Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2011, Az. V ZR 2/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5791

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V [X.]

Verkündet am:
10. Juni 2011
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 10 Abs. 2 Satz 2
Auch bei der Änderung eines Kostenverteilungsschlüssels aufgrund einer in der [X.] enthaltenen Öffnungsklausel steht den Wohnungseigentümern ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
[X.], Urteil vom 10. Juni 2011 -
V [X.] -
LG Köln

[X.]

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2
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Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 10.
Juni 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. [X.], [X.] und [X.] und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 29.
Zivilkammer des [X.] vom 15. Oktober 2009 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien bilden die im Rubrum näher bezeichnete [X.]. Die Wohnungseigentumsanlage besteht zumindest aus 97 Eigentumswohnungen und einer Teileigentumseinheit. §
6 Abs. 4 der [X.] (TE) lautet:
"Die Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungsabschlusstüren, der Außenfenster und anderer Teile des Gebäudes, die für dessen [X.] erforderlich sind, sowie von Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, obliegt, auch wenn sie sich im Be-reich der dem Sondereigentum unterliegenden Räume befinden, dem Wohnungs-
bzw. [X.] insoweit, als sie infolge unsachgemä-ßer Behandlung durch den Eigentümer, seinen Angehörigen oder Per-sonen, denen er die Wohnung oder einzelne Räume überlassen hat, notwendig werden."
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Nach §
12 Abs.
1 TE gehören zu den Betriebskosten u.a. die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung, soweit diese gemäß §
6 TE den [X.] obliegen. §
12 Abs.
2 TE lautet auszugsweise:
"Soweit nicht in dieser Teilungserklärung etwas anderes bestimmt ist, bemißt sich der auf jeden Wohnungs-
und [X.] entfallende Anteil an den im vorstehenden Absatz bezeichneten Kosten nach dem

Die Eigentümer können mit 2/3 Mehrheit einen anderen [X.] beschließen."
In der Praxis nahmen die Wohnungseigentümer den Austausch der
Außenfenster in [X.] und auf eigene Kosten vor. Die zur [X.] dieses Vorgehens auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 21.
Mai 2003 zu dem Tagesordnungspunkt ([X.]) 10 beschlossene Regelung wurde jedoch rechtskräftig für ungültig erklärt.
Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 15. Mai 2008 fassten die Wohnungseigentümer zu [X.]
9 "in Ausübung der Öffnungsklausel gemäß §
12 Abs. 2 der Teilungserklärung" folgenden Beschluss:
"Mit sofortiger Wirkung (ab heute) werden die
Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung der Außenfenster und Balkontüren der Wohnungen von demjenigen Eigentümer getragen, der Eigentümer der jeweiligen

Die vorstehende Regelung ist nur eine
Kostentragungsregelung. Die [X.] für die [X.] selbst, deren [X.] und Umsetzung sowie Entscheidung über die Durchsetzung ver-bleibt bei der Wohnungseigentümergemeinschaft."
In dem Beschluss heißt es ferner, der sachliche Grund für die Änderung der Kostenverteilung liege darin, dass die Fensterelemente dem unmittelbaren Zugriff und dem Gebrauch des jeweiligen Wohnungseigentümers bzw. [X.] unterlägen. In der Vergangenheit sei die Kostenverteilung eben-falls so gehandhabt worden, so dass durch die jetzige Beschlussfassung Konti-2
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nuität sichergestellt werde. Der Beschluss wurde mit 49 Ja-
und 3-Neinstimmen bei 1 Enthaltung gefasst.
Die gegen diesen Beschluss erhobene Klage hat das [X.]. Das [X.] hat den Beschluss für ungültig erklärt. Mit der zuge-lassenen Revision möchten die Beklagten die Wiederherstellung des erstin-stanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger ist nach Einlegung dieses Rechtsmit-tels verstorben. Seine Erben, die nunmehrigen Kläger, beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, es könne offen bleiben, ob der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sei. Er sei jedenfalls deshalb für ungültig zu erklären, weil für die Abänderung des Kostenverteilungsschlüssels kein sachlicher Grund bestanden habe. Ein solcher könne nicht in der Sanktio-nierung einer der Teilungserklärung entgegenstehenden Handhabung gesehen werden. Auch im Übrigen sei kein sachlicher Grund ersichtlich.
Nach wie vor beschließe die Wohnungseigentümergemeinschaft über den Austausch der Fenster, und zwar auch dann, wenn es um die Herbeiführung einer besseren Wärmedämmung oder einer einheitlichen Fassadengestaltung gehe. Dies zei-ge, dass der für die Regelung
ins Feld geführte Gesichtspunkt der [X.] für den Erhaltungszustand nicht tragfähig sei.

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II.
Der
Revision bleibt der Erfolg versagt. Das Berufungsgericht hat den [X.] Beschluss jedenfalls im Ergebnis zu Recht für ungültig erklärt.
1. Allerdings erscheint es zumindest zweifelhaft, ob die hierfür gegebene Begründung einer rechtlichen Überprüfung standhält.
a) Die Novellierung des Wohnungseigentumsrechts hat dazu geführt, dass den Wohnungseigentümern nunmehr
bei der Änderung oder der Durch-brechung von [X.] aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist. Das gilt auch für die Verteilung von Instandsetzungskosten, bei der den Wohnungseigentümern ebenfalls ein
nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen zusteht (Senat, Urteil vom 18.
Juni 2010 -
V
ZR 164/09, Rn.
13, zu §
16 Abs.
4 [X.]).
b) Soweit das Berufungsgericht auf das Erfordernis eines sachlichen Grundes abhebt, ist zwar den Materialien zu entnehmen, dass die Änderung von [X.] an dieses Kriterium geknüpft sein soll (BT-Drucks. 16/887 S.
23 zu §
16 Abs.
3 [X.]); auch der [X.] hat zum frühe-ren Recht die Änderung eines Umlageschlüssels aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel davon abhängig gemacht, dass sachliche Gründe vorliegen (Urteil vom 27. Juni 1985 -
VII
ZB 21/84, [X.]Z 95, 137, 143). Er hat jedoch bereits entschieden, dass dies unter der Geltung des jetzigen Rechts nur noch bedeutet, dass sowohl das "Ob" als auch
das "Wie" der Änderung nicht willkür-lich sein dürfen und dass es sich hierbei um einen rechtlichen Gesichtspunkt handelt, der bei der Beantwortung der Frage zu berücksichtigen ist, ob die be-schlossene Änderung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht (Urteil vom 1.
April 2011 -
V
ZR 162/10, juris Rn.
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f.). Da die gesetz-lichen Öffnungsklauseln nach §
16 Abs.
3 und 4 [X.] auch bei der Änderung 8
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von Verteilungsschlüsseln anwendbar sind, die vor dem Inkrafttreten der ge-nannten Regelungen getroffen worden sind (§
16 Abs.
5 [X.]; vgl. auch Senat, Urteil vom 9.
Juli 2010 -
V
ZR 202/09, NJW 2010, 2654; Urteil vom 16. Juli 2010 -
V
ZR 221/09, NJW 2010, 3298), strahlt die von dem Gesetzgeber intendierte Erweiterung des Gestaltungsspielraums auch auf Öffnungsklauseln aus, die unter der Geltung des früheren Rechts vereinbart oder in eine Teilungserklä-rung aufgenommen worden sind. Das hat das Berufungsgericht nicht hinrei-chend beachtet. Auch hat es nicht in den Blick genommen, dass die [X.] die unpraktikable Abgrenzung und den vielfach problematischen Nachweis vermeidet, ob Instandhaltungs-
oder Instandsetzungsmaßnahmen "infolge un-sachgemäßer Behandlung" erforderlich geworden sind (§
12 Abs.
1 TE). Letzt-lich braucht jedoch die Frage, ob sich die Neuregelung innerhalb des einge-räumten Gestaltungsspielraumes hält, nicht entschieden zu werden, weil die für eine Abänderung des Schlüssels notwendige Mehrheit nicht erreicht worden ist.
2. §
12 Abs.
2 TE setzt für die Änderung eine 2/3-Mehrheit voraus. Da der Bezugspunkt der qualifizierten Mehrheit nicht konkretisiert wird, ist die [X.] vor dem Hintergrund der mit baulichen Veränderungen typischerweise ein-hergehenden erheblichen finanziellen Folgen nächstliegend dahin auszulegen, dass die Abänderung eine 2/3-Mehrheit aller und nicht nur der in der Versamm-lung anwesenden Wohnungseigentümer erfordert (vgl. Senat, Urteil vom 1.
April 2011 -
V
ZR 162/10, aaO). Dieses Quorum ist hier schon deshalb nicht erreicht, weil der Änderung nur 49 Wohnungseigentümer zugestimmt haben, die Wohnungseigentümergemeinschaft aber aus zumindest 97 Eigentumswoh-nungen und einer Teileigentumseinheit besteht.
3. Auch unter dem Blickwinkel der Regelung des §
16 Abs. 4 [X.] kann die beschlossene Änderung keinen Bestand haben, weil sie nicht lediglich einen Einzelfall betrifft.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

Krüger
Schmidt-Räntsch
Roth

[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.05.2009 -
215 C 36/08 -

LG Köln, Entscheidung vom 15.10.2009 -
29 [X.]/09 -

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Meta

V ZR 2/10

10.06.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.06.2011, Az. V ZR 2/10 (REWIS RS 2011, 5791)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5791

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZR 2/10

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