Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.01.2024, Az. 3 BN 9/23

3. Senat | REWIS RS 2024, 342

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Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des [X.] vom 6. März 2023 aufgehoben, soweit er den Antrag zu 1 der Antragsteller verworfen hat. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den [X.] zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die Beschwerden der Antragsteller zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt der Schlussentscheidung.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Antragsteller - zwei natürliche Personen mit Wohnsitz in [X.] und eine in der Rechtsform der GmbH betriebene Werbeagentur mit Firmensitz in [X.] - wenden sich mit ihrem am 31. März 2020 gestellten Normenkontrollantrag gegen § 1 der [X.] vom 14. März 2020 ([X.] HE 3, GV[X.]l. S. 161) in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 der Verordnung zur [X.]eschränkung [X.] Kontakte und zur Anpassung von Verordnungen zur [X.]ekämpfung des Corona-Virus vom 22. März 2020 (GV[X.]l. S. 183) sowie gegen §§ 1 und 2 der [X.] vom 17. März 2020 ([X.] HE 4, GV[X.]l. S. 167) in der Fassung des Art. 4 der Verordnung zur Anpassung von Verordnungen zur [X.]ekämpfung des Corona-Virus vom 20. März 2020 (GV[X.]l. [X.]). Die angegriffenen Vorschriften hatten folgenden Wortlaut:

Dritte Verordnung zur [X.]ekämpfung des Corona-Virus

vom 14. März 2020

§ 1

(1) Der Kontakt zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstandes ist auf das absolut nötige Minimum zu reduzieren.

(2) Aufenthalte im öffentlichen Raum sind nur alleine, mit einer weiteren nicht im eigenen Haushalt lebenden Person oder im Kreise der Angehörigen des eigenen Hausstandes gestattet. [X.]ei [X.]egegnungen mit anderen Personen ist ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Öffentliche Verhaltensweisen, die geeignet sind, das [X.] zu gefährden, wie etwa gemeinsames Feiern, Grillen oder Picknicken, sind unabhängig von der Personenzahl untersagt.

(3) Das Verbot des Abs. 2 Satz 1 gilt nicht für

1. ...

(4) ...

(5) ...

Vierte Verordnung zur [X.]ekämpfung des Corona-Virus

vom 17. März 2020

§ 1

(1) Die nachfolgenden Einrichtungen, [X.]etriebe, [X.]egegnungsstätten und Angebote sind zu schließen oder einzustellen:

1. Tanzveranstaltungen, Messen, Ausstellungen, Spezial- und Jahrmärkte, Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen, die als Gewerbebetriebe im Sinne der Gewerbeordnung in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 22. Februar 1999 ([X.]), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. November 2019 ([X.]), gelten,

2. Vergnügungsstätten im Sinne der [X.] in der Fassung der [X.]ekanntmachung vom 21. November 2017 ([X.]), insbesondere [X.]ars, Clubs Diskotheken, Kneipen und ähnliche Einrichtungen,

3. Freizeit- und Tierparks und Anbieter von Freizeitaktivitäten (drinnen und draußen),

4. Kultureinrichtungen jeglicher Art unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft oder von Eigentumsverhältnissen, insbesondere Museen, Theater, Freilichttheater, Opern, Schauspiel- und Konzerthäuser, Schlösser sowie [X.]ibliotheken und ähnliche Einrichtungen,

5. Kinos, auch Freilichtkinos,

6. der Sportbetrieb auf und in allen öffentlichen und privaten Sportanlagen, öffentliche und private Schwimm- und Spaßbäder, Thermalbäder, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen,

7. Spielplätze einschließlich [X.]olz- und Tummelplätze,

7a. Mehrgenerationenhäuser, soweit diese nicht dem Wohnen dienen, Jugendhäuser, Seniorenbegegnungsstätten, Mütter- und Familienzentren,

8. Prostitutionsstätten im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes vom 21. Oktober 2016 ([X.]), geändert durch Gesetz vom 20. November 2019 ([X.] 1626), [X.]ordelle, Prostitutionsveranstaltungen im Sinne des Prostituiertenschutzgesetzes und ähnliche Einrichtungen,

8a. Copyshops, [X.]cafes und ähnliche Einrichtungen,

8b. Hundeschulen und Hundesalons,

8c. Dienstleistungsbetriebe im [X.]ereich der Körperpflege wie Frisöre, Kosmetikstudios, Massagepraxen, Tattoo-Studios und ähnliche [X.]etriebe; medizinisch notwendige [X.]ehandlungen bleiben weiter möglich,

9. alle weiteren, nicht an anderer Stelle der Verordnung genannten Verkaufsstellen des Einzelhandels, insbesondere Fabrikläden und Hersteller-Direktverkaufszentren.

(2) Untersagt werden

1. Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sport- und Freizeitenrichtungen,

2. touristische und kulturelle Angebote jeglicher Art, beispielsweise Reisebusreisen, Schiffsausflüge und Stadtführungen,

3. sonstige Sportangebote, die ihrer Art nach mit körperlichen Kontakt verbunden sind.

(3) Untersagt wird die Wahrnehmung von Angeboten in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen öffentlichen und privaten [X.]ildungseinrichtungen sowie Privatunterricht im außerschulischen [X.]ereich. Online-Angebote bleiben möglich.

(4) Die Abnahme von Prüfungen, insbesondere Staatsprüfungen und Laufbahnprüfungen, ist nach Abs. 3 nicht untersagt. [X.]ei der Abnahme von Prüfungsleistungen sind die Empfehlungen des [X.] zur Hygiene zu beachten.

(5) Untersagt werden Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen, Synagogen und die Zusammenkünfte anderer Glaubensgemeinschaften. Allen Glaubensgemeinschaften bleibt es unbenommen, alternative Formen der Glaubensbetätigung auszuüben, die nicht mit Zusammenkünften von Personen verbunden sind, zum [X.]eispiel Angebote im [X.]. Die in Satz 1 genannten Gebäude und Räume können für die Gebete Einzelner offengehalten werden.

(6) [X.]eratungsleistungen psycho[X.], rechtlicher, seelsorgerischer oder ehrenamtlicher Art sowie die Erbringung von Dienstleistungen sollen möglichst ohne unmittelbaren persönlichen körperlichen Kontakt und unter [X.]eachtung der Empfehlungen des [X.] zur Hygiene erfolgen.

(7) Die [X.]eschränkungen nach Abs. 1 gelten nicht für

1. den Lebensmitteleinzelhandel,

2. den Futtermittelhandel,

3. die Wochenmärkte,

4. den Direktverkauf vom Lebensmittelerzeuger,

5. die Reformhäuser,

6. die Feinkostgeschäfte,

7. die Geschäfte des Lebensmittelhandwerks,

8. die Getränkemärkte,

9. die [X.]anken und Sparkassen,

10. die Abhol- und Lieferdienste,

11. die Apotheken,

12. die Drogerien,

13. die Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker,

14. die Poststellen,

15. die Waschsalons,

16. die Tankstellen und Tankstellenshops,

17. die Reinigungen,

18. die Kioske, Tabak- und E-Zigarettenläden, den Zeitungsverkauf,

19. die [X.]lumenläden,

20. die Tierbedarfsmärkte,

21. die [X.]au- und Gartenbaumärkte;

entscheidend ist der Schwerpunkt im Sortiment. Die [X.]eschränkungen nach Abs. 1 gelten auch nicht für den Großhandel und den Online-Handel.

(8) ...

(9) ...

(10) Dienstleistungen und Handwerkstätigkeiten können mit Ausnahme der in Abs. 1 Nr. 8a, 8b und 8c genannten Angebote unter [X.]eachtung der Empfehlungen des [X.] zur Hygiene, insbesondere zu Kontakten und Einhaltung des Sicherheitsabstandes erbracht werden.

§ 2

(1) Gaststätten im Sinne des [X.] Gaststättengesetzes vom 28. März 2012 (GV[X.]l. S. 50), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2016 (GV[X.]l. [X.]), [X.], Hotels und andere Gewerbe, dürfen Speisen und Getränke nur zur Abholung oder Lieferung anbieten. Eine Abholung von Speisen und Getränken darf nur erfolgen, wenn

1. sichergestellt ist, dass die Speisen und Getränke ohne Wartezeit zur Verfügung stehen oder die Warteplätze so gestaltet sind, dass ein Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen den [X.] und [X.] gewährleistet ist,

2. geeignete Hygienemaßnahmen getroffen werden und

3. Aushänge zu den erforderlichen Hygienemaßnahmen erfolgen.

(2) Übernachtungsangebote sind nur zu notwendigen Zwecken erlaubt. Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind nicht erlaubt.

(3) [X.]ars, Clubs, Diskotheken, Schankwirtschaften, Kneipen und ähnliche Einrichtungen, deren Schwerpunkt nicht im Anbieten von Speisen liegt, sowie Eisdielen sind zu schließen.

2

§ 1 [X.] HE 3 galt in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. März 2020 bis zum 19. April 2020 (vgl. Art. 7 der [X.] vom 16. April 2020, GV[X.]l. [X.]). § 1 [X.] HE 4 galt in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. März 2020 bis zum 4. April 2020 (vgl. Art. 5 der Verordnung zum Umgang mit und zur Einführung einer Meldepflicht von persönlicher Schutzausrüstung sowie zur Anpassung weiterer Verordnungen zur [X.]ekämpfung des Corona-Virus vom 2. April 2020, GV[X.]l. [X.]). § 2 [X.] HE 4 galt in der hier maßgeblichen Fassung vom 21. März 2020 bis 19. April 2020 (vgl. Art. 7 der [X.] vom 16. April 2020, GV[X.]l. [X.]).

3

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 2020 haben die Antragsteller ihren Normenkontrollantrag auf §§ 1 bis 6 der Verordnung zur [X.]eschränkung von [X.] Kontakten und des [X.]etriebes von Einrichtungen und von Angeboten aufgrund der [X.] vom 7. Mai 2020 ([X.] und [X.], GV[X.]l. [X.]) erweitert.

4

Sie haben beantragt,

1. festzustellen, dass § 1 [X.] HE 3 vom 14. März 2020 und §§ 1 und 2 [X.] HE 4 vom 17. März 2020 zum Zeitpunkt der Stellung des Normenkontrollantrags rechtswidrig gewesen sind,

2. festzustellen, dass §§ 1 - 6 CoKo[X.]eV vom 7. Mai 2020 zum Zeitpunkt der Stellung des Normenkontrollantrags - hier: Antragserweiterung vom 12. Mai 2020 - rechtswidrig gewesen sind.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Normenkontrollantrag als unzulässig verworfen. Den Antragstellern fehle das berechtigte Interesse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Normen ungültig gewesen seien, hätten die Antragsteller nicht substantiiert geltend gemacht. Sie hätten lediglich mitgeteilt, die Normen seien mehrmals geändert und ausgetauscht worden, typischerweise auf kurze Geltung angelegt und häufig mit schwerwiegenden [X.]eeinträchtigungen verbunden. Ein derart pauschales Vorbringen erfülle nicht die [X.]. Die Antragserweiterung vom 12. Mai 2020 sei nicht sachdienlich, denn angesichts der veränderten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, auf denen jede neue Verordnung beruhe, gebe es weder [X.] noch gewonnene Erkenntnisse, die im gleichen Prozess verwertet werden könnten.

II

6

Die [X.]eschwerden sind, soweit der Verwaltungsgerichtshof den Antrag zu 1 verworfen hat, begründet. Zwar rechtfertigen die aufgeworfenen Fragen nicht eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (1.), doch sind insoweit die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung wegen eines Verfahrensfehlers erfüllt (2.). Im Übrigen, also soweit der Verwaltungsgerichtshof den Antrag zu 2 verworfen hat, sind die [X.]eschwerden unbegründet.

7

1. Die Rechtssachen haben nicht die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender [X.]edeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. Juli 2022 - 3 [X.] 37.21 - [X.] 418.5 Fleischbeschau Nr. 38 Rn. 14).

9

b) Die [X.]eschwerde wirft zwei Fragen auf, denen sie grundsätzliche [X.]edeutung beimisst:

"1. Sind die bisher anerkannten Fallgruppen für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (analog) um eine neue Fallgruppe für eine notstandsähnliche Situation, in der der Staat flächendeckend Grundrechtseingriffe gegenüber allen [X.]ürger*innen anordnet, zu erweitern?

2. Ist das staatlicherseits angeordnete Herunterfahren des öffentlichen Lebens (sogenannter 'Lockdown') per se ein schwer wiegender Grundrechtseingriff und bedarf es deshalb keiner, über eine dargelegte Klagebefugnis hinaus, weiteren Ausführungen im Hinblick auf ein besonderes Feststellungsinteresse?"

Die Antragsteller tragen vor, seit [X.]estehen der aktuellen Verfassungsordnung in [X.] sei kein mit der [X.] vergleichbares notstandsähnliches Ereignis aufgetreten, so dass das [X.] noch nicht entschieden habe, wie hinsichtlich des Fortsetzungsfeststellungsinteresses in derartigen Ausnahmesituationen umzugehen sei, in denen gleichzeitig alle [X.]ürger betroffen und beschränkt seien. [X.]ei dem Versuch, das abgestufte Herunterfahren des öffentlichen Lebens bis hin zu sogenannten Lockdowns in eine der Fallgruppen des Fortsetzungsfeststellungsinteresses einzuordnen, ergäben sich erhebliche Probleme. Diese Fälle könnten mit den bisherigen Fallgruppen nicht [X.] gelöst werden. Das vollständige Herunterfahren des öffentlichen Lebens während der [X.] stelle per se einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar, so dass es einem übertriebenen Formalismus gleichkomme, von den Antragstellern zu erwarten, für jede einzelne Maßnahme im Nachhinein auszudifferenzieren, wieso sie diesbezüglich immer noch eine gerichtliche Klärung anstrebten.

c) Mit diesem Vorbringen zeigen die Antragsteller in [X.]ezug auf die Frage 1 keine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. In der Rechtsprechung des Senats ist im Zusammenhang mit Maßnahmen zur [X.]ekämpfung der [X.] geklärt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels unter anderem dann fortbesteht, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - [X.]VerwGE 177, 60 Rn. 13 und - 3 CN 2.21 - [X.]VerwGE 177, 92 Rn. 10, s. auch Urteile vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - juris Rn. 16, - 3 CN 5.22 - NVwZ 2023, 1846 Rn. 15 und - 3 CN 6.22 - NVwZ 2023, 1830 Rn. 14 sowie vom 21. Juni 2023 - 3 CN 1.22 - NVwZ 2023, 1840 Rn. 13; [X.]eschluss vom 5. Januar 2024 - 3 [X.] 2.23 - Rn. 10). Für die [X.]ildung einer neuen Fallgruppe des berechtigten Feststellungsinteresses sieht der Senat keinen Anlass.

d) Die Frage 2 ist einer über die dargelegte Rechtsprechung des Senats hinausgehenden grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Welche Darlegungen zum Feststellungsinteresse erforderlich sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

2. Mit den aufgeworfenen Fragen machen die Antragsteller geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung nicht verneinen und ihre Anträge als unzulässig abweisen dürfen. Darin liegt der Sache nach zugleich eine Verfahrensrüge im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 6. Mai 2014 - 2 [X.] 68.13 - juris Rn. 8, vom 8. August 2019 - 3 [X.] 41.18 - juris Rn. 6, vom 27. November 2019 - 8 [X.] 32.19 - [X.] 2020, 68 und vom 17. Dezember 2019 - 9 [X.] 52.18 - NVwZ-RR 2020, 331 Rn. 12).

a) Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Wie unter 1. c) dargelegt, besteht nach der Rechtsprechung des Senats ein Rechtsschutzbedürfnis trotz Erledigung u. a. dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, soweit die Antragsteller geltend machen können, durch die angegriffenen Vorschriften in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Die Eingriffe in die Grundrechte der [X.]etroffenen durch die Kontaktbeschränkungen (§ 1 [X.] HE 3), die Schließung bzw. Einstellung von Einrichtungen, [X.]etrieben, [X.]egegnungsstätten und Angeboten (§ 1 [X.] HE 4) sowie die Schließung von Gaststätten (§ 2 [X.] HE 4) hatten ein Gewicht, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelungen rechtfertigt (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 22. November 2022 - 3 CN 1.21 - [X.]VerwGE 177, 60 Rn. 13 sowie vom 16. Mai 2023 - 3 CN 4.22 - juris Rn. 16, - 3 CN 5.22 - NVwZ 2023, 1846 Rn. 15 und - 3 CN 6.22 - NVwZ 2023, 1830 Rn. 14). Innerhalb der Geltungsdauer der angegriffenen Verordnungen konnten die Antragsteller gerichtlichen Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangen.

b) Die Verwerfung des Antrags zu 1 kann auf dem Verfahrensmangel beruhen. Ob und inwieweit alle Antragsteller geltend machen können, durch die angegriffenen Rechtsvorschriften in ihren Rechten verletzt zu sein, hat der Verwaltungsgerichtshof wegen der Verneinung des Feststellungsinteresses nicht mehr geprüft (zur Verneinung der Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 3 im Eilverfahren vgl. [X.]eschluss des [X.] vom 8. April 2020 - 8 [X.] 910/20.N - [X.]A S. 8). Das wird er nachzuholen haben.

c) Die Verwerfung des Antrags zu 2 kann hingegen nicht auf dem dargelegten Verfahrensmangel beruhen. Den Antrag zu 2 hat der Verwaltungsgerichtshof selbständig tragend auch mit der [X.]egründung verworfen, die Antragerweiterung vom 12. Mai 2020 sei nicht gemäß § 91 Abs. 1 2. Variante VwGO zulässig gewesen. In [X.]ezug auf diese [X.]egründung haben die Antragsteller einen Grund für die Zulassung der Revision nicht geltend gemacht.

3. Der Senat macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der [X.]efugnis nach § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, den angefochtenen [X.]eschluss im bezeichneten Umfang aufzuheben und den Rechtsstreit insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 39 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

3 BN 9/23

05.01.2024

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BN

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 6. März 2023, Az: 8 C 909/20.N, Beschluss

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.01.2024, Az. 3 BN 9/23 (REWIS RS 2024, 342)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 342

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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