteller vertritt den Standpunkt, eine Sitzung der Einigungsstelle habe ohne vorherige Einigung zwischen ihm und dem Beteiligten auf die Person des Vorsitzenden nicht stattfinden dürfen; die zwischen dem Oberbürgermeister und dem [X.]esamtpersonalrat erfolgte Einigung auf einen Vorsitzenden sei für ihn und den Beteiligten nicht bindend. Seine dahingehenden Feststellungsanträge hat das Verwaltungsgericht abgelehnt: Sei bei einer Stadt durch den Oberbürgermeister und den [X.]esamtpersonalrat eine ständige Einigungsstelle im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 2 SächsPersV[X.] eingerichtet, so sei diese entscheidungs- bzw. empfehlungszuständig, wenn in einem [X.] zwischen dem [X.] und dem Personalrat des Eigenbetriebs keine Einigung erzielt worden sei. Die Zuständigkeit zur Einigung auf den Vorsitzenden der Einigungsstelle liege beim Oberbürgermeister und beim [X.]esamtpersonalrat.

4

Der Antragsteller verfolgt mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrechtsbeschwerde sein Begehren weiter.

5

Der Beteiligte verteidigt den angefochtenen Beschluss und macht sich dessen Begründung zu eigen. Die Belange des Antragstellers würden dadurch hinreichend gewahrt werden, dass dieser die Beisitzer der Einigungsstelle bestimmen dürfe. Für die Zuständigkeit der zwischen dem Oberbürgermeister und dem [X.]esamtpersonalrat gebildeten Einigungsstelle sprächen auch [X.]ründe der Praktikabilität.

II.

6

Die zulässige Sprungrechtsbeschwerde ist begründet. Der Beschluss des [X.] beruht auf der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm (§ 88 Abs. 2 SächsPersV[X.] i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 Arb[X.][X.]). [X.]ommt im [X.] zwischen dem [X.] und dem Personalrat des Eigenbetriebs keine Einigung zustande und ruft einer von ihnen daraufhin die Einigungsstelle (§ 85 SächsPersV[X.]) an, obliegt nicht nur die in § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersV[X.] geregelte Bestellung der Beisitzer der Einigungsstelle dem [X.] und dem Personalrat des Eigenbetriebs, sondern sind diese auch zuständig für die Einigung auf die Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle. Dies gilt auch dann, wenn beim Oberbürgermeister der Stadt in Absprache mit dem [X.]esamtpersonalrat eine Einigungsstelle als ständige Einrichtung (§ 85 Abs. 1 Satz 2 SächsPersV[X.]) eingerichtet und für diese ein Vorsitzender benannt ist. Im Einzelnen:

7

1. Das [X.]esetz enthält eine ausdrückliche Regelung zur Entscheidungs- bzw. Empfehlungszuständigkeit der Einigungsstelle für den Fall, dass sich "zwischen der obersten Dienstbehörde und der bei ihr bestehenden zuständigen Personalvertretung" keine Einigung ergibt und daraufhin einer der Beteiligten die Erklärung abgibt, die Entscheidung der Einigungsstelle herbeizuführen (§ 79 Abs. 4 SächsPersV[X.]). Diese Regelung ist auf die [X.]onstellation gemünzt, dass zuvor gemäß § 79 Abs. 3 SächsPersV[X.] ein Stufenverfahren bis zur [X.] der obersten Dienstbehörde durchgeführt wurde, dieses aber nicht zu einer Einigung geführt hat.

8

2. Die Möglichkeit zur Anrufung der Einigungsstelle in [X.]onstellationen, in denen kein Raum für ein Stufenverfahren besteht - beispielsweise [X.] zwischen einer obersten Dienstbehörde und dem bei ihr bestehenden Hauspersonalrat -, ist im [X.]esetz nicht ausdrücklich erwähnt, wird von ihm aber als selbstverständlich vorausgesetzt. Diejenigen Beteiligten, die sich im [X.] nicht einigen können, können hier unmittelbar die Einigungsstelle anrufen.

9

3. Bei [X.] zwischen einem als selbständige Dienststelle im Sinne von § 6 SächsPersV[X.] eingerichteten Eigenbetrieb und dem bei ihm gebildeten (örtlichen) Personalrat besteht kein Raum für die Durchführung eines Stufenverfahrens. Eine Stufenvorlage gemäß § 79 Abs. 3 SächsPersV[X.] an den Oberbürgermeister als oberste Dienstbehörde (vgl. § 79 Abs. 6 SächsPersV[X.] i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 Sächs[X.]emO) scheidet aus. Der ihm gegenüber stehende [X.]esamtpersonalrat ist keine bei ihm bestehende Stufenvertretung im Sinne von § 79 Abs. 3 SächsPersV[X.], sondern dem (örtlichen) Personalrat des Eigenbetriebs personalvertretungsrechtlich gleichgeordnet (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/Peiseler, BPersV[X.], 7. Aufl. 2011, § 69 Rn. 36, 47; [X.]/[X.]/[X.], BPersV[X.], 12. Aufl. 2012, § 69 Rn. 24; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], Landespersonalvertretungsgesetz für den [X.], Band 2, Stand: Juni 2013, [X.] § 79 Rn. 78; allgemein: Beschluss vom 15. August 1983 - BVerw[X.] 6 P 18.81 - BVerw[X.]E 67, 353 <357> = [X.] 238.36 § 83 NdsPersV[X.] Nr. 1 S. 4). Der [X.] sowie der (örtliche) Personalrat des Eigenbetriebs sind berechtigt, bei fehlender Einigung unmittelbar die Einigungsstelle anzurufen. [X.] bleibt die Möglichkeit des Oberbürgermeisters, den [X.] im Rahmen seiner fachaufsichtlichen Befugnisse (vgl. § 10 SächsEigB[X.]) anzuweisen, die Anrufung der Einigungsstelle zu unterlassen.

4. [X.]emäß § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersV[X.] besteht die Einigungsstelle "aus je drei Beisitzern, die von der obersten Dienstbehörde und der bei ihr bestehenden zuständigen Personalvertretung bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Seiten einigen". Mit diesen Festlegungen hat das [X.]esetz die in § 79 Abs. 4 SächsPersV[X.] ausdrücklich geregelte [X.]onstellation vor Augen, dass die Anrufung der Einigungsstelle nach Durchführung eines Stufenverfahrens durch die oberste Dienstbehörde oder die bei ihr bestehende zuständige Personalvertretung - d.h. den zuständigen Hauptpersonalrat (vgl. § 54 Abs. 1 SächsPersV[X.]) - erfolgt. Das [X.]esetz folgt insoweit der Vorstellung, dass diejenigen, die den Streit zuletzt in der Hand hatten, sowohl im Hinblick auf ihre thematische Vertrautheit mit dem Streitgegenstand wie unter legitimatorischen [X.]esichtspunkten am ehesten berufen sind, die personelle Zusammensetzung der Einigungsstelle zu bestimmen.

5. Übertragen auf die hier vorliegende [X.]onstellation führt diese Vorstellung zu dem Ergebnis, dass die Beisitzerbestellung bzw. die Einigung auf den Vorsitzenden dem [X.] sowie dem Personalrat des Eigenbetriebs obliegen muss. Der [X.]esamtpersonalrat kann - da er keine Stufenvertretung darstellt und daher mit dem Streit zuvor nicht befasst werden konnte - schwerlich als "zuständige" Personalvertretung im Sinne von § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersV[X.] aufgefasst werden. Er wäre zudem, da er nicht nur die Beschäftigten des Eigenbetriebs repräsentiert, in geringerem Maß als der Personalrat des Eigenbetriebs zur Beisitzer- bzw. Vorsitzendenbestimmung legitimiert. Zuständige Personalvertretung ist er in einer einstufigen Verwaltung mit verselbständigten Dienststellenteilen nur dann, wenn der Leiter der [X.]esamtdienststelle in dieser Eigenschaft eine beteiligungspflichtige Maßnahme trifft (vgl. dazu Beschlüsse vom 30. Juli 2010 - BVerw[X.] 6 P 11.09 - [X.] 250 § 52 BPersV[X.] Nr. 1 Rn. 20 und vom 13. September 2010 - BVerw[X.] 6 P 14.09 - [X.] 251.92 § 71 SAPersV[X.] Nr. 2 Rn. 17; zur Bildung mehrerer, nebeneinander stehender Einigungsstellen: [X.], a.a.O. § 71 Rn. 3; [X.]erhold, in: [X.]/[X.]/[X.]erhold/[X.]/[X.]/[X.], BPersV[X.], § 71 Rn. 15 f.; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], Personalvertretungsrecht, 4. Aufl. 2012, § 71 Rn. 9 f.; [X.]/[X.]/[X.], a.a.O. § 71 Rn. 6; a.A. nur in begrifflicher Hinsicht: [X.]/[X.]oeres/[X.]ronimus, in: [X.][X.]ÖD Bd. V, [X.] § 71 Rn. 6a und 9).

6. Entgegen der Auffassung des [X.] kann die Zuständigkeit zur Beisitzerbestellung nicht von der Zuständigkeit zur Einigung über die Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle unterschieden werden. Wenn § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersV[X.] im letzten Satzteil die Einigung über den Vorsitzenden "beiden Seiten" zuweist, wird hiermit ersichtlich an die Zuständigkeitszuweisung angeknüpft, die im ersten Satzteil im Hinblick auf die Beisitzerbestellung vorgenommen wird. Hätte der [X.]esetzgeber insoweit eine Unterscheidung vornehmen wollen, hätte es für ihn im Lichte der üblichen gesetzesredaktionellen [X.]epflogenheiten nahegelegen, dies ausdrücklich anzuordnen.

7. [X.]eine abweichenden Maßgaben gelten in dem Fall, dass von der in § 85 Abs. 1 Satz 2 SächsPersV[X.] eröffneten Möglichkeit [X.]ebrauch gemacht worden ist, die Einigungsstelle als ständige Einrichtung zu bilden. Die in § 85 Abs. 1 Satz 3 SächsPersV[X.] festgelegten Bestellungs- bzw. Einigungszuständigkeiten beziehen sich sowohl auf diesen Fall wie auf den Fall der anlassbezogenen Bildung einer Einigungsstelle bei [X.] in einem konkreten [X.]. Das [X.]esetz enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass eine durch die oberste Dienstbehörde und eine bei ihr bestehende Personalvertretung als ständige Einrichtung gebildete Einigungsstelle auch für Entscheidungen bzw. Empfehlungen in [X.] zuständig sein soll, mit denen die oberste Dienstbehörde sowie die bei ihr bestehende Personalvertretung nicht selbst befasst werden könnten. Die erwähnten [X.]esichtspunkte der Sachnähe und der repräsentativen Legitimation sprechen gegen diese Hypothese. Entgegen der Auffassung des [X.] spricht für sie nicht der Umstand, dass § 85 Abs. 1 Satz 2 SächsPersV[X.] die Einigungsstelle im Singular erwähnt. Der Singular wird auch in den Bestimmungen der § 85 Abs. 1 Satz 1, § 85 Abs. 1 Satz 3 sowie in § 79 Abs. 4 SächsPersV[X.] verwandt, bei denen keinen Zweifeln unterliegt, dass "die Einigungsstelle" als [X.]attungsbegriff gemeint ist.

Meta

6 P 3/13

20.09.2013

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: P

vorgehend VG Dresden, 25. Januar 2013, Az: 9 K 84/12, Beschluss

§ 85 Abs 1 S 3 PersVG SN, § 85 Abs 1 S 2 PersVG SN, § 79 Abs 3 PersVG SN, § 79 Abs 4 PersVG SN

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.09.2013, Az. 6 P 3/13 (REWIS RS 2013, 2587)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2587

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