Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2012, Az. 4 StR 435/12

4. Strafsenat | REWIS RS 2012, 769

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 435/12

vom
4. Dezember
2012
in der Strafsache
gegen

wegen schwerer räuberischer Erpressung u. a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 4.
Dezember
2012 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Juni 2012
1.
mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit der Angeklagte in den Fällen
II.2
und [X.] der Urteilsgründe verurteilt worden ist sowie
b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe und
c)
im Maßregelausspruch;
2.
im Strafausspruch in den Fällen
II.8 und [X.] der Urteils-gründe dahin abgeändert, dass hinsichtlich der verhäng-ten Einzelgeldstrafen die [X.] auf einen Euro festgesetzt wird.
II.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.].
III.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
-
3
-
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung, Wohnungseinbruchsdiebstahls, Diebstahls in sechs Fällen, Unterschlagung, versuchten Diebstahls, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung in zwei Fällen, Körperverletzung, Nötigung sowie Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamt-freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es be-stimmt, dass die Verwaltungsbehörde ihm vor Ablauf von zwei Jahren keine (neue) Fahrerlaubnis erteilen darf. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von §
349 Abs.
2 StPO.
1.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen fahrlässiger Straßenver-kehrsgefährdung in den Fällen
II.2 und [X.] der Urteilsgründe begegnet [X.] rechtlichen Bedenken.
a)
Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen fuhr der Ange-klagte in beiden Fällen mit fremden, mit zwei weiteren Personen besetzten Pkws im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl er infolge [X.] abso-lut fahruntüchtig war. Infolge der Fahruntüchtigkeit fuhr er mit dem Pkw gegen eine Hausmauer und verursachte an dieser einen Schaden von 368,90

(Fall
II.2) bzw. in eine Baustellenabsicherung sowie an eine Stützmauer und streifte im weiteren Verlauf der Fahrt [X.] (Fall
[X.]). Während der Fahrten gefährdete er Leib und Leben der beiden Mitfahrer.

1
2
3
-
4
-
b)
Die Feststellungen der [X.] belegen die für die Annahme
einer Tat nach §
315c Abs.
1 Nr.
1a, Abs.
3 Nr.
2 StGB vorausgesetzte Herbei-führung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder eine fremde Sache von bedeutendem Wert nicht. Nach gefestigter Recht-sprechung muss die Tathandlung über die ihr innewohnende latente Gefähr-lichkeit hinaus in eine kritische Situation geführt haben, in der

was nach [X.] Lebenserfahrung auf Grund einer objektiv nachträglichen Prognose zu beurteilen ist

die Sicherheit einer bestimmten Person oder Sache so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut
verletzt wurde oder nicht ([X.], Urteil vom 30.
März 1995

4
StR
725/94,
NJW 1995, 3131
f., zu §
315c StGB, Beschluss
vom 4.
September
1995

4
StR
471/95, NJW 1996, 329
f., zu §
315b StGB; vgl. weiter [X.]/
[X.], §
315c Rn.
22
ff.).
Da für den Eintritt des danach erforderlichen konkreten Gefahrerfolgs die vom Angeklagten geführten fremden Fahrzeuge nicht in Betracht kommen
(vgl. [X.], Urteil vom 28.
Oktober 1976

4
StR
465/76, [X.]St 27, 40; Beschluss vom 19.
Januar 1999

4
StR
663/98, [X.], 350, 351) und auch nicht er-kennbar ist, ob der [X.] an Hauswand bzw. Baustellenab-sicherung, Stützmauer und [X.]n die [X.] von 750
Euro erreicht hat (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
September 2010

4
StR
245/10, [X.], 215; [X.]/[X.], §
315c Rn.
25), kommt es auf die Gefährdung der Mitfahrer an. Nach den in der Rechtspre-chung des [X.]s entwickelten Maßstäben genügen die hierauf bezogenen knappen Bemerkungen der [X.]

Gefahr für Leib und Leben seiner Mit

6)

nicht den Anforderungen zur Darlegung einer konkreten Gefahr. Einen Vorgang, bei dem es beinahe zu 4
5
-
5
-
einer Verletzung der Mitfahrer gekommen wäre, also ein Geschehen, bei dem i noch einmal

Urteil vom 30.
März 1995 und Beschluss vom 4.
Sep-tember 1995

jew. aaO; Beschluss vom 26.
Juli 2011

4
StR
340/11, [X.], 217), hat die [X.] auch nach dem Gesamtzusammenhang ihrer auf das Unfallgeschehen bezogenen Feststellungen nicht hinreichend mit [X.] belegt. Insbesondere fehlen Angaben zu den Geschwindigkeiten der Fahrzeuge im Zeitpunkt der Kollisionen und der Intensität des Aufpralls auf die einzelnen Gefährdungsobjekte (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
Oktober 2009

4
StR
408/09, [X.], 261, 262). Auch ergeben die bisher getroffenen Feststellungen nicht, dass
es dem Angeklagten

etwa nur aufgrund überdurch-schnittlich guter Reaktion

sozusagen im allerletzten Moment gelungen ist, einen intensiveren Aufprall zu verhindern.
c)
Nach den bisherigen Feststellungen bleibt zudem offen, ob die Mitfah-rer des Angeklagten vom Schutzbereich des §
315c StGB überhaupt erfasst sind. Nach gefestigter Rechtsprechung des [X.] ist dies für an einer solchen Straftat beteiligte Insassen des Fahrzeugs zu verneinen ([X.], Urteile vom 23.
Februar 1954

1
StR
671/53, [X.]St 6, 100, 102,
vom 28.
Oktober 1976

4
StR
465/76, [X.]St 27, 40, 43, und vom 20.
November 2008

4
StR
328/08, [X.], 1155, 1157; vgl. [X.]/[X.], §
315c Rn.
24 mwN). Die Mitfahrer könnten sich

jedenfalls zum
Teil

durch Übergabe des [X.] (UA
5) oder durch Überlassen des eigenen Pkws (UA
6) der Beihilfe gemäß §
27 StGB schuldig gemacht haben, sofern zumindest die Voraussetzungen der [X.] nach §
315c Abs.
3 Nr.
1 StGB gegeben sind.

6
-
6
-
2.
Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs umfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in den Fällen
II.2 und [X.] der Urteilsgründe (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 1997

4
StR
642/96, [X.]R StPO §
353 Aufhebung
1) und entzieht den [X.] verhängten Einzelstrafen, der Gesamtstrafe und der Maßregel nach §§
69, 69a StGB die Grundlage.
3.
Die [X.] hat in den Fällen
II.8 und [X.] die Höhe des [X.] auf fünf Euro festgesetzt, die Höhe jedoch ausweislich der Urteilsgründe (UA
15) angesichts des geringen Einkommens des Angeklagten auf das Min-destmaß beschränken wollen. Der [X.] setzt daher die [X.] in ent-sprechender Anwendung von §
354 Abs.
1 StPO auf den gemäß §
40 Abs.
2 Satz
3 StGB niedrigsten in Betracht kommenden Betrag von einem Euro fest.
Mutzbauer
Cierniak
Franke

Bender
Quentin
7
8

Meta

4 StR 435/12

04.12.2012

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.12.2012, Az. 4 StR 435/12 (REWIS RS 2012, 769)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 769

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 532/15

Zitiert

4 StR 435/12

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