Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. VII ZB 31/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1904

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 31/12

vom

25. Oktober 2012

in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 850c; [X.] § 54 Abs. 4; [X.]I § 19 Abs. 1, Abs. 3, § 22
Ansprüche auf laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) sind gemäß §
54 Abs.
4 SGB
I wie Arbeitseinkommen nach Maßgabe der Vorschriften in §§
850c
ff. [X.] pfändbar (im [X.] an [X.], Beschluss vom 25.
November
2010 -
VII
ZB
111/09, NJW-RR 2011, 706).
[X.], Beschluss vom 25. Oktober 2012 -
VII ZB 31/12 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat
am
25.
Oktober
2012 durch
den [X.]
Dr.
[X.],
die Richterin [X.], den
Richter
Halfmeier, den Richter Prof.
[X.] und den Richter Dr. Kartzke
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Drittschuldners
gegen den Beschluss der 3.
Zivilkammer des Landgerichts [X.]
vom 27.
Juni
2012
wird zurückgewiesen.

Die Kosten des [X.] werden dem Dritt-schuldner
auferlegt.

Gründe:
I.
Der für die Auszahlung von [X.] zuständige Drittschuldner wendet sich mit der Rechtsbeschwerde dagegen, dass die
Gläubigerin
[X.] des Schuldners
auf [X.]
hat pfänden lassen.
Die
Gläubigerin
erwirkte
wegen einer titulierten Forderung aus einer vor-sätzlich begangenen unerlaubten Handlung von 1.063,70

nebst Zinsen und Zustellkosten einen Beschluss, mit dem vermeintliche Ansprüche des [X.] "auf Zahlungen und Leistungen jeglicher Art des gesamten gegenwärtigen 1
2
-
3
-
und künftigen Einkommens", insbesondere Arbeitslosengeld
I, [X.], Fortbildungs-
und Umschuldungshilfen sowie Existenzgründerzuschüsse ge-gen den
Drittschuldner
gepfändet und ihm zur
Einziehung überwiesen wurden. Der dem Schuldner monatlich pfandfrei zu belassende Betrag ist im Beschluss mit 764

Der Schuldner steht bei dem Drittschuldner
in Leistungs-bezug.
Das Amtsgericht
-
Vollstreckungsgericht
-
hat die vom
Drittschuldner
ge-gen den Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss eingelegte Erinnerung nach [X.] durch die Rechtspflegerin zurückgewiesen. Die
hiergegen vom Drittschuldner unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegte sofortige
Be-schwerde hat das Beschwerdegericht ohne vorherige Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde betreibt der Drittschuldner die Aufhebung des Pfändungs-
und Überweisungsbeschlusses
weiter.

II.
Die gemäß § 574 Abs.
1 Satz
1
Nr.
2
[X.] statthafte Rechtsbeschwerde ist
unbegründet.
1.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die gepfändeten [X.] seien im Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss hinreichend bestimmt bezeichnet. Soweit dort Ansprüche auf solche Leistungen aufgeführt seien, für deren Erbringung der Drittschuldner nicht zuständig sei, gehe der
Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss ins Leere, ohne dass seine Rechtmäßigkeit im 3
4
5
-
4
-
Übrigen hierdurch berührt sei. Das Beschwerdegericht meint weiter, die [X.] des Schuldners nach
§
19 Abs.
1 SGB
II auf [X.] seien laufende Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und deshalb ge-mäß §
54 Abs.
4 Satz
1 SGB
I wie Arbeitseinkommen pfändbar.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Ohne Erfolg macht der Drittschuldner unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 12.
Dezember
2007

VII
ZB
38/07, NJW-RR 2008, 733) geltend, der angefochtene Pfändungs-
und Überweisungsbeschluss sei schon deshalb aufzuheben, weil die gepfändeten Ansprüche auf "Arbeitslosengeld I"
nach keiner vertretbaren Rechtsansicht ge-genüber dem Drittschuldner bestehen könnten. Ansprüche auf Arbeitslosen-geld
I
-
gemeint sei offenkundig Arbeitslosengeld [X.]) nach §
117 SGB
III
-
be-stünden allenfalls gegen die [X.], in keinem Fall jedoch gegen den Drittschuldner oder ein anderes Jobcenter.
Allerdings hat der Senat in der zitierten Entscheidung darauf [X.], dass die Pfändung einer angeblichen Forderung ausnahmsweise wegen fehlender Passivlegitimation des Drittschuldners abgelehnt werden darf, wenn sie dem Schuldner gegenüber diesem Drittschuldner nach keiner vertretbaren Rechtsansicht zustehen kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Gläubigerin hat Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner "auf Zahlungen und Leistungen jeglicher Art des gesamten gegenwärtigen und künftigen Einkommens",
insbesondere auch
"[X.]",
pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen. Es steht nicht in Streit, dass der Schuldner derartige Leistungen vom Drittschuldner bezieht. Allein der Umstand, 6
7
8
-
5
-
dass unter den zur Präzisierung der gepfändeten Forderungen erkennbar [X.] bezeichneten Leistungen auch Arbeitslosengeld I
aufgeführt ist, für dessen Gewährung der Drittschuldner nicht zuständig ist, führt nach den vom [X.] hierfür entwickelten, strengen Kriterien nicht dazu, dass das Vollstreckungsgericht die beantragte Pfändung mit der Begründung hätte ab-lehnen dürfen, dem Schuldner stehe die gepfändete Forderung aus keinem ver-tretbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Soweit der Drittschuldner die im Pfän-dungs-
und Überweisungsbeschluss aufgeführten Leistungen nicht erbringt, geht die Pfändung, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hingewiesen hat, ins Leere.
b)
In der Sache wendet sich die Rechtsbeschwerde ausschließlich gegen die Pfändung von unstreitig bestehenden Ansprüchen des Schuldners gegen den Drittschuldner auf [X.]. Diese Ansprüche sind entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht unpfändbar.
Der [X.]
hat, wie auch die Rechtsbeschwerde erkennt, be-reits entschieden, dass Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem [X.] [X.] gemäß §
54 Abs.
4 SGB
I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden
können ([X.], Beschluss vom 25.
November
2010

VII
ZB
111/09, NJW-RR 2011, 706
Rn.
7; Beschluss vom 5.
April
2005

VII
ZB
20/05, NJW-RR
2005, 1010). Die Rechtsbeschwerde bringt nichts vor, was zu einer anderen Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage führen könn-te.

aa)
Das Beschwerdegericht geht -
insoweit von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet
-
davon aus, dass der Schuldner
vom Drittschuldner laufende 9
10
11
-
6
-
Geldleistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem [X.] bezieht.
Solche Ansprüche können gemäß §
54 Abs.
4 SGB
I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, soweit sie nicht gemäß §
54 Abs.
3 SGB
I unpfändbar sind oder den sich aus §
54 Abs.
5 SGB
I
ergebenden Pfän-dungsbeschränkungen unterliegen. Keiner dieser Ausnahmetatbestände betrifft die hier in Rede stehenden Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach §
19 Abs.
1 [X.]I.

bb)
Der Drittschuldner meint
allerdings, die Bezüge des Schuldners müssten, insbesondere soweit sie dazu bestimmt seien, Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu decken (§ 22 [X.]I),
durch eine entsprechende Anwendung des §
54 Abs.
3 Nr.
2a SGB
I dem Pfändungszugriff seiner Gläubiger entzogen werden, weil andernfalls die zweckentsprechende Verwendung der Leistungen zur Sicherung des [X.] des Schuldners nicht hinreichend sichergestellt sei. Insoweit dürfe nichts anderes gelten als für Ansprüche auf Wohngeld, die der Gesetzgeber durch
Einführung der Vorschrift in §
54 Abs.
3 Nr.
2a SGB
I von der Pfändung ausgenommen habe, um die Bezahlung der Miete und damit ein angemessenes und familiengerechtes Wohnen (vgl. §
1 Abs.
1 [X.]) zu sichern. Damit dringt der Drittschuldner nicht durch.
(1)
Der Schuldner erhält kein Wohngeld im Sinne des §
1 Abs.
1 [X.]. Eine entsprechende Anwendung der durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleitungen am Arbeitsmarkt vom 24.
Dezember
2003 ([X.].
I
2003, 2954
ff.) neu eingefügten Regelung in §
54 Abs.
3 Nr.
2a SGB
I auf die ihm stattdessen gemäß §
19 Abs.
1, §
22 SGB
II zur Deckung seines [X.] gewährten Leistungen kommt nicht in Betracht. Das Gesetz enthält an dieser 12
13
-
7
-
Stelle entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine ausfüllungsbe-dürftige Regelungslücke. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1516, [X.]), dass der Gesetzgeber die pfändungsrechtlich un-terschiedliche Behandlung von Wohngeld und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §
19 Abs.
1 Satz 3, §
22 [X.]I gesehen und bewusst hingenommen hat.
In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, dass Wohngeld nach dem bis zur Gesetzesänderung geltenden
Recht nicht zu den in §
54 Abs.
3 SGB
I ge-nannten unpfändbaren Sozialleistungen gehörte und daher nach Absatz
4 der Vorschrift wie Arbeitseinkommen nach den §§
850
ff. [X.] pfändbar war. Zwar bleibe der [X.] regelmäßig ohnehin innerhalb der durch §
850c Abs.
1 und 2 vorgegebenen Pfändungsfreigrenzen. Es sei jedoch nicht ausge-schlossen gewesen, dass Gläubiger, die mit dem Wohnraum des [X.] in keinem unmittelbaren Zusammenhang standen, auf das Wohn-geld im Rahmen einer Pfändung zugreifen konnten. Weil dadurch der Zweck des Wohngeldes -
die wirtschaftliche Sicherung angemessenen und [X.] Wohnens
-
zumindest teilweise habe vereitelt werden können, solle klarstellend geregelt werden, dass Wohngeld grundsätzlich unpfändbar sei. Hierfür spreche im Übrigen auch die Gleichartigkeit hinsichtlich der wesentli-chen Zielrichtung/Vergleichbarkeit mit den in §
54 Abs.
3 Nr.
1 und 2 SGB
I ge-nannten Leistungen (Erziehungsgeld und Mutterschaftsgeld).
Dem kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber durch die [X.] der Vorschrift in §
54 Abs.
3 Nr.
2a SGB
I nur Ansprüche auf Wohngeld der Pfändung grundsätzlich und ungeachtet des durch die Pfändungsfreigren-14
15
-
8
-
zen des §
850c [X.] ohnehin bestehenden Pfändungsschutzes hat entziehen wollen.
(2)
Für eine Erstreckung dieser Regelung auf Leistungen im Rahmen der Arbeitslosenhilfe
II, insbesondere auf solche zur Deckung der Bedarfe für Un-terkunft und Heizung, besteht kein zwingender
sachlicher Grund. Sie ist entge-gen der Auffassung der Rechtsbeschwerde insbesondere nicht aus verfas-sungsrechtlichen Gründen geboten.
(a)
[X.] erhält der erwerbsfähige Leistungsberechtigte zur Sicherung seines Lebensunterhalts, soweit die nach §
19 Abs.
1 Satz
3 SGB
II hierfür maßgeblichen Bedarfe (§§
20
ff. SGB
II) nicht durch sein zu berücksich-tigendes Einkommen und Vermögen gedeckt sind, §
19 Abs.
3 SGB
II. Die Verwendung der danach zu gewährenden laufenden Geldleistungen steht zu seiner freien Disposition ([X.], Beschluss vom 25.
November
2010

VII
ZB
111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn.
19 -
unter Hinweis auf BT-Drucks. 15/1516, [X.], 55
f.). Das gilt unbeschadet der durch §
22 Abs.
7 [X.]I eröff-neten Möglichkeit, Direktzahlungen an den Vermieter oder sonstigen [X.] vorzunehmen, grundsätzlich auch für Leistungen zur [X.] der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach §
22 [X.]I. Diese Leis-tungen ergänzen den gemäß §§
20, 21 SGB
II nach Maßgabe der Vorschriften des [X.] und der Regelsatzverordnung pauscha-lierten Regelbedarf (vgl. BT-Drucks.
15/1516, S.
56) um die tatsächlich in an-gemessener Höhe anfallenden Kosten für die Erhaltung und Beheizung der Un-terkunft und fließen in die Berechnung der dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zur Sicherung seines Lebensunterhalts als [X.] zu zahlenden 16
17
-
9
-
Beträge
ein ([X.] in: [X.], SGB
II/SGB
III, 46.
Ergänzungslieferung 2012, §
22 Rn.
1; [X.] in: [X.] SGB
II, §
22 Rn.
2; [X.]/[X.] in:
[X.], [X.]I, 2.
Aufl., §
22 Rn.
5). Sie ersetzen auf diese Weise ebenso wie die Regelleistungen nach §§
20, 21 SGB
II fehlendes Arbeitsein-kommen (vgl.: Pflüger
in: jurisPK-[X.], 2.
Aufl. 2011, § 54 Rn.
73).
Die darin liegende Zweckbestimmung der als [X.] zu ge-währenden Leistungen unterscheidet sich von derjenigen, die der Gesetzgeber Wohngeldzahlungen bemisst. Sie ist auch hinsichtlich der nach §
22 [X.]I zu ermittelnden Bedarfe für Unterkunft und Heizung
nicht in gleicher Weise wie
beim Wohngeld von der Vorstellung geprägt, dass der Hilfebedürftige die [X.] tatsächlich in der gewährten Höhe für die wirtschaftliche Sicherung [X.] und familiengerechten Wohnens verwendet, sondern orientiert sich an einer die individuellen Wohnbedürfnisse des Hilfebedürftigen berücksichti-genden Berechnung des für die Bemessung von [X.] maßgebli-chen Bedarfs. Eine Zweckbindung, die es
zwingend
erforderlich machen könn-te, Leistungen nach §
22 [X.]I den in §
54 Abs.
3 SGB
I genannten gleichzu-stellen und dem Pfändungszugriff des Gläubigers gegen den im Wortlaut des §
54 Abs.
3 und 4 SGB
I manifestierten Willen des Gesetzgebers grundsätzlich zu entziehen, besteht nach alledem nicht. Das gilt erst recht für die gemäß §
20 [X.]I pauschalierten Leistungen zu Sicherung des Regelbedarfs.
(b)
Die Belange des Schuldners erfordern es nicht, seine Ansprüche auf laufende Geldleistungen nach dem [X.] der Pfän-dung generell zu entziehen. Weil solche Ansprüche
gemäß §
54 Abs.
4 SGB
I wie Arbeitseinkommen gepfändet werden dürfen, unterliegen sie den Bestim-18
19
-
10
-
mungen der §§ 850 ff. [X.] ([X.], Beschluss
vom 5.
April
2005 -
VII
ZB
20/05, NJW-RR
2005, 1010; Beschluss vom 12.
Dezember
2003 -
IXa
ZB
207/03, Rpfleger 2004, 232; Beschluss vom 10.
Oktober
2003 -
IXa
ZB
180/03, Rpfleger 2004, 111). Sie sind, vorbehaltlich der Sonderregelungen in §§
850d und 850f
[X.], nur in dem durch §
850c [X.] zugelassenen
Umfang pfändbar. Die [X.] zu berücksichtigenden Pfändungsfreigrenzen liegen, wie auch der Ge-setzgeber hervorhebt (BT-Drucks.
15/1516, S.
68), deutlich über den Beträgen, die der erwerbsfähige Schuldner regelmäßig als [X.] erhält. Vor diesem Hintergrund unterliegen seine sozialhilferechtlichen Bezüge zur Siche-rung seines Lebensunterhalts in aller Regel selbst dann nicht der
Pfändung, wenn der ihm gemäß §
22 [X.]I nach tatsächlich angemessenen Kosten zu-zubilligende Bedarf für Unterkunft und Heizung im Einzelfall höher sein sollte, als der in die [X.] nach §
850c [X.] hierfür eingerechnete Betrag. Für die Berechnung der pfändungsfreien Beträge bestimmt §
850e Abs.
2a [X.], dass der pfandfreie Grundbetrag bei der gebotenen Zusammenrechnung laufender
Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch mit etwaigem Arbeitsein-kommen des Schuldners in erster Linie den laufenden Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch zu entnehmen ist. Dadurch ist gewährleistet, dass dem Schuldner, der beispielsweise nur Leistungen nach §
22 SGB
II zur Deckung seiner Bedarfe für Unterkunft und Heizung erhält, diese laufenden Geldleistun-gen nicht durch Pfändung entzogen werden.
Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass der sozialhilfebedürftige Schuldner in besonders gelagerten Einzelfällen Geldleistungen nach dem [X.] [X.] erhält, deren Betrag über den nach §
850c [X.] zu berücksichtigenden Pfändungsfreigrenzen liegt. Ergibt sich diese Konstellation 20
-
11
-
allerdings nur deshalb, weil solche Leistungen für mehrere Monate in einem Zahlbetrag zusammengefasst werden, sind die [X.] ebenso wie bei den vergleichbaren Fällen der Nachzahlung rückständiger Lohnbeträge für die Berechnung des pfandfreien Betrages
dem Leistungszeitraum zuzurechnen, für den sie gezahlt werden
(vgl.: [X.]/Stöber, [X.], 29.
Aufl., §
850c Rn.
3).
(c) Für die verbleibenden Fälle, in denen der Schuldner laufende Geld-leistungen nach §
19 Abs.
1 [X.]I in einer die Pfändungsfreigrenzen
des §
850c
[X.]
übersteigenden Höhe erhält, besteht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kein verfassungsrechtliches Gebot, diese überschießenden Beträge über den Regelungsbereich des §
54 Abs.
3 SGB
I hinaus dem [X.] zu entziehen.
Das Sozialstaatsgebot des Art.
20 Abs.
1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. [X.] umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Klei-dung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Si-cherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politi-schen Leben, denn der Mensch als Person existiert notwendig in [X.] Be-zügen ([X.], Beschluss vom 25.
November
2010 -
VII
ZB
111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn.
14 -
unter Hinweis auf: [X.], NJW 2010, 505
Rn.
133
ff.; [X.] vom 13.
November
2011 -
VII
ZB
7/11, nach juris).
Es unterliegt keinem Zweifel und wird
auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt, dass
die Pfändungsvorschriften in §
850c [X.] diesem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums in an-21
22
23
-
12
-
gemessener Weise Rechnung tragen. Gleiches gilt im Ergebnis für die Fälle, in denen die Vollstreckung
wegen Unterhaltsforderungen (§
850d [X.]) oder we-gen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (§
850f [X.]) betrieben wird. Hierzu hat der Senat darauf hingewiesen, dass dem Schuldner für seinen notwendigen Unterhalt mindestens soviel pfandfrei zu belassen ist, wie er zur Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts nach Maßgabe der Bestimmungen des 3. und 11.
Kapitels des [X.] benötigt ([X.], Beschluss vom 25.
November
2010

VII
ZB
111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn.
9; Beschluss vom 12.
Dezember
2007

VII
ZB
38/07, NJW-RR 2008, 733 Rn.
13; Urteil vom 23.
Fe-bruar
2005 -
XII
ZR
114/03, [X.]Z 162, 234 Rn.
26). Danach sind ihm jedenfalls die Re-gelsätze nach §
28 SGB
XII zu belassen ([X.],
Beschluss vom 25.
November
2010 -
VII
ZB
111/09, NJW-RR 2011, 706 Rn.
9), darüber hinaus Leistungen nach §
35 [X.], die er zur Deckung seiner Bedarfe für die Erhal-tung einer angemessenen Unterkunft und Heizung erhält.
Diese für die Pfändung von Arbeitseinkommen maßgeblichen [X.] gewährleisten die verfassungsrechtlich gebotene Sicherung des [X.] in gleicher Weise für die nach §
54 Abs.
4 SGB
I zulässige Pfändung von Ansprüchen des erwerbsfähigen Schuldners auf Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem [X.]. Sie [X.] ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art.
3 Abs.
1 GG (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Oktober
2011 -
VII
ZB
7/11, Rn.
12, nach juris) Geltung unabhängig von der Art
des Einkommens oder des Leistungsbezugs
und erfordern
über die zugunsten des Schuldners in §
54 Abs.
3 und Abs.
5 24
-
13
-
SGB
I angeordneten Pfändungsverbote bzw. Pfändungsbeschränkungen hin-aus keine Korrektur der Pfändungsvorschrift in §
54 Abs.
4 SGB
I.
(d)
Die Ansprüche des Schuldners auf Arbeitslosengeld
II sind nicht ent-sprechend §
17 Abs.
1 Satz
2 SGB
XII unpfändbar. Die Vorschrift betrifft [X.] auf Leistungen der Sozialhilfe, die nach dem [X.] des [X.] erbracht werden. Um solche Leistungen geht es hier nicht. Eine entsprechende Anwendung des §
17 Abs.
1 Satz
2 [X.] auf Leistungen nach dem [X.] kommt in Ermangelung einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke nicht in Betracht. Sie ist
insbe-sondere nicht deshalb geboten, weil, worauf die Rechtsbeschwerde allerdings mit Recht hinweist, die gemäß §
20 [X.]I anzuerkennenden Regelbedarfe den Regelsätzen des §
28 SGB
XII entsprechen und nach den dort niedergelegten Grundsätzen ermittelt werden. Ebenso wenig von Belang ist in diesem Zusam-menhang, ob beide Leistungsarten "Sozialhilfe"
im Sinne des §
9 SGB
I sind. Aus alledem lässt sich nicht ableiten, dass Ansprüche auf Leistungen nach dem [X.] in gleicher Weise unpfändbar sein müssen wie diejenigen auf Leistungen nach dem Zwölften [X.]. Der [X.] von [X.] gemäß §
19 Abs.
1 SGB
II ist erwerbsfähigen Leis-tungsberechtigten vorbehalten. Er schließt gemäß §
5 Abs.
2 Satz
1 SGB
II Leistungen nach dem Zwölften [X.] aus, die nur solche Leis-tungsberechtigte
erhalten, die nicht erwerbsfähig sind. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden und es bedarf auch aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots in Art.
3 Abs.
1 GG keiner Korrektur, dass der Ge-setzgeber in Ansehung der durch das Kriterium der Erwerbsfähigkeit bedingten Trennung beider Leistungssysteme
nur die Pfändung der Ansprüche [X.]
-
14
-
fähiger [X.] nach Maßgabe der für Arbeitseinkommen gelten-den Vollstreckungsvorschriften zulässt.
(e)
Ohne Erfolg rügt der Drittschuldner, das Interesse eines Gläubigers
an der Pfändung vermeintlicher Ansprüche auf Sozialleistungen sei nicht [X.], weil die Pfändung in aller Regel
an den Pfändungsfreigrenzen des
§
850c [X.] scheitere und ihre Zulassung nur unnötigen Verwaltungsaufwand und Kosten produziere. Dieser Einwand, der in der Sache rechtspolitisch ist, mag in zukünftigen Gesetzgebungsverfahren einer Rolle spielen. Er rechtfertigt es jedoch nicht, diese Regelung derzeit nicht anzuwenden.
Gleiches gilt für den Einwand, dass die unnütze Pfändung einem
Gläubiger
den ansonsten nicht möglichen Zugriff auf die Sozialdaten des Schuldners ermögliche.
c)
Die angefochtene Entscheidung ist schließlich nicht deshalb aufzuhe-ben, weil das Beschwerdegericht dem Amtsgericht keine Gelegenheit zu Abhilfe gegeben hat.
§
572 Abs.
1 [X.] sieht vor, dass das Gericht oder der Vorsitzende, des-sen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abhelfen muss, wenn er sie für begründet erachtet. Die hier unterbliebene Durchführung des [X.] ist indes keine Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren
([X.], [X.]
2003, 110). Wird die Beschwerde, wie gemäß §
569 Abs.
1 Satz
1 [X.] zulässig, beim Beschwerdegericht eingelegt, so kann dieses nach zutreffender Auffassung jedenfalls dann davon absehen, eine
Abhilfeent-scheidung des Erstgerichts einzuholen, wenn es die erstinstanzliche Entschei-dung für rechtmäßig hält und nach den Umständen berechtigter Anlass für die Annahme besteht, dass das Abhilfeverfahren zu keinem anderen Ergebnis füh-26
27
28
-
15
-
ren würde, eine Abhilfe also nicht zu erwarten ist ([X.], [X.] 2002, 1391; [X.]/[X.], [X.], 29.
Aufl., §
572 Rn.
4 m.w.N.; aA: [X.], [X.] 2003, 253).
Das ist
aus den vom Beschwerdegericht zutreffend angeführten Gründen hier der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §
97 Abs.
1 [X.].

[X.]
[X.]
Halfmeier

[X.]

Kartzke

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.03.2012 -
620 M 6969/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 27.06.2012 -
3 [X.] -

29

Meta

VII ZB 31/12

25.10.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.10.2012, Az. VII ZB 31/12 (REWIS RS 2012, 1904)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1904

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