Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.04.2016, Az. II R 54/14

2. Senat | REWIS RS 2016, 12673

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Gegenstand

Verwertungsbefugnis bei Treuhandverhältnissen


Leitsatz

Veranlasst der einzige Kommanditist einer GmbH & Co. KG, der zugleich der alleinige Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, die KG dazu, ein dieser gehörendes Grundstück ohne Gegenleistung zur Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtung aus einem als Treugeber abgeschlossenen Treuhandvertrag auf den Treuhänder zu übertragen, begründet der Treuhandvertrag keine Verwertungsbefugnis des Kommanditisten i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2013  5 K 4091/08 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, war die einzige Kommanditistin einer GmbH & Co. [X.] ([X.]) und Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH, die im Innenverhältnis am Vermögen der [X.] nicht beteiligt war. Die [X.] war u.a. Eigentümerin von Grundstücken in [X.], die ihr die Klägerin im Jahr 1996 übertragen hatte.

2

Die Klägerin schloss am 19. Dezember 2005 als [X.]reugeberin mit [X.] als [X.]reuhänder zur Sicherung der betrieblichen Versorgungsrechte, die ihren Mitarbeitern und ehemaligen Mitarbeitern sowie deren Hinterbliebenen zustehen, einen Sicherungs-[X.]reuhandvertrag. Durch diesen Vertrag erhielten die [X.]egünstigten für den Sicherungsfall Ansprüche gegen [X.] Um es [X.] zu ermöglichen, ggf. diese Ansprüche zu erfüllen, hatte die Klägerin dem [X.] zu übertragen und für den Regelfall zu belassen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung der Klägerin übertrug die [X.] u.a. die ihr gehörenden Grundstücke in [X.] durch notariell beurkundeten [X.] ohne Gegenleistung auf [X.] Auch die Klägerin war [X.] dieses Vertrags.

3

Der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) war der Ansicht, die Klägerin habe durch den [X.] von [X.] die [X.] an den Grundstücken i.S. des § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erlangt, und setzte demgemäß gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Während des [X.] setzte das [X.] die Steuer aufgrund der inzwischen erfolgten gesonderten Feststellung der [X.] durch [X.]escheid vom 2. November 2006 auf 40.427 € herab. Der Einspruch blieb im Übrigen erfolglos.

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der auf Aufhebung des Steuerbescheids gerichteten Klage mit der [X.]egründung statt, es handle sich nicht um einen üblichen Auftragserwerb. Die Klägerin könne die Grundstücke nicht für sich verwerten. Als alleiniger Kommanditistin der [X.] habe ihr zudem bereits vor der Übertragung des Eigentums an den Grundstücken auf [X.] eine zumindest mittelbare [X.] zugestanden. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2015, 581, veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung von § 1 Abs. 2 GrEStG. Die Klägerin habe aufgrund der geschlossenen Verträge von [X.] die Verwertungsmöglichkeit an den Grundstücken in [X.] erlangt. Aufgrund ihrer Gesellschafterstellung in der [X.] habe sie keine Verwertungsmöglichkeit gehabt.

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2, 4 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Klägerin den [X.]atbestand des § 1 Abs. 2 [X.] nicht erfüllt hat.

9

1. Nach § 1 Abs. 2 [X.] unterliegen Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.

a) Dadurch sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht --wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 [X.]-- zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der [X.] im Außenverhältnis kommt, bei denen der Eigentümer einem anderen aber im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann (Urteile des [X.] --BFH-- vom 26. Juli 2000 II R 33/98, [X.], 206; vom 24. April 2013 II R 32/11, [X.], 165, [X.], 962, Rz 11, und vom 22. Oktober 2014 II R 41/13, [X.], 232, Rz 14).

b) Diese Voraussetzungen sind beispielsweise beim sog. Auftragserwerb erfüllt, bei dem der Auftraggeber die Rechtsmacht erlangt, von dem Beauftragten, der in seinem Auftrag im eigenen Namen ein Grundstück von einem Dritten erworben hat, die Auflassung des Grundstücks (§ 925 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) zu verlangen (§ 667 BGB ggf. i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB) oder es --bei entsprechender Ausgestaltung des [X.] durch andere Maßnahmen der Substanz nach auf eigene Rechnung zu verwerten (BFH-Urteile in [X.], 206; vom 8. November 2000 II R 55/98, [X.], 245, [X.] 2001, 419, und in [X.], 232, Rz 15). Eine [X.] des Auftraggebers i.S. von § 1 Abs. 2 [X.] kann auch bei Vereinbarung eines [X.]reuhandverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten gegeben sein (BFH-Urteil in [X.], 232, Rz 16, m.w.N.). In solchen Fällen unterliegt nicht nur der Erwerb des Grundstücks durch den Beauftragten der Grunderwerbsteuer, sondern gemäß § 1 Abs. 2 [X.] auch die damit dem Auftraggeber verschaffte [X.] (BFH-Urteile in [X.], 245, [X.] 2001, 419, und in [X.], 232, Rz 15).

c) [X.] ein Grundstückseigentümer sein Grundstück aufgrund eines [X.]reuhandvertrags auf den [X.]reuhänder, verschafft dieser hingegen dem [X.]reugeber nicht die [X.] i.S. von § 1 Abs. 2 [X.]. Vielmehr verbleibt die [X.] des [X.] aufgrund des [X.]reuhandvertrags von vornherein bei diesem, soweit sie bestehen bleibt (Nr. 1.1. letzter Satz der gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 12. Oktober 2007, [X.], 757; [X.], [X.], Kommentar, 10. Aufl., § 1 Rz 87; [X.] in [X.], [X.], 17. Aufl., § 1 Rz 211; [X.], [X.], Kommentar, 5. Aufl., § 1 Rz 108).

d) Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesellschafters auf [X.] reichen für eine [X.] i.S. des § 1 Abs. 2 [X.] nicht aus. Das folgt aus der Systematik des Grunderwerbsteuerrechts, das Gesamthandsgemeinschaften und Kapitalgesellschaften als eigene Rechtssubjekte behandelt (BFH-Urteile vom 27. März 1991 II R 82/87, [X.], 473, [X.] 1991, 731, unter II.2.; vom 1. März 2000 II R 53/98, [X.], 416, [X.] 2000, 357, und in [X.], 165, [X.], 962, Rz 13). § 1 Abs. 2 [X.] erfasst als Ersatztatbestand regelmäßig nur diejenigen Fälle, in denen die Beteiligten vom Abschluss eines Verpflichtungsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] der Grunderwerbsteuer unterliegt, absehen und an Stelle des Eigentums nur die [X.] übergehen lassen (BFH-Urteil in [X.], 473, [X.] 1991, 731, unter II.2.).

2. Der [X.]atbestand des § 1 Abs. 2 [X.] ist im Streitfall nicht erfüllt. Dies ergibt sich zwar nicht bereits daraus, dass die Klägerin einzige Kommanditistin der [X.] und Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH gewesen war; denn dies vermittelte ihr nicht die [X.] an den Grundstücken. Die Klägerin hat die Rechtsposition, die ihr an den Grundstücken aufgrund des [X.] zustand, aber nicht von [X.] erhalten, sondern im Rahmen der Grundstücksübertragung auf [X.] zurückbehalten. Diese Zurückbehaltung war möglich, weil die Grundstücksübereignung von der [X.] auf [X.] nicht auf einer zwischen diesen bestehenden schuldrechtlichen Grundlage beruhte. Bei der Grundstücksübereignung handelte es sich vielmehr um einen Fall des abgekürzten [X.]. Indem die Klägerin die [X.] zu der Grundstücksübereignung ohne Gegenleistung veranlasste, verwendete sie die Grundstücke, um damit im Verhältnis zu [X.] teilweise ihre aus dem Sicherungs-[X.]reuhandvertrag folgende Verpflichtung zur Übertragung von Vermögensgegenständen auf [X.] zu erfüllen. Diese Verwendung der Grundstücke beruhte im Verhältnis der Klägerin zur [X.] auf dem Gesellschaftsverhältnis und stellt daher zivilrechtlich eine Entnahme der Grundstücke aus dem Gesellschaftsvermögen dar (vgl. MünchKommHGB/Priester, 3. Aufl., § 122 Rz 5; Eberoth/ Boujong/[X.]/Strohn/Ehricke, Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 122 Rz 4; [X.]/[X.]/[X.], HGB, 36. Aufl., § 122 Rz 1; [X.] in Röhricht/[X.] von Westphalen/[X.], HGB, 4. Aufl., § 122 Rz 1b; Ensthaler, GK-HGB, 8. Aufl., § 122 Rz 2). [X.] hat die Grundstücke zwar sachenrechtlich von der [X.], schuldrechtlich aber aufgrund des [X.] von der Klägerin als Leistende erhalten. Dabei behielt die Klägerin die Rechtsposition zurück, die ihr an den Grundstücken aufgrund des [X.] zustand. Ob diese Rechtsposition eine [X.] i.S. des § 1 Abs. 2 [X.] begründet, kann danach auf sich beruhen. Für die Entnahme der Grundstücke aus dem Gesellschaftsvermögen der [X.] durch die Klägerin ist nach § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.] keine Grunderwerbsteuer zu erheben.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 54/14

20.04.2016

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 18. Dezember 2013, Az: 5 K 4091/08, Urteil

§ 1 Abs 2 GrEStG 1997, § 122 HGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.04.2016, Az. II R 54/14 (REWIS RS 2016, 12673)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 12673

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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