Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2013, Az. VIII ZR 273/12

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1940

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 273/12
Verkündet am:

16. Oktober 2013

Ermel

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 439 Abs. 3
Der Verkäufer,
der vorprozessual nur das Vorhandensein von Mängeln bestreitet und aus diesem Grund die Nacherfüllung insgesamt verweigert, ist in der Regel nicht [X.] gehindert sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewähl-ten Art der Nacherfüllung
erst im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen.
[X.], Urteil vom 16. Oktober 2013 -
VIII ZR 273/12 -
OLG Nürnberg

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin
Dr.
[X.], [X.]
Schneider und die Rich-terin Dr.
Fetzer
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] -
5.
Zivilsenat
-
vom 20.
Juli
2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger schloss am 8.
August 2009 mit der A.

L. Zweignie-derlassung der [X.] in [X.]einen Leasingvertrag über einen als Geschäftsfahrzeug genutzten Neuwagen [X.]. Das Fahrzeug wurde am 6.
Oktober 2009 ausgeliefert. Der Kläger begehrt aus ab-getretenem Recht der Leasinggeberin unter Berufung auf verschiedene Mängel des Fahrzeugs Nacherfüllung durch Lieferung eines Neufahrzeugs.
Das [X.] hat die Klage nach Einholung eines [X.] abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Oberlandesge-richt der Klage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom 1
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Senat zugelassenen Revision, mit der sie die Wiederherstellung des erstin-stanzlichen Urteils erstrebt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Dem Kläger stehe aus abgetretenem Recht der Leasinggesellschaft ge-mäß §
437 Nr.
1, §
439 Abs.
1 [X.] ein Anspruch auf Nacherfüllung in Form der Lieferung einer mangelfreien Sache zu. Die ergänzende Beweisaufnahme durch den Senat habe ergeben, dass das Fahrzeug des [X.] zumindest ei-nen wesentlichen, die Verkehrssicherheit berührenden Mangel aufweise. Die Zeugin [X.]habe die Behauptung des [X.] bestätigt, dass die beiden Au-ßenspiegel, die beim Abstellen des Fahrzeuges
-
möglicherweise auch erst beim Absperren
-
selbsttätig anklappten, beim Starten des [X.] jedoch [X.] ausklappen müssten, diese Funktion nicht zuverlässig ausführten. Auf das Vorliegen weiterer Fahrzeugmängel komme es daher nicht an.
Der Anspruch aus § 439 Abs.
1 [X.] setze keine Fristsetzung voraus. Da die Beklagte die Behebung des Mangels hinsichtlich der Funktion der [X.] verweigert habe, die möglicherweise mit verhältnismäßig geringen Kos-ten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte erreicht werden [X.], könne sie sich nun nicht gemäß §
439 Abs.
3 Satz
1 [X.] darauf berufen, 3
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gerade die vom Kläger geltend gemachte Art der Nacherfüllung sei für sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden.

II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Beklagte nicht gehindert
ist, die Einrede aus §
439 Abs.
3 [X.] gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung zu erheben.
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Au-ßenspiegel des Fahrzeugs ihre Funktion, beim Starten des [X.] wieder [X.], nicht zuverlässig ausführen und das Fahrzeug damit einen wesentli-chen, die Verkehrssicherheit berührenden Mangel aufweist. Die gegen diese Tatsachenfeststellung von der Revision erhobenen
Verfahrensrügen greifen nicht durch; von einer näheren
Begründung wird gemäß §
564 Satz
1 ZPO ab-gesehen.
2. Auch die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts, dass die [X.] die Mangelbeseitigung insgesamt und damit auch hinsichtlich der Au-ßenspiegel verweigert hat, ist nicht zu beanstanden. Die Revision hält dem [X.], die Beklagte dürfe die Mangelbeseitigung verweigern,
bis der Kläger das Vorliegen eines
Mangels bewiesen habe. Das trifft nicht zu.
Wenn der Verkäufer einen Mangel weiterhin bestreitet, nachdem er Ge-legenheit zur Überprüfung des Mangels erhalten hat, so geschieht dies auf ei-genes
Risiko. So war es hier. Der Kläger hatte im September 2010, also noch vor Klageerhebung, unter anderem auch das zeitweise Nichtfunktionieren der Außenspiegel beanstandet. Im Schreiben des Prozessbevollmächtigten des 7
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[X.] vom 5.
Oktober 2010 wurde
das nochmals wiederholt. Darauf erwiderte die Beklagte mit E-Mail vom 8.
Oktober 2010, dass das Fahrzeug keine Mängel aufweise beziehungsweise der Kläger die Mängel nicht habe vorführen können. Ebenso hätten die Beanstandungen des [X.] den Herren der [X.] nicht vorgeführt werden können; das Fahrzeug entspreche dem Stand der Technik. Sodann heißt es: "Wir werden das Fahrzeug daher auch nicht mehr überprü-fen."
Das ist eine hinreichend deutliche Verweigerung der Mangelbeseitigung (auch) hinsichtlich der Funktionsweise der Außenspiegel.
3. Die Revision beanstandet aber mit Recht, dass das Berufungsgericht es der Beklagten versagt hat, sich gegenüber dem
vom Kläger geltend gemach-ten Anspruch auf Ersatzlieferung (§
439 Abs.
1 Alt.
2 [X.]) auf das Verweige-rungsrecht aus §
439 Abs.
3 [X.] zu berufen.
a) Nach §
439 Abs.
3 [X.] kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des §
275 Abs.
2 und 3 [X.] verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Nach dem revisions-rechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Beklagten
wäre die Lieferung eines Neufahrzeugs
für die Beklagte im Vergleich
zur Mangelbeseitigung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden.
Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Funktion der Außenspiegel möglicherweise mit [X.] geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte
erreicht werden können.
b) Bei dieser Sachlage ist der Beklagten die Berufung auf das Verweige-rungsrecht aus §
439 Abs.
3 [X.] gegenüber dem vom Kläger geltend gemach-ten Anspruch auf Ersatzlieferung entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts nicht deshalb verwehrt, weil die Beklagte
eine Mangelbeseitigung insge-samt und damit auch hinsichtlich der Außenspiegel
verweigert hat.
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Verweigert der Verkäufer die Nacherfüllung zu Unrecht
mit der [X.], dass keine Mängel vorhanden seien,
so stehen dem Käufer die sekundä-ren Käuferrechte aus §
437 Nr.
2 und 3 [X.] zu. Der Käufer kann aber auch -
wie hier
-
den Anspruch auf Nacherfüllung aus §
437 Nr.
1, §
439 [X.] klage-weise geltend machen mit der Folge, dass dem Verkäufer unter den Vorausset-zungen des §
439 Abs.
3 [X.] das Recht zusteht, gerade die vom Käufer ge-wählte Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zu verweigern. Die Beklagte ist deshalb aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, sich gegen-über dem geltend gemachten Anspruch auf Ersatzlieferung darauf zu berufen, dass die Lieferung eines Neufahrzeugs für sie im Vergleich zur Beseitigung der vorhandenen Mängel mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden wäre.
Die vom Berufungsgericht vertretene Einschränkung dieses Rechts kann aus der gesetzlichen Regelung nicht hergeleitet werden.
c) Die Berufung auf
das Verweigerungsrecht aus § 439 Abs. 3 [X.] ist entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung des [X.] auch nicht "verfristet".
Es kann dahingestellt bleiben, ob sich der Verkäufer auf die Einrede aus § 439 Abs. 3 [X.] dann nicht mehr
berufen kann, wenn
der Käufer bereits wirk-sam vom Vertrag zurückgetreten
ist
(so
[X.], NJW-RR 2007, 353
f.; vgl. dazu [X.], NJW 2007, 1, 5
f.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Kläger ist nicht vom Vertrag zurückgetreten, sondern begehrt weiterhin Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung.
Soweit der Kläger meint, der Verkäufer sei bereits dann mit der Einrede der Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn er sie nicht vor Ablauf der ihm gesetzten Frist zur Nacherfüllung erhoben habe
(ebenso [X.]/
[X.], [X.], 72. Aufl., § 439 Rn. 14
unter Bezugnahme
auf [X.], 14
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aaO), kann dem nicht gefolgt werden. Der Anspruch des Käufers auf Nacherfül-lung ist nicht von einer Fristsetzung des Käufers gegenüber dem [X.]. Ebenso wenig
schreibt § 439 Abs. 3 [X.] vor, dass der Verkäufer sich nur dann auf die Einrede berufen kann, wenn er diese innerhalb einer
vom Käu-fer gesetzten
Frist zur Nacherfüllung erhebt. Der Verkäufer ist deshalb
in der Regel nicht daran gehindert, sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung erst
im Rechtsstreit über den Nacherfüllungsanspruch zu berufen, auch wenn er vorprozessual nur
das [X.] von Mängeln bestritten und aus diesem Grund die Nacherfüllung verweigert hatte.
Insoweit gilt nichts anderes als für die Verjährungseinrede, die ebenfalls auch dann noch im Rechtsstreit geltend gemacht werden kann, wenn vorprozessual der Anspruch insgesamt bestritten worden war.
d) Die von der Beklagten
im Rechtsstreit erhobene Einrede
aus § 439 Abs. 3 [X.] ist auch nicht aus dem Grund
unbeachtlich, dass die Beklagte die behauptete
Unverhältnismäßigkeit, wie der Kläger in der Revisionserwiderung meint,
nicht substantiiert hätte.
Das Berufungsgericht hat die Einrede nicht als unsubstantiiert angese-hen; auch der Kläger hat dies in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht. [X.] hat das Berufungsgericht die Einrede -
zu Unrecht -
aus materiell-rechtlichen Gründen für unbeachtlich gehalten. Es hat
daher die Voraussetzun-gen des § 439 Abs. 3 [X.] nicht abschließend
geprüft, sondern nur für möglich gehalten, dass die Funktion der Außenspiegel mit verhältnismäßig geringen Kosten durch Austausch eines elektronischen Bauteiles hätte erreicht werden können.

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III.
Da die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
Das Berufungsgericht wird die prozessualen und materiell-rechtlichen Folgen zu berücksichtigen haben, die sich aus der im Revisionsverfahren
ein-getretenen Beendigung des Leasingvertrages für den [X.] ergeben, soweit dieser nicht von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt [X.] ist.
Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: Da das
Berufungsgericht -
von seinem Standpunkt aus folgerichtig
-
nicht abschließend geprüft hat, ob hinsichtlich des festgestellten Mangels der Außenspiegel die Voraussetzungen des §
439 Abs.
3 [X.] gegenüber dem
Anspruch auf Ersatz-lieferung vorliegen, wird es dies nachzuholen und hierzu
-
gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien -
die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Wenn die Einrede aus § 439 Abs. 3 [X.] insoweit begründet

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sein sollte, wird
zu prüfen
sein,
ob weitere Mängel vorliegen und der Klage auf Ersatzlieferung -
unter Berücksichtigung der Einrede aus § 439 Abs.
3 [X.] -
zum Erfolg verhelfen.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. [X.]

Dr. Schneider

Dr. Fetzer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.11.2011 -
1 O 2271/10 (3) -

OLG Nürnberg, Entscheidung vom 20.07.2012 -
5 U 2605/11 -

Meta

VIII ZR 273/12

16.10.2013

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2013, Az. VIII ZR 273/12 (REWIS RS 2013, 1940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1940

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 273/12

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