Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2015, Az. I ZB 77/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 16718

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]
vom
22. Januar 2015
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 802l
a)
[X.] gemäß §
802l ZPO sind nach Abgabe einer Vermögensaus-kunft nicht nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat und durch die [X.] neue Erkenntnisse zu erwarten sind. Sie sind erst dann nicht erforderlich, wenn aus den Angaben des Schuldners oder ande-ren offensichtlichen Umständen deutlich wird, dass die [X.] zu keiner auch nur teilweisen Befriedigung des Gläubigers führen können.
b)
[X.] die [X.] nach einer Vermögensauskunft eingeholt, so ist es erst erforderlich, sie [X.] zu erheben, wenn der Gläubiger konkrete Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung der [X.] glaubhaft macht oder wenn er eine erneute Vermögensauskunft (§
802d ZPO) abgegeben hat.
c)
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist der Gerichtsvollzieher nach §
802l Abs.
1 ZPO dazu verpflichtet, die vom Gläubiger begehrten [X.] einzuholen.
[X.], Beschluss vom 22. Januar 2015 -
I [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22.
Januar 2015 durch [X.] Dr.
Büscher,
die Richter
Prof. Dr. Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Dr.
Koch und Feddersen

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des [X.]
7.
Zivilkammer
vom 30.
Juni 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwie-sen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.000

t-gesetzt.

Gründe:
[X.] Mit Schreiben vom 17.
Januar 2013 beantragte die Gläubigerin, dass der Schuldner gemäß §
802c ZPO Auskunft über sein Vermögen erteilt. [X.] stellte sie den Antrag, Auskünfte nach §
802l ZPO einzuholen, falls der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkomme oder die Vollstreckung der in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögens-gegenstände eine vollständige Befriedigung der
Gläubigerin
nicht erwarten [X.].
Der Schuldner erteilte die Vermögensauskunft am 13.
März 2013 und gab an, [X.] zu sein, insbesondere keine eigenen Fahrzeuge und kein Arbeitseinkommen
zu
haben; er lebe von Arbeitslosengeld
II und sein Gi-1
2
-
3
-
rokonto bei der [X.] weise einen Kontostand von ungefähr 5

802l ZPO holte der Gerichtsvollzieher nicht ein.
Unter dem 27.
Januar 2014 beantragte die Gläubigerin, die Auskünfte nach §
802l ZPO
zu erheben. Diesen Antrag lehnte der Gerichtsvollzieher mit der Begründung ab, der Schuldner habe am 13.
März 2013 alle erforderlichen Angaben gemacht und es seien bereits mehrere Pfändungs-
und Überwei-sungsbeschlüsse aufgrund dieser Angaben beantragt, erlassen und zugestellt worden. Die beantragten [X.] seien nicht eingeholt worden, da die Vermögensauskunft des Schuldners entsprechende Angaben enthalte. Durch die [X.] seien keine neuen Erkenntnisse zu erwarten.
Die dagegen gerichtete Erinnerung der Gläubigerin hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde
ist ohne
Erfolg
geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren auf Einholung von [X.]n weiter.
I[X.] Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Gerichtsvollzieher habe die Einholung von [X.]n
nach §
802l ZPO
zu Recht abgelehnt, weil sie zur Vollstreckung nicht erforderlich sei. Der Gerichtsvollzieher habe [X.] nach Abgabe einer Vermögensauskunft durch den Schuldner nur zu erheben, wenn Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Vermögensauskunft unvollständige
oder
unzutreffende Angaben enthalte und durch die [X.] neue verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten seien. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des §
802l Abs.
1 Satz
2 ZPO, wonach [X.] nur eingeholt werden dürften, wenn dies zur Vollstreckung erfor-derlich sei.
II[X.] Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist [X.] (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das Beschwerdegericht
hat 3
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5
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-
4
-
zu Unrecht angenommen, [X.] gemäß §
802l ZPO seien
nach [X.] einer Vermögensauskunft
nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür
vorlä-gen,
dass
der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht habe und durch die [X.] neue Erkenntnisse zu erwarten seien.
1. Nach §
802l Abs.
1 ZPO darf der Gerichtsvollzieher die in dieser Vor-schrift näher bezeichneten [X.] erheben, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine [X.] voraussichtlich nicht zu erwarten
ist, die Erhe-bung der Auskunft zur Vollstreckung erforderlich
ist
und die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500

.
2. Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Einholung von [X.]n nach
§
802l ZPO
nur im Sinne des §
802l Abs.
1 Satz
2 ZPO erforderlich und deshalb zulässig ist, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen,
dass der Schuldner unvollständige oder unzutreffende Angaben gemacht hat und durch die [X.] neue Erkenntnisse zu erwarten sind.
a) Von einer Ansicht, der sich das Beschwerdegericht angeschlossen hat, wird das Vorliegen dieser
Voraussetzungen
für die Einholung von [X.]n nach §
802l ZPO für notwendig erachtet (vgl. [X.], [X.] 2013, 243; [X.].ZPO/Wagner, 4.
Aufl., §
802l Rn.
15
f.). Nach der Systematik der §§
802c
ff. ZPO sei die Selbstauskunft des Schuldners
ge-genüber der Drittauskunft vorrangig. Sei die
Selbstauskunft
richtig, könne eine Fremdauskunft keine neuen Erkenntnisse vermitteln. Um [X.] einzu-holen, müssten deshalb Anhaltspunkte für weitere Vermögenswerte oder
für
die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Selbstauskunft bestehen. Die Mehrzahl der [X.] enthalte richtige Angaben und
erweise sich nur deshalb
als unergiebig
für den Gläubiger, weil
keine
pfändbaren
Vermögens-werte vorhanden seien. Würde
eine solche Unergiebigkeit der Selbstauskunft 7
8
9
-
5
-
ohne weitere Prüfung ihrer Richtigkeit
schon für sich allein
für die Einholung von [X.]n ausreichen, führe
dies
zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Schuldners, der
eine voll-ständige Auskunft erteilt habe. §
802l ZPO diene in erster Linie der Abwehr missbräuchlichen Verhaltens des Schuldners. Dann bedürfe es aber zumindest gewisser Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Missbrauch überhaupt im Raum stehe.
b) Nach anderer Auffassung sind Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft des Schuldners keine Voraussetzung für die Einholung einer Drittauskunft nach §
802l ZPO (vgl. [X.], [X.] 2014, 224; [X.] in Musielak, ZPO, 12.
Aufl., §
802l Rn.
7; Fleck in [X.]/Wolf, [X.], Stand 15.
September 2014 Rn.
4; Hk-ZPO/[X.] §
802l Rn.
4). Eine derartige Einschränkung des [X.] dieser Vorschrift lasse sich weder dem Gesetz noch den
Gesetzesmate-rialien
entnehmen. Da der Gläubiger in der Regel über keine Informationen ver-füge, um die Vollständigkeit oder Richtigkeit der vom Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft zu beurteilen, sei ein Erfordernis, entsprechende Anhalts-punkte vorzutragen, mit dem gesetzgeberischen Ziel unvereinbar, bisher beste-hende Unzulänglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger zu be-seitigen.
3. Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung an.
a) Zweck des §
802l ZPO ist es, die Möglichkeiten der Informationsbe-schaffung für den Gläubiger durch die ergänzende Einholung von [X.] wirkungsvoll zu stärken.
Dadurch kann der Gläubiger Unrichtigkeiten der vom Schuldner
in der Vermögensauskunft abgegebenen Selbstauskunft aufdecken (vgl. [X.] in Musielak
[X.]O
§
802l Rn.
4).
Dabei sollen die Belange des Schuldners, insbesondere sein Recht auf informationelle Selbstbestim-mung, und die Notwendigkeit, dem
Gläubiger
eine
effektive Rechtsdurchset-10
11
12
-
6
-
zung zu ermöglichen, zu einem angemessenen Ausgleich gebracht werden. Deshalb
wurde
die Einholung von [X.] nur für Forderungen von mindestens 500

s-ausschusses, BT-Drucks.
16/13432, S.
2).
Andererseits sollte die Effektivität der Zwangsvollstreckung dadurch erhöht werden, dass der Gläubiger die [X.] des Schuldners überprüfen kann, wenn eine Vollstreckung in die im Vermögensverzeichnis aufgeführten Vermögensgegenstände voraus-sichtlich nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führt ([X.], BT-Drucks.
16/10069, S.
31
f.).
b) Dieser mit §
802l ZPO verfolgte Zweck könnte
nicht erreicht werden, wenn [X.] nach einer für die Vollstreckung unergiebigen Vermö-gensauskunft des Schuldners nur eingeholt werden können, wenn [X.] für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft bestehen. In aller Regel wird der Gläubiger über keine Möglichkeiten verfügen, die Rich-tigkeit und Vollständigkeit der Vermögensauskunft zu überprüfen. [X.] bestand für den Schuldner
vor Inkrafttreten des §
802l ZPO
nur eine ge-ringe Gefahr, dass falsche Angaben über sein Vermögen
aufgedeckt wurden (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
[X.]O
S.
41).
c) Für die Vorschrift des
§
802l ZPO
verbliebe
kaum ein Anwendungsbe-reich, wenn die Einholung von [X.]n an Anhaltspunkte für die [X.] oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft geknüpft würde. Liegen
solche Anhaltspunkte vor, besteht schon ein Anspruch auf Ergänzung oder Nachbesserung der Selbstauskunft
(vgl. [X.], Beschluss vom 12.
Januar 2012

I
ZB
2/11, [X.], 606 Rn.
20). Eine Verbesserung der Effektivität der Zwangsvollstreckung wäre mit einer derart beschränkten Pflicht zur Drittaus-kunft nicht verbunden.
d) Ein Erfordernis, [X.] nur bei Anhaltspunkten für [X.] oder unvollständige Angaben einzuholen, ergibt sich
entgegen der Auffas-13
14
15
-
7
-
sung des Beschwerdegerichts
nicht daraus, dass der Gesetzentwurf des Bun-desrates
im weiteren Gesetzgebungsverfahren in §
802l Abs.
1 Satz
2 ZPO um den
Zusatz "soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist"
ergänzt worden ist.
[X.]) Nach dem Bericht des Rechtsausschusses sollte diese Ergänzung dazu dienen, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung zu vermeiden, indem das Auskunftsrecht auf Fälle beschränkt werden sollte, in denen durch die zusätzlichen Informatio-nen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind
(Be-schlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses [X.]O
S.
45).
[X.]) Diese Aussage des Rechtsausschusses ist nicht isoliert, sondern nur in ihrem Gesamtzusammenhang und vor dem Hintergrund des Zwecks der Neuregelung zu verstehen,
eine effektivere Informationsbeschaffung für den Gläubiger zu gewährleisten (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses [X.]O
S.
1).
Danach
ist die Überprüfung der Angaben in der Vermö-gensauskunft durch [X.] so lange erforderlich, wie nicht aus den [X.]
oder anderen offensichtlichen Umständen
deutlich wird, dass
die [X.] keine Erkenntnisse für die Zwangsvollstreckung des Gläubigers erbringen können. Dementsprechend ist das Beispiel mangelnder
Erforderlichkeit, das der Rechtsausschuss anführt, die
Erhebung von [X.] über versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei
Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung (§
802l Abs.
1 Nr.
1 ZPO), wenn
aus den [X.] folgt, dass neben einem bereits angegebenen Beschäf-tigungsverhältnis schon aus zeitlichen Gründen kein weiteres sozialversiche-rungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit ihm bestehen kann (Beschluss-empfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
[X.]O S.
45). Ebenso wird eine Abfrage von Fahrzeug-
und Halterdaten beim Kraftfahrzeug-Bundesamt nur im Ausnahmefall erforderlich sein, wenn feststeht, dass der Schuldner keine Fahr-erlaubnis hat.

16
17
-
8
-
e) In zeitlicher Hinsicht ist zu beachten, dass
die Drittauskunft gemäß §
802l ZPO
nach erteilter Vermögensauskunft
dazu dient, die
Angaben des Schuldners
auf Richtigkeit und Vollständigkeit
zu überprüfen. Es handelt sich nicht um einen selbständigen Auskunftsanspruch. [X.] die [X.] nach einer Vermögensauskunft eingeholt, so ist eine erneute Drittauskunft
erst
erforderlich, wenn der Gläubiger konkrete Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners glaubhaft macht
(vgl.
[X.]/Stöber, ZPO, 30.
Aufl., §
802l Rn.
10) oder wenn der Schuldner eine [X.] Vermögensauskunft (§ 802d ZPO)
abgegeben hat.
f) Ergibt sich die
Unnötigkeit einer Drittauskunft
indes
nicht bereits aus der Vermögensauskunft des Schuldners
oder dem Zeitpunkt des Antrags nach §
802l ZPO, so ist die Einholung von [X.]n zur Bekämpfung
der
im-manenten
Missbrauchsgefahren bei der Selbstauskunft und zur effektiven Durchsetzung der berechtigten Forderungen des Gläubigers erforderlich (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
[X.]O S.
41).
Die
Be-stimmung des
§
802l ZPO steigert die Effektivität der Zwangsvollstreckung, in-dem
sie
die Bereitschaft des Schuldners zu wahrheitsgemäßen Angaben in der Vermögensauskunft fördert. Muss grundsätzlich jeder, der eine Vermögensaus-kunft abgibt, damit rechnen, dass [X.] eingeholt und Kontenabfragen durchgeführt werden, erhöht sich
für den Schuldner das Risiko einer Aufde-ckung unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Vermögensauskunft er-heblich. Damit erweist sich eine Einholung von [X.]n
nur als wirksa-mes Instrument zur Aufdeckung von Missbrauchsfällen, wenn sie
nicht an die Voraussetzung konkreter Anhaltspunkte für
eine
Unrichtigkeit oder Unvollstän-digkeit der Vermögensauskunft gekoppelt ist (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
[X.]O S.
41). Demgegenüber wären für den Gläubiger die Anforderungen
an
eine
Drittauskunft auf der Grundlage der auch vom Beschwerdegericht vertretenen Meinung nur sehr schwer zu erfüllen und 18
19
-
9
-
auf Ausnahmefälle beschränkt, was mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Be-stimmung nicht zu vereinbaren ist.
g) Verfassungsrechtlich
ist es
nicht geboten, [X.] nach Abgabe einer Vermögensauskunft nur einzuholen, wenn Anhaltspunkte für die [X.] oder Unvollständigkeit der Angaben des Schuldners bestehen.
Eine sol-che Einschränkung ergibt sich nicht
aus dem
Grundsatz der
Verhältnismäßig-keit
und dem Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung.

[X.]) §
802l ZPO trägt dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dadurch Rech-nung, dass die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500

s-sen und dass die Einholung der
[X.] in dem oben (Rn. 15-20) darge-stellten Sinne zur Vollstreckung erforderlich ist, weil sich ihre Unnötigkeit nicht bereits aus der erteilten Vermögensauskunft
oder anderen offensichtlichen Um-ständen deutlich
ergibt. Weitergehende Anforderungen, die bei der Auslegung des §
802l ZPO zu beachten wären, ergeben sich aus dem Verhältnismäßig-keitsgebot nicht.
[X.]) Die Drittauskunft gemäß §
802l ZPO ist
geeignet, erforderlich und angemessen, um legitime Zwecke des Gläubigerschutzes und einer
effizienten Zwangsvollstreckung zu verwirklichen (vgl. Gesetzentwurf des [X.], BTrucks.
16/10069, S.
32).

(1) Die Grundrechte des Gläubigers auf Schutz des Eigentums (Art.
14
GG) und effektiven Rechtsschutz (Art.
19 Abs.
4 GG) verpflichten den St[X.]t dazu, effektive Mittel zur Durchsetzung titulierter
Forderungen
bereitzustellen
(vgl. [X.], Beschluss vom 22.
November 2007

I
ZB
104/06, [X.], 1000 Rn.
8; Beschluss vom 9.
Oktober 2013

I
ZB
15/13, NJW 2014, 2288 Rn.
25). Die zwangsweise Durchsetzung
titulierter Forderungen liegt zudem im Interesse der Allgemeinheit (vgl. Gesetzentwurf des [X.], BTrucks.
16/10069, S.
32;
[X.].ZPO/Wagner
[X.]O
§
802l Rn.
9). 20
21
22
23
-
10
-
Zum Schutz dieser berechtigten Interessen der Gläubiger und der Öffentlichkeit ist die Drittauskunft nach §
802l ZPO ein geeignetes Mittel
(vgl. [X.] in Musielak
[X.]O §
802l Rn.
7).
(2) Die Drittauskunft nach § 802l ZPO ist
in den
dargestellten
Grenzen (vgl. oben Rn.
15-20)
erforderlich, um die mit ihr bezweckten Ziele zu erreichen. Ein milderes, gleich wirksames Mittel für die Verwirklichung des Gesetzes-zwecks, einen
Schuldner ohne größeren Aufwand zu richtigen und vollständi-gen Vermögensangaben anzuhalten und diese Angaben zu überprüfen, ist nicht ersichtlich.
(3) Die Drittauskunft nach §
802l ZPO ist im Hinblick auf die mit ihr ver-folgten legitimen Zwecke angemessen.
Die
Vorschrift des
§
802l ZPO greift allerdings in das Recht des [X.] auf informationelle Selbstbestimmung ein.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht trägt in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich für den Einzelnen aus informationsbezo-genen Maßnahmen, insbesondere unter den Bedingungen moderner Datenver-arbeitung, ergeben. Es gibt dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu be-stimmen (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Juni 2007

1
BvR
1550/03 u.a., [X.]E
118, 168 Rn.
86
mwN).
Die in §
802l ZPO geregelten Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers greifen in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung ein.
Bei den
nach dieser Vorschrift von den genannten Behörden und Rentenversi-cherungsträgern zu erfragenden Daten über den Namen oder
die Firma des derzeitigen Arbeitgebers, über das Bestehen von Konten und Depots sowie 24
25
26
27
28
-
11
-
über die beim [X.] erfassten Fahrzeug-
und Halterdaten nach §
33 Abs.
1 StVG handelt es sich um Informationen, die für den Persönlich-keitsschutz des Schuldners bedeutsam und nicht allgemein frei zugänglich sind.
§
802l ZPO wahrt
das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Die Vorschrift ermächtigt zu keinen Eingriffen in das Grundrecht auf informatio-nelle Selbstbestimmung, die außer Verhältnis zu dem
mit ihr verfolgten legiti-men
Zweck
stehen, die Gläubigerrechte in der Zwangsvollstreckung zu stärken.
Die Einholung der
[X.] bezieht sich ausschließlich auf Daten, zu deren Angabe der Schuldner bereits zuvor in der Vermögensauskunft nach §
802c ZPO verpflichtet war
und
deren Richtigkeit er durch eidesstattliche Ver-sicherung bestätigt hat. Neue Informationen für den Gläubiger können sich durch die [X.] nur ergeben, wenn der Schuldner die entsprechenden Daten trotz der Strafandrohung des §
156 StGB verschwiegen hat (vgl. [X.].ZPO/Wagner
[X.]O
§
802l Rn.
8). Geht die Drittauskunft
aber
nicht über den notwendigen Inhalt der Selbstauskunft hinaus,
wiegt
der damit ver-bundene,
eigenständige Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationel-le Selbstbestimmung
nicht besonders schwer. In diesem Sinne ist auch die Aussage des Rechtsausschusses zu verstehen, der Schuldner habe es durch wahrheitsgemäße und vollständige Angaben selbst in der Hand, den [X.] abzuwehren (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
[X.]O S.
41).
Auch wenn die Auskunft wahr und vollständig
ist, ist es nicht als
unverhältnismäßiger
Grundrechtseingriff anzusehen, wenn ihre Rich-tigkeit durch zur Verschwiegenheit verpflichtete Behörden und Rentenversiche-rungsträger bestätigt wird.

Unter diesen Umständen haben die verfassungsrechtlich geschützten In-teressen der Gläubiger und das öffentliche Interesse an einer wirksamen Zwangsvollstreckung gegenüber dem Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung Vorrang.

29
30
31
-
12
-
4. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts
ist
auch nicht aus anderen Gründen richtig (§
577 Abs.
3 ZPO).
a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des §
802l Abs.
1 ZPO, dass
auf-grund
der vom Schuldner erteilten Vermögensauskunft bei einer Vollstreckung eine vollständige Befriedigung des Gläubigers nicht zu erwarten
ist und die zu vollstreckenden Ansprüche mehr als 500

betragen müssen, sind erfüllt.
b) Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, ist der [X.] nach §
802l Abs.
1 ZPO dazu verpflichtet, die vom Gläubiger begehrten [X.] einzuholen (vgl. [X.]/Stöber
[X.]O
§
802l Rn.
5; [X.] in Musielak [X.]O §
802l ZPO Rn.
9; [X.].ZPO/Wagner [X.]O §
802l Rn.
19; [X.], [X.] 2014, 224,
225). Dem Gerichtsvollzieher steht schon im Hinblick auf die zu schützenden Grundrechte des Gläubigers kein Ermessen zu.
32
33
34
-
13
-
5. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil eine ab-schließende Prüfung der Erforderlichkeit der Einholung von [X.]n nach den vorstehend
Rn. 15-20
dargelegten Grundsätzen durch den Tatrichter
noch nicht erfolgt ist.

Büscher
Schaffert
Kirchhoff

Koch
Feddersen

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 08.05.2014 -
2 M 1054/14 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.06.2014 -
7 [X.] -

35

Meta

I ZB 77/14

22.01.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2015, Az. I ZB 77/14 (REWIS RS 2015, 16718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 16718

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