Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. 4 StR 381/23

4. Strafsenat | REWIS RS 2024, 924

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2023

a) aufgehoben, soweit der Angeklagte in den Fällen [X.], [X.]. 53., 54., 59. bis 61., 63., 64., 66. bis 68., 73. bis 78., 82. und 85. der Urteilsgründe wegen Urkundenfälschung verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren eingestellt; im Umfang der Einstellung trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten;

b) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs, des Betrugs in neun Fällen, des versuchten Betrugs in vier Fällen sowie der Urkundenfälschung in 53 Fällen schuldig ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs, Betrugs in neun Fällen, versuchten Betrugs in vier Fällen sowie wegen Urkundenfälschung in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung in den Fällen [X.], [X.]. 53., 54., 59. bis 61., 63., 64., 66. bis 68., 73. bis 78., 82. und 85. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

3

a) Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte zwischen 2011 und 2018 gefälschte, angeblich von ausländischen Kfz-Versicherern herrührende Dokumente, in denen jeweils in Bezug auf einen bestimmten Kunden bestätigt wurde, dass dieser über einen näher bezeichneten [X.]raum ein dort versichertes Fahrzeug schadenfrei geführt habe. Die Bescheinigungen legten die Käufer dann – wie von allen Beteiligten von vornherein beabsichtigt – bei verschiedenen [X.] Fahrzeugversicherern vor, um eine entsprechend vergünstigte Schadensfreiheitsklasse zu erlangen. In den vorgenannten Fällen geschah dies in der [X.] vom 23. Mai 2011 bis 3. Juli 2013.

4

b) Die Verjährungsfrist für Taten nach § 267 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Ihr Lauf begann gemäß § 78a Satz 1 StGB jeweils mit der [X.]. Diese war hier spätestens mit der Vorlage der gefälschten Bestätigungen bei dem jeweiligen [X.] Versicherer eingetreten (vgl. [X.], Beschluss vom 7. September 2005 – 2 [X.] Rn. 3). Der [X.] versteht die nicht näher erläuterte tabellarische Übersicht in den Urteilsgründen dahin, dass mit den dort aufgelisteten [X.] die [X.]punkte ebendieser Vorlagen gemeint sind; denn nur so ergibt die in einem der Fälle in der Spalte der [X.] enthaltene Angabe „storniert“ Sinn.

5

c) Hiervon ausgehend war die Verjährungsfrist in den vorgenannten Fällen daher bereits bei Anklageerhebung abgelaufen. Eine rechtzeitige Unterbrechung ist nicht eingetreten.

6

aa) Der Durchsuchungsbeschluss des [X.] vom 28. September 2018 und der am selben Tag von dem Amtsgericht erlassene Haftbefehl vermochten sie nicht herbeizuführen, weil sie sich nur auf Betrugsdelikte und nicht auf den Vorwurf der Urkundenfälschung beziehen.

7

bb) Die erste Handlung, die den Lauf der Verjährungsfrist unterbrechen konnte, war gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StGB der Erlass des (weiteren) Haftbefehls des [X.] vom 5. Dezember 2018 ([X.]. 248 ff. der [X.] 35 Js 122/19). Zu diesem [X.]punkt war die Frist des § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB in den Fällen [X.], [X.]. 53., 54., 59. bis 61., 64., 66. bis 68., 73. bis 78., 82. und 85. der Urteilsgründe jedoch bereits abgelaufen, so dass diese Taten verjährt sind. In dem Fall [X.], [X.]. 63. der Urteilsgründe, in dem die Kammer eine Tatzeit nicht festzustellen vermochte („storniert“), ist der [X.] unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Oktober 2007 – 4 [X.], [X.], 42) von einer Tatbegehung noch vor dem 5. Dezember 2013 ausgegangen, so dass auch hinsichtlich dieser Tat Verfolgungsverjährung eingetreten ist.

8

d) Der Eintritt der Verjährung begründet ein Verfolgungshindernis, das von Amts wegen zu beachten ist ([X.], Beschluss vom 2. März 2016 – 1 [X.] Rn. 3). Insoweit ist das Urteil aufzuheben und das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Zudem hat der [X.] den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO abgeändert.

9

2. In den übrigen Fällen liegt demgegenüber kein Verfolgungshindernis vor. Der Erörterung bedarf insoweit nur die von der [X.] als Fall [X.] (1) der Urteilsgründe festgestellte Betrugstat, bei der der Angeklagte mittäterschaftlich eine unberechtigte Zahlung des [X.] nach einem fingierten Verkehrsunfall bewirkte.

Die Verjährungsfrist für Taten des § 263 Abs. 1 StGB beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB). Der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche [X.]punkt der Beendigung ist beim vollendeten Betrug mit Erlangung des letzten vom [X.] umfassten [X.] gegeben ([X.], Beschluss vom 20. Juli 2021 – 4 [X.] Rn. 4). [X.] Feststellungen zum Datum der Zahlung des Versicherers hat die [X.] in dem Fall [X.] (1) der Urteilsgründe nicht getroffen. Den von ihr angeführten Beweiserwägungen kann allerdings entnommen werden, dass der Auszahlung Abrechnungen vom 29. Oktober 2013 und vom 16. Dezember 2013 zugrunde lagen. Der [X.] schließt deshalb aus, dass die Versicherungsleistungen bereits vor dem 29. Oktober 2013 ausgezahlt wurden, so dass bis dahin keine Beendigung eingetreten war. Der Lauf der Verjährungsfrist wurde daher gemäß § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 5 StGB durch den Haftbefehl und den Durchsuchungsbeschluss des [X.] vom 28. September 2018, in denen die Tat konkret bezeichnet ist (jeweils als „Tat 4“), rechtzeitig unterbrochen.

3. Trotz der Änderung des Schuldspruchs hat die Gesamtfreiheitsstrafe Bestand. Der [X.] schließt aus, dass die [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Verfolgungsverjährung auf eine geringere Gesamtstrafe erkannt hätte. Denn neben der Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe bleiben 66 weitere Einzelstrafen zwischen neun Monaten und einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe bestehen. Darüber hinaus ist auch die strafschärfende Berücksichtigung verjährter Taten zulässig (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Mai 2023 – 4 [X.] Rn. 4; Beschluss vom 12. November 2019 – 5 [X.] Rn. 8; Urteil vom 6. März 1992 – 2 [X.], [X.]R StGB § 46 Abs. 2 Vorleben 19).

4. Im Übrigen hat die revisionsrechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

[X.]Maatsch

                      Scheuß                           Momsen-Pflanz

Meta

4 StR 381/23

13.02.2024

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 5. Mai 2023, Az: II-2 KLs 17/23

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2024, Az. 4 StR 381/23 (REWIS RS 2024, 924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 924

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