Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.07.2017, Az. 3 StR 52/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 7392

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Betrugs: Verstoß gegen das insolvenzrechtliche Verwendungsverbot als Verfahrenshindernis


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 16. August 2016 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Rüge, § 97 Abs. 1 Satz 3 [X.] sei verletzt, greift nicht durch. Entgegen der Auffassung der Revision, die sich insoweit auf eine Entscheidung des [X.] stützt (Beschluss vom 24. April 2007 - 27 Ns 23/06, [X.], 407), hat ein Verstoß gegen das in dieser Vorschrift geregelte [X.] kein Verfahrenshindernis zur Folge. Vielmehr ist ein solcher Verfahrensfehler in der Revision mit der Verfahrensrüge geltend zu machen. Eine zulässige Verfahrensrüge liegt indessen nicht vor. Im Einzelnen:

1. Ein Verfahrenshindernis nimmt die Rechtsprechung nur unter solchen Umständen an, die es ausschließen, dass über einen [X.] mit dem Ziel einer Sachentscheidung verhandelt werden darf. Diese müssen in Ansehung der im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips zu beachtenden Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege so schwer wiegen, dass von ihrem (Nicht-)Vorhandensein die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens abhängt. Das ist bei Verfahrensfehlern in der Regel nicht der Fall. Aus dem Rechtsstaatsgedanken herzuleitende [X.] stellen vielmehr eine seltene Ausnahme dar, weil das [X.] nicht nur die Belange des Beschuldigten, sondern auch das Interesse an einer der materiellen Gerechtigkeit dienenden Strafverfolgung schützt ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 2 BvR 209/14, NJW 2015, 1083, 1084 ff.).

Hiernach hat auch ein Verstoß gegen das [X.] nach § 97 Abs. 1 Satz 3 [X.] kein Verfahrenshindernis zur Folge. Auch wenn dieses weiter reicht als das - vom Gesetzgeber ursprünglich vorgesehene - Verwertungsverbot, da nach dem Willen des Gesetzgebers eine Auskunft des Schuldners auch nicht Ansatz für weitere Ermittlungen sein darf (vgl. BT-Drucks. 12/2443 S. 142; BT-Drucks. 12/7302 S. 166), führt eine Verletzung der Regelung nicht zu einem Verfahrenshindernis. Dies gilt selbst dann, wenn das [X.] eine Fernwirkung hinsichtlich der Verwertung aller aufgrund von Auskünften des Schuldners nach § 97 Abs. 1 Sätze 1 und 2 [X.] gewonnener Erkenntnisse entfalten sollte (so die überwiegende Literatur: MüKo[X.]/[X.], 3. Aufl., § 97 Rn. 16; FK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 97 Rn. 16; [X.]/[X.], [X.], 71. Lfg., § 97 Rn. 4 f.; HK-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 97 Rn. 16; Schilken in [X.], [X.], § 97 Rn. 23; [X.]/Herchen, 6. Aufl., § 97 [X.] Rn. 15; vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Juli 2000 - 11 [X.], [X.], 439; krit. [X.]/Zipperer, 14. Aufl., § 97 [X.] Rn. 10; vgl. auch [X.] in Festschrift [X.], 2003, [X.], 481 ff.). Denn mögliche Verletzungen anderer Beweisverwertungsverbote, bei denen die Rechtsprechung eine Fernwirkung bejaht hat, sind ebenfalls nur auf eine Verfahrensrüge hin zu prüfen (vgl. [X.], Urteil vom 18. April 1980 - 2 StR 731/79, [X.]St 29, 244, juris Rn. 4 ff.). Auch Verletzungen der ähnlich ausgestalteten und dieselben Schutzzwecke verfolgenden Regelung des § 393 Abs. 2 [X.], wonach Tatsachen oder Beweismittel, die den Strafverfolgungsbehörden aus Steuerakten bekannt werden, dann nicht für die Verfolgung anderer als Steuerstraftaten "verwendet" werden dürfen, wenn der Steuerpflichtige sie vor Einleitung des Strafverfahrens oder in dessen Unkenntnis in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat, sind nach ganz herrschender Meinung mit der Verfahrensrüge geltend zu machen (vgl. [X.], Urteile vom 16. April 2014 - 1 StR 516/13, juris Rn. 32 ff.; vom 13. Oktober 1992 - 5 [X.], [X.], 87 f.; ferner Beschluss vom 16. Juni 2006 - 5 [X.], NJW 2005, 2723, 2725; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], 200. EL, [X.], § 393 Rn. 11; Hilgers-Klautzsch in [X.], Steuerstrafrecht, 48. Lfg., § 393 [X.] Rn. 227).

Schließlich wiegt eine Verletzung des § 97 Abs. 1 Satz 3 [X.] auch dann nicht so schwer, dass von ihr die Zulässigkeit des Verfahrens im Ganzen abhängen muss, wenn das Gewicht der Verwendung selbstbelastender Angaben des Insolvenzschuldners mit den Fällen des § 136a StPO gleichzusetzen wäre, da diese Vorschrift ausdrücklich lediglich ein Verwertungsverbot vorsieht (§ 136a Abs. 3 Satz 2 StPO). Auch sonst folgt aus einer Verletzung des Nemo-tenetur-Prinzips kein Verfahrenshindernis, sondern allenfalls ein Verwertungsverbot, welches mit einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden muss (vgl. [X.] in Festschrift [X.], 2003, [X.], 485 f.; [X.]/[X.], 5. Aufl., Vor § 133 Rn. 162 ff.). Entsprechend hat die Rechtsprechung selbst bei schwerwiegenden Verstößen gegen Verfahrensvorschriften grundsätzlich kein Verfahrenshindernis, sondern ein Verwertungsverbot angenommen (vgl. zum Ganzen auch [X.], Urteile vom 6. September 2016 - 1 [X.], [X.], 193, 195; vom 18. November 1999 - 1 [X.], [X.]St 45, 321, 334; vom 23. Mai 1984 - 1 [X.], [X.]St 32, 345, 350 f., jeweils mwN).

2. Soweit die Revision eine Verletzung des § 97 Abs. 1 Satz 3 [X.] mit der Verfahrensrüge geltend macht, ist diese aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift des [X.] unzulässig.

[X.]

      

Ri[X.] Dr. Schäfer befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

      

Spaniol

      

      

[X.]

      

      

      

Berg

      

Hoch

      

Meta

3 StR 52/17

26.07.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 16. August 2016, Az: 34 KLs 15/15

§ 263 StGB, § 97 Abs 1 S 1 InsO, § 97 Abs 1 S 2 InsO, § 97 Abs 1 S 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.07.2017, Az. 3 StR 52/17 (REWIS RS 2017, 7392)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7392

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 320/17

1 StR 320/17

3 StR 52/17

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