Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2017, Az. 4 StR 252/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12558

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[X.]:[X.]:BGH:2017:110417B4STR252.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 252/16

vom
11. April
2017
in der Strafsache
gegen

1.
2.

wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und der
Beschwerdeführer am 11.
April
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25.
November 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit die Angeklagten im Fall
II.2 der Urteilsgründe ver-urteilt worden sind, und
b)
im Gesamtstrafenausspruch.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der
Rechtsmit-tel, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des [X.]s zurückverwiesen.
3.
Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in zwei Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafen von neun Monaten ver-urteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, die jeweils mit einer Verfahrensbeanstan-1
-
3
-
dung und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet sind. Die
Rechtsmittel haben
den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
Die Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von [X.] gemäß §
266a Abs.
3 StGB im Fall
II.2 der Urteilsgründe hält einer rechtli-chen Prüfung nicht stand, weil die [X.] nicht hinreichend bele-gen, dass es sich bei den nicht abgeführten Beiträgen um Teile des den Arbeit-nehmern zustehenden Arbeitsentgelts handelte.
1.
Nach den Feststellungen waren die Angeklagten Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der W.

GmbH & Co. KG, die mit mehr als
500
Beschäftigten im Bereich der Herstellung, Veredelung und Bearbeitung von Glas zu Geschenkartikeln unternehmerisch tätig war. Für tarifgebundene Ar-beitnehmer der W.

GmbH & Co.
KG bestand die Möglichkeit, Beiträ-
ge an die ufba
-
Unterstützungskasse zur Förderung der betrieblichen [X.] zu leisten. Hierzu wurden seitens der Gesellschaft jeweils im [X.] eines Jahres vorschüssig für das Folgejahr pro Mitarbeiter 624
Euro des [X.] einbehalten
und bei der Unterstützungskasse für die Beschäftigten angelegt. Vor dem Hintergrund einer seit 2008 angespannten Liquiditätssituation bei der W.

GmbH & Co. KG unterließen die Ange-
klagten in Kenntnis ihrer Verpflichtungen bewusst die Abführung von Beiträgen in Höhe von ca. 157.000
Euro für das Beitragsjahr 2010, die grundsätzlich am 1.
Dezember 2009 hätten entrichtet werden müssen, deren Fälligkeit aber [X.] einer mit der Unterstützungskasse getroffenen Vereinbarung bis August 2010 gestundet war. Ferner unterließen sie es, die betroffenen Mitarbeiter hier-über zu informieren, obwohl ihnen bewusst war, hierzu verpflichtet zu sein.
2
3
-
4
-
2.
Die Strafvorschrift des §
266a Abs.
3 StGB, mit welcher der Gesetz-geber treuwidrige Verhaltensweisen des Arbeitgebers im Grenzbereich von Be-trug und Untreue erfassen wollte (vgl. Entwurf der Bundesregierung für
ein Zweites
Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität, BT-Drucks. 10/318,
S.
13, 29), stellt das heimliche Nichtabführen von einbehaltenen Teilen des dem Arbeitnehmer zustehenden Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber unter Strafe. Erforderlich ist eine den Arbeitgeber treffende rechtliche Verpflichtung zur Ab-führung von [X.] des Arbeitnehmers an Dritte, die sich neben gesetzli-chen Regelungen auch aus vertraglichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ergeben kann (vgl. BT-Drucks. 10/318,
S.
29; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 29.
Aufl., §
266a Rn.
13; [X.], StGB, 64.
Aufl., §
266a Rn.
22a). [X.] geschützt sind ausschließlich Bestandteile des dem Arbeitnehmer zustehenden Entgelts. Zahlungen, die der Arbeitgeber [X.] einer eigenen, wenn auch im Interesse der Arbeitnehmer bestehenden Beitragsverpflichtung zu erbringen hat, unterfallen
dagegen
nicht der Strafnorm des §
266a Abs.
3 StGB (vgl. [X.], [X.], 3739, 3740; [X.], Urteil vom 18.
Juli 2014

10
Sa
1492/13,
juris
Rn.
76). Ob sich die seitens des
Arbeitgebers unterbliebene Erbringung vertraglich vereinbarter Leistungen zur Altersvorsorge als Nichterfüllung einer eigenen Beitragsverpflichtung des
Arbeitgebers oder als Nichtabführung einbehaltener Entgeltteile des Arbeitneh-mers darstellt, beurteilt sich nach dem

gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden

Inhalt der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen einzel-
und
tarifvertraglich getroffenen Vereinbarungen (vgl. [X.] aaO Rn.
77; [X.], Urteil vom 2.
September 2015

12
Sa
175/15, juris Rn.
111
ff.).
3.
Die Ausführungen der Strafkammer im
angefochtenen Urteil ergeben danach nicht hinreichend, dass es sich bei den von den Angeklagten nicht an die Unterstützungskasse abgeführten Beiträgen um Teile des den Beschäftigten 4
5
-
5
-
zustehenden Arbeitsentgelts handelte. Zu den vertraglichen Vereinbarungen, die der für die tarifgebundenen Arbeitnehmer bestehenden Möglichkeit
zugrun-de lag, Beiträge zur Altersvorsorge an die Unterstützungskasse zu leisten, [X.] sich die Feststellungen des Urteils nicht. Soweit das [X.] im Rahmen der rechtlichen Würdigung pauschal auf entsprechende tarifvertragli-che Vereinbarungen verweist, wird dies inhaltlich nicht näher ausgeführt. Auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ermöglicht keine eindeutige Be-urteilung. So könnte die Feststellung, wonach pro Mitarbeiter vorschüssig für das Folgejahr 624
Euro des [X.] einbehalten wurden, auf einen Entgeltcharakter der Beiträge hindeuten, während der Umstand, dass die W.

GmbH & Co. KG hinsichtlich der zu leistenden Beiträge Stun-
dungs-
und Ratenzahlungsvereinbarungen mit der Unterstützungskasse schloss, eher für eine eigene Beitragsverpflichtung der Gesellschaft spricht. Insgesamt vermag der Senat auf der Grundlage der bisherigen Urteilsausfüh-rungen nicht abschließend zu beurteilen, ob der Tatrichter zu Recht von einem Nichtabführen von Teilen des den Arbeitnehmern zustehenden Arbeitsentgelts ausgegangen ist.
[X.]Cierniak Franke

Bender Quentin

Meta

4 StR 252/16

11.04.2017

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.04.2017, Az. 4 StR 252/16 (REWIS RS 2017, 12558)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12558

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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10 Sa 1492/13 (Landesarbeitsgericht Hamm)


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4 StR 252/16

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