Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.06.2023, Az. 4 CN 7/21

4. Senat | REWIS RS 2023, 4910

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Prägung eines Dorfgebiets durch landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe


Leitsatz

Der Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs in § 5 Abs. 1, 2 Nr. 1 BauNVO umfasst auch Nebenerwerbsbetriebe.

Tenor

Auf die Revision der Antragsgegnerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2020 aufgehoben, soweit die Verordnung über den Bebauungsplan "[X.] 4" für unwirksam erklärt worden ist.

Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich als Miteigentümer eines im Plangebiet belegenen Grundstücks gegen die Verordnung über den Bebauungsplan "[X.] 4" der Antragsgegnerin.

2

Der erstmals am 9. Dezember 2014 festgestellte und nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens am 30. August 2019 erneut festgestellte und teilweise rückwirkend in [X.] gesetzte Bebauungsplan überplant auf einer Fläche von ca. 45,5 ha ein Gebiet um den ursprünglichen Dorfkern von [X.], eines im Nordwesten der Antragsgegnerin an der Grenze zu [X.] liegenden Ortsteils. Das Plangebiet umfasst im Wesentlichen die Flächen beiderseits des von Süd nach Nord verlaufenden [X.]er [X.] und Flächen an Querstraßen. Bereits in der Bekanntmachung des anfänglichen Aufstellungsbeschlusses im Jahr 1989 und erneut im Aufstellungsbeschluss aus dem [X.] wird festgehalten, dass der ursprüngliche Dorfkern in seiner Struktur erhalten und vor einer ortsuntypischen Verdichtung bewahrt werden solle. Dementsprechend handelt es sich im Wesentlichen um einen Bebauungsplan zur Bestandssicherung mit detaillierter Steuerung der Entwicklungsmöglichkeiten für die vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe. Der Bebauungsplan setzt flächenmäßig überwiegend weitgehend nicht bebaubare Flächen für die Landwirtschaft sowie zwei Flächen für den Gemeinbedarf (Schule und Feuerwehr) fest. Im Übrigen trifft er für die bebauten Grundstücke Festsetzungen als Dorfgebiet, wobei deren Gärten als private Grünflächen ausgewiesen werden. Hiervon ausgenommen sind fünf Hofstellen landwirtschaftlicher Betriebe mit ihren Gebäuden, die in den Flächen für die Landwirtschaft liegen; hiervon ist auch der Hof der Antragsteller - sie betreiben Ackerbau auf einer Nutzfläche von 44 ha und eine Pension für 55 Pferde - betroffen mit Ausnahme des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes, für das ein Dorfgebiet festgesetzt wird. Auf den als Dorfgebiet festgesetzten Flächen werden bestimmte Nutzungen ausgeschlossen und die Zahl der Wohnungen je Gebäude begrenzt. Die durch Baugrenzen festgesetzten Baufenster orientieren sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, am vorhandenen Bestand der Hauptanlagen. Bei den Hofstellen werden jeweils deren landwirtschaftliche Gebäude von einer gemeinsamen Baugrenze umschlossen; diese orientiert sich, von einer Hofstelle abgesehen, überwiegend an den Außenwänden der Gebäude. Das Maß der baulichen Nutzung entspricht weitgehend dem vorhandenen Bestand. Für die Gebäude und Hofstellen sowie teilweise angrenzende Flächen beiderseits des [X.]er [X.] wird darüber hinaus ein Erhaltungsbereich nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB festgesetzt.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat dem Normenkontrollantrag im Wesentlichen stattgegeben und den Bebauungsplan - mit Ausnahme der Festsetzungen der [X.] - für unwirksam erklärt: Die Festsetzungen des Baugebiets [X.] (Dorfgebiet) entsprächen nicht den Anforderungen des § 5 [X.], weil die allgemeine Zweckbestimmung eines Dorfgebiets nicht gewahrt werde. Wesensbestimmend für ein Dorfgebiet sei die Unterbringung der [X.] land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Solche für eine Gebietsprägung geeignete [X.] landwirtschaftlicher Betriebe, wie sie nach den regionalen Besonderheiten, insbesondere in einer städtischen Umgebung, vorzufinden seien, gebe es auf den als Dorfgebiet festgesetzten Flächen nicht. Trotz konzeptioneller Zugehörigkeit könne nicht auf die bebauten Flächen für die Landwirtschaft abgestellt werden. Auf den als Dorfgebiet ausgewiesenen Flächen könne erkennbar auch nicht in hinreichender Zahl mit der Errichtung von [X.] landwirtschaftlicher Betriebe gerechnet werden, die geeignet wären, all jenen Flächen die diesem Baugebiet entsprechende Prägung zu geben. Hierbei sei eine Orientierung an den vorhandenen Betrieben - nach Betriebsart und dem aus [X.] notwendigen Umfang einer [X.] - geboten. Erforderlich sei demnach ein Wirtschaftsgebäude von ca. 500 qm Grundfläche; dies entspreche dem kleinsten der vorhandenen fünf landwirtschaftlichen Hofstellen. Kleinere [X.] würden zudem nicht mehr sicherstellen, einem Vollerwerbsbetrieb dienen zu können; ein solcher Betrieb sei - in Abgrenzung zu den in § 5 Abs. 2 Nr. 2 [X.] genannten landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen - für die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 [X.] genannten [X.] vorauszusetzen. Höchstens drei der für eine Dorfgebietsprägung infrage kommenden Grundstücke seien geeignet, [X.] landschaftlicher Vollerwerbsbetriebe aufzunehmen. Bei den anderen Grundstücken seien die bestandsorientierten Baufenster zu klein, um Wirtschaftsgebäude in einer Größe errichten zu können, wie sie für einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb der im Plangebiet vorhandenen Art notwendig seien. Soweit die Grundstücke größere Baufenster aufwiesen, handele es sich um ehemalige Hofstellen, deren Gebäude vollständig zu Wohnzwecken umgebaut worden seien. Diese Nutzungsart erzeuge einen starken Wertschöpfungsdruck im Plangebiet, so dass es keine realistische Perspektive gebe, diese Grundstücke in Zukunft der weniger rentablen landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. Darüber hinaus bestehe für die ehemaligen Hofstellen sowie für einige Gebäude auf anderen Grundstücken Denkmalschutz, was eine Umnutzung erschwere. Die daraus folgende Unwirksamkeit der Dorfgebietsfestsetzungen führe unabhängig davon, ob die Dorfgebietsfestsetzungen ein einheitliches Baugebiet oder aufgrund ihrer räumlichen Trennung mehrere separate Baugebiete bilden, zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans mit Ausnahme der Festsetzungen der [X.]. Denn mit dem Wegfall der [X.] fehle dem Bebauungsplan eine Kernaussage seines Konzepts, weshalb die verbleibenden Festsetzungen keine sinnvolle städtebauliche Ordnung mehr bewirken könnten.

4

Mit ihrer Revision macht die Antragsgegnerin geltend, dass landwirtschaftliche Betriebe im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] nicht nur Haupterwerbsbetriebe seien. Der Wortlaut schließe auch Nebenerwerbsbetriebe ein. Der Verweis des [X.] auf die wesensverschiedene Nebenerwerbsstelle in § 5 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei verfehlt. Aus der Neuregelung in § 5a [X.] ergebe sich nichts Gegenteiliges.

5

Die Antragsteller verteidigen das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision ist zulässig und begründet. Das angegriffene Urteil beruht auf einem Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Feststellungen des [X.] führen weder auf eine anderweitige [X.] (§ 144 Abs. 4 VwGO) noch erlaubt die Verwertung des Inhalts der Gerichtsakten eine eigene abschließende Entscheidung des Senats (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht ist folglich geboten (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

7

1. Im [X.] an die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 23. April 2009 - 4 CN 5.07 - [X.]E 133, 377 Rn. 8 ff.) ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die allgemeine Zweckbestimmung des [X.] gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur dann gewahrt und die Festsetzung des [X.] rechtmäßig ist, wenn auf diesen Flächen die für dieses Baugebiet auch [X.] [X.]n landwirtschaftlicher Betriebe in einer für die Prägung des Gebiets hinreichenden Zahl und Größe vorhanden sind oder dort untergebracht werden können. Bei dieser Prüfung, als deren Ergebnis drei taugliche Grundstücke identifiziert werden, hat das Oberverwaltungsgericht lediglich landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe berücksichtigt. Diese Verengung des Begriffs "Betrieb" in § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist unzutreffend.

8

a) Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist für alle Arten betrieblicher Organisationsformen offen, eine Unterscheidung nach der Größe ist darin nicht angelegt. Insoweit gilt nichts anderes als im Rahmen des [X.] des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]; dort werden Vollerwerbs- und [X.]e - ungeachtet der bei der Feststellung der Voraussetzungen eines [X.]s oftmals schwierigen Abgrenzung zur bloßen Liebhaberei - gleichbehandelt. Der Betrieb zeichnet sich durch eine spezifisch betriebliche Organisation und die Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung aus, die ein auf Dauer lebensfähiges Unternehmen kennzeichnen. Der Gewinnerzielungsabsicht kommt dabei indizielle Bedeutung zu. Auf die Größe des Betriebs als solche kommt es folglich nicht entscheidend, sondern nur als ein Indiz an (vgl. etwa [X.], Urteil vom 11. Oktober 2012 - 4 C 9.11 - [X.] 406.11 § 35 [X.] Nr. 387 Rn. 7 ff.; so schon Urteile vom 27. Januar 1965 - 4 C 41.65 - [X.]E 26, 121 <124> und vom 24. August 1979 - 4 C 3.77 - [X.] 406 § 35 BBauG Nr. 158 S. 103; siehe dazu Söfker, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2023, § 35 Rn. 46 ff. und [X.], in: [X.], [X.], Stand Januar 2023, § 35 Rn. 28 f.). Dieser Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs wird verbreitet auch für § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] als maßgeblich erachtet (so etwa [X.], Urteil vom 8. Januar 2002 - 5 S 1973/01 - juris Rn. 2 ff.; [X.], Urteil vom 15. Februar 2005 - 3 N 1095/03 - juris Rn. 29 ff.; Söfker, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2023, § 5 [X.] Rn. 27; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2023, § 5a [X.] Rn. 43; [X.], in[X.]/[X.]/Stock, [X.], 5. Aufl. 2022, § 5 Rn. 17; [X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 46; [X.]/[X.], in: [X.]Fieseler, [X.], 13. Aufl. 2018 § 5 Rn. 1.43).

9

b) [X.] Erwägungen führen nicht dazu, [X.]e von den in § 5 Abs. 1 Satz 1 [X.] als für das Dorfgebiet [X.] landwirtschaftlichen Betrieben nicht umfasst anzusehen. Ob eine wesensbestimmende Prägung des [X.] als "ländliches Mischgebiet" ([X.], Beschluss vom 4. Dezember 1995 - 4 B 258.95 - [X.] 406.12 § 5 [X.] Nr. 3 S. 5; Urteile vom 23. April 2006 - 4 CN 5.07 - [X.]E 133, 377 Rn. 10 und vom 6. Juni 2019 - 4 C 10.18 - [X.] 406.11 § 34 [X.] Nr. 224 Rn. 21) allein durch [X.]e erreicht werden kann, bedarf hier keiner Klärung; denn nach den bindenden Feststellungen des [X.] ist es möglich, Haupterwerbsbetriebe auf den betreffenden Flächen unterzubringen. Zur erforderlichen Prägung können die [X.]e jedenfalls beitragen. Dies gilt insbesondere wegen ihres spezifischen Störpotenzials, das sich aufgrund der geringeren Größe der [X.] nur graduell von dem des [X.] unterscheidet. Aufgrund des Strukturwandels der Landwirtschaft mit einer wachsenden Anzahl auch ausgesiedelter Großbetriebe und einem Anteil von [X.] in Höhe von über 50 % (siehe [X.], DVBl 2021, 694 <695>; [X.], [X.] 2011, 323 <324 f.>) kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Dorfgebiet - ungeachtet der gleichermaßen [X.] Wohn- und gewerblichen Nutzung - dem Grunde nach den [X.] vorbehalten bleiben soll. Die in § 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] normierte Pflicht zur vorrangigen Rücksichtnahme begünstigt jeglichen landwirtschaftlichen Betrieb.

c) Einer Orientierung am weiten Verständnis des Begriffs des landwirtschaftlichen Betriebs in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] steht nicht entgegen, dass bei der Vorhabenzulassung im Rahmen der Prüfung der für die [X.] erforderlichen Dauerhaftigkeit und Lebensfähigkeit des Betriebs nicht zuletzt die Eigenschaften und Fähigkeiten des Betriebsführers als Indiz herangezogen werden. Bei der [X.] und von einer konkreten Inhaberschaft abstrahierenden planbezogenen Bewertung reicht es, im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse auf eine Mindestgröße für einen Nebenbetrieb und somit auf ein objektivierbares Merkmal abzustellen (a. [X.], [X.] 2021, 626 <627>).

d) Die der Rechtsauffassung des [X.] zugrundeliegenden Erwägungen sind nicht tragfähig.

Die Erwähnung von landwirtschaftlichen [X.] in § 5 Abs. 2 Nr. 2 [X.] könnte bei einer auf die Gesetzessystematik abstellenden Argumentation nur dann Rückschlüsse auf das Verständnis von § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] zulassen, wenn damit eine Sonderregelung für grundsätzlich bereits von den letztgenannten Vorschriften erfasste bauliche Nutzungen getroffen würde. Dem ist aber nicht so. Vielmehr stehen die [X.]n landwirtschaftlicher [X.]e und die [X.] ohne sachliche Überschneidung nebeneinander.

aa) Die in § 5 Abs. 2 Nr. 2 [X.] genannten [X.] finden sich mit derselben Bedeutung in § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 [X.]. Die [X.] hat eine inhaltliche Nähe zur Kleinsiedlung und steht zwischen dieser und dem [X.]. Sie ist in Anlehnung an eine frühere förderrechtliche Bestimmung (§ 143 Abs. 2 Satz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung i. d. F. vom 3. April 1957, [X.]) - bei fließendem Übergang zur Kleinsiedlung - eine Siedlerstelle mit einem Wohngebäude, einem Wirtschaftsteil und einer Landzulage, die aufgrund ihrer Größe und Bodenbeschaffenheit geeignet und bestimmt ist, dem Siedler durch weitgehende Selbstversorgung aus den Erträgnissen des Bodens und der Tierhaltung sowie gegebenenfalls durch Einkünfte aus einer bescheidenen Marktleistung eine spürbare Ergänzung des Einkommens zu ermöglichen; ihr fehlt die [X.] ([X.], Urteil vom 25. Januar 2013 - 10 A 2269/10 - juris Rn. 82 ff. und Beschluss vom 10. Mai 2017 - 8 B 1081/16 - juris Rn. 24 f.; Stock, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2023, § 2 [X.] Rn. 50, 57; Vietmeier, in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2018, § 2 Rn. 23 ff.; [X.], in: BeckOK [X.], Stand April 2023, § 2 Rn. 43 f.).

bb) Keinen Anlass für ein abweichendes Verständnis der Regelung gibt die Verwendung des Begriffs der [X.] in der Rechtsprechung des erkennenden Senats zu § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]. Das [X.] spricht in Entscheidungen zum landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zwar ebenfalls von [X.] (siehe Urteil vom 27. Januar 1967 - 4 C 41.65 - [X.]E 26, 121 [X.]. 1 und nachfolgend Urteile vom 24. Oktober 1980 - 4 C 35.78 - juris Rn. 10, vom 11. April 1986 - 4 C 67.82 - [X.] 406.11 § 35 BBauG Nr. 234 S. 154, vom 16. Dezember 2004 - 4 C 7.04 - [X.]E 122, 308 S. 311 f. und zuletzt vom 11. Oktober 2012 - 4 C 9.11 - [X.] 406.11 § 35 [X.] Nr. 387 Rn. 7; diese Begrifflichkeit übernehmend [X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 15. Aufl. 2022, § 35 Rn. 17). Damit ist aber ersichtlich nicht der in der [X.] verwendete eigenständige städtebauliche Begriff gemeint. Die genannten Entscheidungen umschreiben mit der [X.] vielmehr - soweit ersichtlich - die sächlichen Grundlagen einer landwirtschaftlichen Produktion, die bei entsprechender Organisation und Nachhaltigkeit und einer beständigen Teilnahme am Marktgeschehen als "betrieblich" eingestuft werden kann.

cc) Auch die mit dem Gesetz zur Mobilisierung von [X.] - [X.]mobilisierungsgesetz - vom 14. Juni 2021 ([X.]) neu eingefügte Bestimmung des § 5a [X.] über die Baugebietskategorie des [X.] Wohngebiets erlaubt nicht den Schluss, dass dem § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 [X.] jedenfalls in dem für die Überprüfung des Bebauungsplans maßgeblichen Zeitpunkt seiner Feststellung (vgl. [X.], Urteil vom 18. Oktober 2017 - 4 C 5.16 - [X.]E 160, 104 Rn. 10 ff.) und angesichts der in seiner Begründung (S. 3) enthaltenen Bezugnahme auf die [X.] i. d. F. vom 21. November 2017 ([X.]) das vom Oberverwaltungsgericht vertretene Begriffsverständnis zugrunde liegt.

Nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] dienen Dörfliche Wohngebiete dem Wohnen sowie der Unterbringung von land- und forstwirtschaftlichen [X.] und nicht wesentlich störenden Gewerbegebieten. Zulässig sind u. a. nach § 5a Abs. 2 Nr. 2 [X.] [X.]n land- und forstwirtschaftlicher [X.]e und die dazugehörigen Wohnungen und Wohngebäude sowie nach § 5a Abs. 2 Nr. 3 [X.] Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten. Aus dieser "auffälligen" und inkongruenten Terminologie (so Finger, in: [X.], [X.], Stand Januar 2023, § 5a [X.] Rn. 24), bei der sich nicht alle für die Zweckbestimmung prägenden Nutzungen in der Aufzählung der allgemein zulässigen Nutzungsarten wiederfinden, folgt, dass im gegebenen Regelungszusammenhang der im Rahmen der Zweckbestimmung erwähnte Begriff der [X.] wegen des Bezugs zu und der Ausfüllung in § 5a Abs. 2 Nr. 2 [X.] gerade auf die [X.] nicht verzichten kann und somit weiter und anders zu verstehen ist als in § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 5 Abs. 2 Nr. 2 [X.], nämlich im Sinne des [X.]s. Des Weiteren ist festzustellen, dass die [X.] auch in § 5a Abs. 2 Nr. 3 [X.] keine ausdrückliche Erwähnung findet und somit - mangels eines nachvollziehbaren Grundes für ihren Ausschluss - entweder mittels eines [X.] von § 5a Abs. 2 Nr. 2 [X.] miterfasst anzusehen oder aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 5a Abs. 2 Nr. 3 [X.] als allgemein zulässig einzustufen ist (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], Stand Februar 2023, § 5a [X.] Rn. 44 f.).

Der so zu verstehenden Neuregelung liegt ersichtlich kein reflektierter Umgang mit dem bislang in der [X.] verwendeten Begriff der [X.] zugrunde. Dies erklärt sich wohl daraus, dass die Neuregelung offensichtlich an die vom [X.] zu § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] verwendete Terminologie anknüpft. Dies wird auch bestätigt durch die knappen Erläuterungen in der Begründung zum Gesetzentwurf. Dort wird auf die Empfehlungen der [X.]kommission verwiesen, die beim [X.] Wohngebiet nur von landwirtschaftlichen Betrieben (im Neben- und Haupterwerb) spricht, die [X.] in ihrer spezifischen Bedeutung in der Begrifflichkeit der [X.] aber nicht erwähnt (vgl. [X.]. 19/24838 S. 34 ).

2. Das angegriffene Urteil beruht auf der bundesrechtswidrigen Beschränkung des § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf Vollerwerbsbetriebe.

Die nach Auffassung des [X.] gebotene Orientierung an den im Plangebiet vorhandenen landwirtschaftlichen ([X.] bildet nur eine Regel, so dass die nachfolgende normative Abstützung für die Entscheidung tragend ist ([X.] f.).

Soweit das Oberverwaltungsgericht am Ende der Prüfung, ob über die festgestellten drei Grundstücke hinaus noch weitere zur Ansiedlung von [X.]n landwirtschaftlicher ([X.] zur Verfügung stehen, auf den [X.] durch eine gegebene Wohnnutzung und den Denkmalschutz verweist, die einer Umnutzung als landwirtschaftliche [X.] entgegenstünden ([X.] f.), kann angesichts der unbestimmten Angaben nicht davon ausgegangen werden, dass diese Hinderungsgründe alle in Betracht zu ziehenden Grundstücke betreffen.

3. Die Prüfung, ob auf den Grundstücken in den Festsetzungen als Dorfgebiet [X.]n landwirtschaftlicher Nebenbetriebe untergebracht werden können, ist dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass das Revisionsgericht im Interesse einer abschließenden Entscheidung auf den Akteninhalt des vorinstanzlichen Verfahrens zugreift und diesen verwertet (siehe etwa [X.], Urteil vom 11. Juli 2017 - 7 C 35.15 - [X.] 451.224 § 3 KrWG Nr. 2 Rn. 32; [X.], in: [X.], VwGO, 16. Aufl. 2022, § 137 Rn. 60 ff.). Die Antragsgegnerin hat eine detaillierte Übersicht zu den einzelnen Flächen mit der Festsetzung [X.] zu den Akten gereicht (Schriftsatz vom 6. Oktober 2020). Diese bedarf aber der tatrichterlichen Würdigung, die dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten ist.

Es spricht viel dafür, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Prüfung und den rechtlichen Folgerungen ungeachtet der räumlichen Trennung der Flächen die Festsetzung eines einheitlichen [X.] zugrunde zu legen hat. Angesichts des in der Begründung zum Bebauungsplan betonten [X.], den ursprünglichen Dorfkern von [X.] in seiner Struktur mit dem [X.]er Kirchenweg als "Dorfstraße" zu erhalten (S. 4 f.), erscheint nicht zuletzt wegen des [X.] ([X.]) eine zusammenfassende Betrachtung aller Flächen angezeigt, auch wenn in der Begründung zum Bebauungsplan nachfolgend von festgesetzten Dorfgebieten die Rede ist (S. 49 ff.).

Meta

4 CN 7/21

20.06.2023

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: CN

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 15. Oktober 2020, Az: 2 E 7/18.N, Urteil

§ 35 Abs 1 S 1 Nr 1 BauGB, § 2 Abs 1 BauNVO, § 2 Abs 2 Nr 2 BauNVO, § 5 Abs 1 BauNVO, § 5 Abs 2 Nr 1 BauNVO, § 5 Abs 2 Nr 2 BauNVO, § 5a Abs 1 S 1 BauNVO, § 5a Abs 2 Nr 2 BauNVO, § 5a Abs 2 Nr 3 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.06.2023, Az. 4 CN 7/21 (REWIS RS 2023, 4910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4910

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 A 1590/17 (Verwaltungsgericht Hannover)


1 N 17.1125 (VGH München)

Unwirksame Festsetzung eines Dorfgebiets


W 5 S 20.1648 (VG Würzburg)

Anfechtungsklage, Baugenehmigung, Bebauungsplan, Dorfgebiet, Gemeinde, Immissionsschutz, Nachbarschutz


W 5 S 20.1652 (VG Würzburg)

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für Pferdestall


1 N 15.4 (VGH München)

Unwirksamkeitserklärung einer Entwicklungssatzung


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.