Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2012, Az. 3 StR 422/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1548

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 422/12
vom
13. November 2012
in der Strafsache
gegen

1.
2.
3.

wegen
schweren Raubes
u.a.

-
2
-
Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung der Beschwerde-führer und des [X.] -
zu 2. auf dessen Antrag -
am 13.
November 2012 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 10.
April 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

a)
zu Tat 1 der Urteilsgründe insgesamt;

b)
darüber hinaus,

[X.])
soweit es den Angeklagten [X.]

betrifft, im [X.] über die Gesamtfreiheitsstrafe und soweit die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in [X.] unterblieben ist;

bb)
soweit es die Angeklagten G.

und L.

be-trifft, im Strafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der [X.], an eine andere [X.] des [X.] zurückver-wiesen.

2.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten [X.]

wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Frei-heitsberaubung, Nötigung und Vergewaltigung (Tat 1 der Urteilsgründe), wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung (Tat 2 der Urteilsgründe) und wegen Körperverletzung (Tat 3 der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Gegen die Angeklagte G.

hat es wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpres-sung, gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Nötigung (Tat 1 der Urteilsgründe) eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten aus-gesprochen und gegen den Angeklagten L.

wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischer Erpressung, gefährlicher Körperverletzung, Frei-heitsberaubung, Nötigung und Vergewaltigung (Tat 1 der Urteilsgründe) sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit räuberischer Erpressung und Freiheitsberaubung (Tat 2 der Urteilsgründe) eine Jugendstrafe von drei Jahren verhängt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die [X.] der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. [X.] wegen schweren Raubes im Fall der Tat 1 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen des [X.] kamen die Angeklagten überein, den Geschädigten [X.]

, der angeblich schlecht über den Angeklag-ten [X.]

gesprochen habe, körperlich zu züchtigen; außerdem wollten sie sich an ihm bereichern. Die Angeklagte
G.

verabredete sich zum Schein 1
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mit ihm, am Treffpunkt erschienen auch die Angeklagten [X.]

und L.

. Dabei war allen Angeklagten bewusst, dass das Auftreten des Angeklagten [X.]

auf den Geschädigten bedrohlich wirkte. Nachdem er diesen
zunächst zur Herausgabe von Geld und anderen Wertgegenständen an die Angeklagte G.

genötigt hatte, schlug der Angeklagte [X.]

mehrfach auf den [X.] ein, auch, während sie sich zu dessen Wohnung begaben. Dort an-gelangt, verschafften sich die Angeklagten erneut unter Einschaltung einer List gegen den Willen des Geschädigten Zutritt, nahmen ihm den Schlüssel ab und sperrten die Wohnungstür zu. In den folgenden Stunden schlugen die Ange-klagten [X.]

und L.

mehrfach abwechselnd mit den Fäusten auf [X.]

ein. Ohne dass die [X.] nähere Feststellungen zur zeitlichen Abfolge treffen konnte, nötigte der Angeklagte [X.]

den Geschädigten zur Herausgabe eines Computers und zur Abfassung eines diesbezüglichen Schenkungsvertrages, schlug und bewarf ihn mit einem Deo-Roller, trat ihn mit dem beschuhten Fuß gegen den Rumpf, drückte eine Zigarette auf seinem Rü-cken aus und forderte ihn auf, den Penis des Angeklagten L.

in den Mund zu nehmen, und diesem "einen zu blasen". Aus Angst vor weiteren Über-griffen leistete [X.]

allen an ihn gerichteten Ansinnen -
auch denen, den Urin der Angeklagten und ein Gemisch aus Bier, Zigarettenasche und Zigarettenfil-tern zu trinken -
Folge, gab außerdem seine EC-Karte heraus und teilte
der An-geklagten G.

auf Verlangen des Angeklagten [X.]

die Geheimnummer mit; die Angeklagte G.

hob so 300

von seinem Konto ab, die die Ange-klagten untereinander aufteilten. Zudem packten die Angeklagten Stehlenswer-tes in Taschen und Rucksäcken des Geschädigten zusammen und stellten [X.] im Flur der Wohnung zum Abtransport bereit. [X.]

leistete "unter dem
fortwirkenden Eindruck der Gewalt" auch hierbei keine Gegenwehr.
-
5
-

Gegen drei Uhr am nächsten Morgen verließen die Angeklagten mit ihrer Beute und dem Geschädigten die Wohnung, und zwangen diesen, sich mit ihnen in die Wohnung der Angeklagten G.

zu
begeben, wo sie erneut die Tür zusperrten, um [X.]

an der Flucht zu hindern. Die Angeklagten [X.]

und L.

schlugen auch hier über mehrere Stunden in wechselnder Beteili-gung auf den Geschädigten ein.
b) Das [X.] hat den Tatbestand des
schweren -
richtig: des [X.] schweren (vgl. [X.], Beschluss vom 2. März 2010 -
3 [X.]) -
Raubes als erfüllt angesehen, weil der Angeklagte [X.]

zu einer Zeit, als die Wegnahme der in der Wohnung zusammengepackten Gegenstände noch nicht vollendet gewesen sei, den Geschädigten mit einem Deo-Roller an den Kopf geschlagen und so bei der Tat ein gefährliches Werkzeug verwendet habe (§
250 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Diese Annahme wird von den Feststellungen nicht belegt. "Bei der Tat" verwendet der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn er es zweckgerichtet im Rahmen der Verwirklichung des [X.] gebraucht, also als Nöti-gungsmittel zur Herbeiführung der Wegnahme [X.], StGB, 59. Aufl., § 250 Rn. 18). Zu der Vorstellung des Angeklagten [X.]

bei dem Schlag mit dem Deo-Roller und zu der erforderlichen finalen Verknüpfung zwischen dessen Einsatz und der Wegnahme der Gegenstände hat die [X.] keine Fest-stellungen getroffen. Dies erübrigte sich weder wegen des zeitlichen Zusam-menhangs noch mit Blick auf das übrige Tatgeschehen, denn dieses lässt es zumindest ebenso naheliegend erscheinen, dass der Angeklagte [X.]

sein Opfer, das von ihm und dem Angeklagten L.

in vielfacher Art und Weise misshandelt und gedemütigt wurde und deshalb bereits massiv eingeschüchtert war, durch den Schlag mit dem Deo-Roller nur weiter quälen wollte. Auch die Annahme des [X.], der Schlag sei jedenfalls noch in Beute-4
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sicherungsabsicht erfolgt,
was für eine Verwendung "bei der Tat" ausreichen würde ([X.], Beschluss vom 1.
Oktober 2008 -
5 [X.], [X.]St 52,
376,
377), findet in den Feststellungen keine Stütze; dagegen spricht insbesondere, dass die Angeklagten den Geschädigten -
mit ihrer Beute -
noch in die Woh-nung der Angeklagten G.

verbrachten, um ihn dort weiter zu misshandeln.
c) Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen (besonders) schweren Raubes lässt auch die -
von diesem Rechtsfehler nicht betroffene -
Verurteilung wegen der [X.] dazu begangenen Delikte entfallen. Für eine neue [X.] weist der Senat auf Folgendes hin:
Das neue Tatgericht wird zu prüfen haben, ob das Geschehen bis zum Verlassen der Wohnung des Geschädigten nicht auch unter den Tatbestand des erpresserischen [X.] nach § 239a Abs.
1 StGB -
jedenfalls in der Variante des Ausnutzens einer Bemächtigungslage -
zu subsumieren ist. Dabei ist zu bedenken, dass auch die erzwungene Wegnahme eine "Erpres-sung" im Sinne von §
239a StGB darstellen kann, weil der Tatbestand der [X.] mit umfasst ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 2007 -
3 [X.], [X.], 16, 17 mwN).
Bei den Tatbeständen des Raubes und der räuberischen Erpressung ist gleichermaßen erforderlich, dass zwischen dem Einsatz des [X.] und der Wegnahme bzw. dem erstrebten Vermögensvorteil ein finaler Zusam-menhang besteht. Dieser erfordert, dass Gewalt oder die Drohung damit vom Täter eingesetzt wird, um die Wegnahme zu ermöglichen bzw. das Opfer zu der vermögensschädigenden Handlung zu veranlassen; dass das Opfer Angst vor den [X.] hat, ist insoweit nicht ausreichend. Zwar mag es in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Opfer zahlreichen -
allerdings nicht notwendig in Zusammenhang mit Raub oder räuberischer Erpressung stehenden -
körper-6
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lichen Übergriffen ausgesetzt war, naheliegen, dass die Täter für den Fall, dass sich das Opfer ihrem erpresserischen Ansinnen verwehrt oder einer Wegnah-me entgegentritt, zumindest konkludent mit der Anwendung weiterer Gewalt drohen. Dies enthebt das Gericht indes nicht einer diesbezüglichen Feststel-lung (vgl. hierzu [X.], [X.], 28. Aufl., Rn.
281 ff.).
Mit Blick auf den Tatabschnitt, in dem der Geschädigte -
auf entspre-chende Aufforderung des Angeklagten [X.]

-
den Penis des Angeklagten L.

in den Mund nahm, ist zu bedenken, dass der Tatbestand der Verge-waltigung nach § 177 Abs. 2
Satz 2
Nr. 1 StGB ein eigenhändiges Delikt dar-stellt, das der Angeklagte [X.]

, zwischen dem
und dem Geschädigten es zu keinem Körperkontakt kam, folglich nicht verwirklicht hat. Allerdings kommt ein besonders schwerer Fall der sexuellen Nötigung nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB in Betracht.
Das neue Tatgericht wird zudem die Abhebung von Geld vom Konto des Geschädigten durch die Angeklagte G.

mit der zuvor abgenötigten EC-Karte und der Geheimnummer auch unter dem Gesichtspunkt des § 263a Abs.
1 StGB in der Alternative des unbefugten Verwendens von Daten zu wür-digen haben.
2. a) Die
teilweise Aufhebung des Schuldspruchs bedingt bezüglich des Angeklagten [X.]

die Aufhebung der insoweit verhängten Einsatzstrafe, so dass auch der [X.] keinen Bestand hat.
b) Auch die [X.] der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB begegnet hinsichtlich dieses Angeklag-ten durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die [X.] hat im Rahmen 9
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der Prüfung der Schuldfähigkeit des Angeklagten das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 64 StGB bejaht, die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift indes nicht angesprochen, obwohl der Angeklagte die Taten unter dem Einfluss von Alkohol und/oder Drogen beging. Vielmehr hat sie sich den Ausführungen des von ihr gehörten Sachverständigen angeschlossen, nach denen "das Tat-geschehen nicht, jedenfalls nicht in erster Linie auf den Hang", sondern "(in erster Linie) auf die dissoziale Persönlichkeitsstörung des Angeklagten" zu-rückzuführen sei. Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das [X.] von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis des sympto-matischen Zusammenhangs zwischen einem Hang zum übermäßigen Konsum von Rauschmitteln und der [X.] ausgegangen ist. Denn es ist nach [X.] Rechtsprechung nicht erforderlich, dass der Hang
die alleinige oder vor-rangige Ursache der [X.] ist; vielmehr ist es ausreichend, dass der Hang neben anderen Umständen dazu beigetragen hat, dass der Angeklagte erhebli-che Straftaten begangen hat ([X.], Beschluss vom 19. Mai 2009 -
3 [X.], [X.], 83, 84 mwN). Die Frage der Unterbringung des Angeklag-ten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachho-lung der Unterbringungsanordnung nicht ([X.], Urteil vom 10. April 1990
-
1 StR 9/90, [X.]St 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch den Tatrichter auch nicht vom [X.] ([X.], Urteil vom 7. Oktober 1992 -
2 StR 374/92, [X.]St 38, 362).
3. Die hinsichtlich der Angeklagten G.

vollständige und hinsichtlich des Angeklagten L.

teilweise Aufhebung des Schuldspruchs entzieht den verhängten Jugendstrafen ihre Grundlage. Mit Blick auf die Strafzumessungs-erwägungen der [X.] weist der Senat darauf hin, dass sich die Höhe der Jugendstrafe nach § 18 Abs. 2 [X.] vorrangig nach erzieherischen [X.]
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sichtspunkten bemisst. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abge-wogen worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. August 2012 -
3 [X.] und vom 28. Februar 2012 -
3 StR 15/12, [X.], 186, 187 mwN).
Becker [X.]Schäfer

Gericke Spaniol

Meta

3 StR 422/12

13.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.11.2012, Az. 3 StR 422/12 (REWIS RS 2012, 1548)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1548

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3 StR 422/12

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