Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2014, Az. XII ZR 136/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 495

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZR 136/12

vom

10. Dezember 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §§
546, 985; [X.] §§
47, 86; ZPO §
240
Betrifft nur einer von mehreren im Prozess zusammen geltend gemachten An-sprüchen
die Insolvenzmasse, so wird grundsätzlich (zunächst) einheitlich der gesamte Rechtsstreit unterbrochen (im [X.] an [X.] Urteil vom 21.
Okto-ber 1965
Ia
ZR
144/63
-
NJW 1966, 51).
[X.], Beschluss vom 10. Dezember 2014 -
XII ZR 136/12 -
OLG Naumburg

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 10.
Dezember 2014 durch [X.] und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
1.
Dem Beklagten
zu
1 wird als Beschwerdeführer für
das Ver-fahren der Rechtsbeschwerde ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt

beigeordnet.
2.
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu
1 wird der Be-schluss des 9.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 5.
November 2012 insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagten zu 1 als unzulässig verworfen wurde.
Der Rechtsstreit ist bezogen auf den Beklagten zu 1 auch hin-sichtlich der Räumungsklage unterbrochen.
3.
Die Beschwerde des Beklagten zu
2
gegen die Nichtzulas-sung der Revision in dem vorgenannten Beschluss wird zu-rückgewiesen.
4.
Über die Kosten der Rechtsbeschwerde des Beklagten zu
1
wird das Berufungsgericht
nach Fortgang des Verfahrens zu entscheiden haben.
Der Beklagte zu
2
trägt die Kosten des Verfahrens der Nicht-zulassungsbeschwerde

97
Abs.
1
ZPO).
-
3
-
5.
Beschwerdewert
im Rechtsbeschwerdeverfahren: 18.000

.
Beschwerdewert im [X.]: 492.049

Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe eines Fitness-Studios in Anspruch. [X.] machen die Beklagten Aufwen-dungen für Ausbau und Sanierung des Fitness-Studios in Höhe von rund 474.049

Das Landgericht hat der Räumungsklage stattgegeben und die [X.] abgewiesen. Gegen das
am 18.
Oktober 2011 zugestellte Urteil haben beide Beklagten fristgerecht Berufung eingelegt.
Der Beklagte zu
1, über dessen Vermögen am 2.
Dezember 2011 das In-solvenzverfahren eröffnet worden ist, hat seine Berufung nicht (mehr) begrün-det.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Beschwerdegericht nach vorangegangenem
Hinweisbeschluss die Berufung des Beklagten
zu
1
hinsicht-lich der Verurteilung zur Räumung als unzulässig verworfen und hinsichtlich seiner Hilfswiderklage das Verfahren gemäß §
240 ZPO
als unterbrochen an-gesehen. Die Berufung des Beklagten zu
2
hat es gemäß §
522 Abs.
2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen.

1
2
3
4
-
4
-
Der Beklagte zu
1 wendet
sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung seiner Berufung als unzulässig. Er meint, das Verfahren sei insge-samt nach §
240 ZPO unterbrochen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wen-det sich der Beklagte zu
2
gegen die Zurückweisung seiner Berufung.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
a) Sie
ist gemäß §§
574 Abs.
1 Satz
1, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft.
Zwar hat der Beklagte zu
1
zunächst Nichtzulassungsbeschwerde einge-legt. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] gilt indessen auch im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine
fehlerhafte [X.]handlung in eine zulässige, wirksame und vergleichbare umzudeuten ist, wenn deren Vo-raussetzungen
eingehalten sind, die Umdeutung dem mutmaßlichen [X.]wil-len entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegensteht (Senatsurteile vom 6.
Dezember 2000 -
XII
ZR 219/98
-
NJW 2001, 1217, 1218 mwN und vom 1.
Juni 1983 -
IVb ZR 365/81
-
NJW 1983, 2200, 2201 mwN). Auch bei der Einlegung einer Rechtsbeschwerde hindert eine unzutreffende Bezeichnung nicht die Annahme, eine Rechtsbeschwerde sei zulässig eingelegt worden, sofern die Absicht, den angegriffenen Beschluss einer Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht zu unterstellen, hinreichend deutlich wird (vgl. [X.] Beschluss vom 25.
November 1986 -
VI
ZB
12/86
-
NJW 1987, 1204). Dies war hier erkennbar der Fall.

5
6
7
8
9
-
5
-
b) Die Rechtsbeschwerde ist nach §
574 Abs.
2 ZPO auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Ent-scheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss ver-letzt
den Beklagten zu
1
in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten An-spruch
auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsst[X.]tsprinzip). Dieser verbietet es den Gerichten, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumut-
barer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Se-natsbeschluss vom 26.
Oktober 2011 -
XII
ZB
465/11
-
FamRZ 2012, 24 Rn.
7 mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Berufung des Beklagten zu
1 sei zu verwerfen, da er die Frist zur Berufungsbegründung versäumt habe. Der Rechtsstreit sei hinsichtlich der Räumungsklage nicht nach §
240 ZPO un-terbrochen. Das Objekt unterliege nach Auskunft des Insolvenzverwalters nicht dem [X.], so dass auch keine Unterbrechung eintrete. Das [X.] geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Investitionen sei für die Räumung unbeachtlich, da es ohnehin gemäß §§
570, 578 BGB ausgeschlossen sei. Die Berufungsbegründungsfrist sei daher am 16.
Januar 2012 abgelaufen, ohne dass der Beklagte zu
1 seine Berufung begründet habe, so dass sie als unzulässig zu verwerfen sei. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung biete auch keine Erfolgsaussicht, da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu
1 durch den am 23.
Januar 2012 weitergeleiteten Schriftsatz der Klägerin Kenntnis davon erhalten habe, dass das Insolvenzverfahren die [X.] nicht betreffe. Hinsichtlich der vom Beklagten zu
1 geltend gemachten Hilfs-widerklage sei der Rechtsstreit hingegen unterbrochen.
10
11
12
-
6
-
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffas-sung des [X.] ist der Rechtsstreit bezogen auf den Beklagten zu
1 gemäß §
240 ZPO insgesamt unterbrochen mit der Folge, dass der Lauf einer jeden Frist gemäß §
249 ZPO endet und nach Beendigung der Unterbre-chung die volle Frist von neuem zu laufen beginnt.
[X.]) Nach §
240
ZPO wird im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer [X.] das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird.
Das Verfahren wird allerdings nur unterbrochen, wenn es unmittelbar oder
mittelbar die Insolvenzmasse (§§
35, 36 [X.]) betrifft. Der Streitgegen-stand muss entweder Bestandteil der Insolvenzmasse oder aus ihr zu leisten sein. Eine Unterbrechung findet deshalb nur statt, wenn und soweit der Gegen-stand des anhängigen Verfahrens ein Vermögensgegenstand ist, der rechtlich zur Insolvenzmasse gehören kann ([X.]/Gehrlein 4.
Aufl. §
240 Rn.
16). Betrifft nur einer von mehreren im Prozess zusammen geltend ge-machten Ansprüchen die Insolvenzmasse, so wird grundsätzlich (zunächst) einheitlich der gesamte Rechtsstreit unterbrochen ([X.] Urteil vom 21.
Oktober 1965 -
Ia
ZR
144/63
-
NJW 1966, 51; [X.]/Gehrlein 4.
Aufl. §
240 Rn.
18; Hk-ZPO/[X.] 5.
Aufl. §
240 Rn.
7).
Im Rahmen einer Räumungsklage ist zwischen Räumungs-
und Heraus-gabeanspruch zu differenzieren. Nach §
985 BGB hat der Besitzer dem [X.] den unmittelbaren Besitz an der Sache zu verschaffen, insbesondere den Zugang zu ermöglichen und die Wegnahme zu dulden. Davon ist die mietver-tragliche [X.] zu unterscheiden. Sie hat grundsätzlich zum Inhalt, dass der Mieter bei Vertragsende die Mietsache auch im vertragsgemäß ge-13
14
15
16
-
7
-
schuldeten Zustand zurückzugeben, ihn also notfalls herzustellen hat. Diese weitergehende Pflicht des Mieters beruht allein auf dem von ihm [X.] (Senatsbeschluss vom 7.
Juli 2010 -
XII
ZR
158/09
-
NZM 2011, 75 Rn.
9
f.). Die [X.] betrifft daher -
anders als der bloße Herausga-beanspruch (vgl. [X.] Urteil vom 19.
Juni 2008
-
IX
ZR
84/07
-
NJW 2008, 2580 Rn.
14)
-
immer auch die Insolvenzmasse.
bb) Gemessen hieran ist der Rechtsstreit bezogen auf die gegen den Beklagten zu
1 gerichtete Räumungsklage insgesamt unterbrochen. Jedenfalls hat die Verpflichtung des Beklagten zu
1 zur Räumung den Rechtsstreit inso-weit insgesamt unterbrochen, da auch nur einer von mehreren im Prozess zu-sammen geltend gemachten, die Insolvenzmasse betreffenden Ansprüche
die Unterbrechung des gesamten Rechtsstreits bewirkt.
3. Gemäß §
577 Abs.
5 Satz
1 ZPO kann der Senat
über die Rechtsbe-schwerde abschließend entscheiden. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es der Klägerin unbenommen bleibt, den Rechtsstreit hinsichtlich ihres Herausgabeanspruchs gemäß §
86 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m.
§
47 [X.] aufzunehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 7.
Juli 2010 -
XII
ZR
158/09
-
NZM 2011, 75).
17
18
-
8
-
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde
des Beklagten zu
2 ist zurückzuweisen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ent-scheidung des
Revisionsgerichts erfordert (§
543 Abs.
2 Satz
1 ZPO). Von [X.] näheren
Begründung wird gemäß §
544 Abs.
4 Satz
2, 2.
Halbsatz
ZPO abgesehen.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.10.2011 -
3 O 1718/09 -

OLG Naumburg, Entscheidung vom 05.11.2012 -
9 [X.] -

19

Meta

XII ZR 136/12

10.12.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2014, Az. XII ZR 136/12 (REWIS RS 2014, 495)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 495

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZR 136/12 (Bundesgerichtshof)

Räumungs- und Herausgabeanspruch gegen den Gewerberaummieter: Umfang einer Unterbrechung des Rechtsstreits wegen Insolvenzverfahrenseröffnung


XII ZR 158/09 (Bundesgerichtshof)

Insolvenzverfahren: Begründung nur eines begrenzten Aussonderungsrechts durch den Anspruch auf Herausgabe der Mietsache


XII ZR 158/09 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 125/06 (Bundesgerichtshof)


VIII ZB 79/11 (Bundesgerichtshof)

Kostenfestsetzungsverfahren: Unterbrechung durch Insolvenz eines Verfahrensbeteiligten


Referenzen
Wird zitiert von

I B 43/20 (AdV)

Zitiert

XII ZR 136/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.