Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2017, Az. 1 StR 140/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11238

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:100517B1STR140.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/17

vom
10. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 10. Mai
2017
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. November 2016 mit den Feststel-lungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit der Sachrüge
Erfolg (§
349 Abs. 4 StPO).
I.
1. Nach den Feststellungen des [X.] war die Beziehung zwi-schen dem Angeklagten und dem späteren Tatopfer von Streitigkeiten mit an-schließender Trennung und darauf folgender Versöhnung geprägt. Am Abend des 25. Juli 2015 kam es anlässlich eines Volksfestbesuchs zu einem Streit, in dessen Verlauf der Angeklagte die Geschädigte mit der Hand schlug. Insoweit hat die [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO das Verfahren vorläufig einge-stellt.
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Am 26. Juli 2015 suchte der Angeklagte kurz vor drei Uhr morgens die Geschädigte zu [X.] auf und ersuchte um eine Aussprache. Die [X.], die mit einer kurzen Hose, einem Top, einem Slip und einem BH bekleidet war, stieg deshalb in den Pkw
des Angeklagten ein.
Der Angeklagte fuhr los und parkte gegen drei Uhr in einem Waldstück. Auf seine Aufforderung stieg die Geschädigte aus. Der Angeklagte schubste sie

nachkam, zog er ihr Hose und Slip herunter, zog seine Hose und Unterhose bis zu den Knien und legte sich die Beine der Geschädigten rechts und links um die Hüfte. Als die Geschädigte versuchte, ihre Beine zusammenzuziehen, be-fahl er ihr, diese auseinander zu nehmen und versetzte ihr einen schmerzhaf-ten Schlag mit der flachen Hand in das Gesicht, um ihren Widerstand gegen den beabsichtigten Geschlechtsverkehr zu brechen. Während er sie an den Oberschenkeln festhielt, vollzog er den vaginalen Geschlechtsverkehr ohne Samenerguss. Als die Geschädigte um Hilfe rief, versetzte er ihr zumindest zwei weitere schmerzhafte Schläge mit der flachen Hand gegen den Kopf und setzte dann den Geschlechtsverkehr fort. Dabei bemerkte er nicht, dass die Geschädigte mit ihrem Mobiltelefon mehrere Textnachrichten an eine Freundin sandte, in denen sie u.a. darum bat, die Polizei zu verständigen. Das Mobiltele-fon hatte die Geschädigte beim Aussteigen aus dem Fahrzeug seitlich in ihren BH gesteckt.
Als der Angeklagte das Mobiltelefon bemerkte, schlug er ihr dieses aus der Hand. Die Geschädigte packte nun den Angeklagten am Penis und zog daran. Daraufhin warf sie der Angeklagte zu Boden und versetzte ihr zumindest einen weiteren schmerzhaften Schlag mit der flachen Hand in das Gesicht. Dann erklärte er ihr, sie im Wald liegen zu lassen. Nachdem die Geschädigte 3
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fuhr sie der Angeklagte mit dem Pkw nach [X.].
Infolge der Schläge erlitt die Geschädigte eine Schwellung
am Nasen-bein und ein Hämatom an der rechten Ohrmuschel.
2. Der Angeklagte hat die Vergewaltigung bestritten. Er behauptet, die Geschädigte habe ihn angerufen und gebeten, zum Zweck einer Aussprache vorbeizukommen. Die Geschädigte sei zu ihm ins Auto gestiegen und habe ihn aufgefordert, wegzufahren. Während der Fahrt habe sie laufend Textnachrich-ten mit ihrem Mobiltelefon versandt. Dann habe sie ihn gefragt, ob er Lust auf Versöhnungssex habe und habe sich nach dem Anhalten mittig auf die [X.] gesetzt und ihm die Unterbekleidung ausgezogen. Die Geschädigte ha-be während des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs keinen Zugriff auf ihr Mobiltelefon gehabt. Danach habe sie ihn gebeten, zu ihr nach [X.] zu fah-eben wollen. Bei der Rückfahrt habe sie erneut laufend Textnachrichten geschrieben. Er habe dann vor dem Haus auf sie gewartet, sie sei
aber nicht mehr herausgekommen.
Die Körperverletzung auf dem Volksfest räumte der Angeklagte ein und gab an, der Geschädigten mit der linken Hand zwei Ohrfeigen auf die rechte Seite des Gesichts in Gestalt einer Wischbewegung vom Ohr zur Nase hin [X.] zu haben. Möglicherweise habe er sie beim Streit auch festgehalten.
3. Das [X.] hat seine Überzeugung von dem
festgestellten [X.] im Rahmen einer Würdigung der Beweise maßgeblich auf die [X.], schlüssigen und mit sämtlichen weiteren Erkenntnissen unprob-lematisch zu vereinbaKammer davon überzeugt, dass ihre Angaben zuträfen.
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II.
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
1. Die Beweiswürdigung des [X.] hält

auch unter Berücksich-tigung des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 18. September 2008

5 [X.], [X.], 401, 402)

sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Beweiswürdigung ist zwar grundsätzlich Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob dem Tatgericht dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist etwa der Fall, wenn die Beweiswürdi-gung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder ge-sicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile
vom 30. März 2004

1 [X.], [X.], 238;
vom 11. Januar 2005

1 [X.], [X.], 147 und
vom 2. Dezember 2005

5 [X.], [X.], 925, 928) oder wenn die einzelnen Beweisergebnisse nur isoliert gewer-tet und nicht in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden
(st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile
vom 10. Dezember 1986

3 StR 500/86, [X.]R StPO §
261 Beweiswürdigung 2; vom 17. September 1986

2 [X.], [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 1; vom 12. September 2001

2 [X.], [X.], 48
und
vom 30. März 2004

1 [X.], [X.], 238; Beschluss vom 27. September 2012

2 [X.], [X.], 51).
2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
a) Der Schluss des [X.], die Angaben der Geschädigten seien n-10
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und steht zudem in einem gewissen, nicht aufgeklärten Widerspruch zu der Darstellung der Angaben der Geschädigten.
Soweit Angaben der Geschädigten gegenüber weiteren Zeugen, im Er-mittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung festgestellt sind, hat die [X.] erkannt, dass ihre Angaben zu den einzelnen Verletzungshandlungen ungenau sind und hinsichtlich der Anzahl der Schläge variieren ([X.]). Die [X.] führt insoweit aus, die Geschädigte habe auch in der [X.] nicht sicher sagen können, ob der Angeklagte die Schläge mit der flachen Hand oder mit der Faust geführt habe ([X.]) und sie habe im Rahmen ihrer Vernehmung durch den Kriminaldauerdienst am 27. Juli 2015 zunächst davon gesprochen, das Mobiltelefon in einer Brusttasche mitgeführt zu haben ([X.]), später aber, sie habe es aus dem BH genommen. Im [X.] ihrer Vernehmungen hätten sich zunehmend Ungenauigkeiten bei der [X.] gezeigt bis sie schließlich eingeräumt hätte, nicht mehr zu wissen, ob der Angeklagte noch weitere Male zugeschlagen habe und ob die Schläge mit der flachen Hand oder mit der Faust geführt worden seien ([X.]).
Bei der Anzeigenaufnahme am Abend des 27. Juli 2015 hat die [X.] nach dem Aktenvermerk des aufnehmenden Beamten ([X.]) sogar angegeben, die Vergewaltigung sei auf dem Boden weitergegangen, der Ange-klagte habe ihr immer wieder in das Gesicht geschlagen und sie habe das [X.] gehabt, er habe ihr die Nase gebrochen.
Im Rahmen ihrer Zeugeneinvernahme durch den Kriminaldauerdienst gab sie die Anzahl der Schläge auf der Motorhaube mit fünf bis sechs an und erklärte, das Mobiltelefon aus der Brusttasche genommen zu haben ([X.]).
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Bei einer weiteren polizeilichen Zeugeneinvernahme am 18. August 2015 führte sie aus, der Angeklagte habe ihr, als sie um Hilfe gerufen habe, den Mund zugehalten, ihr eine
Ohrfeige gegeben und gesagt, wenn sie ruhig sei, passiere ihr nichts. Sie habe dann das Mobiltelefon aus ihrem BH genom-men ([X.]) und ihrer Freundin geschrieben, sie solle die Polizei holen. Ob er ihr auf der Motorhaube noch weitere Schläge versetzt hatte, könne sie nicht sagen. Als der Angeklagte das Mobiltelefon bemerkt habe, habe er es ihr aus der Hand geschlagen und sie, als
sie
ihn am Penis gezogen habe, zu Boden geworfen. Dort habe er ihr mehrere Schläge versetzt, davon einen Schlag mit der Faust
gegen die Nase, die anderen möglicherweise mit der flachen Hand.
Gegenüber der Frauenärztin erklärte die Geschädigte dagegen, ihr

Soweit die [X.] hervorgehoben hat, dass die Aussage der Ge-schädig

16), gibt die Kammer

worauf die Revision zutref-fend hingewiesen hat

das Zitat an anderer Stelle des Urteils abweichend wie-ibt offen, ob dies auf einer Ungenauigkeit der [X.] oder auf einer weiteren Inkonsistenz in der Aussage der [X.]n beruht.
Aus den genannten Gründen erschließt sich nicht, warum
die Angaben der Geschädigten zum Kerngeschehen von der [X.] als
konsistent
beurteilt werden.
b) Ein Erörterungsmangel liegt darin, dass das [X.] sich
im Zu-sammenhang mit den nach dem verfahrensgegenständlichen Tatgeschehen festgestellten Verletzungen der Geschädigten
nicht damit auseinandergesetzt hat, dass die Geschädigte
bereits
am Abend des 26. Juli 2015

und damit am 18
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Abend zuvor

ihrer Mutter von Kopf-
und Nasenschmerzen berichtete und die Mutter Verletzungen

ein blaues Ohr

an ihr wahrgenommen hat, und sich deshalb veranlasst sah, die Geschädigte am Folgetag zum Arzt zu schicken ([X.]).
Das Tatgericht hat zudem nicht erörtert,
wie sich
das nahezu fehlerfreie Verfassen mehrerer Textnachrichten
erklärt, die nach den Angaben der Ge-schädigten
während des nächtlichen Geschlechtsverkehrs im
Wald auf der Mo-torhaube des Pkws geschrieben worden sind.
c) Die Beweiswürdigung erweist sich auch deshalb als lückenhaft, weil die [X.] die gebotene Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage sprechenden Umstände nicht vorge-nommen hat.

.) genannten Erwägungen sind keine solche Gesamtwürdigung, sondern im [X.] nur spekulative Überlegungen,
ohne dass die einzelnen [X.] in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt werden.
Die Feststellung der Kammer, soweit einzelne Zeugen die Geschädigte als Lügnerin dargestellt hätten, hätte dies nicht zu einer abweichenden Beurtei-lung der Glaubhaftigkeit der Aussage der Geschädigten geführt, weil sich deren Angaben aufgrund der dargestellten Gesichtspunkte uneingeschränkt als glaubhaft darstellten, genügt nicht für eine Gesamtwürdigung, zumal die Kam-mer zuvor wiederholt von einer isolierten Betrachtung einzelner [X.] gesprochVerletzungen stützen die Angaben des Angeklagten nicht. Isoliert betrachtet stehen sie der Einlassung des Angeklagten aber auch nicht zwingend [X.] festgestellten Verletzungen (der 23
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Geschädigten) lässt sich diese Einlassung (des Ange([X.]). Soweit die [X.] sich auf diese Weise mit den einzelnen gegen die Glaubhaftigkeit sprechenden Umständen auseinandergesetzt hat, geschah dies nur isoliert, ohne sich gesamtwürdigend mit der Frage zu [X.], ob eine falsche Belastung mit Blick auf Abweichungen in verschiedenen Aussagen der Geschädigten tatsächlich ausgeschlossen
werden kann.
Raum Cirener Radtke

Fischer Bär

Meta

1 StR 140/17

10.05.2017

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.05.2017, Az. 1 StR 140/17 (REWIS RS 2017, 11238)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11238

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