Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2012, Az. I R 78/11

1. Senat | REWIS RS 2012, 1428

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Gegenstand

Beendigung der Steuerbefreiung bei Übertragung des Kassenvermögens einer Unterstützungskasse


Leitsatz

1. Eine Übertragung des nahezu gesamten Vermögens einer Unterstützungskasse auf einen anderen Rechtsträger lässt die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG 2002 mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume entfallen.   

2. Es liegt ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung während des Bestehens der Kasse vor, da die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nicht mehr tatsächlich für die Zwecke der Kasse "dauernd" gesichert i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c KStG 2002 ist (Bestätigung des Senatsurteils vom 15. Dezember 1976 I R 235/75, BFHE 121, 322, BStBl II 1977, 490).

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) ursprünglich als nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 des [X.] ([X.] 2002) steuerbefreit behandelt wurde. Mit Wirkung zum 1. Dezember 2006 übertrug der Kläger nahezu sein gesamtes Vermögen (1.021.580,94 €) auf die [X.]. Eine Beschlussfassung der Mitglieder des [X.] erfolgte hierzu nicht; die Satzung des [X.] wurde im Hinblick auf die Übertragung des Vermögens nicht geändert. Die [X.] übernahm die Verpflichtung des [X.] aus den Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Der gemeine Wert des Vermögens des [X.] betrug am 31. Dezember 2006  4.022,36 € und das zulässige Kassenvermögen 0 €.

2

In der Steuererklärung für das Streitjahr (2006) erklärte der Kläger steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 9.515,22 €. Er ging dabei von einer sog. Überdotierung der Kasse zum Ende des Wirtschaftsjahres in Höhe von 100 v.H. und damit von einer Körperschaftsteuerpflicht aus. In den Einkünften waren Rückstellungen für Verwaltungs- und Abwicklungskosten in Höhe von 37.000 € enthalten, die im Hinblick auf die Übertragung des Kassenvermögens auf die [X.] angefallen waren. Das [X.] erhöhte den erklärten Gewinn um die Aufwendungen für die Übertragung des Kassenvermögens in Höhe von 37.000 € und setzte die Steuer --auf der Grundlage steuerpflichtiger Einkünfte in Höhe von 48.065 €-- auf 10.715 € fest. Die geltend gemachten Aufwendungen wurden nicht zum Abzug zugelassen, da sie nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen stünden.

3

Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, dass er seit der Übertragung seines gesamten Vermögens zum 1. Dezember 2006 keine Unterstützungskasse mehr sei, da zu diesem Zeitpunkt die steuerbefreite Tätigkeit beendet worden sei. Eine Steuerpflicht bestehe daher erst ab dem 1. Dezember 2006 in vollem Umfang. Das Finanzgericht ([X.]) [X.] folgte dem nicht und wies mit Urteil vom 18. Oktober 2011  8 K 8184/08 die Klage ab. Es war der Auffassung, dass die Übertragung des vollständigen Kassenvermögens ohne Satzungsänderung nicht zu einer Beendigung der Steuerbefreiung des [X.] geführt hat, der Kläger zum 31. Dezember 2006 überdotiert und daher mit seinen im Streitjahr erzielten Einkünften steuerpflichtig war. Die Aufwendungen für die Auflösung und Abwicklung der Kasse sah das [X.] als Folgekosten der Steuerbefreiung und damit nach § 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1 [X.] 2002 als nicht abzugsfähig an.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

5

Er beantragt sinngemäß,
das [X.]-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid dahin abzuändern, dass die Körperschaftsteuer 2006 auf 892,92 € festgesetzt wird.

6

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. 1. Die Revision ist zulässig. Es ist unschädlich, dass das Streitjahr bei [X.] unrichtig angegeben wurde. Ein Irrtum über die Identität des angefochtenen Urteils ist ausgeschlossen, da der Kläger das angefochtene Urteil genau bezeichnet und der Revision beigefügt hat (vgl. [X.]surteil vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, [X.], 196, [X.] 1986, 474; Urteil des [X.] vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, [X.], 496, [X.] 1988, 604).

8

2. Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

9

Das [X.] ist zwar im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die im Streitjahr erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen in vollem Umfang der Besteuerung unterliegen. Die Feststellungen des [X.] reichen aber für eine abschließende Entscheidung nicht aus. Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang die tatsächlichen Feststellungen zu Art und Höhe der Aufwendungen für die Auflösung und Abwicklung der Kasse treffen müssen und hiernach zu entscheiden haben, ob diese Kosten in einem notwendigen Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Kapitalvermögen stehen oder als Kosten der Beendigung der Einkunftserzielung dem [X.] zuzuordnen sind.

a) Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 [X.] 2002 sind u.a. rechtsfähige Unterstützungskassen von der Körperschaftsteuer befreit, wenn neben weiteren Voraussetzungen sichergestellt ist, dass die ausschließliche und unmittelbare Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nach der Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung für die Zwecke der Kasse dauernd gesichert ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002). Diese Vermögensbindung betrifft die Sicherung des [X.] während des Bestehens der Kasse. Ist die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nicht dauernd gesichert, entfällt die Steuerbefreiung nicht nur mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum, in welchem die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben worden ist, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, soweit die Verjährung des Steueranspruchs noch nicht eingetreten ist. Das ergibt sich unmittelbar aus der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002, nach welcher die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse tatsächlich für die Zwecke der Kasse "dauernd" gesichert sein muss ([X.]surteil vom 15. Dezember 1976 I R 235/75, [X.], 322, [X.] 1977, 490).

Die Vermögensbindung während des Bestehens der Kasse ist von der Vermögensbindung bei Auflösung der Kasse zu unterscheiden. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002 knüpft die Steuerbefreiung daran, dass der Betrieb der Kasse nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe der Leistungen eine [X.] Einrichtung darstellt. Nach § 1 Nr. 2 der [X.] ([X.] 1977) handelt es sich bei einer Kasse nur dann um eine [X.] Einrichtung i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002, wenn bei Auflösung der Kasse deren Vermögen satzungsmäßig nur den Leistungsempfängern oder deren Angehörigen zugutekommt oder für ausschließlich gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verwendet werden darf. Die Vermögensbindung bei Auflösung der Kasse stellt, wie der erkennende [X.] in seinem Urteil vom 20. September 1967 I 62/63 ([X.], 177, [X.] 1968, 24) ausgeführt hat, eine der wichtigsten Voraussetzungen der Körperschaftsteuerfreiheit von Unterstützungskassen dar, die auch satzungsmäßig festzuhalten ist. Es ist daher nicht zulässig, dass nach Auflösung der Kasse das Vermögen an das Trägerunternehmen oder an den Unternehmer zurückfließt. Eine solche Verwendung läuft der Vorschrift des § 1 Nr. 2 [X.] 1977 zuwider und schließt die Steuerbefreiung aus (vgl. [X.]/[X.]/[X.], § 5 [X.] Rz 88, 95).

b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen liegt im Streitfall ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung während des Bestehens der Kasse vor. Nach den Feststellungen des [X.], gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden sind und an die der [X.] deshalb gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden ist, hat der Kläger im Streitjahr einen Betrag von 1.021.580,94 € auf die [X.] übertragen. Dieser Betrag stellte nahezu das gesamte Vermögen des [X.] dar. Der gemeine Wert dieses Vermögens betrug am Ende des [X.] und das zulässige Kassenvermögen 0 €. Aufgrund der Übertragung des nahezu gesamten Vermögens auf die [X.] ist die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse nicht mehr tatsächlich für die Zwecke der Kasse "dauernd" gesichert i.S. von § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002. Damit entfällt die Steuerbefreiung nicht nur mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum, in welchem die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben worden ist, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, soweit die Verjährung des Steueranspruchs noch nicht eingetreten ist. Der [X.] hält insoweit an seinem Urteil in [X.], 322, [X.] 1977, 490 fest. Dass dieses Urteil noch zur alten Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 7 [X.] a.F. [X.]. § 11 Nr. 1 [X.] a.F. ergangen ist, ist unbeachtlich. Die nachfolgende Regelungsänderung durch § 20 des Gesetzes zur Verbesserung der Betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 ([X.] 1974, 3610, [X.] 1975, 22) betraf die Entlassung des überdotierten Vermögens einer Unterstützungskasse aus der Vermögensbindung (jetzt § 6 Abs. 6 [X.] 2002; vgl. Urteil des [X.] Baden-Württemberg vom 1. Februar 1988 V K 145/87, juris); sie belässt die Regelung zur satzungsmäßigen Vermögensbindung, die vorliegend streitig ist, unberührt.  

c) Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Kasse im Zeitpunkt der Übertragung des [X.] bereits aufgelöst war und der Streitfall damit im Ergebnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002 [X.]. § 1 Nr. 2 [X.] 1977 und nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. [X.] 2002 zu beurteilen wäre. Der [X.] kann dahinstehen lassen, ob ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung bei Auflösung der Kasse auch dann vorliegen würde, wenn im Ergebnis --durch Übertragung der Kassenverpflichtungen auf die [X.]-- nur der Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung gewechselt worden wäre. Denn von einer Auflösung des [X.] ist jedenfalls nicht bereits im Zeitpunkt der Übertragung des [X.] zum 1. Dezember 2006 auszugehen. Die Trägerunternehmen haben, indem sie den Vertrag mit der [X.] abgeschlossen haben, faktisch über das Vermögen des [X.] verfügt, ohne dessen Gremien formal einzuschalten. Hieraus kann nicht die sofortige Auflösung des [X.] abgeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) kann zwar ein Verein [X.] erlöschen, wenn sich beispielsweise der Verein über einen längeren Zeitraum aus Interessenlosigkeit der Mitglieder nicht mehr betätigt oder den Vereinszweck tatsächlich aufgegeben hat (vgl. [X.]-Urteil vom 8. April 1976 II [X.], [X.] Teil IV --WM-- 1976, 686). Im Streitfall wird man diese Rechtsfolge aber nicht [X.] mit der Übertragung des [X.] annehmen können, da der Rechtsprechung des [X.] auch zu entnehmen ist, dass eine nur vorübergehende, kurzzeitige Nichtausübung des Vereinszwecks noch nicht zum Verlust des rechtlichen Status führt (vgl. [X.]-Urteil vom 26. Juni 1995 II ZR 282/93, [X.], 1446). So ist denn auch --worauf das [X.] zutreffend hinweist-- die Ansammlung begünstigten [X.] i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 3 [X.] 2002 und damit der Unternehmensgegenstand des [X.] unverändert bestehen geblieben.

d) Es ist nach alledem nicht weiter darauf einzugehen, ob den Vorschriften in § 6 [X.] 2002 zur Überdotierung und § 13 Abs. 2 und 5 [X.] 2002 zum Beginn und Ende einer Steuerbefreiung ein allgemeines Prinzip entnommen werden kann, wonach die Überdotierung auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum zum (unterjährigen) Ende der Steuerbefreiung vorzunehmen ist.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Die im Streitjahr erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen in vollem Umfang der Besteuerung. Da die Steuerbefreiung des [X.] aber nicht nur mit Wirkung für das Streitjahr, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume entfallen ist, sind die geltend gemachten Aufwendungen für die "Auflösung und Abwicklung" des [X.] nicht mehr als Folgekosten der steuerbefreiten Unterstützungskasse nach § 3c Abs. 1 EStG 2002 [X.]. § 8 Abs. 1 [X.] 2002 anzusehen. Das [X.] wird im zweiten Rechtsgang tatsächliche Feststellungen zu Art und Höhe der Aufwendungen für die "Auflösung und Abwicklung" der Kasse zu treffen haben, die eine Entscheidung ermöglichen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese Kosten in einem notwendigen Veranlassungszusammenhang zu den Einkünften aus Kapitalvermögen stehen oder als Kosten der Beendigung der Einkunftserzielung dem [X.] zuzuordnen sind.

Meta

I R 78/11

14.11.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 18. Oktober 2011, Az: 8 K 8184/08, Urteil

§ 3c Abs 1 EStG 2002, § 5 Abs 1 Nr 3 Buchst b KStG 2002, § 5 Abs 1 Nr 3 Buchst c KStG 2002, § 6 KStG 2002, § 13 KStG 2002, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.11.2012, Az. I R 78/11 (REWIS RS 2012, 1428)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1428

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