Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2005, Az. II ZR 66/03

II. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 3676

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL [X.]/03 Verkündet am: 9. Mai 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

AktG §§ 57, 62; GmbHG §§ 32 a, 32 b

a) [X.] sind auf Finanzierungshilfen eines Aktionärs in der Regel nur dann sinngemäß anzuwenden, wenn er mehr als 25 % der Aktien der [X.] hält oder - bei geringerer, aber nicht unbe-trächtlicher Beteiligung - verbunden mit weiteren Umständen über gesell-schaftsrechtlich fundierte Einflußmöglichkeiten in der [X.] verfügt, die einer Sperrminorität vergleichbar sind. Ein Vorstands- oder [X.] genügt dafür nicht (Ergänzung zum [X.].Urt. v. 26. März 1984 - [X.], [X.] 90, 381 ff.).
b) Die [X.]sbeteiligungen mehrerer eine Finanzierungshilfe gewähren-der [X.]er können jedenfalls dann nicht zusammengerechnet wer-den, wenn die Hilfe nicht auf Krisenfinanzierung angelegt ist, außerhalb einer Krise der [X.] gewährt wird und ein "koordiniertes Stehenlassen" der Hilfe in der Krise der [X.] nicht festzustellen i[X.]
[X.], Versäumnisurteil vom 9. Mai 2005 - [X.]/03 - OLG Dresden

LG Dresden - 2 - [X.] [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2005 durch [X.] Dr. Goette, [X.], [X.], [X.] und Caliebe für Recht erkannt: Auf die Revision des Beklagten zu 1 wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 21. Januar 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten zu 1 zurückgewiesen worden i[X.] Auf die Berufung des Beklagten zu 1 wird unter Abänderung des Urteils der 9. Zivilkammer des [X.] vom 29. Januar 2002 die Klage gegen ihn abgewiesen. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten des [X.] in erster und in zweiter Instanz tragen die Beklagten zu 2 bis 4 als Gesamtschuldner 3/4, der Kläger 1/4; die außergerichtli-chen Kosten des Beklagten zu 1 trägt der Kläger; diejenigen der Beklagten zu 2 bis 4 tragen diese selb[X.] Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger. Die [X.] zu 2 bis 4 tragen die Kosten ihrer zurückgenommenen [X.]. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Der Kläger ist Insolvenzverwalter einer "Bauhandwerker"-Aktiengesell-schaft mit einem Grundkapital von 100.000,00 DM, das zu 10 % von dem [X.] zu 1 und zu je 30 % von den vormaligen Beklagten zu 2 bis 4 gehalten wird. Jeder von ihnen war zugleich Vorstandsmitglied, der Beklagte zu 1 als Vorsitzender; er schied am 15. Juni 2000 aus dem Vorstand aus und wurde am 3. Juli 2000 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gewählt. [X.] hatte jeder der Beklagten eine selbstschuldnerische Einzelbürgschaft bis zum Höchstbetrag von 1,015 Mio. DM für Verbindlichkeiten der [X.] gegen-über deren Hausbank übernommen. Der Kontokorrentkredit valutierte zum 31. Juli 2000 mit 471.939,50 DM und wurde von der Hausbank am 11. August 2000 gekündigt, woraufhin die Gemeinschuldnerin am 14. August 2000 Insol-venzantrag stellte. Die Kreditschuld ermäßigte sich durch Verrechnung mit Gut-haben und durch Zahlungseingänge auf dem Konto der Gemeinschuldnerin um 206.333,97 DM, so daß die Bank im Oktober 2000 eine Restforderung von nur noch 265.605,53 DM zur Insolvenztabelle anmeldete. Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagten auf Zahlung des [X.] gegenüber dem Kontostand vom 31. Juli 2000 in Höhe von 206.333,97 DM aus §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 62 [X.]. §§ 30, 31 GmbHG ana-log in Anspruch genommen, weil ihre Bürgschaften spätestens seit 30. Juni 2000 Eigenkapital ersetzt hätten und sich ihre Bürgenhaftung durch die Kredit-rückführung aus [X.]smitteln entsprechend ermäßigt habe. Beide [X.] haben der Klage entsprochen. Mit seiner - von dem [X.]at auf Nicht-zulassungsbeschwerde zugelassenen - Revision erstrebt der Beklagte zu 1 die Abweisung der Klage. Die Beklagten zu 2 bis 4 haben - nach Verweigerung der - 4 - von ihnen nachgesuchten Prozeßkostenhilfe - ihre [X.] zurückgenommen. Entscheidungsgründe: Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu [X.] Da der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem [X.]at trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntmachung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil zu erkennen. Das Urteil beruht aber nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung ([X.] 37, 79). [X.] Das Berufungsgericht meint, der Beklagte zu 1 sei - ebenso wie die vormaligen Beklagten zu 2 bis 4 - an der Gemeinschuldnerin "unternehmerisch beteiligt" und damit Adressat der im Aktienrecht entsprechend anzuwendenden [X.]regeln gewesen. Seine Beteiligungsquote von 10 % erreiche zwar die für die Annahme einer unternehmerischen Beteiligung in der Regel notwendige Marge von mehr als 25 % des Grundkapitals nicht, sei aber nicht unbeträchtlich, wobei hinzu komme, daß er sowohl durch seine ursprüngliche Stellung als alleinvertretungsberechtigter Vorstandsvorsitzender als auch durch den zuletzt innegehabten Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden maßgeblichen Einfluß auf die Leitung des Unternehmens habe ausüben können. Spätestens am 30. Juni 2000 sei die Schuldnerin [X.] und sogar zahlungsunfä-hig gewesen, weil den an diesem Tag fälligen Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 950 [X.] nur eine Liquidität i.H.v. ca. 545 [X.] gegenübergestanden habe. - 5 - I[X.] Das hält im Ausgangspunkt revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Nach dem [X.]atsurteil vom 26. März 1984 ([X.], [X.] 90, 381 ff.) sind zwar die von dem [X.]at zum GmbH-Recht entwickelten [X.] über die Behandlung eigenkapitalersetzender [X.]erdarlehen (vgl. [X.] 90, 370 ff. und [X.]Rspr.) oder ihnen gleichstehender Finanzierungshilfen auf eine Aktiengesellschaft sinngemäß anzuwenden, wenn der Darlehensgeber an ihr unternehmerisch beteiligt i[X.] Das setzt in der Regel einen Aktienbesitz von mehr als 25 % voraus. Hieran ist für das Aktienrecht auch nach [X.] der Neuregelung des § 32 a Abs. 3 Satz 2 GmbHG aufgrund der [X.] Unterschiede zwischen einer Aktiengesellschaft und einer GmbH ([X.] 90, 381, 387 ff.) festzuhalten (vgl. auch Begr. [X.] zu § 32 a Abs. 3 Satz 2 GmbHG, BT-Drucks. 13/7141 S. 11 f.), ohne daß es darauf ankommt, ob die genannten Unterscheidungskriterien im Einzelfall vorliegen. Eine rechts-formunabhängige Differenzierung je nach der "personalistischen" oder "kapitali-stischen" Struktur der betreffenden Aktiengesellschaft oder nach dem Motiv für die Beteiligung sieht das Gesetz nicht vor; sie wäre auch der Rechtssicherheit abträglich. Für die Behandlung von Aktionärsdarlehen unter dem Gesichtspunkt des [X.]es bleibt es vielmehr dabei, daß eine die Kapitalausstat-tung der [X.] einschließende unternehmerische Verantwortung ein Min-destmaß an Einfluß voraussetzt, wie ihn in der Regel nur ein größerer [X.] von mehr als 25 % vermittelt ([X.] 90, 381, 390). Eine Beteiligung in dieser Höhe verschafft ihrem Inhaber ein u.U. ausschlaggebendes, gesell-schaftsrechtlich fundiertes Mitspracherecht in Angelegenheiten der Gesell-schaft, die für deren Geschicke beson[X.] wichtig sind und über die daher die Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen hat. Der damit gegebene Einfluß des Aktionärs läßt ein ihm entsprechendes unternehmeri-- 6 - sches Interesse vermuten ([X.]at aaO S. 391); das gilt auch dann, wenn die Satzung der [X.] - wie im vorliegenden Fall - eine Dreiviertelmehrheit nur in den gesetzlich zwingend bestimmten Fällen vorschreibt. Gegenüber dem Beklagten zu 1 mit einem Aktienbesitz von nur 10 % greift eine entsprechende Vermutung nicht ein. 2. Allerdings kann nach dem genannten [X.]atsurteil ([X.] 90, 381 ff.) ausnahmsweise auch ein unterhalb der [X.] liegender, aber nicht unbeträchtlicher Aktienbesitz die Annahme einer unternehmerischen Be-teiligung als Grundlage für eine Finanzierungsfolgenverantwortung des betref-fenden Aktionärs dann rechtfertigen, wenn der Aktienbesitz ihm in Verbindung mit weiteren Umständen Einfluß auf die Unternehmensleitung sichert und er ein entsprechendes unternehmerisches Interesse erkennen läßt ([X.]at aaO S. 391 f.). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt dafür aber nicht, daß der Beklagte ursprünglich einmal Vorstandsvorsitzender und später Vorsit-zender des Aufsichtsrats der Schuldnerin war. a) Die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat reicht für die Annahme eines unter-nehmerischen Einflusses schon deshalb nicht aus, weil dieses Organ den für die Geschäftsleitung in eigener Verantwortung zuständigen Vorstand (§ 76 Abs. 1 AktG) nur zu überwachen (§ 111 AktG), insbesondere die Geschäftspoli-tik nicht zu bestimmen hat und ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied diese auch nicht mittelbar durch Bestellung oder Abberufung des Vorstands (§ 84 AktG) bestimmen kann (vgl. auch [X.]at, [X.] 90, 381, 392). b) Zu einer Finanzierungsfolgenverantwortung führt im Aktienrecht aber auch nicht schon eine Vorstandsfunktion, wenn sie mit einem gewissen [X.] verbunden i[X.] Daß die Organmitglieder Aktien "ihrer" [X.] hal-- 7 - ten, ist praktisch die Regel. Dies allein macht ihre [X.]sbeteiligung noch nicht zu einer "unternehmerischen" in dem hier maßgebenden Sinne (vgl. dazu [X.] 90, 381, 391 f.). Um die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Vorstands nach außen (§§ 76, 78 AktG) geht es hier nicht, sondern um die innergesellschaftliche Verantwortung für eine seriöse Kapitalausstattung. Diese trifft nur Aktionäre, die zumindest über eine Sperrminorität oder einen ihr quali-tativ gleichkommenden, gesellschaftsrechtlich fundierten Einfluß innerhalb der [X.] verfügen, wie das z.B. bei konzernmäßiger Verflechtung oder bei einem Konsortialvertrag zwischen mehreren Aktionären mit insgesamt 25 % übersteigender Beteiligung der Fall ist (vgl. [X.], Aktienrecht, [X.] Rechtsprechung 5. Aufl. [X.]. 293; [X.], [X.]. § 57 [X.]. 18). Das Zusammentreffen von [X.] und Aktienbesitz von 10 % eröffnete dem Beklagten keine entsprechenden Einflußmöglichkeiten. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, daß der Beklagte schon vor dem von dem Berufungsgericht angenommenen Zeitpunkt der Umqualifizierung der Bürgschaften in [X.] (30. Juni 2000) aus dem Vorstand [X.] war und es für den persönlichen Geltungsbereich der Eigenkapitaler-satzregeln auf die Verhältnisse nach [X.] ankommt (vgl. [X.] 81, 252, 258 f.; [X.].Urt. v. 2. April 2001 - [X.], [X.], 839). 3. Ob bei koordinierter Finanzierung oder Stehenlassen einer Hilfe in der Krise durch mehrere Aktionäre, die insgesamt mehr als 25 % des Grundkapitals der [X.] halten, jeder von ihnen ungeachtet der Höhe seiner Einzelbe-teiligung den [X.]regeln unterfällt (so [X.] in [X.] 2. Aufl. § 57 [X.]. 180; zur entsprechenden Problematik des § 32 a Abs. 3 Satz 2 GmbHG vgl. v. [X.], GmbHR 1997, 677, 679; [X.], GmbHR 1999, 437, 444; [X.]. in [X.]/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 32 a Nr. 93; - 8 - [X.], GmbHR 1999, 1269, 1272; [X.]. in [X.], GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a, b [X.]. 187; a.[X.]/[X.], GmbHG 16. Aufl. §§ 32 a/b [X.]. 67), bedarf hier keiner umfassenden Entscheidung. Eine koordinierte Finanzierungshilfe in diesem Sinne liegt jedenfalls nicht schon darin, daß die Beklagten im Jahr 1998 jeweils eine Bürgschaft für Bankverbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin übernommen haben, wie das von Banken bei der Kredit-vergabe an kleinere Kapitalgesellschaften nicht selten gefordert wird. Es ist nicht festgestellt oder vorgetragen, daß die Gemeinschuldnerin schon damals [X.] war oder die Bürgschaften von vornherein auf Krisenfinanzie-rung angelegt waren und deshalb ein Befreiungsanspruch gemäß § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen sein sollte (vgl. dazu [X.].Urt. v. 9. Oktober 1986 - [X.], [X.], 169, 171). Entgegen mitunter mißverständlichen For-mulierungen im Schrifttum kann es für eine wechselseitige Zurechnung und Zu-sammenrechnung der [X.]sbeteiligungen der die Finanzierungshilfe gewährenden [X.]er in dem hier in Betracht kommenden Fall einer Umqualifizierung der [X.]erhilfe durch "Stehenlassen" nicht darauf an-kommen, daß die Hilfe außerhalb der Krise koordiniert gewährt wurde, vielmehr ist ein "koordiniertes Stehenlassen" in der Krise der [X.] erforderlich (vgl. auch [X.] aaO). Die bloße Tatsache, daß die Beklagten, welche die nach ihrem Vortrag durch Zahlungsausfälle zweier Großschuldner der Gesell-schaft und durch nachfolgende Kreditkündigung seitens der Hausbank unerwar-tet eingetretene Krise der [X.] erst unmittelbar vor Stellung des Insol-venzantrags erkannt haben wollen, nicht schon früher ihren Befreiungsanspruch nach § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB geltend gemacht und/oder Insolvenzantrag - 9 - gestellt haben, reicht für die Annahme eines "koordinierten" [X.] nicht aus. [X.] [X.]
[X.] Caliebe

Meta

II ZR 66/03

09.05.2005

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.05.2005, Az. II ZR 66/03 (REWIS RS 2005, 3676)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 3676

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