Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.12.2010, Az. V B 29/10

5. Senat | REWIS RS 2010, 779

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Gegenstand

Korrektur bestandskräftiger Steuerbescheide bei nachträglich erkannter fehlerhafter Richtlinienumsetzung - Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung bei voraussichtlichem Vorabentscheidungsersuchen - Rechtsfortbildungsrevision als Spezialtatbestand der Grundsatzrevision


Leitsatz

1. NV: Es ist geklärt, dass das Unionsrecht bei nachträglich erkannter fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie keine günstigere Behandlung des Steuerpflichtigen im Hinblick auf den Lauf und die Dauer der Einspruchsfrist (§§ 347 Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 AO) verlangt .

2. NV: Es ist geklärt, dass nach den Vorgaben des Unionsrechts ein bestandskräftiger Steuerbescheid bei einer erst nachträglich erkannten fehlerhaften Richtlinienumsetzung nicht unter günstigeren Bedingungen als bei einer Verletzung innerstaatlichen Rechts änderbar sein muss. Das Korrektursystem der §§ 172 ff. AO regelt die Durchsetzung der sich aus dem Unionsrecht ergebenden Ansprüche abschließend .

Gründe

1

Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

2

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O zuzulassen. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfenen Rechtsfragen zur Auslegung des Unionsrechts sind bereits geklärt.

3

a) Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt in Betracht, wenn Auslegungszweifel in Bezug auf das anzuwendende Unionsrecht vorhanden sind und im Revisionsverfahren voraussichtlich eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] einzuholen wäre (vgl. Beschluss des [X.] --BFH-- vom 9. November 2007 [X.], [X.], 390).

4

b) Die Klägerin wirft in der Beschwerdebegründung vom 17. Juni 2010 mehrere unionsrechtliche Auslegungsfragen auf.

5

aa) Sie hält gestützt auf Ausführungen im Beschluss des [X.] vom 4. September 2008  2 BvR 1321/07 ([X.]/Entscheidungsdienst 2009, 60) das Unionsrecht hinsichtlich der Frage für auslegungsbedürftig, ob die Einspruchsfrist (§§ 347 Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--) bei einer fehlerhaften Umsetzung der [X.] vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] durch den Gesetzgeber einer Anlaufhemmung unterliegen müsse, bis der Steuerpflichtige durch ein [X.]-Urteil Kenntnis vom Umsetzungsverstoß erlangen könne.

6

bb) Der [X.] müsse ferner darüber befinden, ob die Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.], der eine Änderung rechtswidriger bestandskräftiger Steuerbescheide nach § 130 AO ausschließe, den Vorgaben des unionsrechtlichen Effektivitätsprinzips zuwiderlaufe.

7

c) Diese unionsrechtlichen Fragen sind geklärt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil vom 16. September 2010 [X.]/09 ([X.] --DStR-- 2010, 2400; vgl. auch [X.] vom 8. Juli 2009 [X.], [X.], 1, und vom 9. Juni 2010 [X.]/10, [X.], 1783).

8

2. Da die Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O ein Spezialtatbestand der Grundsatzrevision ist (vgl. [X.] vom 19. April 2007 [X.], [X.] 2007, 1518; in [X.], 1783), kommt auch die Zulassung der Revision aus den unter 1. dargelegten Gründen nicht in Betracht.

9

3. Soweit die Klägerin eine Zulassung der Revision zur Sicherung der Rechtseinheit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O) begehrt, hat sie nicht --wie erforderlich-- die behauptete Abweichung durch das Gegenüberstellen einander widersprechender abstrakter Rechtssätze aus der Entscheidung der Vorinstanz einerseits und einer Divergenzentscheidung andererseits i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O dargelegt. Die von ihr angeführten Entscheidungen des [X.] ([X.]) im Urteil vom 25. März 2010  4 K 29/10 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1549) und der Vorinstanz stimmen untereinander und auch mit dem Senatsurteil in [X.], 2400 in ihren tragenden Rechtsgrundsätzen überein. Eine Zulassung der Revision zur Vermeidung einer drohenden "nachträglichen Divergenz" (vgl. z.B. [X.] vom 31. Oktober 2002 [X.]/01, [X.] 2003, 291; Senatsbeschluss vom 26. Juni 2009 [X.]/08, [X.] 2009, 2011) kommt ebenfalls nicht in Betracht. Der Senat hat die bei ihm anhängigen Verfahren mittlerweile entschieden; damit stimmen die tragenden Rechtssätze des angefochtenen [X.]-Urteils überein.

Meta

V B 29/10

03.12.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 4. März 2010, Az: 16 K 230/09, Urteil

§ 347 Abs 1 S 1 AO, § 355 Abs 1 S 1 AO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 172 AO, §§ 172ff AO, Art 267 AEUV, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 1 FGO, Art 10 EG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 03.12.2010, Az. V B 29/10 (REWIS RS 2010, 779)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 779

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