Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2007, Az. 2 StR 19/07

2. Strafsenat | REWIS RS 2007, 4242

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[X.] vom 18. April 2007 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] u. a. - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und der Beschwerdeführer am 18. April 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 26. Juni 2006 - soweit es ihn [X.] - mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben a) soweit der Angeklagte im [X.] verurteilt wurde und b) im [X.]. 2. Auf die Revision der Angeklagten [X.]wird das ge-nannte Urteil - soweit es sie betrifft - mit den zugehörigen Fest-stellungen aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere [X.] des [X.]. 4. Das weitergehende Rechtsmittel des Angeklagten [X.]wird verworfen. - 3 - Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten [X.] wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in 36 Fällen, davon in zwei Fällen in [X.] mit sexueller Nötigung, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. 1 Die Angeklagte [X.] hat das [X.] wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in 14 Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verur-teilt. 2 [X.] mit ihren Rechtsmitteln die Verletzung materiellen Rechts, der Angeklagte [X.]auch die Verletzung des formellen Rechts. Die Rechtsmittel haben in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg. Das weitergehende Rechtsmittel des Angeklagten [X.] ist unbe-gründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 3 1. Revision des Angeklagten [X.] 4 a) Im [X.] hat das [X.] den Angeklagten wegen sexueller Nötigung (§ 177 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.] (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) zu der [X.] von acht Monaten verurteilt. 5 Der Schuldspruch auch wegen des tateinheitlichen Vergehens nach § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand. Die durch diese Tat geschädigte Stieftochter [X.] ist am 24. Dezember 1985 ge-6 - 4 - boren, die Tat wurde im [X.] 2002 begangen ([X.]). Damit war die Geschädigte zur Tatzeit älter als 16 Jahre und hatte die Schutzaltersgrenze des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits überschritten. Der Angeklagte hat nach den Feststellungen des [X.]s aber den mit einer höheren Schutzaltersgrenze von 18 Jahren versehenen Tatbestand des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB erfüllt, weil zwischen ihm und der Stieftochter ein [X.] bestand und er die Tat unter Missbrauch der mit diesem [X.] verbundenen Abhängigkeit begangen hat. Der Angeklagte nahm nach den Feststellungen maßgeblichen Einfluss auf die Erziehung der Stieftochter. Diese hatte 2001 gegenüber ihrem leiblichen Vater erklärt, sie werde zu den Übergriffen des Angeklagten gegenüber ihrer jüngeren Schwester beim Jugendamt oder der Polizei nichts sagen, weil sie fürchtete, dann den Haushalt ihrer Mutter (und des Angeklagten) wieder verlassen zu müssen ([X.]). Die Geschädigte war mit den sexuellen Handlungen des Angeklagten - im Gegensatz zu ihrer Schwester ([X.]) - nicht einverstanden. Der Ange-klagte nutzte die Situation innerhalb der Familienwohnung und die aufgrund seiner [X.] dominierende Stellung aus, um sexuelle Handlungen an seiner Stieftochter vorzunehmen. Darüber hinaus wollte er mit ihr den [X.] vollziehen. Erst die Rückkehr der mitangeklagten Ehefrau hielt ihn von der Fortsetzung der Tat ab. 7 Dem Austausch der [X.] steht § 265 StPO nicht entge-gen, weil sich der Angeklagte insoweit auch nach einem rechtlichen Hinweis nicht erfolgreicher hätte verteidigen können. Der Schuldspruch auch wegen tat-einheitlichen sexuellen Missbrauchs von [X.] wird durch den [X.] der [X.] nicht berührt. Eine ausdrückliche [X.] ist deshalb nicht veranlasst. Auch die vom [X.] für die [X.] verhängte [X.] kann bestehen bleiben. Ein minder 8 - 5 - schwerer Fall der sexuellen Nötigung im Sinne von § 177 Abs. 5 StGB lag fern und musste daher vom [X.] nicht ausdrücklich erörtert werden. b) Die Verurteilung wegen versuchter sexueller Nötigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von [X.] zum Nachteil der Stieftochter [X.] im [X.] kann jedoch keinen Bestand haben. 9 Nach den Feststellungen hat der Angeklagte versucht, [X.] in der [X.] an die Brust zu fassen. Um ihre Gegenwehr zu unterbinden, legte er ihr einen [X.] um den Oberkörper und zog den Gurt zu. Erst nach langer Zeit gelang es [X.], sich aus der Fesselung zu befreien. Die mitangeklagte Mutter sah dem Treiben unbeteiligt zu und lachte. Ergänzend führt das [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung lediglich aus, dass sich für den Angeklagten in-folge der Fesselung die Möglichkeit geboten habe sein Vorhaben, seine [X.] an der Brust zu berühren, in die Tat umzusetzen ([X.]). 10 Auf der Grundlage dieser Feststellungen lässt sich weder überprüfen, ob der Angeklagte vom Versuch der sexuellen Nötigung strafbefreiend zurückge-treten ist oder ob ein Rücktritt wegen Vollendung der Tat nicht mehr möglich war, noch, ob es über die Fesselung hinaus überhaupt zu einer sexuellen Hand-lung des Angeklagten an seiner Stieftochter gekommen ist. Aus welchen Grün-den der Angeklagte von seinem Vorhaben, sexuelle Handlungen an [X.] vor-zunehmen, abließ, ob freiwillig oder in Anbetracht des drohenden "Ausrastens" der Geschädigten ([X.]), ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. 11 Insoweit ist das Urteil daher im Schuld- und Einzelstrafenausspruch auf-zuheben. Auch die Gesamtfreiheitsstrafe kann danach nicht bestehen bleiben. 12 c) Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil nicht ausgeschlossen ist, dass in einer 13 - 6 - neuen Hauptverhandlung die bisher fehlenden Feststellungen zu der [X.] getroffen werden können. 2. Revision der Angeklagten M. S. 14 Der Schuldspruch wegen sexuellen Missbrauchs von [X.] in den [X.] bis 34 und 36 hält der sachlich-rechtlichen Prüfung nicht stand. 15 In den [X.] bis 34 hat das [X.] festgestellt, dass es im Wohnzimmer der Familienwohnung an Wochenenden zwischen dem Angeklag-ten [X.]und der Stieftochter [X.] zu sog. "[X.]" kam. Sie führten dazu, dass sich der Angeklagte [X.]und [X.] gegen den ge-spielten Widerstand des anderen gegenseitig ganz oder teilweise auszogen. Dabei kam es auch dazu, dass sie sich an den Geschlechtsteilen anfassten. Die anwesende Angeklagte [X.]beteiligte sich mindestens zweimal aktiv an diesen "[X.]", blieb im Übrigen aber passiv, ohne gegen diese Handlungen einzuschreiten. Das [X.] hat 13 derartige Vorfälle festgestellt, wobei sich die Angeklagte [X.] am ersten und letzten Vorfall aktiv beteiligt habe ([X.] ff.). 16 Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen täterschaftlichen sexuellen Missbrauchs von [X.] in 13 Fällen nicht. Der sexuelle Missbrauch von [X.] ist ein eigenhändiges Delikt, das nur derjeni-ge als Täter verwirklichen kann, der mit dem Tatopfer körperlich in Berührung kommt (BGHSt 41, 242). [X.] Handeln durch Unterlassen ist [X.] bei diesem Tatbestand nicht möglich. Weder in den elf Fällen, in denen die Angeklagte [X.] passiv blieb (Fälle [X.] bis 33) noch in den beiden Fällen ([X.] und 34), in denen sich die Angeklagte aktiv an den [X.] haben soll, ist aber ein körperlicher Kontakt der Angeklagten mit ihrer Toch-17 - 7 - ter [X.] festgestellt, sodass ein täterschaftlicher Missbrauch nicht hinrei-chend belegt ist. Sollten sich insoweit auch in der neuen Hauptverhandlung [X.] konkreten Feststellungen treffen lassen, kommt jedoch eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Beihilfe zu den Taten des Mitangeklagten [X.] in Betracht (vgl. BGHSt aaO S. 246). Aus den gleichen Gründen hat auch die Verurteilung der Angeklagten als Täterin eines sexuellen Missbrauchs von [X.] zum Nachteil ihrer Tochter [X.] im [X.] keinen Bestand. Auch insoweit ist ein Körperkontakt der Angeklagten mit ihrer Tochter im Zusammenhang mit dem Tatgeschehen nicht festgestellt, sodass hier ebenfalls nur eine Beihilfehandlung der Angeklag-ten zur Haupttat des Mitangeklagten P.
S. in Betracht kommt, wenn der neue Tatrichter hierzu keine weiteren Feststellungen treffen kann. 18 Eine Änderung des Schuldspruchs durch den Senat wäre hier nicht sachgerecht, weil nicht auszuschließen ist, dass in einer neuen Hauptverhand-lung weitere Feststellungen zu den Anklagevorwürfen getroffen werden können. Zudem steht § 265 StPO entgegen. 19 Mit der Aufhebung des Schuldspruchs ist der gesamte Strafausspruch gegenstandlos. 20 3. Das [X.] hat zudem die erhobene Anklage bisher nicht er-schöpfend behandelt. Die Staatsanwaltschaft hat in der Hauptverhandlung zwei Anträge nach § 154 Abs. 2 StPO gestellt. Diese Anträge betrafen beide Ange-klagte. Den Akten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das [X.] ü-ber diese Anträge entschieden hat. Dies hat bei dem Angeklagten [X.] zur Folge, dass unter Berücksichtigung des Schuldspruchs wegen 36 Taten und des Teilfreispruchs wegen fünf Taten ([X.] bis 36) von den 103 angeklag-ten Taten noch 62 bei der bisher zuständigen [X.] des [X.] - 8 - gerichts anhängig sind. Die Angeklagte [X.] ist wegen 41 Taten an-geklagt worden. Auch insoweit sind nach der Verurteilung wegen 14 Taten noch 27 Fälle bei der [X.] des [X.]s anhängig. Die noch nicht erledigten Anklagevorwürfe können nicht im Revisionsverfahren erledigt werden, zuständig hierfür ist die bisherige [X.] (vgl. BGHR StPO § 352 Abs. 1 Prüfungsumfang 4). [X.] [X.]Roggenbuck [X.] ist wegen

Urlaubs ortsabwesend und

deshalb an der Unterschrift

gehindert. Rissing-van Saan

Meta

2 StR 19/07

18.04.2007

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2007, Az. 2 StR 19/07 (REWIS RS 2007, 4242)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 4242

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