Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 3 StR 616/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14454

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben zeitiger Freiheitsstrafe: Symptomatischer Zusammenhang zwischen der Tat und einem Hang zum Alkoholkonsum; angemessener Zeitraum für den voraussichtlichen Erfolg der Suchtbehandlung nach neuem Recht


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. September 2017

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes schuldig ist;

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit das [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "schweren Raubes" zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Von seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es mangels Erfolgsaussicht abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und deshalb unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zu Ungunsten des Angeklagten ergeben. Jedoch war der Schuldspruch dahin zu ändern, dass der Angeklagte statt des "schweren Raubes" des "besonders schweren Raubes" schuldig ist, denn er beging die [X.] unter Vorhalt eines Messers und damit unter den Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB; die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat verlangt die Kennzeichnung dieser vom Angeklagten verwirklichten Qualifikation (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 2. Februar 2010 - 3 StR 566/09, juris Rn. 2 mwN).

4

3. Das Urteil hält jedoch der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand, soweit die [X.] von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) abgesehen hat.

5

a) Das [X.] ist - sachverständig beraten - davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Hang hat, Alkohol im Übermaß zu konsumieren. Sodann hat es das Bestehen eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen diesem Hang und der abgeurteilten Tat für zweifelhaft gehalten, weil "tatdynamisch die allgemeine dissoziale Verhaltensbereitschaft [...], nicht hingegen die alkoholbedingte Enthemmung, der wichtigste Faktor für die Tatbegehung gewesen sei". Gleichwohl hat es angenommen, bei dem Angeklagten liege die Gefahr vor, dass er infolge seines Hanges in Zukunft weitere erhebliche Straftaten begehen werde.

6

Die [X.] hat indes eine Erfolgsaussicht der Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB verneint, und ausgeführt, eine "hinreichend konkrete Aussicht auf einen Therapieerfolg innerhalb einer maximal zweijährigen Unterbringung könne aus Sicht des Sachverständigen [...] nicht bejaht werden". Das [X.] ist dem Sachverständigen auch insoweit gefolgt und hat zusätzlich berücksichtigt, dass der Angeklagte nach seinen Angaben nur wenige Tage nach der letzten Alkoholentwöhnungstherapie rückfällig geworden sei.

7

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

8

Soweit die [X.] einen symptomatischen Zusammenhang bezweifelt hat, kann sich dieser vorliegend bereits daraus ergeben, dass der Angeklagte die Tat im Rausch beging. Im Übrigen ist es nicht erforderlich, dass "die alkoholbedingte Enthemmung der wichtigste Faktor für die Tatbegehung" war, es reicht aus, wenn der Hang neben anderen Ursachen zur Tatbegehung beigetragen hat (st. Rspr.; vgl. zuletzt etwa [X.], Beschluss vom 19. September 2017 - 3 [X.], NStZ-RR 2018, 13 mwN). Die Verneinung eines symptomatischen Zusammenhangs lässt sich hier zudem nicht widerspruchsfrei damit in Einklang bringen, dass das [X.] die Gefahr weiterer erheblicher [X.] Straftaten bejaht hat.

9

Im Rahmen der Ablehnung der Erfolgsaussicht hat die [X.] zudem - unter Referierung der Ausführungen des Sachverständigen, denen sie sich angeschlossen hat - mehrfach darauf abgestellt, dass die Unterbringungs- bzw. Behandlungsdauer auf "maximal" zwei Jahre begrenzt sei. Dies lässt besorgen, dass sie insoweit von einem falschen Maßstab auf der Basis der früher geltenden Rechtslage ausgegangen ist, nach der die Erfolgsaussicht zu verneinen war, wenn die voraussichtlich notwendige Dauer der Behandlung die Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB überschritt (vgl. [X.], Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 65/12, [X.]R StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Dieser ist indes durch die Neufassung von § 64 Satz 2 StGB durch das Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften vom 8. Juli 2016 ([X.] I, [X.]610) die Grundlage entzogen worden. Durch die Neuregelung ist der Zeitraum, innerhalb dessen der Erfolg der Suchtbehandlung mit hinreichend konkreter Aussicht erreicht werden muss, in den Fällen, in denen neben der Maßregel auf eine Freiheitsstrafe erkannt wird, auf die sich aus § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB zu errechnende Dauer ausgedehnt worden; es sollte durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BT-Drucks. 18/7244, [X.], 2, 24 f.). Danach kann die hinreichende Erfolgsaussicht nicht mehr allein damit verneint werden, dass die voraussichtlich notwendige Behandlungszeit die - unverändert gebliebene - zweijährige Frist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB übersteigt ([X.], Beschlüsse vom 7. September 2017 - 3 StR 307/17, juris Rn. 7; vom 15. März 2017 - 2 [X.], [X.]R StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 3).

c) Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 7. September 2017 - 3 StR 307/17, juris Rn. 10 mwN); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

[X.]     

        

     Gericke     

        

Spaniol

        

Ri[X.] [X.] befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

        

Hoch     

        
        

[X.]

                          

Meta

3 StR 616/17

06.02.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 20. September 2017, Az: 2526 Js 100837/16 - 33 KLs

§ 64 S 2 StGB vom 08.07.2016, § 67d Abs 1 S 1 StGB, § 67d Abs 1 S 3 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2018, Az. 3 StR 616/17 (REWIS RS 2018, 14454)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14454

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 616/17 (Bundesgerichtshof)


3 StR 307/17 (Bundesgerichtshof)

Betäubungsmittelabhängiger Straftäter: Höchstdauer der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bei gleichzeitiger Verhängung einer Freiheitsstrafe


5 StR 496/22 (Bundesgerichtshof)

Fehlerhaftes Absehen von Unterbringung in Entziehungsanstalt


5 StR 248/23 (Bundesgerichtshof)


3 StR 344/18 (Bundesgerichtshof)

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Verminderte Schuldfähigkeit bei Alkoholsucht; verlängerte Höchstfrist der Unterbringung


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.