Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2022, Az. 1 StR 270/22

1. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7139

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Gegenstand

Rücktritt vom Mordversuch: Ernsthaftigkeit des Bemühens um Erfolgsverhinderung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. März 2022 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Im ersten Rechtsgang hatte das [X.] den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt sowie [X.] getroffen. Auf die hiergegen gerichtete Revision hatte der Senat mit Beschluss vom 7. Oktober 2021 – 1 [X.]/21 – das angefochtene Urteil mit Ausnahme der Feststellungen aufgehoben, da ein Rücktritt unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB nicht auszuschließen war. Nunmehr hat das [X.] den Angeklagten erneut wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt, und zwar zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und drei Monaten. Daneben hat es wiederum gemäß den Adhäsionsanträgen des geschädigten [X.] erkannt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts beanstandet, hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Gegen den Schuldspruch bestehen keine Bedenken. Das [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die ärztlichen Rettungskräfte aufgrund der Notrufe der Lebensgefährtin des Angeklagten oder einer Nachbarin entsandt wurden; das Telefonat des Angeklagten war nicht ursächlich.

3

Dieses Gespräch ist auch nicht als „ernsthaftes“ Bemühen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB) zu werten. Denn das zusätzliche Tatbestandsmerkmal der Ernsthaftigkeit erfordert ein Ausschöpfen der aus Sicht des [X.] ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten; er muss alles tun, was in seinen Kräften steht, mithin die am besten geeignete („optimale“) Rettungsmaßnahme ergreifen (st. Rspr.; [X.], Beschluss vom 5. Juli 2018 – 1 [X.] Rn. 10; Urteile vom 7. Februar 2018 – 2 [X.] Rn. 17 und vom 20. Mai 2010 – 3 [X.] Rn. 11; je mwN). Der Angeklagte nannte trotz Nachfrage nicht einmal den [X.] ([X.] 8).

4

2. Indes hält der Strafausspruch der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand:

5

a) Das [X.] hat in der Strafzumessung rechtsfehlerhaft den Inhalt des vorgenannten Telefonats straferschwerend berücksichtigt. In diesem Anruf behauptete der Angeklagte der Wahrheit zuwider gegenüber dem Polizeibeamten, der Nebenkläger habe ihn mit einem Messer angegriffen. Dies ist als noch zulässiges Verteidigungsverhalten zu werten. Die Grenze ist erst erreicht, wenn die wahrheitswidrige [X.] eine besonders verwerfliche Einstellung des [X.], etwa eine rechtsfeindliche Gesinnung, erkennen lässt oder die Ehre des Opfers verletzt (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 7. Dezember 2021 – 3 [X.] unter 1.; vom 30. Januar 2020 – 4 [X.] und vom 19. Dezember 2018 – 3 StR 391/18 Rn. 10; je mwN). Solches ist dem [X.] nicht zu entnehmen, auch nicht unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe.

6

b) Die Feststellungen sind von dem [X.] nicht betroffen und bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen, sind möglich.

Jäger     

      

Hohoff     

      

Leplow

      

Pernice     

      

Munk     

      

Meta

1 StR 270/22

23.08.2022

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Mannheim, 15. März 2022, Az: 3 Ks 200 Js 29599/20 (2)

§ 22 StGB, § 23 StGB, § 24 Abs 1 S 2 StGB, § 211 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2022, Az. 1 StR 270/22 (REWIS RS 2022, 7139)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7139

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