Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.02.2019, Az. X R 42/16

10. Senat | REWIS RS 2019, 10198

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Gegenstand

Fehlende formelle Beschwer der Revision; Gemeinnützige Betriebskapitalgesellschaft und Betriebsaufspaltung


Leitsatz

1. NV: Die für die zulässige Erhebung eines Rechtsmittels erforderliche Beschwer ist nicht gegeben, wenn das FG dem Klagebegehren, wie es in dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zum Ausdruck gekommen ist, entsprochen hat .

2. NV: Der Annahme einer Betriebsaufspaltung steht weder entgegen, dass die Betriebskapitalgesellschaft allein kraft ihrer Rechtsform als Gewerbebetrieb anzusehen ist, noch dass deren Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit ist .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2016  3 K 719/15 wegen [X.] 2010 bis 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 15. Juni 2016  3 K 719/15 wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2010 bis 2012 wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens des [X.] wegen [X.] 2010 bis 2012 hat der Kläger zu tragen, die Kosten des Revisionsverfahrens der Kläger wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag 2010 bis 2012 haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 2010 bis 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger hielt seit deren Gründung im Jahr 1999  90 % der Anteile der ... gemeinnützige GmbH (GmbH). Er war ihr alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen nach § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs befreiter Geschäftsführer. Die GmbH betrieb eine private Berufsschule auf dem gepachteten Grundstück. Eigentümer dieses Grundstücks war in den Streitjahren der Kläger. Die GmbH ist nach § 3 Nr. 6 des [X.] ([X.]) von der Gewerbesteuer befreit.

2

Seit der steuerlichen Außenprüfung für die Jahre 1996 bis 1998 ist der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) der Ansicht, dass der Kläger mit der Verpachtung des Grundstücks an die GmbH eine Betriebsaufspaltung begründet habe. Aus diesem Grunde qualifizierte das [X.] die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung des Grundstücks für die Streitjahre in gewerbliche Einkünfte um, änderte die entsprechenden Einkommensteuerbescheide und erließ (erstmals) Gewerbesteuermessbescheide.

3

Die Klage hatte in Bezug auf die Gewerbesteuermessbescheide insoweit Erfolg, als das Finanzgericht ([X.]) in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2017, 412 veröffentlichten Urteil die im Rahmen der Betriebsaufspaltung anzusetzenden gewerblichen Verpachtungseinkünfte aufgrund der sog. Merkmalsübertragung als von der Gewerbesteuer befreit ansah. Die Klage hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzungen verwarf das [X.] mangels Beschwer hingegen als unzulässig.

4

Mit ihrer Revision machen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie seien insoweit auch (weiterhin) beschwert, da wegen der Qualifizierung der Einkünfte als gewerbliche zum einen Gewerbesteuermessbeträge festgesetzt worden seien und zum anderen das Grundstück aufgrund der vom [X.] angenommenen Betriebsaufspaltung steuerverhaftet sei. Unabhängig von der Frage, inwieweit für die Rechtsfigur der Betriebsaufspaltung überhaupt eine Rechtsgrundlage gegeben sei, scheide diese schon deshalb aus, weil die GmbH gemeinnützig sei. Soweit das [X.] von Gewerbesteuermessbeträgen für die Streitjahre von 0 € ausgehe, sei dem [X.] nicht entsprochen worden, da die Gewerbesteuermessbescheide nicht aufgehoben worden seien.

5

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2015 dahingehend zu ändern, dass die gewerblichen Einkünfte des [X.] in Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung umqualifiziert werden.

6

Der Kläger beantragt sinngemäß darüber hinaus,
die Gewerbesteuermessbescheide 2010 bis 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2015 aufzuheben.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision des [X.] ist unzulässig, soweit sie die Aufhebung der [X.] bis 2012 betrifft (unter 1.). Da die Revision der Kläger zulässig ist (unter 2.), ist über das Rechtsmittel einheitlich durch Urteil zu entscheiden (vgl. nur Urteil des [X.] --[X.]-- vom 27. April 2005 II R 52/02, [X.], 507, [X.] 2005, 892, Rz 11, m.w.N.).

9

1. Die Revision des [X.] ist, soweit sie sich gegen die Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre richtet, unzulässig, da er formell nicht (weiter) beschwert ist.

a) Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Revision ist u.a., dass der Revisionskläger durch die von ihm angefochtene Entscheidung formell beschwert ist (vgl. nur [X.]-Urteil vom 3. Juni 1976 IV R 236/71, [X.], 348, [X.] 1977, 62, unter 1.a). Andernfalls fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Die formelle Beschwer ist nur gegeben, soweit das [X.] dem Klagebegehren nicht voll entsprochen hat (vgl. nur [X.]sbeschluss vom 15. Mai 2013 [X.], [X.], 1583, Rz 5, m.w.N.).

b) Das [X.] hat für die Streitjahre die Gewerbesteuermessbeträge auf null herabgesetzt. Dies entsprach dem in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärten [X.], so dass dem Klägerbegehren in vollem Umfang entsprochen worden ist. Ein darüber hinausgehendes Begehren des [X.] ist nicht erkennbar. Zwar hatte der Kläger in der Klageschrift angekündigt, die ersatzlose Aufhebung der Gewerbesteuermessbescheide zu beantragen, da aus seiner Sicht kein gewerbliches Einzelunternehmen vorliegen könne. An diesem Begehren hat der fachkundig vertretene Kläger jedoch ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten. Von der Richtigkeit des Protokolls ist gemäß § 94 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung auszugehen (vgl. insoweit nur [X.] vom 31. Dezember 2012 III B 95/12, [X.], 768, Rz 17, m.w.N.).

2. In Bezug auf die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre hat das [X.] die Klage zu Recht als unzulässig verworfen. Die Revision der Kläger ist damit zwar zulässig, jedoch unbegründet (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

Soweit die Kläger im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen den Ansatz von gewerblichen Einkünften aufgrund einer vom [X.] und [X.] angenommenen Betriebsaufspaltung rügen, leiten sie ihre Beschwer allein daraus her, dass das an die GmbH verpachtete Grundstück im Fall der späteren Veräußerung steuerverhaftet sei. Eine bereits in den Streitjahren der Höhe nach abweichende Festsetzung der Einkommensteuer machen sie nicht geltend. Somit fehlt es in den Streitjahren, ausgehend vom Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (§ 2 Abs. 7 Sätze 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung --EStG--), an der Geltendmachung einer Beschwer.

3. Zutreffend hat das [X.] --darauf weist der [X.] ausdrücklich ergänzend [X.] eine Betriebsaufspaltung zwischen der GmbH und dem Kläger in den Streitjahren angenommen.

a) Eine Betriebsaufspaltung setzt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] voraus, dass das vermietende Besitzunternehmen mit dem mietenden [X.] sachlich und personell verflochten ist.

aa) Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn eine Person oder Personengruppe beide Unternehmen in der Weise beherrscht, dass sie in der Lage ist, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (vgl. etwa [X.]surteil vom 25. Januar 2017 [X.], [X.]/NV 2017, 1039, Rz 27, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da der Kläger in den Streitjahren 90 % der Anteile an der GmbH hielt.

bb) Die Voraussetzung der sachlichen Verflechtung in Gestalt der Überlassung einer wesentlichen [X.] ist ebenfalls erfüllt, da der Kläger in den Streitjahren der GmbH ein Büro- oder Verwaltungsgebäude überließ. Büroräume sind im Regelfall als wesentliche [X.] anzusehen. Dies gilt insbesondere für ganze Bürogebäude (vgl. nur [X.]surteil vom 29. November 2017 [X.], [X.]/NV 2018, 623, Rz 39, m.w.N.), und erst recht, wenn --wie hier-- der Geschäftsbetrieb der [X.], vorliegend der [X.], im vermieteten Gebäude ausgeübt wird.

b) Der Annahme einer Betriebsaufspaltung steht nicht entgegen, wenn die [X.] [X.] als Gewerbebetrieb anzusehen ist ([X.]surteil vom 22. Juni 2016 [X.], [X.]E 254, 354, [X.] 2017, 529, Rz 20). Ohne Bedeutung ist dabei, ob die [X.] von der Gewerbesteuer befreit ist. Zwar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Steuerbefreiung einer [X.] im Wege der "Merkmalsübertragung" auf das Besitzunternehmen ausgedehnt (vgl. nur [X.]surteil in [X.]E 254, 354, [X.] 2017, 529, Rz 28, m.w.N.). Davon losgelöst ist jedoch die Frage zu beurteilen, ob eine Betriebsaufspaltung (dem Grunde nach) vorliegt. Denn die Merkmalsübertragung der Steuerbefreiung auf das Besitzunternehmen geht denklogisch von der Existenz einer Betriebsaufspaltung aus.

aa) In Abwendung von der bis dahin in der höchstrichterlichen Rechtsprechung herrschenden Vorstellung vom Besitz- und [X.] als einem in wirtschaftlicher Betrachtung einheitlichen Unternehmen hat der Große [X.] des [X.] in seinem Beschluss vom 8. November 1971 GrS 2/71 ([X.]E 103, 440, [X.] 1972, 63, unter [X.]) im Fall der Betriebsaufspaltung zwar die (ertragsteuer-)rechtliche Selbständigkeit von Besitz- und [X.] angenommen, die Tätigkeit des Besitzunternehmers aber als eine von der Tätigkeit eines normalen Vermieters zu unterscheidende hervorgehoben und diese im Einklang mit dem Beschluss des [X.] vom 14. Januar 1969  1 BvR 136/62 ([X.] 25, 28, [X.] 1969, 389, unter [X.]) als gewerblich qualifiziert. Die "genuin" vermögensverwaltende Tätigkeit der Vermietung und Verpachtung beim Besitzunternehmen ist deshalb als gewerblich anzusehen, weil das Besitzunternehmen sachlich und personell mit dem gewerblich tätigen [X.] verflochten und das Besitzunternehmen als Folge dieser wirtschaftlichen Verflochtenheit "über das [X.] am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt" bzw. "über das [X.] auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung gerichtet ist" ([X.]surteil vom 29. März 2006 [X.], [X.]E 213, 50, [X.] 2006, 661, unter [X.], m.w.N.).

bb) Diese so begründete gewerbliche Tätigkeit des [X.] ist von der Frage, inwieweit eine Gewerbesteuerbefreiung der [X.] auch für das Besitzunternehmen gilt, zu unterscheiden. Denn selbst im Fall einer solchen im Wege der "Merkmalsübertragung" angenommenen Gewerbesteuerfreiheit der Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit des [X.] entfallen nicht die weiteren Folgen der Betriebsaufspaltung. So bleiben neben der Umqualifizierung der Einkünfte des [X.] in --gewerbesteuerbefreite-- gewerbliche Einkünfte auch die zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter weiterhin Betriebsvermögen des [X.] (vgl. nur [X.]-Urteil vom 20. August 2015 IV R 26/13, [X.]E 251, 53, [X.] 2016, 408, Rz 24, m.w.N.).

cc) Liegt, wie hier, eine gemeinnützige (§§ 51 bis 68 der Abgabenordnung --AO--) und damit nach § 3 Nr. 6 Satz 1 GewStG steuerfreie Tätigkeit des [X.]s vor, kann es folglich lediglich zu einer Gewerbesteuerfreiheit der Tätigkeit des [X.] im Wege der Merkmalsübertragung zwischen den beiden Unternehmen der Betriebsaufspaltung kommen, nicht jedoch zu einem Absehen von der Anwendung der Rechtsfigur der Betriebsaufspaltung an sich.

dd) Verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf das Rechtsinstitut der Betriebsaufspaltung bestehen nicht (vgl. nur [X.]surteil vom 10. Mai 2016 X R 5/14, [X.]/NV 2017, 8, Rz 28 ff., m.w.N.).

4. [X.] ergibt sich aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

5. Der [X.] entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 [X.]O).

Meta

X R 42/16

19.02.2019

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 15. Juni 2016, Az: 3 K 719/15, Urteil

§ 94 FGO, § 124 Abs 1 FGO, § 126 Abs 1 FGO, § 126 Abs 2 FGO, § 51 AO, § 2 Abs 7 EStG 2009, § 15 Abs 1 EStG 2009, § 3 Nr 6 S 1 GewStG 2002, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012, GewStG VZ 2010, GewStG VZ 2011, GewStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.02.2019, Az. X R 42/16 (REWIS RS 2019, 10198)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10198

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