Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. 4 StR 242/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 2784

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:081117B4STR242.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 242/17

vom
8. November
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Körperverletzung

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 8.
November 2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21.
Februar 2017
a)
hinsichtlich der Entscheidung über die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung und
b)
im [X.]
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverlet-zung unter Einbeziehung der Geldstrafe aus einer früheren
Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtet sich die mit 1
-
3
-
der Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbe-gründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Der [X.] hat keinen Bestand.
a)
Das [X.] stützt die Annahme einer erheblich beeinträchtigten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der abgeurteilten Körper-verletzungstat auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, wonach das Tatverhalten ausreichend kausal auf die psychosebedingte Im-pulskontrollstörung des Angeklagten bei zugleich enthemmendem Alkoholein-fluss zurückzuführen sei, so
dass aus medizinischer Sicht eine erheblich ver-minderte Steuerungsfähigkeit vorliege. Zwar sei nicht auszuschließen, dass andere Einflussfaktoren, wie die dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung oder ein enthemmender Alkoholeinfluss, beim Entschluss zur Tatbegehung eine Rol-le gespielt hätten, die Tat beruhe aber ausreichend kausal zumindest auch auf der Impulskontrollstörung, die wiederum aus der chronifizierten Psychose des Angeklagten resultiere. Auf der Grundlage der Darlegungen des psychiatri-schen Sachverständigen ist die Strafkammer, die dem Angeklagten bei der Strafzumessung eine nicht unerhebliche Enthemmung aufgrund der [X.] zur Tatzeit zugutegehalten hat, im Rahmen ihrer Erwägungen zur Unterbringungsanordnung davon ausgegangen, dass die beim Angeklagten gegebene chronifizierte Psychose zumindest teilkausal

für die begangene Körperverletzungstat war.
b)
Diese Ausführungen belegen nicht die Voraussetzungen für die [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §
63 StGB.
2
3
4
-
4
-
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß §
63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der [X.] bei der Begehung der [X.] aufgrund eines psychischen De-fekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hier-auf beruht. Dieser Zustand muss, um eine Gefährlichkeitsprognose tragen zu können, von längerer Dauer sein (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 19.
Januar 2017

4
StR 595/16, [X.], 203, 204
mwN). Grundsätzlich verbietet sich daher die Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen solchen länger andauernden Defekt, sondern erst durch einen aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere von Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbrin-gung nach §
63
StGB aber ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkohol-sucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defekts alkoholsüchtig ist, der

ohne pathologisch zu sein

in seinem Schweregrad einer krankhaften seeli-schen Störung im Sinne der §§
20, 21 StGB gleichsteht (vgl. [X.], Urteil vom 8.
Januar 1999

2
StR
430/98, [X.]St 44, 338, 339 mwN; Beschluss vom 22.
November 2006

2
StR 430/06, [X.], 73). Ein Zustand im Sinne des §
63 StGB liegt ferner
dann vor, wenn der Täter an einer länger dauernden geistig-seelischen Störung leidet, bei der bereits geringer Alkoholkonsum oder andere alltägliche Ereignisse die akute erhebliche Beeinträchtigung der Steue-rungsfähigkeit auslösen können und dies getan haben (vgl. [X.], Urteil vom 29.
September 2015

1
StR 287/15, NJW 2016, 341
f.; Beschlüsse
vom 21.
Juni 2016

4
StR
161/16, [X.], 588; vom
1.
April 2014

2
StR 602/13, [X.], 207 [Ls]), wenn tragender Grund seines Zustands mithin die länger andauernde geistig-seelische Störung und die Alkoholisierung lediglich 5
-
5
-
der auslösende Faktor war und ist (vgl. [X.], Beschluss vom 19.
Januar 2017

4
StR
595/16, aaO).
Das [X.] hat weder tragfähig ausgeschlossen, dass die erheblich beeinträchtigte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung nicht erst durch ein Zu-sammenwirken des psychischen Defektzustands des Angeklagten mit der im Tatzeitpunkt hinzutretenden alkoholischen Beeinflussung herbeigeführt worden ist, noch verhalten sich die Urteilsgründe zu den dargelegten weiteren Voraus-setzungen, die in einer solchen Fallgestaltung für eine
Anordnung der Unter-bringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §
63 StGB erfüllt sein müssen.
c)
Der [X.] bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung. Der Senat weist darauf hin, dass es auch bei der Verwertung früherer psychiatrischer Diagnosen im Rahmen der Schuldfä-higkeitsbeurteilung grundsätzlich erforderlich ist, die den jeweiligen Diagnosen zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen mitzuteilen. Der neue mit der Sache befasste Tatrichter wird gehalten sein, eingehendere Feststellungen als bisher zu dem Verlauf und
den Ausprägungen der psychischen Erkrankung des Ange-klagten zu treffen.
2.
Wegen des inneren Zusammenhangs zwischen der bei
Prüfung der Maßregelvoraussetzungen des §
63 StGB vorzunehmenden Gefahrenprognose einerseits und der Beurteilung der [X.] nach §
56 Abs.
1 StGB andererseits erstreckt der Senat die Aufhebung des angefochtenen Urteils auch
6
7
8
-
6
-
auf die an sich nicht zu beanstandende Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung.
Franke
Ri[X.] Cierniak ist erkrankt und daher gehindert zu
unterschrei-ben.
Franke
Bender
Quentin
Feilcke

Meta

4 StR 242/17

08.11.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.11.2017, Az. 4 StR 242/17 (REWIS RS 2017, 2784)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 2784

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4 StR 242/17

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