Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.11.2023, Az. 4 CN 2/22

4. Senat | REWIS RS 2023, 10066

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Gegenstand

Regionaler Grünzug als Ziel der Raumordnung


Leitsatz

Die raumplanerische Zielfestlegung "Regionaler Grünzug" ist keine flächenscharfe, sondern eine funktionale Vorgabe und bedarf deshalb regelmäßig in besonderer Weise der Konkretisierung und Ausgestaltung durch die nachfolgende Planung.

Tenor

Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des [X.] für das [X.] vom 11. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin wendet sich gegen die 27. Änderung des Regionalplans für den [X.], Teilabschnitt [X.], vom 18. April 2019.

2

Die angegriffene Änderung betrifft den Bereich südlich des innerstädtischen [X.] vom [X.] bis zur [X.] in [X.]. Dort ist anstelle des bisherigen [X.] ein ca. 25 ha großer Regionaler Grünzug, unterlegt mit einem Waldbereich festgelegt. In Ziffer 4.2 der Planbegründung heißt es, "Die Festlegung als Regionaler Grünzug dient vorrangig der Sicherung der verbleibenden Freiflächen in diesem Bereich. Vorhandene Baurechte werden nicht eingeschränkt, vielmehr ist [X.] Ziel, den weiteren Zubau auf diesen Flächen zu steuern".

3

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines im Änderungsbereich gelegenen, ca. 4 500 qm großen unbeplanten Grundstücks, das mit einem Geschäfts- und Bürogebäude bebaut ist (sog. [X.]). Dort befinden sich außerdem ca. 95 Stellplätze.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag als unzulässig verworfen. Er sei zwar statthaft, weil die Antragstellerin sich mit der Festlegung "Regionaler Grünzug" gegen eine Zielbestimmung des [X.] wende. Es fehle aber an der Antragsbefugnis. Das Grundstück liege im unbeplanten Innenbereich, in dem Ziele der Raumordnung weder unmittelbar noch aufgrund der [X.] von Bauleitplänen nach § 1 Abs. 4 BauGB Bindungswirkung gegenüber Privaten entfalteten. Abgesehen davon zwinge die Planänderung die [X.] nicht zu der Ausweisung einer Wald- und Grünfläche auf dem Grundstück der Antragstellerin, denn vorhandene Baurechte sollten nicht eingeschränkt, sondern nur der weitere Zubau der Flächen gesteuert werden. Die Antragsbefugnis ergebe sich auch nicht aus einem möglichen Verstoß gegen das [X.]. [X.] geschützte Rechtspositionen wie die Eigentums- und Gewerbeausübungsfreiheit seien nur dann abwägungserheblich, wenn mit Festlegungen in [X.] private Rechtspositionen unmittelbar begründet, geändert oder aufgehoben oder die Entstehung individualrechtlich geschützter Rechtspositionen unmittelbar beeinflusst würden. Das sei nicht der Fall.

5

Mit der Revision macht die Antragstellerin geltend, die angegriffene Zielfestlegung sei eine flächenkonkrete und funktionsscharfe Bestimmung, die - vergleichbar der Festsetzung in einem Bebauungsplan - bereits konkrete Aussagen über die Zulässigkeit von Vorhaben auf ihrem Grundstück treffe und der Bauleitplanung keinen Anpassungsspielraum belasse. Sie wirke daher unmittelbar auf ihr Eigentumsrecht ein. Das gelte umso mehr, als die Planänderung auf Initiative der [X.] [X.] erfolgt sei, die einen Inneren Grüngürtel unter Einbeziehung des Grundstücks der Antragstellerin verwirklichen wolle. Jedenfalls ergebe sich die Antragsbefugnis aus dem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG. Eine spätere [X.] könne keinen effektiven Rechtsschutz gewährleisten, weil die Zielfestlegung negative Vor- und Auswirkungen durch Abwanderung von Mietern und einen [X.] erzeugen könne.

6

Der Antragsgegner verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Normenkontrollurteil verstößt zwar gegen [X.] Recht, weil es die Anforderungen an die Geltendmachung einer möglichen Verletzung des Abwägungsgebots aus § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG überspannt (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Der Normenkontrollantrag ist statthaft. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 109a [X.] entscheidet das Oberverwaltungsgericht auf Antrag über die Gültigkeit von im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, auch soweit diese nicht in § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO genannt sind. Die Antragstellerin wendet sich gegen ein Ziel der Raumordnung und damit gegen eine Rechtsvorschrift in diesem Sinne.

9

Zielen der Raumordnung i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG kommt der Charakter von Außenrechtsvorschriften zu. Sie sind tauglicher Gegenstand einer Normenkontrolle (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 20. November 2003 - 4 CN 6.03 - BVerwGE 119, 217 <219 ff.> und vom 16. April 2015 - 4 CN 6.14 - BVerwGE 152, 49 Rn. 4). Ob eine raumordnerische Vorgabe Zielqualität hat, hängt nicht allein von der Bezeichnung im [X.] ab, sondern richtet sich nach dem materiellen Gehalt der [X.] selbst (BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2023 - 4 CN 10.21 - BauR 2023, 1905 <1906> m. w. N.).

Die Annahme des [X.], der Darstellung eines "[X.]" im Regionalplan für den [X.], Teilabschnitt [X.], komme Zielcharakter zu, ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden. Nach der textlichen Darstellung [X.] Ziel 1 sind Regionale Grünzüge insbesondere gegen die Inanspruchnahme für [X.] besonders zu schützen. Gemäß [X.] Ziel 2 sind neue Planungen und Maßnahmen, die die Aufgaben und Funktionen des [X.] beeinträchtigen, auszuschließen. Jedenfalls diese Vorgaben haben Zielqualität.

2. Der Antragstellerin fehlt aber die Antragsbefugnis gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwG[X.] Das hat das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen (§ 144 Abs. 4 VwGO).

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag u. a. jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift. Ein Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch bestimmte Regelungen des [X.]s oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt wird. An dieser Möglichkeit fehlt es, wenn Rechte des Antragstellers unter Zugrundelegung seines Vorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (BVerwG, Urteil vom 16. Juni 2011 - 4 CN 1.10 - BVerwGE 140, 41 Rn. 12 m. w. N.).

a) Die Antragstellerin kann sich nicht auf eine mögliche Verletzung ihres Eigentumsrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG berufen, obwohl ihr Grundstück im Bereich des dargestellten [X.] liegt. Davon geht das Oberverwaltungsgericht zu Recht aus.

aa) Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz liegt das Grundstück der Antragstellerin im unbeplanten Innenbereich i. S. d. § 34 Abs. 1 BauGB. Die angegriffene Änderung des [X.] entfaltet gegenüber der Antragstellerin daher keine unmittelbare Wirkung. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG sind Ziele der Raumordnung bei raumbedeutsamen Planungen von öffentlichen Stellen zu beachten. Gemäß § 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. Solange kein Bebauungsplan erlassen ist, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben auf dem Grundstück der Antragstellerin allein nach § 34 BauGB. Die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich sind keiner Anreicherung um Elemente zugänglich, die sich als zusätzliche Zulässigkeitshürden erweisen. Das trifft nicht zuletzt für etwaige Zielvorgaben der Raumordnung zu (BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993 - 4 C 15.92 - [X.] 406.11 § 34 BauGB Nr. 156 S. 89).

bb) Eine auf die mögliche Verletzung von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gestützte Antragsbefugnis besteht auch nicht deshalb, weil die eigentumsgestaltende Wirkung eines künftigen Bebauungsplans aufgrund der Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB schon dem [X.] zuzurechnen ist. Die Planungs-/Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB folgt aus der Grundstruktur des mehrstufigen und auf Kooperation angelegten Systems der räumlichen Gesamtplanung. Der Raumordnung obliegt die überörtliche, fachübergreifende und zusammenfassende Planung und Ordnung des Raumes (§ 3 Abs. 1 Nr. 7 ROG; vgl. auch [X.], Gutachten vom 16. Juni 1954 - 1 [X.] - [X.]E 3, 407 <424>). Die Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) bedürfen regelmäßig der planerischen Umsetzung (und Konkretisierung) durch nachgeordnete Planungsträger, um ihren Ordnungs- und Entwicklungsauftrag auch gegenüber dem einzelnen [X.] erfüllen zu können. Die raumordnerisch bedingte Erstplanungs- und Änderungspflicht der [X.] aus § 1 Abs. 4 BauGB rechtfertigt sich gerade daraus, dass die Ziele der Raumordnung grundsätzlich keine unmittelbare bodenrechtliche Wirkung entfalten (BVerwG, Urteil vom 17. September 2003 - 4 C 14.01 - BVerwGE 119, 25 <38 f.> m. w. N.). Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, die Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung gegenüber [X.] auf § 34 Abs. 1 BauGB zu erstrecken (BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1993 - 4 C 15.92 - [X.] 406.11 § 34 BauGB Nr. 156 [X.]). Unmittelbare, Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmende Wirkung kommt erst den Festsetzungen des Bebauungsplans zu. Die Eigentümer von Grundstücken im unbeplanten Innenbereich sind daher auf Rechtsschutz gegen den Bebauungsplan verwiesen. Ob etwas anderes gilt, wenn [X.] ausnahmsweise vorhabenscharfe Zielvorgaben machen (vgl. hierzu Kment, Rechtsschutz im Hinblick auf [X.], 2002, S. 332), und welche Anforderungen dann an die Absehbarkeit des Erlasses eines Bebauungsplans zu stellen sind, bedarf keiner Entscheidung. Die Festlegung "Regionaler Grünzug" ist nicht vorhaben- bzw. parzellenscharf (siehe näher unter c)).

b) Die Erwägungen, mit denen das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin auf gerechte Abwägung ihrer Belange nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG für ausgeschlossen hält, sind hingegen mit Bundesrecht nicht vereinbar.

Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG sind bei der Aufstellung der [X.] die öffentlichen und privaten Belange, soweit sie auf der jeweiligen Planungsebene erkennbar und von Bedeutung sind, gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das Oberverwaltungsgericht nimmt an, dass individualrechtlich geschützte Rechtspositionen nur dann abwägungserheblich sind, wenn die raumordnerische Festlegung unmittelbar grundrechtsrelevant ist. Das sei der Fall, soweit mit solchen Festlegungen private Rechtspositionen begründet, geändert oder aufgehoben würden oder ihre Entstehung unmittelbar beeinflusst werde ([X.] 12).

Dem ist nicht zu folgen. Für die Darlegung einer möglichen Verletzung von § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG gelten im Ausgangspunkt dieselben Anforderungen wie für das bauleitplanerische Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB. Da das [X.] ist, sind nicht nur diejenigen Antragsteller [X.], deren Rechte von den Festlegungen in einem Regionalplan unmittelbar betroffen sind. Es reicht vielmehr aus, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch bestimmte Regelungen des [X.]s oder deren Anwendung in seinem Recht auf ordnungsgemäße Abwägung seiner Belange verletzt wird. Er muss geltend machen können, dass sein Interesse an der Abwehr planbedingter Folgemaßnahmen zum notwendigen Abwägungsmaterial gehört. Dann wird es von dem durch § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG vermittelten Recht auf gerechte Abwägung erfasst, dessen mögliche Verletzung die Antragsbefugnis begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 4 CN 10.02 - BVerwGE 119, 312 <321 f.> sowie Beschlüsse vom 14. Mai 2014 - 4 [X.] 10.14 - [X.] 2014, 582 Rn. 8, vom 10. Februar 2016 - 4 [X.] 37.15 - [X.] 2016, 376 Rn. 7 und vom 21. März 2019 - 4 [X.] 11.19 - juris Rn. 5 jeweils m. w. N.).

3. Das Urteil erweist sich aber im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Antragstellerin kann ihre Antragsbefugnis auch bei Anwendung des zutreffenden Maßstabs nicht aus einer möglichen Verletzung des Rechts auf gerechte Abwägung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 ROG herleiten. Die Zielfestlegung Regionaler Grünzug prägt die zukünftige Nutzbarkeit des Grundstücks der Antragstellerin nicht in einer Weise vor, dass ihre Belange in die regionalplanerische Abwägung eingestellt werden müssen.

a) Die nach ihrer Aufgabenstellung fachübergreifende, überörtliche und zusammenfassende Raumordnung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 7 ROG) schafft in Richtung auf die nachgeordnete örtliche Planung Rahmenbedingungen. Dem [X.] ist es auch bei regionalplanerischen Festlegungen mit Zielqualität unbenommen, den Verbindlichkeitsanspruch seiner [X.] zu relativieren oder teilweise zurückzunehmen, indem er dem Träger der nachfolgenden Planung beschränkte Gestaltungsspielräume einräumt. Er kann die Steuerungswirkung seiner Vorgaben einschränken und dem nachfolgenden [X.] die weitere Konkretisierung der so festgelegten Rahmenbedingungen überlassen. Wie groß der Spielraum ist, der der [X.] für eigene planerische Aktivitäten verbleibt, hängt vom jeweiligen Konkretisierungsgrad der Zielaussage ab. Je nachdem, ob ein Ziel eine eher geringe inhaltliche Dichte aufweist, die Raum für substantielle Handlungsalternativen lässt, oder durch eine hohe Aussageschärfe gekennzeichnet ist, die der Bauleitplanung enge Grenzen setzt, entfaltet es schwächere oder stärkere Rechtswirkungen. Diese relative Offenheit der zielförmigen Vorgaben ändert indes nichts daran, dass die örtlichen Planungsträger an die Ziele der raumordnerischen Letztentscheidung strikt gebunden sind (BVerwG, Beschlüsse vom 20. August 1992 - 4 NB 20.91 - BVerwGE 90, 329 <333 ff.> juris Rn. 18 und vom 26. Mai 2021 - 4 [X.] 49.20 - [X.] 2021, 764 Rn. 7).

Von diesen Maßstäben hat sich auch der [X.] leiten lassen. Nach den in der textlichen Darstellung des [X.] für den [X.] (Teilabschnitt [X.], Stand April 2018) formulierten "rechtssystematischen Vorgaben für die Zielsetzungen im Regionalplan" dürfen die Ziele hinsichtlich des [X.] den gesetzlichen Ermessensspielraum der nachfolgenden Planungen nicht mehr als erforderlich einengen. Sie müssen den Trägern der nachfolgenden Planungen die Möglichkeit lassen, durch Einbeziehung weiterer, oft [X.] sowie eigentumsrechtlicher Aspekte, die Zielumsetzung auf verschiedene Art vorzusehen. Die Detaillierungsgrenze der Zielfestlegung hat sich an der Maßstäblichkeit des [X.] ("[X.]") zu orientieren. Die Regionalplanung hat sich als eigenständige Plangattung von [X.] der Fach- und Bauleitplanung deutlich abzugrenzen; ein Eindringen in die nachgeordneten Planungen im Sinne einer "Ersatz"- oder "Ober"-Fachplanung/-Stadtplanung ist unzulässig ([X.] (9) a), S. 5).

b) Davon ausgehend verfolgt der [X.] mit der Zielfestlegung Regionaler Grünzug in der angegriffenen Änderung des [X.] nicht den Zweck, dieser Raumfunktion ungeachtet der konkreten Nutzung und Beschaffenheit der betroffenen Flächen einen absoluten Vorrang einzuräumen. Das ergibt sich im Wege der Auslegung aus den textlichen Festlegungen zur "Freiraumsicherung und Regionale Grünzüge" sowie den entsprechenden Erläuterungen. Diese Auslegung kann der Senat selbst vornehmen, weil die Vorinstanz sich mit dem [X.] der Zielfestlegung Regionaler Grünzug nicht näher befasst hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 2022 - 4 C 5.21 - NVwZ 2023, 351 Rn. 17).

Nach der Vorbemerkung zu Kapitel [X.] der textlichen Darstellung des [X.] für den [X.] (Teilabschnitt [X.], Stand: April 2018, [X.] (3) S. 30) stellen die [X.] keine Flächenreserven für eine künftige Siedlungsentwicklung dar, sondern sind obligate Komponenten einer langfristig orientierten Konzeption integrierter Siedlungs-, Verkehrs- und Freiraumentwicklung, in der sie Ausgleichs- und Ergänzungsfunktionen wahrnehmen. Die Festlegung Regionaler Grünzug ist danach keine flächenscharfe, sondern eine funktionale Vorgabe. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie wegen des die Raumordnung kennzeichnenden groben Maßstabs gerade in Regionen, die durch eine hohe Siedlungsdichte geprägt sind, sich nicht allein auf vorhandene Freiflächen erstreckt, sondern in der Regel auf vorhandene Siedlungsbereiche trifft. Sie bedarf daher in besonderer Weise näherer Konkretisierung und Ausgestaltung durch die nachfolgende Planung. Der Regionalplan trägt diesem spezifischen Gehalt Rechnung, indem er zwischen Freiflächen und Siedlungsteilen differenziert. Nach den textlichen Festlegungen sind die [X.] als wesentliche Bestandteile des regionalen Freiflächensystems im Sinne der notwendigen Ausgleichsfunktionen insbesondere in den [X.] gegen die Inanspruchnahme für [X.] besonders zu schützen (a. a. [X.], [X.] Ziel 1 Satz 1, S. 31). In der [X.] und Fachplanung sind sie durch lokal bedeutsame Freiflächen zu ergänzen und zu vernetzen (a. a. [X.] Ziel 1 Satz 2). Zudem sind sie ihrer Zweckbestimmung entsprechend zu erhalten und zu entwickeln. Neue Planungen und Maßnahmen, die ihre Aufgaben und Funktionen beeinträchtigen, sind auszuschließen. In begründeten Ausnahmefällen können Einrichtungen der Infrastruktur und Nutzungen, die von der Sache her ihren Standort im Freiraum haben und nicht außerhalb des [X.] verwirklicht werden können, auch in [X.] unter Beachtung der entsprechenden Ziele vorgesehen werden (Ziel 2 Satz 2 bis 4).

Strikte Zielbindung misst sich die Festlegung Regionaler Grünzug mithin für vorhandene Freiflächen, die die Funktionen eines Grünzugs bereits übernehmen, sowie lokal geeignete Freiflächen, die diese Funktionen übernehmen können, bei. Solche Flächen dürfen auf [X.] der Bauleitplanung nicht für [X.] in Anspruch genommen werden, sofern nicht ein begründeter Ausnahmefall vorliegt oder eine Zielabweichung zugelassen wird. Für Flächen, die bereits für [X.] genutzt werden, begründet die Zielfestlegung dagegen keine Bindungswirkung in dem Sinne, dass diese bei der Bauleitplanung als Grünflächen ausgewiesen werden müssen. Vielmehr nimmt der Regionalplan sich insoweit zurück und überlässt die nähere Ausgestaltung der Zielerreichung der nachfolgenden Bauleitplanung. Nach den Erläuterungen zum Regionalplan können nicht als Wohnsiedlungsbereich dargestellte Wohnplätze/[X.]teile im [X.] liegen und werden von dessen [X.] überlagert. Die Beurteilung der weiteren baulichen Entwicklung dieser Siedlungsteile richtet sich nach der bestehenden Rechtslage. Dabei sollen die städtebaulichen Planungen auch die Ziele für die [X.] berücksichtigen, indem auf übermäßige Verdichtung verzichtet und auf eine intensive Durchgrünung geachtet bzw. die Durchgängigkeit der [X.] gesichert wird (a. a. [X.], [X.] (3), [X.]). Mit dieser Selbstbeschränkung erkennt die Regionalplanung an, dass die Bauleitplanung über die besseren Voraussetzungen für einen möglichst sachgerechten Umgang mit bebauten Flächen im [X.] verfügt.

Die Differenzierung zwischen Freiflächen und Siedlungsteilen und die damit einhergehende abgestufte Bindungswirkung der Zielfestlegung findet sich auch in der Begründung zur angegriffenen Änderung des [X.]. Danach dient der Regionale Grünzug vorrangig der Sicherung der verbleibenden Freiflächen in diesem Bereich. Vorhandene Baurechte sollen nicht eingeschränkt werden. Vielmehr ist es [X.] Ziel, den weiteren Zubau auf diesen Flächen zu steuern (Planbegründung 4.2, S. 7). Sind hiernach auch bebaute Flächen von der Zielfestlegung erfasst, musste der [X.] diese Flächen nicht als "weiße Bereiche" festlegen, für die die Regionalplanung keine Aussage trifft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 4 [X.] 10.14 - [X.] 2014, 582 Rn. 7).

c) Für das bebaute und versiegelte Grundstück der Antragstellerin hat die Zielfestlegung Regionaler Grünzug demnach keine Bindungswirkung dergestalt, dass eine Bauleitplanung auf die Beseitigung des Bestandes gerichtet sein müsste. Ihre Belange gehören daher auf [X.] der Regionalplanung nicht zum notwendigen Abwägungsmaterial. Dass die angegriffene Änderung des [X.] nur ein vergleichsweise kleines Gebiet von ca. 25 ha betrifft, spielt insoweit keine Rolle. Die Bindungswirkung einer Zielfestlegung beurteilt sich bei [X.] nach denselben Rechtsmaßstäben wie bei [X.]. Das Vorbringen der Antragstellerin, ihr entstünden bereits gegenwärtig Nachteile, weil ihre Mieter eine Überplanung des Grundstücks als Grünfläche befürchten, führt ebenfalls nicht auf einen abwägungserheblichen Belang auf [X.] der Raumordnung. Wie ausgeführt zwingt die angegriffene Zielfestlegung Regionaler Grünzug nicht zu einer Bauleitplanung mit diesem Inhalt.

Die Antragstellerin ist damit auf Rechtsschutz gegen den nachfolgenden Bebauungsplan verwiesen. Einen Rechtsnachteil erleidet sie dadurch nicht. Die Stadt [X.] kann sich nicht darauf berufen, dass sie nach § 1 Abs. 4 BauGB dazu verpflichtet ist, auf dem Grundstück der Antragstellerin eine Grünfläche auszuweisen. Vielmehr wird sie die Belange der Antragstellerin in ihre bauleitplanerische Abwägung einbeziehen müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwG[X.]

Meta

4 CN 2/22

09.11.2023

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 11. Juni 2021, Az: 11 D 106/19.NE, Urteil

§ 3 Abs 1 Nr 2 ROG, § 3 Abs 1 Nr 7 ROG, § 7 Abs 2 S 1 ROG, § 1 Abs 4 BauGB, § 34 BauGB, § 47 Abs 1 Nr 2 VwGO, § 47 Abs 2 S 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 09.11.2023, Az. 4 CN 2/22 (REWIS RS 2023, 10066)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 10066

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