Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2006, Az. 4 StR 163/06

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 2757

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[X.] vom 6. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat teilweise auf Antrag, im Übrigen mit Zustimmung des [X.] und nach Anhörung des [X.] am 6. Juli 2006 gemäß §§ 154 a Abs. 2, 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Das Verfahren wird in den Fällen [X.] bis 47 der Gründe des Urteils des [X.] vom 28. November 2005 gemäß § 154 a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs eines [X.] und des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefoh-lenen beschränkt. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeich-nete Urteil a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Ange-klagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch ei-ner Schutzbefohlenen in 16 Fällen, des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuel-lem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 31 Fäl-len sowie der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist; b) in den Fällen [X.] sowie 33 bis 48 der Urteilsgründe in den Einzelstrafaussprüchen und im [X.] mit den Feststellungen - ausgenom-men diejenigen zur Schuldfähigkeit, die bestehen bleiben - aufgehoben. - 3 - 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des [X.]. 4. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes und sexuellem Miss-brauch einer Schutzbefohlenen in 15 Fällen (Fälle [X.] bis 47 der [X.]), schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen (Fall [X.]), sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen in 31 Fällen (Fälle II. 1, 3 bis 32) und Misshandlung einer Schutzbefohlenen (Fall II. 48) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren bean-standet und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1 1. Die Verfahrensbeschwerden dringen aus den Gründen der Antrags-schrift des [X.] vom 8. Mai 2006 nicht durch. Lediglich er-gänzend bemerkt der [X.] zu der Rüge der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (vgl. Antragsschrift des [X.] zu I. 2.b), dass ausweislich des Protokolls vom dritten Hauptverhandlungstag der Angeklagte 2 - 4 - bei der Verkündung des Beschlusses über seine Ausschließung gemäß § 247 StPO anwesend war. Denn im Protokoll ist erst im [X.] daran vermerkt: "Die Anordnung wurde ausgeführt" (Prot.[X.]). 2. Der [X.] nimmt mit Zustimmung des [X.] in den Fällen [X.] bis 47 der Urteilsgründe den Vorwurf der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) von der Verfolgung aus und beschränkt inso-weit das Verfahren auf den Vorwurf des jeweils verwirklichten schweren sexuel-len Missbrauchs eines Kindes (§ 176 a Abs. 1 Nr. 1 a.F. [Fälle [X.] bis 42] bzw. Abs. 2 Nr. 1 n.F. [Fälle II. 43 bis 47] StGB und des sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Der [X.] könnte die Verur-teilung in diesen Fällen nicht bestätigen, weil die Beweiswürdigung zum [X.] durchgreifenden Bedenken begegnet. Denn das Urteil legt nicht nachvollziehbar dar, dass der Angeklagte in sämtlichen dieser Fälle immer auf dieselbe Weise den Geschlechtsverkehr mit seiner Stieftochter erzwang, indem er ihr dabei jeweils den Mund zuhielt. Die tatbestandlichen Vorausset-zungen des § 177 StGB müssen auch bei einer länger dauernden Serie von Tathandlungen grundsätzlich für jede Tat konkret und individualisiert festgestellt werden (BGHSt 42, 107, 111). Dem genügen nach der Schilderung des ersten Falls des von dem Angeklagten mit seiner Stieftochter vollzogenen [X.]s ([X.]) die für die weiteren Fälle getroffenen knappen Fest-stellungen ([X.] und [X.]) nicht. Aber auch für den der [X.] zu Grunde liegenden ersten Fall des (erzwungenen) Geschlechtsver-kehrs (Fall [X.]) ist die Verurteilung wegen Vergewaltigung nicht frei von [X.]. Denn in Folge der Beschränkung der Verfolgung der mit der zugelas-senen Anklage dem Angeklagten zur Last gelegten 432 Fälle des jeweils gleich-förmig unter Zuhalten des Mundes der Stieftochter erzwungenen Geschlechts-verkehrs auf die ausgeurteilten 47 Fälle des sexuellen Übergriffs hat sich das 3 - 5 - [X.] nicht mehr mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Ange-klagte mit seiner Stieftochter auch bereits vor deren 12. Geburtstag den [X.] vollzogen hat und deshalb der erste im Urteil festgestellte Fall des Geschlechtsverkehrs (Fall [X.]) bereits Teil einer länger dauernden Serie gleichartiger Übergriffe war, bei denen sich die Verwirklichung der tatbestandli-chen Voraussetzungen des § 177 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht in jenem Einzelfall jedenfalls nicht von selbst versteht. Bei dieser Sachlage und der gegebenen Beweislage erscheint es dem [X.] auch aus Gründen des Opferschutzes sachgerecht, das Verfahren in den Fällen [X.] bis 47 wie geschehen zu beschränken, um der Geschädigten eine weitere, sie psychisch belastende Aussage in einer neuen Hauptverhandlung zu ersparen. 4 Der [X.] ändert den Schuldspruch in diesen Fällen deshalb dahin, dass der Vorwurf der (tateinheitlich begangenen) Vergewaltigung entfällt. 5 3. Auch der Schuldspruch wegen Misshandlung einer Schutzbefohlenen (§ 225 Abs. 1 2. Alt. StGB; Fall II. 48 der Urteilsgründe) kann nicht bestehen bleiben. Die Feststellungen belegen die von dem [X.] angenommene Tatbestandsalternative der rohen Misshandlung nicht. 6 Nach den hierzu getroffenen Feststellungen handelte es sich bei diesem Fall, bei dem der Angeklagte aus Wut mit Fäusten auf seine Stieftochter ein-schlug, um einen einmaligen Vorfall, der aus einer Konfliktsituation entstanden war ([X.]). Rohes Misshandeln setzt demgegenüber eine gefühllose, fremde Leiden missachtende Gesinnung voraus (vgl. [X.]/[X.] 53. Aufl. § 225 Rdn. 9 m.w.[X.]). Dafür, dass der Angeklagte aus dieser inneren 7 - 6 - Haltung gegenüber seiner Stieftochter tätlich geworden ist, kann dem Urteil nichts entnommen werden. Der [X.] ändert deshalb den Schuldspruch dahin, dass der Angeklagte in diesem Fall der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig ist. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Der [X.] hat gegenüber dem [X.] das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) bejaht. 8 4. Die der Beschränkung gemäß § 154 a Abs. 2 StPO folgende Ände-rung des Schuldspruchs in den Fällen [X.] bis 47 sowie die [X.] im Fall II. 48 führt zur Aufhebung der in diesen Fällen erkannten Einzel-freiheitsstrafen. Desgleichen hebt der [X.] aber auch die Einzelstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe auf, weil er nicht ausschließen kann, dass die Höhe die-ser Strafe von der Festsetzung der gleich hohen Einzelstrafen in den Fällen [X.] bis 47 beeinflusst ist, und um dem neuen Tatrichter insoweit eine umfas-sende neue Strafzumessung zu ermöglichen. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des - schon für sich gesehen ebenfalls auffallend hohen - Gesamtstrafenausspruchs nach sich. 9 Die zur (uneingeschränkten) Schuldfähigkeit des Angeklagten getroffe-nen Feststellungen sind von den aufgezeigten [X.] nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. 10 - 7 - 5. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen weiteren Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 11 Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible

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4 StR 163/06

06.07.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2006, Az. 4 StR 163/06 (REWIS RS 2006, 2757)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2757

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